Kathrin Kagelmann

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Die Afrikanische Schweinepest hat Europa erreicht. Das ist ein Frontalangriff auf Wald und Stall; denn das auslösende Virus ist „ein großes Schlachtschiff“, wie es Frau
Dr. Blome vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in einem Zeitungsartikel ausdrückte.
Da scheint es rechtzeitig zu kommen, dass mit der pflichtgemäßen Anpassung des Landesrechts an ein novelliertes Tierseuchengesetz des Bundes gerade Instrumente der Überwachung der Tiergesundheit und der Bekämpfung von Tierseuchen gestärkt werden sollen. Bei näherer Betrachtung ist allerdings an dem Gesetz so viel nicht neu. Damit werden Chancen klar vertan.
Bereits heute obliegt den Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämtern der Landkreise und kreisfreien Städte der Vollzug der Aufgaben auf dem Gebiet des Tierseuchenrechts. Gleiches gilt in Anwendung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Freistaat Sachsen.
Die wirklichen Probleme werden nicht angepackt. Die Landkreise und kreisfreien Städte nämlich kämpfen – auch das ist ein lange bekannter Zustand – mit Personalengpässen. Bei jedem neuen Lebensmittelskandal machen wir darauf aufmerksam.
Über diese Situation liegen – entgegen der Stellungnahme der Staatsregierung auf unsere Nachfragen zum Gesetz – trotz Personal- und Organisationshoheit der Kommunen auch eigene Erkenntnisse beim Sozialministerium vor. Zumindest hat sie meinem Kollegen Dr. Pellmann auf eine Kleine Anfrage vom Februar dieses Jahres sehr konkret geantwortet. Danach waren sachsenweit Ende 2013 bei den zuständigen Ämtern in den Landkreisen und kreisfreien Städten 10 % der ausgewiesenen Vollzeitplanstellen nicht besetzt. Es fehlten somit mindestens 46 Fachkräfte. Besonders dramatisch war die Lage im Landkreis Bautzen, wo ein Viertel der Planstellen verwaist war.
Wie aber sollen die Veterinärämter einer künftig wachsenden Verantwortung für Tiergesundheit und Seuchenprävention gerecht werden, wenn permanente personelle Unterbesetzung und finanzielle Defizite den Vollzug des Gesetzes schon heute behindern?
Wie wichtig eine möglichst flächendeckende Kontrolldichte ist, belegen die Daten für das Jahr 2012. Danach gab es in ganz Sachsen insgesamt fast 80 000 Kontrollen, die immerhin zu fast 2 400 Beanstandungen führten. Es wurden 146 Bußgeldverfahren eingeleitet. In 35 Fällen kam es gar zu angeordneten Betriebsschließungen.
Die nach wie vor erheblichen Unterschiede bei der Kontrolldichte und der personellen Ausstattung zwischen den Landkreisen und den kreisfreien Städten erhärten die Notwendigkeit der seit Jahren von meiner Fraktion geforderten höheren Verbindlichkeit für die den Kommunen übertragene Pflichtaufgabe. Deshalb müssen neben einer Anhebung der Mittel im Landeshaushalt endlich verbindliche Regelungen zum Aufbau und zur Ausstattung der Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter im Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst verankert werden, anstatt es – wie bisher Praxis – lediglich bei Empfehlungen zu belassen.
Meine Damen und Herren! Tierseuchen sind keine Heimsuchung der agrarindustriellen Nutztierhaltung. Aber wir befinden uns in einem fatalen agrarwirtschaftlichen Kreislauf. Einseitige Tierzucht reduziert die Widerstandsfähigkeit von Nutztieren. Liberalisierung und Globalisierung der Agrarmärkte schleifen lokale Barrieren für die Seuchenausbreitung. Große, konzentrierte Tierbestände führen im Seuchenfall zu schweren wirtschaftlichen Verlusten. Und: Die Probleme der Tiermedizin werden immer häufiger zu Problemen der Humanmedizin. Tierseuchenprävention und -bekämpfung werden deshalb immer wichtiger.
Für die Linksfraktion ergeben sich deshalb zwei politische Herausforderungen: Erstens müssen eine flächendeckende Lebensmittelüberwachung sowie eine effektive Tiergesundheitskontrolle als Grundanliegen des Verbraucherschutzes personell und finanziell sichergestellt werden.
Zweitens muss in der Landwirtschaft die Weltmarktorientierung aufgegeben werden zugunsten einer an regionalen Wirtschaftskreisläufen ausgerichteten, flächengebundenen und artgerechten Nutztierhaltung.
Der Gesetzentwurf bleibt Antworten auf diese neuen Verbraucher- und Tierschutzanforderungen schuldig. Unsere Fraktion kann aus diesem Grund nicht zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Im Naturschutz ist es längst Realität, beim Tierschutz verharrt man über zehn Jahre nach der Aufnahme des Staatsziels in das Grundgesetz immer noch in bekannten und immer wieder gehörten Abwehrritualen. Wie beim Naturschutz wird sich die Vernunft, die letztlich nur der Verfassungslogik folgt – und darum geht es, Herr Fischer –, so wie in zahlreichen weiteren Bundesländern auch in Sachsen durchsetzen. Da bin ich mir sehr sicher.
Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten; denn wer A sagt, wer also den Tierschutz verfassungsrechtlich und gesetzlich stärkt, muss auch B sagen und anerkannten Tierschutzvereinen als den bürgerschaftlichen Anwälten der Tiere das Instrument zur Durchsetzung – die Verbandsklage – einräumen.
Warum spielen Sie trotzdem dieses Spiel auf Zeit? Zumindest für sein Land hat ein Schweizer Tierschützer eine plausible Erklärung gefunden. Ich zitiere Erwin Kessler, den Präsidenten des Vereins gegen Tierfabriken in der Schweiz: „Mit einem fortschrittlichen Tierschutzgesetz wird die Öffentlichkeit beruhigt. Mit einem raffinierten Nichtvollzug wird gleichzeitig dafür gesorgt, dass es keine Auswirkungen auf die bestehende Praxis hat.“
Könnte es sein, dass diese kurze Analyse in weiten Teilen gleichermaßen auf Sachsen zutrifft und daraus der koalitionäre Beißreflex resultiert? Wobei der angesprochene Nichtvollzug weniger den kommunalen Ämtern – und hier insbesondere den Veterinärämtern – anzulasten wäre als vielmehr deren hoffnungsloser Aufgabenüberlastung bei personeller Unterdeckung.
Es ist nicht von der Hand zu weisen: Es gibt die Sorge bei den Kommunen vor dem Anwachsen dieses Aufgabenberges durch Tierschutzverbandsklagen und vor allem durch die Gewährung von Mitwirkungsrechten. Das wurde beim 4. tierschutzpolitischen Fachgespräch meiner Fraktion Anfang Juni deutlich. Aber genauso wenig lässt sich bestreiten, dass die bestehende Praxis, beispielsweise in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung, in der Tierversuchsforschung oder in der Fleischindustrie, in Deutschland und auch in Sachsen immer häufiger infrage
gestellt wird, und zwar trotz eines umfangreichen Regelwerkes vom Stall bis zum Schlachthof.
Egal, für wie berechtigt man also im Einzelfall Proteste gegen örtliche Stallneubauten oder konkrete Haltungsbedingungen einordnet: Die Imageprobleme der Nutztierhaltung können nur durch mehr Transparenz und stärkere Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern abgebaut werden, nicht durch weniger. Es sollte also im Interesse der Veterinär-, Bau- und Ordnungsämter sowie gleichermaßen der Tierhalter liegen, die Zusammenarbeit mit anerkannten Tierschutzvereinen zu suchen und deren Kompetenz zu nutzen, damit letztlich die Spreu vom Weizen getrennt werden kann, nämlich der vermeintliche Verstoß gegen Tierschutzrecht vom tatsächlichen.
Das Klagerecht ist Ausdruck dieser Anerkennung von Kompetenz, indem es Tierschutzvereinen eine Verhandlungsmacht auf Augenhöhe einräumt, die Tierhalter im Übrigen längst haben, und ich bitte Sie, Herr Fischer: Niemand klagt zum Spaß. Dafür ist ein Klageweg viel zu aufwendig und vor allem zu teuer, gerade für einen gemeinnützigen Verein.
Der wirkliche Vorteil eines Verbandsklagerechts liegt in der frühzeitigen Einflussnahme auf Verwaltungsentscheidungen durch eine Beteiligung von Tierschutzvereinen. Solche Entscheidungen bringen mehr Rechtssicherheit und damit auch mehr öffentliche Akzeptanz – eigentlich aus gesellschaftlicher Sicht eine Win-win-Situation. Und noch etwas: In den Tierschutzvereinen tummeln sich in der Mehrheit nicht nur unkontrollierbare Wutbürger. Dort engagieren sich genauso wie in den bereits klageberechtigten Umweltvereinen häufig Menschen, die ihre Profession neben oder nach ihrem Berufsleben ehrenamtlich weiter ausleben, in diesem Fall häufig Tierärzte oder Tierpfleger. Es ist einfach unfair, diesen Vereinen pauschal fehlende Sachkenntnis unterstellen zu wollen.
Eine Gefahr allerdings besteht tatsächlich: Ein Verbandsklagerecht könnte Defizite bei der Durchsetzung des Tierschutzes öffentlich machen. Es könnte deutlich machen, wie leichtfertig und regelmäßig bestehendes Tierschutzrecht mittels Ausnahmeregelungen umgangen wird, beispielsweise in der Forschung, in der trotz der wachsenden Anzahl tierversuchsfreier Verfahren immer mehr Tiere getötet werden. Es könnte deutlich machen, dass tierschutzrechtliche Auflagen und Anordnungen nicht oder unzureichend kontrolliert werden. Es könnte deutlich machen, dass Hinweisen über Rechtsverletzun
gen im Tierschutz nicht oder nicht zeitnah nachgegangen wird oder nachgegangen werden kann.
