Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Wir kommen gleich zur FDP. Ich habe mehr und mehr das Gefühl – Gefühl brauche ich gar nicht mehr sagen, Entschuldigung, denn mittlerweile ist es eine Tatsache –, dass Ihre Steuerentlastungsdebatte, die Sie die ganze Zeit führen, nur ein Ziel hat: den Staat deshalb zu schwächen, um am Ende diese selbsterfüllende Prophezeiung zu bringen: Wir müssen weniger Staat machen, einen schlankeren Staat haben, Personal abbauen, Aufgaben auslagern und möglichst noch Beteiligungen verkaufen.

Das ist die ganze Zeit Ihre Debatte und Sie können natürlich diese Debatte selbst produzieren, indem Sie den Staat handlungsunfähig machen. Das ist meines Erachtens das Ziel dieses Gesetzes. Der Impuls dieser Steuersenkung soll sich irgendwo in Wachstum niederschlagen. Mittlerweile müssten auch Sie begriffen haben, dass er nicht eins zu eins umsetzbar ist und dass nur ein sehr geringer Teil einer Steuerentlastung überhaupt am Ende in den Staatssäckel zurückkommt. Dass die Dinge, die Sie vorgeschlagen haben, überhaupt zu einem Punkt führen, wo letztendlich ein Wirtschaftswachstum herauskommt, wage ich sehr zu bezweifeln.

Wir als Staat haben Instrumente, wenn es um Wirtschaftskrisen geht. Da geht es um Geldpolitik. Die Notenbank macht dort einiges. Wir haben einen Leitzins von 0,5 %, um die Wirtschaft ein wenig anzukurbeln. Es gibt auch die Steuerpolitik. Allerdings sind Ihre eingebrachten Interessen und die Frage, inwieweit wir die Einkommensteuer reformieren, meines Erachtens nur wieder eine Umverteilungspolitik, aber keine Konjunkturpolitik. Aber das habe ich Ihnen schon beim letzten Mal gesagt.

Eines will ich Ihnen sagen: Da Sie nicht bereit sind, auf Argumente – seien sie vom IWF, von den Wirtschaftsweisen oder vom Bundesrechnungshof – zu reagieren, nehme ich an, dass Sie verdammte Angst haben, dass Ihre CDU/FDP-Koalition – die Konstellation im Bund wie im Land – einen Fehlstart hinlegt. Deshalb werden Sie nicht bereit sein, auf die Dummheiten, die Sie im Bundesrat vorhaben, zu verzichten.

Wir nehmen das zur Kenntnis und werden auf jeden Fall dem Antrag der SPD zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Scheel. – Nun ist die Fraktion der FDP an der Reihe. Herr Abg. Holger Zastrow, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie von der SPD sollten aufpassen, welche Debatten Sie uns hier aufzwingen. Sie verfügen sowieso nur noch über geringfügige Glaubwürdigkeitsreste.

(Heiterkeit des Staatsministers Sven Morlok)

Wenn Sie so weitermachen wie bisher, verspielen Sie auch diese.

(Stefan Brangs, SPD: Das sagt der Richtige!)

Oder, lieber Kollege Pecher und lieber Kollege Brangs, wie war das noch mal genau mit der Abwrackprämie? 5 Milliarden Euro für alte Autos – wo, bitte schön, war eigentlich Ihre seriöse Gegenfinanzierung?

(Unruhe bei der SPD)

Seien Sie wenigstens ehrlich! Ihre Gegenfinanzierung zur Abwrackprämie lautete ganz simpel: Staatsverschuldung, und dass das dann ruhig unsere Kinder und Enkel bezahlen können. Seien Sie ehrlich, wenn Sie hier vorn ans Mikro treten, Herr Pecher!

(Beifall bei der FDP – Mario Pecher, SPD: Das sieht Ihr Vorstand aber ganz anders, er kann Ihnen das vorrechnen!)

