Protokoll der Sitzung vom 12.07.2012

Der aktuelle Entwurf des Sächsischen Wassergesetzes greift diese neue Entwicklung leider nicht auf. Wenn der Minister aber eine nach seiner Auffassung vorausschauende sächsische Landespolitik lobt, darf er – wo dies sachlich geboten ist – die obligatorische Einbeziehung des Grundwassers in die Hochwasserereignismodellierung nicht vergessen.

(Beifall bei den LINKEN)

Übrigens – damit bin ich fast am Schluss meiner Ausführungen –, vor zehn Jahren stand ich selbst als Bauleiterin an vielen Flüssen Sachsens: Ich habe mit meinen Kolleginnen und Kollegen die Schadensaufnahme vorgenommen und Sanierungsmaßnahmen geplant und betreut. Was ich dabei gelernt habe, könnte auch ein Büchlein füllen.

Es stimmt einfach nicht, dass keine Häuser in Überschwemmungsgebieten wieder aufgebaut wurden. Es ist aber die Wahrheit, dass Kolke oder andere weggespülte Flächen der Landwirte mit viel, viel Geld wieder aufgebaut wurden – wohl wissend, dass der Fluss beim nächsten Hochwasser genau an derselben Stelle wieder durchbrechen wird und dass in Außenbereichen zum Teil Gelder verschwendet wurden. Wir standen kurz vor Wahlen und Sie brauchten ja die Stimmen der Landbevölkerung. Es ist auch die Wahrheit, dass ich viele Diskussionen um die Erosionswirkungen von Maisanbau geführt habe. Alles das hat nichts gebracht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kupfer, Hochwasserschutz ist und bleibt eine staatliche Aufgabe, aber vergessen Sie nicht, dass man dies nur für und mit den Betroffenen umsetzen kann und dass manchmal schwierige Entscheidungen zu Beginn der Umsetzung kommuniziert werden müssen. Herr Kupfer, mit Beobachten, Analysieren und Modellieren der Klimaentwicklung ist es nicht getan, sondern Sie müssen auch handeln, um das Land Sachsen vor den Folgen dieser Entwicklung zu schützen. Mit Betonbauten allein ist es leider nicht getan.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Frau Kollegin Pinka sprach für die Fraktion DIE LINKE. Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Heinz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine sehr verehrten Herren! Es gibt Ereignisse, die sich ins Gedächtnis einer Nation einprägen, sodass auch Jahre oder Jahrzehnte später jeder genau weiß, was er an diesem Tag getan oder auch nicht getan hat. Das ist zum Beispiel der 13. August 1961. Jeder von uns wird wissen, was er am 9. November 1989 getan hat. Sehr, sehr viele wissen auch noch ganz genau, wie sie das Hochwasser in den Tagen um den 12. und 13. August 2002 erlebt haben.

Wir hatten eine Arbeitskreissitzung Umwelt/Landesentwicklung, eine Anhörung von Fischereiverbänden. Sie fand auf einem Elbedampfer statt. Bereits beim Besteigen des Dampfers hatten wir ein mulmiges Gefühl. Nach drei Stunden, gegen 13 Uhr, hatten wir dann zu tun, dass wir noch trockenen Fußes das Terrassenufer verlassen konnten. Auch die Fahrt zur Fraktionsklausur nach Riesa war abenteuerlich, weil das Hochwasser die B 6 schon erreicht hatte.

Die Schäden sind ausreichend beschrieben worden. Ich möchte das hier nicht weiter fortsetzen, aber noch einmal die riesengroße Welle der Solidarität, die die Betroffenen aus ganz Deutschland und über die Grenzen hinweg erfahren durften, erwähnen und mich dafür bedanken.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich möchte mich bedanken für den Einsatz von über 128 000 Helfern von Bundeswehr, Technischem Hilfswerk, Bundesgrenzschutz, Feuerwehr und Zehntausenden freiwilligen Helfern, die zum Teil unter Lebensgefahr den größten Katastropheneinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik bestritten haben. Wir haben zu danken für circa 260 Millionen Euro Spendengelder und insgesamt 8,7 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe.

