Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Meine Frage ist folgende: Würden Sie mir zustimmen, dass es im Freistaat Sachsen erstmals in einer Koalition mit der SPD gelungen ist, keine Schulden mehr aufzunehmen, eine Nettotilgung vorzunehmen und die Pensionslasten abzufinanzieren?

(Zuruf des Staatsministers Frank Kupfer – Beifall bei der CDU und Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Herr Rohwer, Sie wollen die Antwort wiederholen?

Ich weiß nicht, ob ich die Antwort wiederholen sollte. Wenn die Antwort von Staatsminister Kupfer, dass die SPD dazu gezwungen werden musste, im Protokoll steht, ist das, glaube ich, ausreichend.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Sachsen wird gezwungen sein, durch die zu erwartenden Steuermindereinnahmen drastische Einsparungen vorzunehmen. Wir müssen aus finanzpolitischer und haushalterischer Sicht noch genauer darauf schauen, wo wir in den

kommenden Jahren das Geld des Freistaates einsetzen. Für die Aufstellung des neuen Doppelhaushaltes 2010/ 2011 im Freistaat Sachsen steht das große Reinemachen an.

Es geht nicht um Aktionismus oder Symbolik, sondern um die Strategie einer neuen Bescheidenheit. Es geht darum, entsprechende Handlungsspielräume für die kommenden Jahre zu schaffen. Die CDU Sachsen hat in den letzten Jahren bewiesen, wie vernünftige Haushaltspolitik gemacht wird. Nun gilt es mit Bescheidenheit und Maß, die Errungenschaften der letzten Jahre zu bewahren. Ich möchte an dieser Stelle Max Weber zitieren, der gesagt hat: „Die Kultur des Marktes bräuchte eine Kultur des Maßes.“

Dieses Maß muss zukünftig noch stärker in den Vordergrund treten. Es geht um eine Zukunftsstrategie, mit der wir uns noch intensiver in dieser Bescheidenheit und im Maßhalten üben müssen; eine Zukunftsstrategie, die man sich als Privatperson bzw. als Familie oder als Unternehmen, die die öffentliche Hand beobachten, leisten kann und muss. Wenn ich an dieser Stelle von einer Kultur der Bescheidenheit spreche, dann meine ich den Kulturbegriff „grenzüberschreitend“.

Nicht nur wir als Freistaat Sachsen haben uns zu bescheiden, sondern das Gleiche gilt auch für den Bund. Zumindest hat es der Bund geschafft, die Schuldenbremse im Grundgesetz einzuführen, das heißt, außer in begründeten Ausnahmefällen, zu denen wirtschaftliche Rezession oder Naturkatastrophen zählen, darf der Bund keine neuen Schulden aufnehmen.

Die Schuldenbremse ist aber nur eine Bremse und kein Schuldenstopp. Wir müssen das genaue Gegenteil erreichen. Wir wollen, wie seit 1990, die Schulden nicht weiter anheben, sondern wir wollen die Schulden im Freistaat Sachsen pro Kopf gleich behalten; das heißt, wir müssen im Freistaat Sachsen weiterhin Schulden zurückführen. Ich hoffe, dass auch dem Bund bald der Einstieg in die Rückzahlung der Schulden gelingt. Leider ist das bisher nicht zu erkennen.

Jeder Bundesbürger sitzt auf Schulden in Höhe von 19 000 Euro, wobei diese Zahl wahrscheinlich schon wieder veraltet ist, weil sie minütlich wächst. Für diese Schulden sind Zinsen zu entrichten. Im Jahre 2008 waren das allein 40,2 Milliarden Euro. Interessant ist, was man sich alles hätte leisten können, wenn wir diese Schulden nicht hätten und auch keine Zinsen zahlen müssten. Allein von den Zinsen des letzten Jahres könnten wir – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – zusätzlich 400 000 Erzieherinnen und Erzieher einstellen, oder wir könnten zusätzlich 4 000 Kilometer ICE-Trasse bauen. Ich finde, dann wäre eine schnelle Verbindung zwischen Dresden und Berlin keine Träumerei mehr, sondern wir könnten es schnell realisieren.

Verschärfend zu dieser Situation kommt hinzu, dass die Steuereinnahmen – die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung einmal ausgenommen – inklusive 2008 nahezu kontinuierlich gestiegen sind. Diese Haushaltspo

litik, die trotz steigender Einnahmen immer mehr Schulden macht – da brauchen wir uns nichts vorzumachen –, wird und kann nicht zukunftsfähig sein.