Dass mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands der größte Schuldenmacher der Nation nur zwei Monate, nachdem Sie Ihre Regierungsbeteiligung in Berlin verloren haben, mit dem Zeigefinger hier vorn steht und uns mahnt, Steuersenkungen nicht ohne realistische Gegenfinanzierung zu machen,

(Stefan Brangs, SPD: Das ist falsch!)

das ist Realsatire pur.

(Beifall bei der FDP)

Wenn es nicht so traurig wäre, hätten Sie sehr gute Chancen, einen noch zu schaffenden Preis für politische Vergesslichkeit in Empfang zu nehmen.

(Heiterkeit des Staatsministers Sven Morlok)

Ich würde Sie auf jeden Fall schon mal dafür nominieren und bin mir sicher, dass viele in diesem Haus diese Nominierung unterstützen würden.

(Beifall bei der FDP – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Preisträger wären Sie! – Zuruf des Abg. Arne Schimmer, NPD)

Da mein Kollege Scheel diesen Aspekt leider vergessen hat, möchte ich ihn gern etwas vertiefen. Wir sollten uns schon daran erinnern. Deshalb frage ich die SPD: Wie lange haben Sie diese Republik regiert? Wie hoch war der Schuldenstand,

(Zuruf der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

als Sie mit Ihrer Regierungsbeteiligung begonnen haben, und wie hoch ist er jetzt? Wie stellte sich die Situation der öffentlichen Haushalte denn unter der SPD-Regierungsbeteiligung im Bund dar?

(Mario Pecher, SPD: So wie in Sachsen!)

Damit Sie nicht blättern müssen, werde ich Ihnen die Antworten geben. Nur zur Erinnerung – es war schlimm genug –: Sie haben dieses Land von 1998 bis 2009 regiert. In dieser Zeit ist die Staatsverschuldung allein des Bundes von 745 Milliarden Euro im Jahr 1998 auf 985 Milliarden Euro im Jahr 2008 angewachsen. Das macht ein Plus von 240 Milliarden Euro aus.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Die CDU war auch dabei! – Staatsminister Sven Morlok: Und die GRÜNEN!)

Das ist das Ergebnis Ihrer Regierungsbeteiligung. Liebe Kollegen von der Sozialdemokratie, außerdem haben Sie die Belastung der Bürgerinnen und Bürger und vor allem des berufstätigen Teils der Gesellschaft nicht nur durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und nicht nur – gerade sehr schmerzlich hier in Sachsen – durch die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge auf Rekordniveau getrieben.

(Mario Pecher, SPD, steht am Mikrofon.)

Die verfügbaren Nettorealeinkommen in Deutschland sind inzwischen dank Ihrer Mithilfe auf dem niedrigen Niveau von 1992 angekommen. Das ist auch Ihr Verdienst, liebe Kollegen von der SPD. Vielen Dank dafür.

Herr Zastrow, Sie gestatten eine Zwischenfrage oder sind Sie fertig? – Bitte.

Gesetzt den Fall, ich folge Ihrer Annahme, und es ist alles so schlimm gewesen, wie Sie es beschrieben haben – erklären Sie mir doch einmal eines: Warum machen Sie dann weiter?

Nein! – –

40 Milliarden geplante neue Schulden!

Nein! Herr Pecher, das haben Sie nicht verstanden. Wenn Sie den Koalitionsvertrag, der ja unheimlich viel Weisheit ausstrahlt, wenn Sie sich – –

(Lachen bei der SPD – Beifall bei der CDU – Andreas Storr, NPD: Das war aber jetzt ein guter Witz!)

Sie müssen sich nur auf das Angebot, das wir Ihnen als CDU und FDP machen, einlassen. Wenn Sie sich darauf einließen, würden Sie erkennen, dass wir auf Wachstum und auf Wachstumskräfte setzen. Entfesselte Wachstumskräfte werden auch zu Steuermehreinnahmen für unseren Staat führen. Das ist nun einmal die Politik, und das ist richtig so.