Ich gehe allerdings davon aus, sehr geehrte Damen und Herren der Koalition, sehr geehrte Frau Staatsministerin, dass das in Sachsen praktisch nicht vorkommen kann. Insofern dürften Sie überhaupt keine Probleme mit dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN haben.
DIE LINKE jedenfalls unterstützt das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine vorbehaltlos, und ich darf Ihnen hier und heute versprechen: Sie werden das Thema weiter an der Backe haben, egal, wie Sie sich heute entscheiden.
Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Ich habe mich heute mal vom Charme der Kollegen hier überrumpeln lassen. Ich gebe ausnahmsweise meine Rede zu Protokoll. Es ist sonst nicht mein Stil, aber ich hatte den Eindruck, dass wir, was die Debattenkultur betrifft, mal eine kleine Pause brauchen.
Der Forstbericht ist eine wichtige Grundlage für die Bewertung künftiger Forstpolitik. Gleichwohl endet der Berichtszeitraum bereits 2012, was seine Aktualität relativiert. Insgesamt stellt der Forstbericht dem sächsischen Wald ein gutes Zeugnis aus. Er verweist allerdings auch auf Probleme – manchmal allerdings eher indirekt. Auf einige wenige möchte ich eingehen:
Die kleinteilige Eigentümerstruktur mit sehr hohen Anteilen von Kleinstwaldflächen, wie sie auch im bundesdeutschen Vergleich Normalität ist, erschwert aus meiner Sicht durchaus eine landesweit abgestimmte Forstpolitik, insbesondere bei der Erreichung der sächsischen Waldbau- bzw. -umbauziele.
Die Waldflächenentwicklung in Sachsen geht sehr langsam voran. Die waldstrategische Zielerreichung von 30 % Waldfläche bis 2050, gemessen an der Landesfläche, bleibt daher ambitioniert, auch weil Flächenkonkurrenzen, Waldinanspruchnahmen insgesamt zunehmen.
Beispielsweise erfolgt die Waldflächenzunahme fast ausschließlich auf Kosten von Landwirtschaftsflächen. Das ist durchaus ambivalent zu bewerten, weil auch die Infrastrukturentwicklung in Sachsen sowie der Rohstoffabbau, aber auch naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen auf Kosten der Landwirtschaftsflächen erfolgen. Die Waldbaustrategie erfordert deshalb ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft der verschiedenen Flächennutzer in der Abstimmung über gesamtgesellschaftliche und privatwirtschaftliche Entwicklungsziele.
Nach wie vor als herausgehobener Stressfaktor für den sächsischen Wald werden im Forstbericht die „anhaltend hohen, über der kritischen Belastungsgrenze liegenden Stickstoffeinträge“ genannt. Seit Jahren, mit jedem Waldzustandsbericht, thematisiert meine Fraktion diese Situation. Im vorherigen Forstbericht fand sich noch eine Übersicht über die besonders belasteten Schadensflächen in Sachsen – gemessen an der Gesamtwaldfläche. Damals wurde von 10 % Flächen über der kritischen Stickstoffbelastungsgrenze gesprochen. Im neuen Forstbericht fehlt leider eine solche quantitative Angabe. Wir brauchen aber dringender – dies fordert DIE LINKE unbeirrt seit Jahren – ein flächenbezogenes Stickstoff-Monitoring im Sinne einer Ökobilanz, um über die Maßnahmen der
fortgesetzten Waldkalkungen hinaus wirksame Instrumente zum Gegensteuern ableiten zu können.
Zum Schluss: Der Umbau der sächsischen Forstverwaltung wurde durch einen erheblichen Personalabbau begleitet. Im Forstbericht wird angekündigt, dass dieser Abbau fortgesetzt wird. DIE LINKE sieht diesen Prozess durchaus mit Sorge: Bereits heute weicht nach Informationen der zuständigen Gewerkschaft BAU der Landesbetrieb Sachsenforst dem steigenden Konsolidierungsdruck unter anderem dadurch aus, dass für Waldumbauarbeiten im Einzelfall Drittfirmen herangezogen werden, deren Waldarbeiter zu Niedriglöhnen schuften müssen. Diese Art von Tarifflucht lehnt DIE LINKE entschieden ab.
Damit im Zusammenhang steht die Größenentwicklung der staatlichen Forstreviere. Eine Angabe zur Größenentwicklung der Forstreviere habe ich im Forstbericht nicht finden können. Dabei wurde gerade diese Entwicklung – nämlich die Verdopplung der Privat- und Körperschaftswaldreviere durch die Organisationsreformen der Vergangenheit – im Rahmen der Evaluation des Landesbetriebes Sachsenforst im Jahr 2012 deutlich kritisiert. So können, heißt es in der Evaluation, „... Revierleiter im Privatwald oftmals keine aktive Beratung mehr durchführen, was hinsichtlich der vom Freistaat Sachsen anvisierten Rohholzmobilisierung aus dem Privatwald als problematisch zu sehen ist.“
Und, so wird weiter bemängelt: Auch im Staatswald haben die Reviergrößen und die Aufgaben der Revierförster ein kaum noch zu bewältigendes Ausmaß angenommen. Für mich heißt das: Das Limit ist längst erreicht. Ein fortgesetzter Personalabbau konterkariert die forstpolitischen Entwicklungsziele in Sachsen.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Anfang dieses Jahres machte eine eigenwillige Meldung in Presse und Fernsehen die Runde: Brasilien stöhnt unter einer Raupenplage. Das ist schon ungewöhnlich, denn Brasilien ist bekannt für den großflächigen Anbau eines gentechnisch veränderten Maises. In diesem Falle handelt es sich um den Mais 1507 des Unternehmens Pioneer.
