Protokoll der Sitzung vom 12.07.2012

Diese Problemlage ausführlicher zu beschreiben, hieße, Eulen nach Athen zu tragen. Die Staatsregierung kennt sie sehr genau. Sie selbst hat, maßgeblich initiiert durch Kollegen Günther von der FDP, vor geraumer Zeit eigens eine Arbeitsgruppe – aus Vertretern des Tierschutzes und des Städte- und Gemeindetages – eingerichtet, die Lösungsansätze für die prekäre Situation der Tierheime erarbeiten sollte.

(Beifall der Abg. Kristin Schütz, FDP)

DIE LINKE hat dieses Problembewusstsein aufseiten der Staatsregierung auch honoriert. Wir hatten unseren Antrag, der ja schon von September 2010 datiert, zunächst hoffnungsvoll zurückgestellt. Nach mehreren Monaten und teilweise, wie man hört, sehr strittigen Diskussionen wurde im Mai 2011 durch die AG eine Empfehlung zum Umgang mit Fundtieren veröffentlicht.

Nun kann eine Empfehlung – das sagt schon das Wort selbst – keine bindende Kraft in konkreten Vertragsverhandlungen zwischen Tierheim und Kommune entfalten, zumal ein Mindestkostenansatz als Orientierung komplett fehlt. Aber selbst die ohnehin kaum messbare moralische Wirkung eines solchen Papiers wird konterkariert, wenn man bei zentralen Definitionen, beispielsweise beim Streit um die Eigentumsaufgabe oder die Dauer des Fundtierstatus, keine Einigung zwischen Tierschützern und SSG herstellen konnte und deshalb wechselseitig abweichende Meinungen formuliert. Was, bitte schön, soll dabei dann herauskommen?

Es ist nämlich praktisch ein bedeutender Unterschied, ob für die Aufnahme eines Fundtieres sechs Monate nach BGB oder, wie es die Regel ist, nur 28 oder 30 Tage erstattet werden. Genau diesen Konflikt aber hätte eine AG auflösen sollen. Darauf hatten die Vereine gehofft. Die AG konnte keine einvernehmliche Lösung vorlegen,

weil die Fliehkräfte offensichtlich zu groß, die Interessenlagen zu unterschiedlich waren.

Das war der Moment, werte Frau Ministerin Clauß, an dem Sie hätten erkennen müssen, dass an klaren Vorgaben kein Weg vorbeiführt.

(Beifall bei den LINKEN)

Aber DIE LINKE wollte es trotzdem wissen. Ich habe weiter meine Runden durch Tierheime gedreht, ich habe mit dem Landesvorstand des Sächsischen Tierschutzverbandes gesprochen, und meine Fraktion führte nach 2011 auch im Mai 2012 wieder eine Anhörung zur Situation in den Tierheimen durch. Die Ergebnisse nach einem Jahr Empfehlungsverkündigung sind ernüchternd. Zur Praxis der Kostenerstattung für die Fundtierbetreuung mussten wir erfahren, dass die Zurückhaltung insbesondere der kleineren Tierschutzvereine im ländlichen Raum noch zugenommen hat, eine Dynamisierung von Erstattungen aufgrund steigender Kosten mit den Kommunen überhaupt anzusprechen. Kein Wunder! Es mehren sich die Beispiele, wo Kommunen die Kostenübernahme bei Fundtieren verweigern oder den Rahmen bestehender Verträge über Gebühr ausdehnen.

Andere Probleme verstärken sich. Ein Beispiel ist die ungeklärte Kostenübernahme bei der Unterbringung von Tieren im Zuge von Inhaftierungen von Tierhaltern. Allein im Tierheim Chemnitz wurden von 2006 bis 2011 68 solcher Fälle mit insgesamt fast 6 000 Verwahrtagen gezählt. Berechnet auf der Grundlage der aktuellen Tagessätze in Chemnitz, sind dem Heim so in diesen fünf Jahren zusätzliche Kosten in Höhe von circa 50 000 Euro entstanden. Eine ähnliche Größenordnung wird in Chemnitz für die Unterbringung von Tieren aufgrund des Eigentumsverzichts durch Sozialbetreuer bei Erkrankung des Tierhalters veranschlagt.