So schlimm das alles war, hat doch diese größte Naturkatastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg zum Zusammenwachsen Deutschlands beigetragen. Wenn man in Deutschland unterwegs ist, erzählen viele noch voller

Stolz, wie sie sich nach Sachsen aufgemacht haben, um Hilfe zu leisten. Dafür nochmals ein Dankeschön!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Grundsätzlich möchte ich betonen, dass Hochwasser nicht zu verhindern sind. Das sind Naturereignisse, mit denen wir leben müssen. Auch wenn man den Klimawandel oder unsere angeblich nicht entsprechend konsequenten Bekämpfungen gegen den Klimawandel als Ursache auszumachen scheint, ist zu sagen: Wer glaubt, dass der Mensch das Klima beeinflussen kann, der glaubt auch an den Klapperstorch als Mittel zur Bevölkerungsplanung.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und der FDP)

Wir haben uns nach den Hochwasserschäden für einen Hochwasserschutz bei HQ 100 entschieden, das heißt, die technischen Schutzmaßnahmen so auszugestalten, dass 100-jährige Hochwasser ohne größere Schäden stattfinden können. Aber wir werden erleben: Es werden auch HQ 200 oder größere Hochwasser kommen und dann wird es trotz technischem Hochwasserschutz, Hochwasservorsorge und Bauverboten in Überschwemmungsgebieten weiterhin Schäden geben. Der Mensch wird seine Grenzen aufgezeigt bekommen.

An dieser Stelle möchte ich die Grenzen des Staates aufzeigen. Er kann nicht Schadenersatz für alles und jedes leisten, sondern es wird notwendig sein, private Vorsorge auf verschiedensten Gebieten zu treffen. Das beginnt bei eigenen Baumaßnahmen, dass zum Beispiel ein Untergeschoss von der Elektroanlage so getrennt werden kann, dass es im Obergeschoss trotzdem funktioniert; dass die Heizung nicht im Keller installiert wird, wenn man im Überschwemmungsgebiet wohnt, usw. Selbstverständlich kann man an dieser Stelle völlig untypische Einzelbeispiele bringen,

(Oh-Rufe von den LINKEN)

aber in der Regel ist es so, dass die Versicherung eines circa 200 000 Euro wertvollen Eigenheimes circa

300 Euro im Jahr kostet. Das heißt, der Schutz vor Hochwasser, Hagel, Sturm und Tornados kostet im Durchschnitt 1 Euro pro Tag.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Dort, wo kein Wasser ist!)

Das sollte jedem sein Eigentum wert sein.

Wir haben klipp und klar entschieden: Dort, wo Versicherungslösungen nicht möglich bzw. unwirtschaftlich sind, wird der Freistaat auch weiterhin versuchen zu helfen. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Zahlen nennen: Wenn bundesweit die Elementarschadensversicherungsquote bei 26 % der Häuser liegt und in Sachsen knapp unter 40 %, dann gibt es hier noch viel zu tun. Ich kann nur jedem empfehlen, seinen eigenen Versicherungsschutz zu überprüfen. Das gilt sowohl für Private als auch für Kommunen.

Zur Verbesserung der Zusammenarbeit infolge der Auswertung der Hochwasserschäden zwischen Tschechien

und Polen an der Elbe und an der Neiße wurde schon viel gesagt. Ich möchte das kurz mit dem Satz beschreiben: Es ist gelungen, den Wandel von formalen Informationsgremien zu echten länderübergreifenden Arbeitsplattformen zu vollziehen. Was hier geleistet wird, ist wirklich gut.

Ich möchte noch auf die Herausforderungen der kommenden Jahre zu sprechen kommen. Zuallererst sind die Hochwasservorsorge in der Fläche sowie die Erhöhung der Möglichkeiten des Wasserrückhaltes zu nennen. Neben dem Freihalten von Überschwemmungsgebieten gehören dazu die Renaturierung weiterer Gewässerabschnitte und Auen, die Ersetzung von Ufermauern durch Böschungen und die ordnungsgemäße Freihaltung der Gewässerrandstreifen.

An dieser Stelle gilt es darauf hinzuweisen, dass Hochwasserschutz an Gewässern II. Ordnung nach wie vor eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung ist und dass es dafür entsprechende Mittel über den kommunalen Finanzausgleich gibt, die für diesen Zweck einzusetzen sind. Wir streben in der neuen Förderperiode weiterhin die Bereitstellung verschiedenster Fördermöglichkeiten für Maßnahmen an den Gewässern und in den Auen an. Dazu sei auf die heute schon erwähnte Richtlinie für Gewässer- und Hochwasserschutz verwiesen.