All das, liebe Kollegen, ist übrigens passiert, obwohl der Staat bis vor einem Jahr, übrigens auf nahezu allen Ebenen, Rekordsteuereinnahmen verzeichnen durfte. Allein in der Zeit vor Schwarz-Gelb, also in der Regierungszeit von Schwarz-Rot, hat der Bund Steuermehreinnahmen in Höhe von 48,5 Milliarden Euro eingezahlt, und auch für den Freistaat Sachsen war das letzte Jahr steuerlich das bisher erfolgreichste seit der Wiedergründung des Freistaates Sachsen 1990.

Der Staat hat in den letzten Jahren aber trotz allem, obwohl wir sehr ordentliche Steuereinnahmen in unserem Land hatten, über seine Verhältnisse gelebt. Notwendige Reformen wurden auf vielen Ebenen versäumt, und die dringend nötige Konsolidierung der öffentlichen Haushal

te ist nur halbherzig und gerade, wenn ich an den Bund denke, überhaupt nicht erfolgt, meine Damen und Herren. Selbst in wirtschaftlichen Aufschwungzeiten ist es der vergangenen Bundesregierung nicht gelungen, der berufstätigen Bevölkerung etwas zurückzugeben, sondern statt dessen ist weiter – das ist deutschlandweit einmalig – in Aufschwungzeiten an der Belastungsschraube bei all denen gedreht worden, die den Aufschwung durch ihre Steuern und Abgaben ja erst möglich gemacht haben.

Die Schulden sind trotz der guten Wirtschaftslage immer weiter gewachsen. Jetzt fordern Sie ernsthaft, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land für diese Versäumnisse – für die Versäumnisse der Politik und für die Versäumnisse der öffentlichen Hand – wieder einmal die Zeche zahlen sollen, indem es keine Steuersenkungen gibt. Für uns steht im Mittelpunkt der Politik immer noch der Bürger, und an den denken wir zuerst, und wir lassen ihn nicht die Zeche dafür zahlen. Davon können Sie ausgehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Genau deshalb stehen für die FDP die Zeichen ganz klar auf Steuersenkungen. Sie sind notwendig, um die berufstätige Bevölkerung und vor allem die ganz normalen Arbeiter, Angestellten und Selbstständigen von ihrer sehr hohen Steuer- und Abgabenlast zu befreien. Dadurch werden – ich habe es schon gesagt – auch Wachstumskräfte freigesetzt, was schließlich zu höheren Steuereinnahmen auch in unseren Staatskassen führen wird, Herr Scheel.

Herr Zastrow, Sie gestatten noch eine Zwischenfrage?

Doch, natürlich.

Vielen Dank, Herr Zastrow. – Weil Sie es ja jedes Mal wieder sagen und auch dieses Mal wieder gesagt haben, dass Sie die Entlastung für die normal arbeitende Bevölkerung und für die normalen Angestellten haben wollen, obwohl Sie jetzt nur für die Hotelbesitzer und für die Erben etwas tun – können Sie mir dann sagen, wann endlich der Punkt kommt, an dem Sie diese Entlastung machen wollen?

(Andreas Storr, NPD: Das ist eine gute Frage!)

Ja, das ist eine berechtigte Frage. Das wollen wir so schnell wie möglich machen. Ich gehe davon aus, dass wir 2011 zu einer großen Steuerreform in Sachen Lohn- und Einkommensteuer in Deutschland kommen. Wir haben jetzt mit einem ersten Schritt begonnen. Wir haben auch das wenig Gute, das unter Beteiligung der SPD in der Bundesregierung schon beschlossen gewesen ist, auch an Steuerentlastungsmaßnahmen, fortgeführt, übrigens mit denselben Gegenfinanzierungsvorschlägen, Herr Pecher. Das haben wir nur fortgeführt.