Jedes Kind lernt bereits, dass es im Monat nur so viel Taschengeld ausgeben kann, wie es von seinen Eltern bekommt. Wenn es merkt, dass es sich etwas angespart hat, kann es auch mal etwas investieren. Nun ist ein Staatshaushalt mitnichten so simpel wie das Portemonnaie eines Kindes. Das Prinzip ist aber das gleiche: Man kann nur so viel ausgeben, wie man eingenommen hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dabei kommt der Ausspruch „Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen!“ wieder voll zur Geltung. Wollen wir damit wirklich unsere Kinder belasten? Ich sage Nein und plädiere für einen maßvollen Umgang mit unseren Finanzressourcen und für eine nachhaltige Kultur der Bescheidenheit.

Sie merken, meine Damen und Herren, worauf meine Argumentation hinausläuft. Eine Begrenzung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann uns nur guttun und sich in Umkehrschluss sogar als Wachstumsmotor auswirken. Auch hierzu greife ich gern auf ein altes Sprichwort zurück, das ich manchmal meinen ehemaligen Klassenkameraden ins Poesiealbum geschrieben habe: „Sei sittsam und bescheiden, das ist die größte Zier, dann kann dich jeder leiden und dieses wünsch’ ich dir!“

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Hochmut!)

So einfach dieser Spruch anmuten mag, so viel historische Aussagekraft steckt doch in ihm.

(Zurufe des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Bescheidenheit ist sicherlich nichts, was es neu zu erfinden gilt. Auch beim Kollegen Brangs sollte sich die Bescheidenheit neu erfinden lassen. Sie ist aber eine alte Tugend,

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

die wir neu entdecken müssen, Herr Brangs. Dafür will ich an dieser Stelle werben.

Nun ließe sich mutmaßen, dass die SPD genau diese Strategie mit diesem Antrag verfolgt; allerdings ist der Antrag aus der Sicht der SPD wieder einmal zu kurzfristig und unglaubwürdig. Ich bin mir sicher, die SPD – wie am Anfang schon ausgeführt – wird die Erste sein, die ihre Ausgabenwünsche in wirtschaftlich besseren Zeiten auf den Tisch legen wird, ohne daran zu denken, Rücklagen zu bilden oder gar Schulden zurückzuzahlen.

Deshalb lehnt die CDU-Fraktion den Antrag der SPD ab.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich danke Ihnen, Herr Rohwer, für Ihren Beitrag. – Meine Damen und Herren! Ich wende mich an die Damen und Herren Zuschauer auf der Tribüne: Ich bitte Sie, von Beifallsbekundungen

abzusehen. Sie sind stille Zuhörer. Ansonsten müsste ich Sie bitten, den Saal zu verlassen. – Vielen Dank.

Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Sebastian Scheel; bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rohwer, ich weiß zwar, dass wir in der Faschingszeit sind, aber die Büttenreden sollten wir uns noch ein wenig aufheben.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion – Lachen des Abg. Lars Rohwer, CDU)

Wir haben einen Antrag mit einer ernsten Thematik vorliegen. Ich nehme einmal den Gedanken der wunderbaren Schuldenbremse auf. Wenn ich überlege, dass sich damit jahrelang eine Föderalismusreformkommission auseinandergesetzt hat und deren einziges Ergebnis diese Schuldenbremse ist, die uns noch viele Jahre ernsthaft beschäftigen wird, dann ist das eigentlich ein Armutszeugnis für die handelnden Staatsparteien CDU und SPD, die dort das Sagen hatten. Sie hatten es in der Hand, die Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen endlich neu zu regeln. Insofern ist das wirklich ein Armutszeugnis dieser Staatsparteien.

Wenn sich heute – dabei bekomme ich das große Grauen – der neue CSU-Generalsekretär hinstellt und in Anbetracht der dort stattfindenden umfangreichen Debatte – des großen Gezerres um das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz – anbietet, wir müssten doch darüber nachdenken, eine dritte Föderalismusreformkommission einzusetzen, dann weiß ich, dass auch diese scheitern wird. Das weiß ich deshalb, weil leider solche Kommissionen in diesem Land immer scheitern. Niemand ist bereit, diese Fragen wirklich ernsthaft und mit aller Konsequenz anzugehen.