Nachdem man den Mais zwei Jahre angebaut hat, stellte sich im dritten Anbaujahr heraus: Die Raupen entwickeln sich prächtig. In dem Mais war allerdings ein Insektengift eingebaut, das eigentlich die Raupen abtöten sollte. Die Sorge unter den Kleinbauern in Brasilien ist inzwischen sehr groß. Es geht um Ernteverluste von 30 % und mehr. Es geht um ebenso große Einnahmenverluste. Das Saatgut war ohnehin teurer. Jetzt braucht man auch noch teure Insektizide und davon auch noch mehr, und die Anklage gegen Pioneer ist natürlich folgenlos.
Meine Damen und Herren, genau dieser Mais soll inzwischen nach Europa kommen. Die Zulassung ist theoretisch schon erfolgt. Ganz praktisch könnte es im nächsten Jahr losgehen.
In den Debatten auf EU-Ebene und in den Ministerräten der EU hat sich Deutschland immer vornehm der Stimme enthalten. Man hatte keine Meinung zu diesem Thema. Das ist schon verwunderlich, denn in Deutschland wird seit 2009 keine gentechnisch veränderte Pflanze mehr angebaut, nachdem es ein nationales Anbauverbot für den Mais der Sorte MON 810 gegeben hat. Deutschland befindet sich da in guter Gesellschaft: Deutschland, Frankreich, Ungarn, Österreich, Italien. Das alles sind Länder, in denen nationale Anbauverbote bestehen. Die EU erweist sich noch als ein Bollwerk gegen gentechnische veränderte Kulturen aus Übersee.
Genau zu diesem Zeitpunkt, also 2008/2009, als man den MON 810 national verboten hat, begann die Debatte darüber, ob denn das richtig sei. Entfalten die nationalen Anbauverbote Rechtswirksamkeit? Wie müssen Zulassungsverfahren ausgestaltet und Freisetzungskriterien formuliert sein?
Das Ziel dieser Debatten auf EU-Ebene war immer, die Landwirtschaft in den Mitgliedsstaaten zu schützen, insbesondere auch den Berufsstand der Imker. Aus dieser Debatte folgten zahlreiche Initiativen von EU-Staaten, aber auch von einzelnen deutschen Bundesländern. Die wollten nämlich die Bundesregierung treiben. Die wollten
sagen: Jetzt beziehe hier mal „klare Kante“. Es gab Initiativen aus Bayern, Mecklenburg-Vorpommern,
Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und weiteren Bundesländern. Alle haben gesagt: Wir müssen hier dafür sorgen, dass Deutschland eine gentechnisch freie Zone bleibt. Bayern, Hessen, Thüringen und NordrheinWestfalen sind gleich mal dem Netzwerk „Gentechnikfreie Regionen in der EU“ beigetreten.
Und was macht Sachsen? – Nichts! Sachsen dackelt der Bundesregierung hinterher – zumindest bis jetzt. Inzwischen gab es großen Knatsch in der Koalition, denn diese Enthaltung widerspricht dem Koalitionsvertrag. Dort hatte man sich noch dazu bekannt, dass man anerkennen will, dass der Großteil der Bevölkerung Gentechnik in Deutschland nicht haben will. Die Enthaltung von Deutschland im EU-Ministerrat entsprach nun nicht diesem Koalitionsvertrag. Aufgrund dieser Kritik, auch persönlich an der Bundeskanzlerin, gab es wohl in dieser Woche inzwischen eine Einigung.
Nun zu unserem heutigen Debattenthema. Wir haben natürlich die Sächsische Staatsregierung – Staatsminister Kupfer – befragt: Wie sieht es denn mit eigenen Initiativen aus im Ländle Sachsen? Staatsminister Kupfer sagte daraufhin, dass man sich die Verantwortung ungern zuschieben lassen wolle, dass man sich allerdings einem bundeseinheitlichen Verbot nicht verschließen möchte.
Herr Staatsminister Kupfer, dazu sage ich: Jetzt können Sie sich ja positionieren, jetzt scheint es ja eine Einigung auf Bundesebene zu geben. Ich frage Sie, ich frage die Koalition: Wie halten Sie es mit der Gentechnik in Sachsen? Ich hoffe, wir bekommen in der heutigen Debatte ein einheitliches Stimmungsbild, das wir dann auch in der Diskussion mit dem Berufsstand, der aus meiner Sicht nicht gar so klar zu der Frage steht, –
– mit verwenden können.
Danke schön.
Danke schön, Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich auf einige der Argumente kurz erwidern. Herr Heinz, Sie sagen, es sei eine unnötige Debatte, die wir hier führen, ein Scheingefecht.