Im Übrigen ist die Spreizung bei der Fundtierkostenerstattung in Sachsen ohnehin extrem. Bei Pauschalabrechnungen pro Einwohner reicht die Spanne von weniger als 20 Cent bis zu einem Euro. Der Deutsche Tierschutzbund geht von etwa 1,50 Euro pro Kopf aus, um eine annähernde Kostendeckung zu erreichen. Schon aus diesem Grund wäre ein Mindestkostenansatz so wichtig, weil Verantwortung für Tierschutz auch auf die Durchsetzung einheitlicher Qualitätsstandards in den Heimen abzielen muss.

Beispiel Zunahme von exotischen Tieren mit ihren speziellen Haltungsanforderungen: In Leipzig mussten jüngst sieben Großpapageien nach einer Entscheidung der unteren Naturschutzbehörde im Tierheim untergebracht werden. Die Entscheidung der Behörde ist fachlich nicht zu kritisieren, aber die Leipziger bleiben nun auf den Kosten sitzen. Da hilft auch die aufgestockte Tierschutzrichtlinie nicht weiter, denn diese deckt nicht einmal den jährlichen allgemeinen Bedarf an Investitionen und Maßnahmen wie Kastrationen ab, ganz zu schweigen von den erhöhten Haltungsanforderungen für Exoten.

Und, auch ein alter Hut, die Tierpfleger: Bei der Katzenhilfe Hoyerswerda beispielsweise ist das Arbeitskräfteproblem verantwortlich für eine akute existenzielle Krise, denn der Verein steht hauptsächlich dank großzügiger Spender aus den alten Bundesländern, was die laufende Unterhaltung betrifft, finanziell eigentlich solide da. Ihm fehlen ab 2013 nur die Leute, und da endet dann die Finanzkraft des Vereins. Ich hoffe sehr, dass Stadt und umliegende Gemeinden noch eine Lösung finden, denn rund 400 Katzen kurzfristig unterzubringen dürfte schwer werden.

Eine Umfrage des Deutschen Tierschutzbundes von 2010 belegt, dass Kommunen lediglich 25 % der im Tierheim durchschnittlich anfallenden Kosten übernehmen, aber knapp 80 % der Leistungen abrufen. Darum und nur darum geht es, nämlich um eine angemessene Bezahlung der Dienstleistungen, die mit großer Selbstverständlichkeit durch den Staat in Anspruch genommen werden. Dafür braucht es eine Fundtierverordnung.

Es geht um die Existenzsicherung von Strukturen im Bereich des Tierschutzes, die in den letzten 20 Jahren aufgebaut worden sind und die das proklamierte Staatsziel Tierschutz – es ist in diesem Jahr übrigens zehn Jahre alt – ganz praktisch mit Leben erfüllen.

Der vorliegende Antrag fordert genau dies ein, meine Damen und Herren, und ich bitte Sie, auch wenn wir kurz vor der Feier stehen, um eine faire Abwägung des Inhalts.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Für die CDUFraktion spricht Herr Abg. Krauß. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es kurz machen: Wir werden den Antrag ablehnen. Das geht schon damit los, dass Sie eine andere Wahrnehmung der Wirklichkeit haben als wir.

(Lachen bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Wenn Sie zum Beispiel bei den Aussagen im ersten Punkt feststellen, dass infolge der schwierigen wirtschaftlichen Situation vieler Bürgerinnen und Bürger die Zahl der ständig ausgesetzten Tiere steige, dann ist das einfach nicht richtig. Dann höre ich gleichzeitig Ihre Rednerin sprechen, die da sagt, die Zahl der Tiere steige. Wenn die Zahl der Tiere in den Haushalten steigt, müsste das ja daran liegen, dass die Leute mehr Geld haben. Diese Aussage ist richtig. Wenn Sie sich einmal anschauen, wie sich die wirtschaftliche Lage entwickelt hat, dass die Zahl der Arbeitslosen deutlich gesunken ist, dass die Gehälter steigen, ist klar, dass es nicht daran liegt.

Ich sage auch ganz deutlich: Der Antrag erweckt den Eindruck, als ob es legitim sei, Tiere auszusetzen. Dem ist

nicht so. Tiere dürfen unter keinen Umständen ausgesetzt werden. Dafür gibt es auch keine Rechtfertigung.

