Ja, das ist eine berechtigte Frage. Das wollen wir so schnell wie möglich machen. Ich gehe davon aus, dass wir 2011 zu einer großen Steuerreform in Sachen Lohn- und Einkommensteuer in Deutschland kommen. Wir haben jetzt mit einem ersten Schritt begonnen. Wir haben auch das wenig Gute, das unter Beteiligung der SPD in der Bundesregierung schon beschlossen gewesen ist, auch an Steuerentlastungsmaßnahmen, fortgeführt, übrigens mit denselben Gegenfinanzierungsvorschlägen, Herr Pecher. Das haben wir nur fortgeführt.
Ja, die Pendlerpauschale, das stimmt. Die Richter mussten sie dazu zwingen, dass dieser Unsinn wieder aufhört.
Wir haben einen ersten Schritt gemacht, und ich denke, einem Land, das wie Sachsen sehr stark vom Tourismus lebt – das Hotel- und Beherbergungsgewerbe ist für Sachsen ein wichtiger Arbeitgeber, ein wichtiger Steuerzahler –, tut die Entlastung gut. Ich bin sehr froh, dass wir auch von Sachsen aus diese Entlastung mit durchgesetzt haben.
Die berufstätige Mitte der Gesellschaft, Herr Scheel, sollte erkennen, dass sich ihr Fleiß tatsächlich lohnt. Deswegen ist mehr Netto vom Brutto das Gebot der Stunde. Wenn wir, meine Damen und Herren, zu einer zügigen und konsequenten Steuersenkung eine ebenso konsequente Ausgabensenkung des Staates dazupacken, dann schaffen wir das alles auch – das verspreche ich Ihnen – ohne Neuverschuldung, Herr Scheel.
Eine Staatsreform ist die andere Seite der Steuerreform. Es gibt nun einmal immer zwei Seiten einer Medaille. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern und zu meinen Kollegen in Schleswig-Holstein, die nur klagen, ohne selbst auch nur einen einzigen Vorschlag zur Reduzierung der eigenen Staatsausgaben zu unterbreiten, ist sich der Freistaat Sachsen genau dieses Umstandes sehr wohl bewusst. Er trägt diese staatspolitische Verantwortung in vollem Bewusstsein.
CDU und FDP stellen sich im Koalitionsvertrag deshalb mit ihrem eindeutigen Bekenntnis zu einem einfachen, niedrigen und gerechten Steuersystem und einer auf das Jahr 2020 zielenden umfassenden Staatsmodernisierung dieser Herausforderung. Das ist der Unterschied von Sachsen zu allen anderen Bundesländern in Deutschland.
Ich danke Ihnen, Herr Zastrow. – Herr Brangs, Sie sind zwar jetzt nicht hier, und meine Damen und Herren Kollegen, ich bitte Sie sehr herzlich und sehr höflich, bei Zwischenrufen nicht persönlich zu beleidigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Nachdem wir nun das Geplänkel, sicherlich testosterongesteuert, zwischen dem vormaligen Koalitionspartner der CDU und nun dem zukünftigen ehemaligen Koalitionspartner der CDU erlebt haben, möchte ich ganz gern zum Thema kommen.
Die letzten Worte meines Vorredners waren etwas vollmundig, die Steuerreform wäre auch ohne Neuverschuldung möglich. Also, Herr Zastrow, dann lieber noch
Mario Barth, und den kann ich schon nicht leiden. Bundesminister Schäuble wird dieser Tage im Bundeshaushalt für 2010 sage und schreibe circa 100 Milliarden Euro Neuverschuldung vorschlagen, 100 Milliarden Euro! Ein Viertel der Neuverschuldung braucht man, um die Ausgaben und die Steuermindereinnahmen überhaupt noch zusammenzubringen.