Herr Heinz, es wird schlechterdings irgendeine Debatte geben, die sich mit Unterlassungssünden der Staatsregierung auseinandersetzt, die aus Ihrer Sicht angemessen und
aktuell wäre. Diese Anforderung kann Opposition nicht erfüllen, aber ich denke, sie ist insofern aktuell, als ich zu einem Zeitpunkt schon von Ihnen einmal hören will – und ich habe es jetzt wieder nicht gehört –, was Sie denn persönlich von der grünen Gentechnik halten. Ist es für Sie eine zukunftsfähige Technologie, die den Welthunger besiegen kann, oder lehnen Sie sie aus ethischen oder sonstigen Gründen ab?
Ich habe wieder nichts davon gehört. Sie haben sich wieder darum herumgemogelt. Allerdings – das ist bedenklich – haben Sie aus den Äußerungen der anderen Parteien mitbekommen: Ihnen kommen ja ein wenig Ihre möglichen Koalitionspartner abhanden, die eine viel stringentere Haltung in Sachen Gentechnik vertreten.
Die Aktualität ergibt sich tatsächlich auch aus dem Diskussionsprozess zum Transatlantischen Freihandelsabkommen. Ich habe vom Bollwerk Europa gesprochen, was noch funktioniert. 1,2 % der EU-Anbaufläche sind überhaupt nur mit dem Anbau gentechnisch veränderter Kulturen belegt, und dieses Bollwerk gilt es zu halten. Dafür muss man aktiv werden.
Wenn jetzt von Übersee an uns herangetragen wird, dass wir Verbraucherschutzstandards und Zölle absenken, dann kann im Bereich der Landwirtschaft das Ziel doch nur darin bestehen, dass wir den Markt öffnen, eben für gentechnisch veränderte Kulturen. Da möchte ich schon, dass sich auch meine Staatsregierung irgendwie dazu äußert.
Ich bin Sächsin, ich lebe nun einmal hier. Auch wenn ich sie nicht gewählt habe, ist es insofern dann auch meine Staatsregierung.
Herr Mann, bei der Kennzeichnungspflicht sind wir doch ein bisschen radikaler. Wir wollen Gentechnik weder auf den Tellern noch im Trog – das sagen wir ganz klar –, und wir wollen sie schon gar nicht im Honig über den Pollen.
Herr Hauschild, das Bienensterben – wo ist denn Herr Hauschild? –
hat schlechterdings in Amerika seinen Anfang genommen, und das waren die Meldungen über dieses Massensterben von Bienen. Sie waren die ersten Indizien, dass da irgendetwas mit der grünen Gentechnik falsch laufen muss, und erst wesentlich später schwappte das Problem auch nach Deutschland und in die EU.
Aber wenn Sie davon sprechen, dass wir als Hochtechnologieland unseren Wettbewerbsvorsprung halten müssen, dann muss ich Ihnen natürlich sagen: Konventionelle Züchtung ist heute mehr als Pfropfen. Konventionelle Züchtung findet heute längst im Labor statt, ist Teil von Biotechnologie, hochmodern und innovativ. BASF könnte
durchaus in Deutschland forschen, man muss es nicht im Bereich der grünen Gentechnik tun.
Zum Schluss: Herr Weichert, ja, der Schlingerkurs … Wir von der LINKEN – – Mir kommen meine Gesprächspartner abhanden, auch Herr Weichert ist nicht mehr zugegen; das macht nichts.
Herr Weichert, wir stehen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft. Aber – und ich sage das immer wieder – nachhaltige Landwirtschaft hat etwas mit Bewirtschaftungsformen, mit Bewirtschaftungsweise zu tun und ist eben nicht von der Betriebsform abhängig. Insofern hat DIE LINKE einen Dissens dazu, dass wir ein Feindbild Groß gegen Klein, Öko gegen konventionell aufbauen. Dazu sind wir nicht bereit. Wir sagen: Nachhaltige Landwirtschaft ist auch mit den Strukturen der ostdeutschen Landwirtschaft machbar.
Meine Damen und Herren! Ich bin dennoch etwas optimistischer als Herr Weichert, denn ich denke, bei dem Schlingerkurs von Herrn Heinz – –
Ich möchte dem Staatsminister doch noch die Chance lassen, sich hier und heute eindeutig zu einer gentechnikfreien Region Sachsen zu bekennen.
Zu mehr Ehrlichkeit!
Danke schön, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich muss ich mich jetzt noch einmal äußern. Ich bin ja dankbar. Jetzt habe ich das offene Wort, das wir in der Vergangenheit vermisst haben, Herr Staatsminister Kupfer. Sie haben ganz eindeutig gesagt, was Sie von der grünen Gentechnik halten, nämlich sehr viel. Allen Gegnern halten Sie entgegen, dass sie die Bevölkerung veralbern. Wir fordern hier keine Deklaration, Herr Staatsminister, sondern eine klare Haltung, die auf EU-Ebene dann auch mal in einer klaren Abstimmung münden muss. Da kann man hier nicht darüber schwafeln, dass es nicht genug Forschung gibt. Selbstverständlich gibt es nicht genug Forschung, und es gibt schon gar keine unabhängige Forschung, wie es auch keine unabhängigen Zulassungsverfahren gibt. Das ist uns ja alles bekannt.