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, DIE LINKE)

Natürlich, diesen Eindruck erwecken Sie mit Ihrem Antrag!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Begründung des Antrages stellen Sie richtigerweise fest, dass die Finanzierung der Tierheime Aufgabe der Kommunen ist. Leider Gottes haben Sie das im Antragstext aber nicht verarbeitet, denn sonst wären Sie zu einem anderen Ergebnis gekommen. Sie wollen, dass der Freistaat alle Lösungen bringt. Das geht natürlich so nicht. Die Kommunen müssen ihrer Aufgabe nachkommen. Es ist eine kommunale Aufgabe. Dann zu sagen, es gebe eine Finanzschwäche der Kommunen, ist natürlich Quatsch. Wir reden beim Tierschutz über ganz geringe Summen, die die Kommunen für diesen Bereich einsetzen müssen. Das ist jeder Kommune zuzumuten, wenn man es auch im Vergleich zu den Projekten sieht, die sonst in der Kommune anfallen. Wenn ich dann noch sehe, wie viel Geld sie jetzt über das FAG zusätzlich bekommen, dann reden wir hier über Peanuts.

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, DIE LINKE)

Der Freistaat wird weiterhin seine Schützenhilfe leisten, wie er das schon in der Vergangenheit getan hat. Ich bin dankbar, dass das Sozialministerium gemeinsam mit dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag Empfehlungen erarbeitet hat, und zwar unter Beteiligung der Tierschutzvereine – das ist ja auch ganz wichtig –, der Tierärzte und anderer Partner, wobei man gesagt hat: Wir setzen uns gemeinsam hin und finden eine Lösung, wir ziehen niemanden über den Tisch, wir machen das gemeinsam, versuchen einen gemeinsamen Nenner zu finden. Das ist natürlich nicht der größte Nenner, sondern immer der kleinste gemeinsame Nenner.

Das ist der richtige Weg. Wir haben zu der damaligen Besprechung auch gesagt, dass wir überprüfen werden, welche Wirkungen diese gemeinsamen Empfehlungen zeitigen. Ich glaube, das werden wir in diesem Jahr noch tun. Dazu werden auch die Vertreter des Tierschutzes und alle anderen Partner eingeladen, die damals beteiligt waren – das Sozialministerium, die Vertreter der Kommunen usw. –, um gemeinsam auszuwerten, wie wir beim Tierschutz weiter vorankommen können.

Ich will noch auf die originäre Aufgabe des Freistaates eingehen, die er auch freiwillig wahrnimmt. Das ist etwas, was wir in den Haushalt eingestellt haben, nämlich 400 000 Euro pro Jahr für Investitionen sowohl im vergangenen Jahr als auch in diesem Jahr. Das können wir uns leisten, weil wir als Freistaat gut gewirtschaftet haben. Weil wir nicht unser Geld als Zins und Zinseszins auf die Bank tragen, können wir relativ viel Geld für den Tierschutz ausgeben, in diesem Fall eben 400 000 Euro.

Ich würde gern einen Arbeitsauftrag an die Kollegen der LINKEN mitgeben. Sie regieren ja in Brandenburg. Dort

werden gerade einmal 51 000 Euro für den Tierschutz ausgegeben; 51 000 Euro in Brandenburg, hier 400 000. Also wenn Sie etwas für den Tierschutz tun wollen, dann gehen Sie bitte zu Ihren Leuten nach Brandenburg und sagen Sie denen, sie sollen dort endlich einmal etwas einstellen. Sie können sich auch einmal andere Bundesländer anschauen, zum Beispiel so finanzstarke Bundesländer wie Baden-Württemberg, die pro Kopf deutlich weniger ausgeben als wir im Freistaat Sachsen.

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir brauchen von Ihnen keine Belehrungen. Der Tierschutz ist im Freistaat Sachsen in guten Händen. Wir wollen natürlich sehen, dass es weiter vorangeht, weil wir wissen, dass es Probleme, dass es eine Unterfinanzierung der Tierheime gibt. Aber wir müssen auch klar sagen, wo die Verantwortung liegt. Tierschutz ist eine kommunale Aufgabe. Insofern geht es zuerst darum, dass auch die Kommunen ihrer Finanzverantwortung nachkommen. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Abg. Kliese, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Menschen in Sachsen zu danken, die sich in Tierheimen zumeist ehrenamtlich engagieren. Ohne ihre aufopferungsvolle Arbeit, ohne die viele Zeit, auch das Geld, das sie teilweise durch Spenden einsetzen, und ohne ihre Tierliebe stünde es um den Tierschutz in Sachsen wesentlich schlimmer. Dafür gebühren ihnen unser Dank und unsere Anerkennung.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Mit einem Dank allein ist es aber nicht getan. Damit lassen sich die Probleme in den sächsischen Tierheimen nicht lösen. Ich war in Vorbereitung auf diese Rede am Samstag wieder einmal in einem Tierheim und habe mich bei den Mitarbeitern erkundigt, was sie benötigen. Das ist nicht immer nur Geld, meine Damen und Herren. Das sind auch andere Dinge: zum Beispiel, dass ihnen einmal zugehört wird, dass versucht wird, auch einmal andere Wege zu denken und konkrete Lösungen für die Probleme zu finden, die in den Tierheimen vor Ort vorherrschen.

