Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Vielen Dank, Frau Dr. Franke. – Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Fraktionen? – Frau Schütz, bitte, an Mikrofon 3.

Ich würde gern die Möglichkeit der Kurzintervention nutzen.

Bitte schön.

Aus dem Redebeitrag von Frau Kollegin Franke habe ich die Unterstellung herausgehört, dass uns bzw. mir Lebensferne vorgeworfen wird, weil wir nicht wüssten, wie das Leben draußen ist. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Ich kann mittlerweile auf eine zwölfjährige Tätigkeit im Jugendamt der Stadt Görlitz zurückblicken. Ich weiß also ziemlich genau, was los ist, wo der Schuh drückt, wie unsere Situation in allen Bereichen ist.

(Zuruf von der Linksfraktion: Das hat man im Redebeitrag aber nicht gehört!)

Ich möchte hier deutlich machen: Die Welt ist so, wie sie ist.

(Proteste bei der Linksfraktion)

Wir müssen daran arbeiten, die Rahmenbedingungen zu ändern. Ich ziehe den Hut vor Ihrem Engagement, Frau Franke, das ist keine Frage. Aber unser Ziel muss es doch immer mehr sein, die Situation der Kinder zu verbessern, damit sie so eine tolle Weihnachtsfeier mit der eigenen Familie oder gegebenenfalls mit anderen Familien erleben können. Wir wollen sie nicht für die nächsten fünf bis zehn Jahre in dieser Situation lassen, sondern die Möglichkeiten nutzen, damit diese Weihnachtsfeiern wieder in den Familien durchgeführt werden können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht sehen. Wünscht die Staatsregierung das Wort? – Bitte schön, Frau Staatsministerin Clauß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte Folgendes zum Antrag klarstellen: Kindergeld hat ein klares Ziel und dieses Ziel ist die steuerliche Entlastung von Eltern mit Kindern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das wird erreicht, indem das elterliche Einkommen in Höhe des Existenzminimums des Kindes steuerfrei gestellt wird. Eltern sollen von den Kosten, die sie für ihre Kinder – für Nahrung, Kleidung und Wohnung – aufbringen, entlastet werden. Deshalb müssen sie für diesen Teil ihres Einkommens keine Steuern aufbringen. Deshalb wird ihnen das Kindergeld ausgezahlt. Kindergeld ist also systematisch gesehen so etwas wie eine Steuerrückzahlung.

Die geplante Kindergelderhöhung wird insbesondere Familien in den unteren und mittleren Einkommensbereichen fördern. Sie sorgt dafür, dass diese Familien mehr im Portemonnaie haben, weil sie mit der Kindergelderhöhung stärker von ihren Steuern entlastet werden.

Sozialhilfe und die Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen der Absicherung von Menschen, die kein ausreichendes Einkommen haben. Sie sichern das sozioökonomische Existenzminimum. Es gibt Familien, in denen das Kindergeld, zumindest zeitweise, das einzige Geld ist, das zufließt. Erhöht sich das Kindergeld, so hat die Familie mehr Einkommen, und damit vermindert sich der Betrag der Grundsicherung. Diese Anrechnung steht nicht im Widerspruch zum Ziel des Kindergeldes, weil – jedenfalls rein systematisch gedacht – das staatlich finanzierte Fürsorgesystem das Existenzminimum des Kindes sichern soll.

Auf einem ganz anderen Blatt steht, ob die derzeit festgelegten spezifischen Bedarfe für Kinder den Bedarf der Kinder auch tatsächlich erfassen. Sie wissen, dass wir hier schon seit vielen Jahren eine eindeutige Haltung haben; denn seit 2007 setzen wir uns konsequent dafür ein, dass diese Bedarfe überprüft werden. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat schon die alte Bundesregierung dazu aufgefordert zu überprüfen, ob die Leistungen für Kinder und Jugendliche nach dem SGB II tatsächlich bedarfsgerecht sind.

Vor wenigen Tagen haben sich meine Kolleginnen und Kollegen aus der Arbeits- und Sozialministerkonferenz und ich gegenüber der Bundesregierung nochmals einstimmig – ich betone: einstimmig – darüber verständigt, dass diese Prüfung dringend erfolgen muss.

(Beifall bei der CDU)

Wie bereits gesagt, beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in drei Vorlageentscheidungen mit der Frage der angemessenen bzw. vertretbaren Bedarfsdeckung. Wir erwarten dazu spätestens im Februar 2010 eine Entscheidung. Wir hoffen sehr, dass diese Entscheidung die Situation der Kinder in sogenannten Hartz-IV-Haushalten verbessert.

Es ist uns also keineswegs gleichgültig, ob die Bedarfe der Kinder ausreichend gedeckt sind. Entscheidend ist der Weg. Der Weg über das Kindergeld ist aus rein systematischen Gründen der falsche. Das Kindergeld muss als Einkommen angerechnet werden. Ich setze auf unseren Weg und bin überzeugt, dass wir damit auch erfolgreich sein werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin, für Ihr Wort. – Die Fraktion DIE LINKE hat nun die Gelegenheit zu einem Schlusswort. Herr Abg. Dr. Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, so kurz vor Weihnachten will ich deutlich sagen – das hat auch die Debatte gezeigt –: Dieser Antrag ist im Prinzip die Herausforderung an die neue Koalition, um Klarheit darüber zu haben, welchen ersten Offenbarungseid sie zu leisten gedenkt.