Ich schlage vor, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie einmal versuchen, die Kluft zwischen Ihrer Theorie und der deutschen Praxis zu schließen, denn es passt offensichtlich nicht zusammen. Wenn Sie, Herr Kollege Rohwer, hier davon sprechen, dass ein maßvoller Umgang mit den Finanzen zu einem guten Staatsverständnis, einer guten Staatsführung gehöre, dann verstehe ich nicht, wie Sie Herrn Schäuble dabei behilflich sein können, im nächsten Jahr 100 Milliarden Euro Neuverschuldung zu machen. Das ist nicht zu machen, das geht nicht zusammen. Da ist die Kluft zwischen Theorie und Praxis.
Im Übrigen muss Herr Schäuble das Kunststück fertigbringen – vielleicht nicht nur er, sondern auch folgende Finanzminister –, bis 2016 auf ein Zehntel dieser Summe runterzukommen.
Sachsen wirft sich immer an die Brust und ist stolz darauf, schon seit Jahren auf Neuverschuldung verzichten zu können. Ich finde diese Strategie im Kern ja auch richtig,
aber es ist nicht vernünftig, dann die anderen für sich Schulden aufnehmen zu lassen. Das ist Murks.
Ich würde sie dabei aber auch nicht unterstützen, das zu tun, denn auch die Schulden des Bundes, die Schulden aus Berlin sind sächsische Schulden und umgekehrt.
Am 2. Juni nächsten Jahres muss Berlin in Brüssel seine Konsolidierungsstrategie vorlegen. Da bin ich ja gespannt. Es kommen noch die weiteren Punkte, die Unsinnspunkte der nächsten Jahre hinzu. 2010 wird das Eigenkapital der deutschen Banken mit circa 100 bis 120 Milliarden Euro belastet. Die sind weiter unterkapitalisiert. Die Eurozone hat Schwierigkeiten mit Griechenland, Irland und Spanien. Dieselbe falsche Null-ZinsPolitik der EZB und der FED führen dazu, dass genau dieselbe Wachstumsblase wieder aufgeblasen wird, die zu dem Problem geführt hat. Wir haben eine Immobilienkrise in Osteuropa – die Österreicher sind besonders betroffen – und die chinesische Binnenmarktorientierung und deren steigende Staatsverschuldung skizziert ein neues Problem.
Diese Wachstumsfalle aus unreflektiertem, ja sogar vorgetäuschtem Wachstum – immerhin kennen wir seit zwei Jahren das Wort „Realwirtschaft“; das ist auch
beredt – erreicht nun den Staat, und da beginnt die dauerhafte Krise. Es wird eine zentrale Herausforderung für unsere Demokratie werden, wie wir das bewältigen. Da wirft die Schuldenbremse, die zu Recht zwischen dem Bund und den Ländern vereinbart worden ist, ihre Schatten voraus. Der Zwist zwischen dem Bund und den Ländern ist doch auch richtig.
Es wird nichts mehr draufzusatteln sein. Wir werden unseren erreichten gesellschaftlichen Wohlstand sichern müssen und wir müssen ihn sozial besser ausbalancieren.
Anstatt sich dieser wirklich wichtigen Frage zu widmen, hat sich Schwarz-Gelb in Berlin erst einmal der Frage verpflichtet, ein sinnloses FDP-Wahlversprechen einzulösen, um denen einen drohenden Gesichtsverlust zu ersparen, und Sie akzeptieren dafür selbst einen drohenden politischen Substanzverlust, und zwar in Ihrem Markenkern. Ich würde mir das reiflich überlegen.
Es ist nicht verboten, so zu handeln, aber es ist ganz klar Klientelpolitik, und das passt nicht zu einer Volkspartei, das können Sie wissen. Die Einzigen, die davon profitieren, dass diese falschen Beschlüsse umgesetzt werden, sind die Liberalen.
Heute hat interessanterweise im Finanzausschuss des Bundesrates das Wachstumsbeschleunigungsgesetz keine Zustimmung gefunden – nur so viel zum Thema.
Da, wo wirklich verhandelt wird, wird offensichtlich anders entschieden, als hier diskutiert wird. Interessant ist allerdings, dass Frau Merkel am Sonntag zum Krisengespräch Herrn Kubicki und Herrn Carstensen von FDP und CDU aus Schleswig-Holstein eingeladen hat – von Tillich ist keine Rede, weil Tillich nämlich nur in der Zeitung gelärmt hat. Ganz offensichtlich gibt es mit ihm nichts zu verhandeln. Dafür spricht auch, Herr Unland, dass Sie die circa 100 Millionen Euro, die wir weniger haben werden, schon für das nächste Jahr mit eingepreist haben.