Aber genau darum geht es, Herr Staatsminister Kupfer. Die ethische Verantwortung für zukünftige Generationen für die Vielfalt auf unserem Planeten verlangt es, dass wir uns die Mühe machen und von einer Technologie eine Folgenabschätzung vornehmen. Genau das aber passiert nur in unzureichendem Maße. Wenn wir uns nicht sicher sind und wenn wir in einem offenen System herumexperimentieren – Herr Heinz, wir haben ja diese Diskussion nicht zum ersten Mal, es geht um das Herumexperimentieren im offenen System –, dann muss man sich schon sehr sicher sein, was man dort auf die Menschheit loslässt. Deshalb ist das für DIE LINKE auch ganz klar.
Ich konstatiere: Ihre Ministerkolleginnen und -kollegen in Bayern, Hessen, Thüringen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen verdummen ihre eigene Bevölkerung, indem sie sich klar zur Gentechnikfreiheit beken
nen. Das ist eine neue Erkenntnis für mich. Neu ist auch für mich die Einsicht, dass wir zumindest mit dieser Staatsregierung keinen Schritt weiterkommen in Sachen Gentechnikfreiheit in Sachsen. Ich halte das mit Hinblick auf die große Ablehnung durch die Bevölkerung tatsächlich für tragisch. Aber, meine Damen und Herren, Sie haben die Wahl.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Wenn Herr von Breitenbuch spricht, dann muss ich – es tut mir leid – natürlich auch sprechen.
Der größte Stressfaktor für den Wald ist der Klimawandel. Der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarates er
kennt den Wald als besonders vom Klimawandel bedroht an, weil seine Anpassung an die Umweltveränderungen Jahrhunderte benötigt. Der Bericht warnt vor Dürren, Verschiebungen von Niederschlägen, Wetterextremen und stärkeren Schadinsektenvermehrungen. Ferner wird im Bericht zu größerer Eile gemahnt. Weiterhin werden mehr Geld und mehr Personal für das Generationenprojekt Waldumbau gefordert.
Weil das so ist, muss die Politik eine Doppelstrategie fahren, und zwar einerseits bezüglich einer aktiven Klimaschutzpolitik, um die Erderwärmung zumindest abzubremsen, und andererseits hinsichtlich solcher Anpassungsmaßnahmen wie dem Waldumbau.
Die Klima- und Energiepolitik der Sächsischen Staatsregierung hingegen ist das Gegenteil von Generationenverantwortlichkeit und Nachhaltigkeit. Sie torpedieren die dringend erforderliche Energiewende, bremsen die Entwicklung erneuerbarer Energien aus und setzen auf die klimaschädlichste Energieerzeugung. Ganz nebenbei geben Sie große Waldflächen zur Abholzung frei, unter anderem das einzige Naturschutzgebiet „Urwald Weißwasser“ mit vielen mehrere hundert Jahre alten Eichen und Buchen. Das alles geschieht in der „Sandbüchse Sachsens“, die aufgrund der geologischen Bodenstruktur ohnehin besonders gebeutelt ist und den Wald dringend als Wasserspeicher braucht.
Nach dem aktuellen Waldzustandsbericht verschlechtert sich der Kronenzustand im östlichen Tiefland, wozu auch der Norden des Landkreises Görlitz gehört. Das wird auf die Trockenphase in den Jahren von 2003 bis 2008 zurückgeführt. Die Trockenphasen aber – das ist unser Problem – werden in meiner Region zur Normalität. Das ist keine neue Erkenntnis, die wir hier gewonnen haben, sondern das wird gestützt von älteren regionalen Klimamodellen des LfULG.
Was nützt uns also die parlamentarische Selbstbeweihräucherung auf der Grundlage der Waldzustandsberichte, wenn die eigentlichen Ursachen von ungünstigen Entwicklungen fortgesetzt ignoriert werden? – Nichts, meine Damen und Herren!
Da ich gerade bei den eigentlichen Ursachen bin, möchte ich als Stichwort die Waldkalkung nennen. Die Stickstoffeinträge in das Ökosystem Wald verlangen auch zukünftig erhebliche Anstrengungen und finanzielle Mittel für die Kalkung, und zwar – folgt man der Waldstrategie des Freistaates – bis wenigstens zur Mitte des Jahrhunderts.
Wesentlicher Verursacher der Stoffeinträge ist derzeit die Landwirtschaft. Sachsen liegt seit Jahren unverändert und großflächig über der kritischen Belastungsgrenze bei Ammoniumstickstoff. – So weit der Waldzustand 2012!
Ich wollte nur den Gedanken zu Ende bringen.
So ist es.
Wir haben es hier – das habe ich an anderer Stelle bereits gesagt – mit Ammoniumstickstoff zu tun, der bei der landwirtschaftlichen Produktion entsteht, in den Stoffkreislauf hineingetragen wird und damit den Wald belastet, im Übrigen auch das Grundwasser.