Es stellt sich nämlich die Frage – und da ist mir die Systematik sehr wohl bekannt –: Sind Sie zu einer Kindergelderhöhung für alle Kinder bereit, oder sind Sie dazu nicht bereit? Um diese simple Frage geht es. Sie können das mit Steuersystematik den Menschen hin und her erklären; die Menschen werden es nicht begreifen, sondern sie werden nur eines feststellen: Kinder in Hartz-IVFamilien bekommen von dieser Kindergelderhöhung nichts. Genau darum geht es, und genau das wollen wir mit diesem Antrag verändern.

Ich will Ihnen Folgendes sagen – und daher bitte ich die SPD herzlich, unserem Antrag zuzustimmen –: Es war nicht alles schlecht, was die SPD in soundso vielen Jahren gemacht hat.

(Beifall bei der SPD)

Ja, das habe ich doch geahnt. Jetzt werden Sie aber nicht klatschen: Es war auch vieles schlecht. Aber nicht alles war schlecht. Per 1. Januar 2000 gab es auch eine Kindergelderhöhung. Damals gab es noch nicht Hartz IV, damals gab es die Sozialhilfe. Da haben Sie einmal die Systematik durchbrochen und die 20 DM Erhöhung nicht auf die Sozialhilfe angerechnet. Bitte schön, das ist genau der Weg, den man gehen kann, wenn man nur den guten Willen dazu hat. Die SPD hat in dieser Detailfrage damals guten Willen gezeigt, und ich bitte Sie, dass Sie auch heute daran anknüpfen.

Ich stelle Folgendes fest: Natürlich ist der Weg, den wir Ihnen heute vorschlagen, nur ein ganz kleiner Schritt. Wir bleiben sozusagen in der Situation, dass es um eine Kindergelderhöhung gehen soll. Unser eigentliches Anliegen ist selbstverständlich die von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Kirchen geforderte Grundsicherung für Kinder.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das ist unser eigentliches Anliegen. Aber wir sind sehr wohl der Auffassung, dass man sich diesem eigentlichen Anliegen auch durch kleine Schritte nähern kann. Deswegen unser Antrag.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Ich will noch folgende Bemerkung zu Frau Schütz machen: Frau Schütz, wir hatten schon manchmal Übereinstimmungen. Damals waren Sie noch nicht in der Koalition. Wie die Koalition die Menschen ändern kann, habe ich erneut festgestellt. Ich will Ihnen Folgendes sagen: „Berufstätige Mitte“ ist ein ganz schlimmer Begriff.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Er grenzt nämlich verschiedene Menschen aus, insbesondere jene, die gern berufstätig wären, aber es in dieser Gesellschaft bisher nicht sein können, weil sie nicht gebraucht werden. Genau für diese Menschen sollten wir diese Entwicklung schaffen.

Lassen Sie mich bitte noch einen letzten Satz sagen: Ich bitte darum – und ich gebe das auch dem Präsidenten –, aus unserem Antrag die Bezugnahme auf das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu streichen,

Herr Dr. Pellmann, Sie sind über der Zeit!

damit die SPD eine Chance hat, dem Antrag zuzustimmen. – Herr Präsident, ich bitte um Nachsicht, aber ich bitte darum, diese beiden Worte aus dem Antrag zu streichen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren, wollen Sie widersprechen, wenn Herr Dr. Pellmann begehrt, den Antrag hier mündlich zu ändern? Ich darf den Antrag in der Neufassung verlesen. Er würde dann lauten: „Geplante Kindergelderhöhungen nicht auf SGB-II- und SGB-XII-Regelsätze für Kinder anrechnen“. Darf ich so darüber abstimmen lassen? – Ich bedanke mich.

Ich bitte um die Dafürstimmen zur Drucksache 5/603 in der hier vorgetragenen Fassung. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei sehr vielen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit erhalten und ist abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 10

Keine Steuersenkungen ohne realistische Gegenfinanzierung

Drucksache 5/599, Antrag der Fraktion der SPD

Hierzu können die Fraktionen in folgender Reihenfolge Stellung nehmen: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Die Aussprache ist eröffnet. Für die SPD beginnt Herr Abg. Mario Pecher.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in diesen Antrag mit einem Zitat aus der heutigen „Freien Presse“, Zwickauer Zeitung, einsteigen: „Ab 2011 brechen Steuern und Zuschüsse des Freistaates weg. Bis 2013 prognostiziert Finanzde

zernentin Sabine Hoffmann ein Jahresdefizit zwischen 31 und 39 Millionen Euro.“

Scheurer, seines Zeichens Landrat des Landkreises Zwickau, CDU, illusionslos: „Wir sind nicht in der Lage, den Verlust auszugleichen.“ Er setzt auf Verhandlungen in den nächsten Monaten mit dem Freistaat, weil alle Kreise ab 2011 rote Zahlen schreiben.