Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und des Abg. Lars Rohwer, CDU)

Meine Damen und Herren, das war Frau Hermenau von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Für die NPD-Fraktion jetzt Herr Abg. Arne Schimmer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den vergangenen Monaten ist es ruhiger um das Thema Finanzkrise geworden, da sich die Situation an den internationalen Kapital- und Finanzmärkten sowie im Finanzsektor scheinbar beruhigt hat. Diese zwischenzeitliche Entspannung dürfte sich als böse optische Täuschung erweisen, denn die Verschuldungskrise der letzten Jahre wird nun mit noch mehr Schulden bekämpft – was dem Versuch gleichkommt, ein Feuer mit Benzin zu löschen. Die Schuldenmassen werden nicht abgebaut, sondern nur verschoben. Sie wandern verstärkt von den Unternehmen und dem Finanzsektor zum Staat.

Diese Abwälzungsstrategie wird auch innerhalb des staatlichen Gesamtgefüges konsequent betrieben, denn die auf Bundesebene großzügig beschlossenen Steuersenkungen werden vor allem auf der Ebene der Länder und der Kommunen große Löcher in die Budgets schlagen.

Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth, warnt vor den Steuersenkungsplänen von Union und FDP und befürchtet, dass zahlreiche Kommunen finanziell zusammenbrechen und ihren Bürgern immer weniger und immer schlechtere Leistungen anbieten können.

Was Frau Roth für die Zukunft befürchtet, ist in Teilen unseres Freistaates schon längst bittere Realität. Der Landkreis Nordsachsen, der vor gerade einmal 16 Monaten im Zuge der Kreisgebietsreform aus den Kreisen Delitzsch und Torgau-Oschatz gebildet wurde, ist praktisch pleite. Der Kreistag hat gestern den Haushaltsplan für das Jahr 2010 beschlossen, in dem 25,4 Millionen Euro mehr Ausgaben als Einnahmen eingeplant sind, und nur die vier Kreisräte der NPD verweigerten sich diesem Wahnsinn.

Der Kreiskämmerer Kai Emanuel hat dieser Tage lakonisch festgestellt, dass das, was an Schuldentilgung und Haushaltssicherung verlangt wird, für den Kreis Nordsachsen gar nicht zu leisten ist. Damit ist die Finanzkrise in ihrer vollen Wucht und Dramatik auch erstmals in Sachsen in einer größeren Gebietskörperschaft mit voller Wucht angekommen.

In einer solchen Situation muss man sich einfach verweigern, wenn einem aus Berlin statt eines Rettungsringes eine Bleiweste zugeworfen wird.

(Beifall bei der NPD)

Die in Berlin ausgeheckten Steuersenkungspläne sind teilweise hanebüchener Unsinn und hochgradig unseriös. Man denke nur an den Plan, die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen ab Januar von 19 auf 7 % zu senken – wahrscheinlich ein Geschenk an Herrn Lohmeyer. Leider wurde ausgerechnet dieser – um es in bayerischer Landessprache auszudrücken – Schmarren auch in den schwarz-gelben Koalitionsvertrag hier in Sachsen hineingeschrieben, während die Staatsregierung gleichzeitig umfangreiche Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst ankündigt, von denen auch die Bereiche Polizei und Schule nicht ausgenommen werden sollen.

Eine solche Finanzpolitik ist Klientelpolitik und Lobbyismus der übelsten und durchsichtigsten Sorte; denn die Hoteliers sollen in einer haushaltspolitischen Krisenzeit nur deshalb privilegiert werden, weil sich in ihrer Gruppe besonders viele FDP-Wähler finden.

Eine weitere glorreiche Idee der schwarz-gelben Bundesregierung war es offensichtlich, den durch ihre Steuersenkungspläne erst erzeugten Schuldenplan in einem Schattenhaushalt zu verstecken. Dieses Vorhaben scheiterte zum Glück an einem Proteststurm, der sich daraufhin in der Öffentlichkeit erhob. Eine solche Politik darf vom Freistaat im Bundesrat auf keinen Fall mitgetragen werden.

Wenn Herr Zastrow mutmaßt, dass Steuersenkungen in Sachsen auch ohne neue Verschuldung möglich sind, dann liegt seiner Überzeugung die Logik eines Barmannes auf der Titanic zugrunde. Wenn im nächsten Jahr eine hohe Neuverschuldung noch zu vermeiden ist, dann doch nur deshalb, weil die in zwei Jahrzehnten aufgebauten Rücklagen aufgebraucht werden. Spätestens ab dem Jahr 2011 wird auch der einstige haushaltspolitische Musterschüler Sachsen seine Neuverschuldung stark erhöhen müssen, um den Haushalt ausgleichen zu können.