Aber wenn Sie sich, Herr von Breitenbuch, einmal mit älteren Waldzustandsberichten beschäftigt haben: Der Waldzustandsbericht aus dem Jahr 2012 beschäftigt sich dezidiert mit Stoffeinträgen, und zwar in der negativen Diktion mit Schadstoffeinträgen. Dort wird diese von mir hier vorgetragene Analyse vorgenommen. Das ist, wie gesagt, eine Zustandsanalyse aus dem 2012er Waldzustandsbericht.
Herr von Breitenbuch, weil Sie es immer wieder bringen – ich weiß gar nicht, wie lange Sie das noch anbringen wollen –: Diese Belastung hat nichts mehr mit den Einträgen aus der Luft zu tun, wie sie noch bis Ende des vorigen Jahrhunderts vorrangig zur Versauerung des Bodens beigetragen haben. Aber wozu braucht man neue Erkenntnisse, wenn man ein festgefügtes, unerschütterliches Weltbild besitzt?
Solange ich dem Sächsischen Landtag angehöre, mahnt meine Fraktion an, stärker sektorenübergreifende Schlussfolgerungen zu ziehen.
Im Übrigen ist das eine Forderung des damaligen Waldzustandsberichts.
Es bedarf einer umfassende Gesamtbilanz der Stickstoffeinträge in die Ökosysteme Wald, Wasser und Luft, die klar aufzeigt, welche Sektoren in welchem Umfang für die grenzwertüberschreitenden Einträge verantwortlich sind.
Dann kann man langfristig gegensteuern, und zwar jenseits der reinen Symptombekämpfung durch Waldkalkung. Dazu muss man allerdings bereit sein, politisch die Daumenschrauben anzuziehen, wenn man feststellt, dass mit netten Broschüren des LfULG und Weiterbildungs
veranstaltungen dem Problem der Stickstoffüberschüsse ganz offensichtlich nicht beizukommen ist.
Im Einzelfall ist dazu durchaus jede Menge Durchsetzungsvermögen vonnöten. Der Sächsische Landesbauernverband baut schon einmal vor und fordert von der Staatsregierung, keine fachrechtlichen Verschärfungen bei der Novelle der Düngeverordnung des Bundes zuzulassen. In dieser geht es – wie kann es anders sein – um die Einführung einer Stickstoffsteuer oder um die Einführung von Düngeobergrenzen. Herr von Breitenbuch, auch hierbei finden Sie wieder den Zusammenhang.
Zu guter Letzt: Sie danken an dieser Stelle immer gern den Forstleuten.
Diese machen tatsächlich einen Knochenjob. Der Job ist nicht unbedingt leichter geworden, seit im Zuge der Reform im „Sachsenforst“ Arbeitskräfte abgebaut wurden bei gleichzeitiger Erhöhung des finanziellen Konsolidierungsdrucks über die Holzverwertung. Als Königsweg in dieser Situation gilt unter anderem die Fremdvergabe von Leistungen an Dritte, beispielsweise im Bereich der Aufforstung, und dort am besten zu Dumpinglöhnen, denn es muss sich ja irgendwie rechnen. Dass diese Praxis auch in Sachsen traurige Realität ist, haben uns kürzlich die Vertreter der IG BAU in einem Gespräch mit der Fraktion bestätigen müssen.
Meine Damen und Herren! Das ist ein weiteres Indiz für die dringende Notwendigkeit eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns.
Das alles, meine Damen und Herren finden Sie natürlich nicht im Waldzustandsbericht 2013, aber genau darüber sollten wir reden.
Danke schön.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in eine Situation komme, in der ich fast Mitleid mit meinem CDU-Landrat habe, der seit Jahren um einen nicht zu konsolidierenden Haushalt kämpft und dann immer wieder landespolitische Nackenschläge erhält.
Da ist es eben, Herr Schreiber, einfach so, dass die Kürzung der Jugendpauschale – auch wenn Sie es nicht mehr hören können – ein solcher grandioser Nackenschlag war, der unseren Kreis enorm belastet, und zwar bis in die Gegenwart.
Ich kann Ihnen jetzt nicht ganz folgen. Ich habe das akustisch nicht mitbekommen. Vielleicht können wir das auf anderem Weg klären.
Nur ein paar Zahlen dazu: Wir haben bis 2012 aufgrund der Kürzung der Jugendpauschale allein 14 % weniger Mittel in der präventiven Jugendhilfe einstellen können.
Das hört sich jetzt gar nicht so viel an, auch wenn ich Frau Herrmann folge, was dort unter anderem an Fachkräften aufschlägt. Das sind bei uns aber ganz erhebliche Mittel – 360 000 Euro –, weil wir im Jahr 2012 nur für 2,6 Millionen Euro überhaupt präventive Jugendarbeit finanzieren konnten.