Es ist vorhin schon angesprochen worden, was in der Debatte um das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz an interessanten Vorschlägen kommt, um dafür endlich eine Mehrheit zu bekommen. Das ist wirklich faszinierend. Auf der einen Seite wird das Konjunkturpaket um die Zusätzlichkeitsklausel infrage gestellt – unser Ministerpräsident allen voran – und auf der anderen Seite wird gesagt: Liebe Länder, ihr bekommt noch ein wenig mehr für die Bildung, vielleicht könnt ihr das zusätzlich ausgeben. Dann kommen andere Länder auf die Idee und sagen, sie hätten gern eine Kompensation für das, was im Bund angestellt wird. Es sieht aus, als ob dieses Land vollkommen getrennt wäre. Wenn der Bund neue Schulden macht und damit seine Steuererleichterungen finanziert und selbst uns als Länder kompensiert, wird doch das, was sie als Schulden aufnehmen, irgendwann wieder zu uns zurückkommen. Wir sind doch nicht aus der Welt und sitzen wirklich alle in einem Boot.

Genau deshalb geht es darum, ob wir diese Länderkammer, unsere zweite Kammer, als Interessenvertretung der Länder begreifen; ob wir dort als Abwehrinstrument – nicht als Blockadeinstrument – der Ansprüche des Bundes unsere Länderinteressen durchsetzen und dieses Gremium

nicht nur als Wahrer von Parteiinteressen begreifen. Denn damit würde es verkommen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich muss das Wachstumsbeschleunigungsgesetz noch einmal ansprechen. Im letzten Plenum, in der Aktuellen Debatte haben wir schon einmal darüber gesprochen. Der Präsident des Bundesrechnungshofes sagt: Das passt nicht in die Landschaft. Es gibt keinen Spielraum für weitere Entlastungen. Es gibt keinen Spielraum für weitere Steuersenkungen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Die Wirtschaftsweisen!)

Die Wirtschaftsweisen; wenn ich diese Liste jetzt fortführen würde, käme ich gar nicht zum Ende. – Trotzdem wollen Sie unbedingt daran festhalten. Warum? Dazu komme ich am Ende. Natürlich bringen Sie eine Debatte ein, die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen zu senken mit der Begründung, damit würde das Wachstum steigen. Ich frage Sie heute noch einmal: Sagen Sie mir doch bitte, wie das zu bewerkstelligen sein soll! Darauf hätte ich gern eine schlüssige Antwort.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Herr Zastrow!)

Das Einzige, was ich feststelle – darüber können Sie gern mit Finanzwissenschaftlern reden –, ist, dass die Frage von Mehrwertsteuer und ermäßigter Mehrwertsteuer auch heute schon ein extrem umstrittenes Thema ist. Erklären Sie doch bitte der Mutter eines kleinen Kindes, warum sie auf die Windeln 19 % zahlen muss und warum die Mehrwertsteuer für das Hundefutter nur 7 % beträgt!

(Antje Hermenau, GRÜNE: Es gibt mehr Rentner als Eltern!)

Mehr Rentner als Eltern; so wird es wahrscheinlich sein. Der Hund ist das Ersatzkind und insofern des Deutschen liebstes Kind.

In der Tat haben wir ein Problem mit diesen ermäßigten Steuersätzen. Darüber könnten wir einmal reden. Weshalb Sie ausgerechnet in der Hotellerie beginnen, das entzieht sich meiner Logik. Aber Sie haben bestimmt noch einen Beitrag, in dem Sie darauf hinweisen werden, woher das kommt.

(Zuruf von der FDP: Nachbarländer!)

Nachbarländer; ich kann nur auf eines hinweisen: Ich wundere mich die ganze Zeit, warum aus dem Hotelleriegewerbe niemand sagt: Endlich kommt jemand auf die Idee, uns zu entlasten. Das ist so, weil sie sich sagen: Wir sollten lieber ruhig sein, dann geht es auch durch. Wenn wir den Mund aufmachen, könnte jemand auf die Idee kommen und infrage stellen, warum wir jetzt eine Entlastung bekommen. Vielleicht liegt es auch nur an den geschlossenen Fonds, die einige FDP-Mitglieder im Hotelgewerbe gerade im Osten haben, wo dann die Ausschüttung nicht mehr ausreichen würde.

(Zuruf des Abg. Arne Schimmer, NPD)

Wir kommen gleich zur FDP. Ich habe mehr und mehr das Gefühl – Gefühl brauche ich gar nicht mehr sagen, Entschuldigung, denn mittlerweile ist es eine Tatsache –, dass Ihre Steuerentlastungsdebatte, die Sie die ganze Zeit führen, nur ein Ziel hat: den Staat deshalb zu schwächen, um am Ende diese selbsterfüllende Prophezeiung zu bringen: Wir müssen weniger Staat machen, einen schlankeren Staat haben, Personal abbauen, Aufgaben auslagern und möglichst noch Beteiligungen verkaufen.