CDU und FDP wollen ausgerechnet in Zeiten der größten Krise zurück zu den schon gründlich gescheiterten neoliberalen Konzepten der vergangenen Jahre oder Jahrzehnte – zurück zu „Reagonomics“ und „Thatcherismus“. Das Märchen von den sich selbst finanzierenden Steuersenkungen, das eine Zeit lang unter dem Stichwort LafferKurve auch eine große Karriere an deutschen Universitäten machte, ist schon längst widerlegt. Sachsen sollte deshalb den Mut haben, im Bundesrat gegen eine Politik der ausgemachten haushaltspolitischen Unvernunft zu stimmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde zu dem Antrag „Keine Steuersenkungen ohne realistische Gegenfinanzierung“.

Gibt es weiteren Redebedarf seitens der Fraktionen? – Herr Abg. Pecher, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege Rohwer, ich habe ja gesagt, dass ich versuchen werde zu erklären, was ich mit dem Thema Kreditaufnahme meine. Ich nehme an, eines ist unstrittig – das wissen Sie auch –: Wenn wir die geplanten Mindereinnahmen im Haushalt abbilden wollen – in der Vollausfertigung dessen, was die FDP in der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene vereinbart hat, belaufen sie sich auf insgesamt 40 Milliarden Euro, die Ausfälle für die Länder auf über 16 Milliarden Euro –, dann können wir dies nur noch kreditfinanzieren. Um das zu verhindern, muss dieses Programm im Bundesrat gestoppt werden.

Insbesondere der FDP möchte ich noch einmal ins Stammbuch schreiben, was Herr Bartl wohl schon im Präsidium gesagt hat: Es gibt kein Recht im Unrecht. – Selbst wenn Sie für sich in Anspruch nehmen zu sagen, es sei alles Mist, was in den vergangenen 20 Jahren in der Bundesrepublik gelaufen ist, einschließlich der Transferleistungen für den Aufbau Ost und dieses schönen Saals, in dem wir sitzen,

(Holger Zastrow, FDP: Wer sagt das denn?)

und wenn das alles auf Pump finanziert worden ist, dann müssen Sie sich die Jacke anziehen und die Frage beantworten: Warum machen Sie genauso weiter?

(Lachen des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Es ist erwiesen, dass es nicht möglich ist, mit Steuersenkungen Steuermehreinnahmen zu generieren, die die Mindereinnahmen wieder einholen. 15 Bundesländer bekommen ihre Haushalte nicht zu. Bayern mit seiner Landesbank hat einen riesigen Schattenhaushalt. Die HSH Nordbank steht unter Aufsicht. Die West LB gibt es de facto nicht mehr. Wir haben überall Schattenhaushalte in Größenordnungen. Ab 2020 kann kein Bundesland mehr Kredite aufnehmen.

Herr Rohwer und Herr Zastrow, glauben Sie denn ernsthaft, dass dieser Freistaat mit einer cleanen Weste und keinerlei Kreditaufnahme davonkommt, wenn Sie die Staatsverschuldung – mit der Schuldenkonsequenz in den Ländern! – jetzt im Bund fortführen? Glauben Sie, dass dieser Freistaat – a) – davon verschont wird und – b) – es aufhalten kann? Das ist Größenwahnsinn! Das sage ich Ihnen so deutlich. Wir werden uns spätestens in den Beratungen über den Doppelhaushalt 2011/2012 wieder sprechen. Dann werden Sie auch hier – im Ergebnis Ihrer Beschlüsse im Bund! – nicht mehr darum herumkommen, frisches Geld aufzunehmen, ganz abgesehen von der Situation, die Sie in den Kommunen herbeiführen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion – Holger Zastrow, FDP: Ausgabensenkungen! Es gibt ein alternatives Konzept, das wissen Sie!)

Vielen Dank, Herr Pecher.

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Ich kann keine erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Prof. Dr. Unland, bitte. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, um den es hier geht – ich habe ihn mir noch einmal durchgelesen –, zielt offensichtlich auf eine Passage im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ab. Danach hat die Bundesregierung die Absicht bekundet, im Laufe der Legislaturperiode steuerliche Entlastungen umzusetzen, und zwar – Herr Dulig, das haben Sie richtig beschrieben – bis zu maximal 24 Milliarden Euro jährlich.