Noch ein paar Worte zu dem zu novellierenden Sächsischen Wassergesetz. Ein Schwerpunkt wird sein: Pflege Gewässer II. Ordnung und Instandhaltung von Gräben und Meliorationssystemen. Es ist eine Möglichkeit zu schaffen, die Kostenumlagen zu vereinfachen und verstärkt auf die Bildung von Unterhaltungsverbänden durch die Gemeinden hinzuwirken. Das muss nicht flächendeckende Wasser- und Bodenverbände im ganzen Land bedeuten, aber zumindest die Möglichkeit, dass – wo sich eine qualifizierte Mehrheit findet, die so etwas tun will – man dann den letzten Säumigen mit einer Zwangsgründung beglücken kann, um dort funktionierende Systeme aufzubauen.

Wir werden uns Fragen der Entsorgung von Schwemmgut zu widmen haben, wenn wir weitere Retentionsflächen ausweisen wollen. Wir werden gelegentlich Konflikte erleben zwischen dem Aufbau funktionierender Abflusssysteme und Tieren, welche das Wasser gern anstauen. Auch dafür wird es Lösungen geben müssen.

Die Landwirtschaft hat schon einen großen Beitrag geleistet und wird auch weiterhin dafür etwas tun. Ich möchte hier auf die dauerhaft konservierende Bodenbearbeitung verweisen, wo in den letzten Jahren mittlerweile 32 % der Ackerflächen dahingehend bewirtschaftet wurden. Ich möchte auf den Anbau von Zwischenfrüchten und Untersaaten, auf die Anwendung bodenschonender Produktionsverfahren im Ackerfutterbau verweisen, auf die Anlage von Grünstreifen auf Ackerland, auf die Umwandlung von Ackerland und Grünland bis hin zu Ökolandbau und Waldmehrung. Ich möchte aber auch gewisse Konflikte, die es da gibt, nicht verschweigen.

So gab es durchaus Anträge, in den Höhenlagen des Osterzgebirges über 200 Hektar aufzuforsten, denen dann

nicht stattgegeben wurde, weil die Bergwiesen einen höheren Schutzstatus hatten. Ich möchte weiterhin nochmals unser Augenmerk auf die Pflege der Gewässer II. Ordnung und die Hochwasservorsorge richten. Ich möchte noch einmal darauf verweisen, dass es uns angesichts abnehmender Haushaltsmittel große Kraft kosten wird, die entsprechende Finanzausstattung zu erreichen.

Ich möchte meine Rede schließen mit einem Dank an die Fluthelfer und für die Solidarität. Ich möchte bitten um Akzeptanz von Hochwasserschutzmaßnahmen und noch einmal die Bitte an alle äußern, dass sie ihre private, individuelle Absicherung bzw. Versicherung überprüfen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Heinz sprach für die CDU-Fraktion. Als Nächstes spricht für die Fraktion der SPD Frau Dr. Deicke. Bitte, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicher sind wir heute auf ein Extremhochwasser besser vorbereitet als vor zehn Jahren. Aber das nützt den aktuell vom Hochwasser Betroffenen gar nichts.

Hochwasserschäden wirken sich in den Kommunen aus. Hier müssen auch Maßnahmen gegen Hochwasser ergriffen werden. Insofern und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse scheint es nicht angebracht, nur die Erfolge zu feiern, sondern wir müssen das Bisherige kritisch reflektieren.

Ich erinnere zum wiederholten Male daran, dass die Verantwortung des Freistaates auch darin besteht, dafür zu sorgen, dass die Kommunen ihrer gesetzlich zugewiesenen Aufgabe der Gewässerunterhaltung und der Hochwasservorsorge ordnungsgemäß nachkommen.

Die Staatsregierung ist nun endlich auch zu folgender Erkenntnis gekommen – ich zitiere aus der Begründung zum aktuellen Gesetzentwurf zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften. Dort steht: „Die kommunale Verpflichtung zur Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung wird bisher mit unterschiedlichen Mitteln, in stark unterschiedlicher Qualität, jedoch nie koordiniert und effizient wahrgenommen.“ Deshalb sollen sich die Kommunen zu Gewässerunterhaltungsverbänden zusammenschließen.