Es ist also klar, dass Sachsen zustimmen will. Die sind nicht diejenigen, die nicht „zur Vernunft“ gelangen. Es ist schon interessant, dass die Financial Times am 1. Dezember titeln musste „Kiel plädiert auf Notwehr“. Sie haben völlig recht. Diese Hoteliersgeschichte mit der Mehrwertsteuer macht das deutsche Steuersystem noch komplizierter, als es sowieso schon ist, und es war schon das komplizierteste weltweit.
So, finde ich, sieht Handlungsfähigkeit in der Politik nicht aus, und das wollen Sie am 18. Dezember noch verschärfen. Das deutsche Steuerrecht – sagt die „FAZ“ – überfordert die Finanzämter; sie kapitulieren schon vor Überlastung. Herr Zastrow hat noch vor wenigen Tagen in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ gesagt, dass im Koalitionsvertrag in Sachsen klar drinstehen würde, dass wir ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem wollen. Sie wollen die Steuerstruktur umbauen. Wir
bekommen es noch komplizierter, noch ungerechter, und Sie machen den Staat noch schwächer. Wo ist denn da, bitte schön, der Fortschritt? Das hatten wir alles die letzten 30 Jahre in Deutschland.
Herr Wüst vom Wissenschaftlichen Beirat im Bundesfinanzministerium hat im „Handelsblatt“ ausdrücklich dargelegt, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht geeignet ist, wirtschaftliche Erholung nicht zu behindern und explodierende Staatsverschuldung einzudämmen.
Am Beispiel: Wir haben noch einen starken Staat, der immerhin in der Lage ist, durch Zuschüsse an die BA dafür zu sorgen, dass eine Maßnahme wie die Kurzarbeit viele Unternehmen in dieser Krise direkt begünstigt und unterstützt; aber das ist zunehmend steuerfinanziert. Wer also an der Steuerbasis erodiert, muss damit rechnen, direkte Unterstützung der Unternehmen, die auch eine soziale Komponente haben, abzubauen. Ich halte das für absurd.
Herr Engel vom Bundesrechnungshof wurde schon zitiert. Er meinte, die Situation, die wir in Deutschland haben, sei mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht vereinbar. Diese Steuermindereinnahmen, die uns schon aus der Krise drücken, reichen ausdrücklich, und ich bin der Auffassung, dass Sie am 18.12. nicht für Sachsen zustimmen können.
Damit handeln Sie Ihrem Eid zuwider, den Sie hier abgelegt haben. Diese 100 Millionen Euro, die uns dann zusätzlich fehlen werden, hätten wir locker dafür nutzen können, um zum Beispiel den Betreuungsschlüssel an Krippen, Kitas und Horten deutlich zu senken, und zwar pädagogisch sinnvoll – was viele im Hause wollen.
Es wäre locker möglich gewesen. Wir hätten auch noch etwas für die Hochschulen übrig gehabt. Stattdessen kommen Sie mit dieser komischen Mehrwertsteuerverrechnung, die mehr Bildungsausgaben theoretisch behaupten soll. Das ist linke Tasche – rechte Tasche, und Sie wissen das ganz genau.
In Brüssel werden aber dann die Schuldenstände vom Bund und den Ländern addiert vorgetragen; linke Tasche – rechte Tasche. Das ist ein bisschen wie das Spiel „Schraps hat den Hut verloren“.
Weil wir gerade bei solchen Kindergeschichten sind: Herr Rohwer, Ihr Ausflug in Ihre Jugendzeit war ja ganz erhellend; ich vermute, Sie haben auch mitunter mit falschem Glitzer das Stammbuchbild verziert, das Sie noch danebengeklebt haben, um Ihr verbales Nichts optisch etwas aufzupeppen.