Ich möchte dafür ein Beispiel nennen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben beklagt, dass sie sehr viele Tiere aus Haushalten von Kindern und Eltern bekommen, die nicht wissen, wie man artgerecht mit diesen Tieren umgeht. Es wäre für uns nicht so schwierig, uns darum zu kümmern, dass das auch Eingang in die schulische Bildung findet, dass Kinder lernen, wie man mit Haustieren artgerecht umgeht, damit weniger dieser Tiere nicht artgerecht behandelt werden und letztlich im Tierheim landen. Das ist zum Beispiel eine sehr praktische Sache, die uns kein Geld kosten würde.

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN besteht aus Licht und Schatten. Licht ist vor allen Dingen dort, wo den ehrenamtlich Engagierten gedankt und auf Missstände hingewiesen wird. Schatten ist dort, wo es um das Handwerkliche geht. Der Antrag wirkt manchmal so, als wäre er nur an Sachsen angepasst worden, und das auch nicht an jeder Stelle.

Zum Beispiel in Nr. 3, dem letzten Punkt, wird die Staatsregierung aufgefordert, „über die vom Landesbeirat für Tierschutz Sachsen und der Beauftragten für Tierschutz initiierten oder ergriffenen Maßnahmen zu berichten“. Es gibt aber in Sachsen keine Beauftragte für den Tierschutz. Der Beirat für den Tierschutz in Sachsen hat kein Initiativrecht. An dieser Stelle habe ich nicht genau erkennen können, wie das zu der Situation in Sachsen passt.

(Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Das lesen Sie in unserer Stellungnahme!)

Dazu komme ich gleich. – Mit großer Verwunderung habe ich auch festgestellt, dass der Antrag von den Antragstellern über eineinhalb Jahre liegen gelassen wurde. Sie haben ein wenig versucht zu erklären, warum. Nach der Einreichung am 23. September 2010 und dem Eingang der Stellungnahme der Staatsregierung am 26. Oktober 2010 dauerte es bis heute, bis wir den Antrag ins Plenum zur Abstimmung bekommen haben. Ich habe mich natürlich gefragt: Warum ist das so?

Sie sprechen in Ihrem Antrag mehrfach von der derzeitigen Situation im Bereich des Tierschutzes, und sogar im Antragstitel wollen Sie kurzfristige Hilfe für akut in Not geratene Tierheime, und dann bleibt der Antrag von Oktober 2010 bis Juli 2012 liegen. Das war mir nicht klar. Wollten Sie von der Staatsregierung erst einmal die angekündigten Maßnahmen abwarten? – So hatte ich Sie vorhin verstanden.

(Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: So ist es!)

Oder haben Sie vielleicht gedacht, dass der Antrag eventuell nicht beschlossen wird? – Das soll bei Anträgen von Oppositionsfraktionen hier im Haus ja vorkommen. Aber ich nehme die Erklärung auf jeden Fall an, die Sie vorhin brachten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung hat in ihrer Stellungnahme vom 22. Oktober 2010 angekündigt, die Situation zeitnah zu verbessern und konkrete Handlungsempfehlungen sowohl für die Finanzierung als auch für die Zusammenarbeit zwischen Tierheimen und Kommunen zu geben. „An diesem Ziel wird derzeit auf verschiedenen Ebenen gearbeitet.“

Zudem wurde mitgeteilt, dass in der Arbeitsgruppe im Landtag gerade die Frage der Verbesserung der Finanzsituation der Tierheime diskutiert und nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht werde. Natürlich bin ich jetzt sehr gespannt, was uns die Staatsministerin über die angekündigten Handlungsempfehlungen und die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe im Landtag berichten wird.