Das meinen wir schon lange. Aber, Herr Staatsminister, denken Sie auch daran, den Verbänden bei der Gründung finanziell unter die Arme zu greifen? Die Grundfinanzierung sollte nicht nach dem Maß des Vorteils, sondern in Form einer flächenbezogenen Umlage von allen Grundstückseigentümern solidarisch erbracht werden.

Meine Damen und Herren! Ich hatte leider noch keine Möglichkeit, den Referentenentwurf im Detail zu studieren. Beim ersten Querlesen konnte ich feststellen, dass Gewässerrandstreifen künftig nicht mehr bebaut werden dürfen. Das ist sehr zu begrüßen. Daran schließt sich aber

die Frage an: Was machen wir dort, wo das bereits der Fall ist? Gerade das scheint mir ein ungelöstes Problem.

Wer ist schuld, wenn jemand Hochwasserschäden erleidet, wenn der Gewässerrand in der gesamten Ortslage verbaut ist? Das habe ich gerade bei einem Petitionstermin erlebt. Die zuständigen Behörden halten sich hier weitestgehend heraus und verweisen auf den Bestandsschutz und weiter auf die zivilrechtliche Ebene. Gleichzeitig jedoch werden für ein im Gewässerrandstreifen stehendes geschädigtes Gebäude Fördermittel zum Wiederaufbau genehmigt, obwohl die nachhaltige Wiederaufbauplanung noch gar nicht abgeschlossen ist. Wäre es da nicht sinnvoller, einen finanziellen Anreiz für die Beseitigung von offensichtlich baulichen Abflusshindernissen zu geben?

Oftmals sind es sogar Schwarzbauten, die dort errichtet wurden. Aber selbst dann wird von den zuständigen Behörden dieses Problem eher heruntergespielt, indem argumentiert wird, dass es keine wasserrechtliche Handhabe für eine Anordnung zur Beseitigung gibt.

Sicher ist es nicht das einzige Beispiel, welches zeigt, dass der bau- und wasserrechtliche Vollzug der Behörden erheblich verbesserungsbedürftig ist. Wenn Sie, Herr Staatsminister, hier einen wichtigen Schwerpunkt setzen, wie Sie selbst betonen, dann kann auch der Petent hoffen, dass sich in seinem Sinne etwas bewegt. In diesem Zusammenhang habe ich aufgemerkt, als Sie sagten, dass im Einzelfall auch über den Rückbau von Siedlungen nachgedacht werden müsse. Das sind aus meiner Sicht völlig neue Töne, die Sie hier anschlagen.

Meine Damen und Herren! Unbestritten ist, dass seit 2002 eine ganze Menge getan wurde. Aber reicht das aus und sind das die richtigen Maßnahmen? Unter Hochwasserschutz in Sachsen wurden lange Zeit vorrangig technische Baumaßnahmen verstanden. Erfreulicherweise zeigt die Regierungserklärung, dass hier ein Umdenken stattgefunden hat und auch Konsequenzen innerhalb des Wasserrechtes gezogen werden. Aber trotzdem kommt die Frage, was man hätte vorsorgend tun können, um einen Schaden zu vermeiden, noch zu kurz. Ich erinnere nur daran, dass eine wichtige Erkenntnis aus der Flut 2002 war: Wir müssen den Flüssen mehr Raum geben, und Hochwasserschutz muss damit beginnen, das Hochwasser dezentral zurückzuhalten.

Die natürlichen Überschwemmungsflächen sind im Laufe der historischen Entwicklung an Elbe und Mulde um 50 bis 70 % eingeschränkt worden. Durch Baumaßnahmen, Grünlandumbruch und Bodenverdichtung wurde den Flüssen so ein großer Teil der natürlichen, ursprünglichen Überschwemmungsflächen genommen. Diesem Aspekt des vorbeugenden Hochwasserschutzes wird in Sachsen eindeutig immer noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Natürlich reichen Rückhalteflächen als alleinige Hochwasserschutzmaßnahme nicht aus, sie sind aber nicht nur am Unterlauf der Flüsse ein wichtiges Instrument.