Nun ist der Koalitionsvertrag – Bund – aber eine Vereinbarung, die zuallererst die Bundestagsparteien bindet, die die Bundesregierung stellen; sie bindet aber nicht die Länder. Wenn Länderinteressen berührt werden, werden diese im jeweiligen konkreten Fall im Bundesrat wahrgenommen. Gerade bei Steuergesetzen nehmen die Länder – und damit auch Sachsen – über den Bundesrat die ihnen zustehenden Rechte verantwortlich wahr. Wenn Sie die Diskussion in den vergangenen Wochen verfolgt haben, werden Sie sicherlich bemerkt haben, dass Sachsen insoweit eine deutlich andere Position eingenommen hat und wir auch zurzeit möglichst immer noch weiterverhandeln.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, es ist richtig, dass wir weiterverhandeln und jetzt noch keine Blockadepolitik betreiben.

Wenn die Antragsteller aber schon auf eine einzelne Passage hinweisen, dann sollten sie auch den großen Rest der Vereinbarung beachten. Zu dem Bereich Finanzen heißt es nämlich – ich zitiere –: „Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“

Dies muss man im Zusammenhang sehen. Deshalb halte ich eine große Aufgeregtheit und Aktionismus für nicht angebracht. Angesichts des generellen Finanzierungsvorbehalts darf man Zweifel anmelden, ob die vielen im Koalitionsvertrag – Bund – verabredeten Dinge in ihrer Gesamtheit und in ihrem Umfang überhaupt eine Chance auf Verwirklichung haben.

Die jüngste Steuerschätzung von November bestätigt, dass der Spielraum für neue Wohltaten bei Bund, Ländern und Kommunen nur sehr begrenzt ist. Der Spielraum für dauerhafte Entlastungen wird zusätzlich dadurch eingeengt, dass sich der Bund bekanntlich verpflichtet hat, ab dem Jahr 2016 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen; für die Länder gilt dieses Schuldenverbot ab 2020.

Die Position der Sächsischen Staatsregierung hierzu ist klar: Wir wollen und wir müssen den Kurs der Konsolidierung weitergehen – nicht nur deshalb, weil die Steuer

einnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben, sondern auch deshalb, weil wir zusätzlich auf die stetig sinkenden Einnahmen aus dem Solidarpakt reagieren müssen. Die Flucht in die Neuverschuldung – ich zitiere hier – ist kein Ausweg. Da dürfen wir die Spielräume zukünftiger Generationen nicht einschränken. Aus diesem Grund haben wir bereits im vergangenen Jahr das Verschuldungsverbot gesetzlich eingeführt und wollen dies – ich hoffe, gemeinsam mit möglichst vielen Fraktionen – in der Sächsischen Verfassung verankern.

Dieses Konsolidierungsgebot gilt natürlich auch im Falle von Steuersenkungsplänen. Steuersenkungen auf Pump würden die Handlungsfähigkeit des Landes und der sächsischen Kommunen gefährden.

Die Diskussionen um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zeigen, dass die Länder nicht bereit sind, die Erfüllung von Versprechungen auf Bundesseite unwidersprochen mitzutragen, insbesondere dann nicht, wenn ihre Haushalte betroffen sind. Ich habe es vorhin schon deutlich gemacht: Die Gespräche laufen. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag ist zu allgemein formuliert und geht an den wirklichen Interessen des Freistaates Sachsen vorbei. Die Fortführung der soliden Haushaltspolitik ist für uns prioritär. Dafür stand und steht diese Staatsregierung unverändert fest zu ihren Prinzipien. Hierzu gehören aber auch qualitative Gesichtspunkte der Konsolidierung. Das heißt zum Beispiel, für Änderungen offen zu sein, insbesondere für solche, die neues und stetiges Wachstum generieren. Im Steuerrecht ist Wachstumsförderung nicht mit sofortiger Wirkung zu erreichen. Die positiven Effekte treten meist erst mit zeitlicher Verzögerung ein.

Deshalb bitte ich Sie, den Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.

Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Ich frage die Fraktion der SPD: Besteht der Wunsch nach dem Schlusswort?

(Mario Pecher, SPD: Nein!)

Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/599. Ich bitte um die Dafürstimmen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer großen Anzahl von Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die Mehrheit gefunden.