15 Projekte und acht Vollzeitstellen sind weggefallen, was nicht unbedingt mit der Zahl der Sozialarbeiter gemein ist. Damit sind nur Projekte gemeint, die überhaupt über Fachkraftförderung finanziert werden. Nicht mitgezählt sind die zahllosen Kleinprojekte wie Jugendfreizeiten und Klubs etc., die dann noch den Bach heruntergegangen sind. Das mag Sie vielleicht nicht interessieren, aber in meiner Heimatstadt – sie ist nicht sehr groß, 10 000 Einwohner, das mag jetzt popelig klingen – gibt es inzwischen überhaupt kein Jugendzentrum mehr.
Ich finde, das ist traurig; denn, Herr Schreiber, meine Präferenz ist – das sage ich Ihnen ganz klar –, dass wir Angebote für alle Kinder und Jugendlichen vorhalten – das sagt nämlich das SGB VIII auch – und nicht nur für Kinder und Jugendliche, die Probleme haben.
Der Landkreis – und jetzt komme ich möglicherweise auf den aufgeregten Zwischenruf – versucht, das will ich gar nicht in Abrede stellen, gegenzusteuern. Wie macht er das? Das macht er natürlich immer mit dem verzweifelten Griff nach irgendwelchen Projekten vom Land und vom Bund. Meine Kollegin Frau Klepsch hat bereits ausgeführt, was dort das Problem ist. Es fehlt an Nachhaltigkeit und an den Folgemitteln danach, wenn dann einmal die glorreiche Modellförderung ausläuft.
Ganz fatal aus meiner Position heraus: Es wird versucht gegenzusteuern mit einem grandiosen Lohndumping bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der freien Träger. Das halte ich tatsächlich für eine riesengroße Schweinerei.
Jetzt sind wir beim hochgelobten Umsteuern seit 2013. Warum ist das zustande gekommen? Warum wurde hier etwas eingefroren? Warum hat der Landkreis Görlitz dann ein paar Brosamen vom Tischchen des Landes bekommen? Weil der politische Druck wächst. Das Positionspapier des Landkreistages ist ja nicht so aus der Kalten entstanden, sondern es wurde lange diskutiert. Es sind zumeist Ihre politischen Gefolgsgänger gewesen, die da zusammensaßen. Es braucht schon eine Zeit, damit man sich zu so einem Papier verständigt. Mein Landrat beispielsweise bekommt im Kreistag keinen Fuß mehr auf den Boden. Das ist sein Problem. Er hat Probleme, den Haushalt durchzubekommen. Wir hatten jetzt im Februar einen Sonderkreistag Jugendhilfe, wir werden im Juni das nächste Mal zu einem gemeinsamen Antrag der Oppositionsfraktionen diskutieren, und wir haben im März das Papier des Landkreistages ganz offiziell als Kreistag mehrheitlich unterstützt. Das ist doch die Situation. Sie erschweren doch Ihren eigenen Leuten die Arbeit vor Ort.
Auf der anderen Seite müssen wir in meinem Kreis jedes Jahr überplanmäßige Ausgaben einstellen. Das ist schon eine regelmäßige Übung für uns. 2013 waren es bereits
3,7 Millionen Euro Nachschuss im HzE-Bereich. Ich bitte Sie, das sind 20 % des Gesamtplanansatzes. Wie, meinen Sie, soll eine Kommune da noch finanziell klarkommen?
Beim Ranking der Landkreise bei der Heimunterbringung nimmt Görlitz einen Spitzenplatz ein. Sie wie ich, wir kennen die Ursache. Die ist offiziell bestätigt. Der Landkreis Görlitz ist der strukturschwächste und der ärmste Landkreis mit einer sehr hohen Arbeitslosigkeit. Da hilft uns eine Tonnenideologie, Frau Schütz, überhaupt nichts, wenn Sie hier Zahlen aufzählen, wie viel das Land wohin pumpt, es braucht vielmehr einen spezifischen Blick auf die konkreten Problemlagen. Weniger Kinder und Jugendliche auf der einen Seite bedeuten nicht unbedingt weniger Bedarf auf der anderen Seite.
Ich finde, Sie verhalten sich enorm egoistisch gegenüber Ihren Kommunen. Sie lassen Ihre Leute, die Kommunalpolitiker vor Ort, im Stich. Ich kann nur hoffen, dass wir demnächst bei den anstehenden Wahlen sehen, was Sie dafür als Quittung bekommen.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Mir scheint, der Paragrafenpranger feiert fröhlich Auferstehung. Noch in der letzten Legislaturperiode offiziell beerdigt, sammelt die Koalition verbliebene Bruchstücke des einstigen Vorzeigeprojektes und holzt – um im Bild zu bleiben – sukzessive die ohnehin nicht üppigen wirtschaftlichen Handlungsfelder von Kommunen ab. Das reicht vom großartigen Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts bis zum Naturschutzgesetz über das Wassergesetz zum Wiederaufbaubegleitgesetz oder jetzt an dieser Stelle zum Waldgesetz.
Was Kommunen und Staat bleibt, sind dann überwiegend wirtschaftlich wenig verwertbare, dafür aber gemeinwohlorientierte und aufwendige Leistungen, die sie zu erbringen haben – im Fall des Waldes beispielsweise die Beratung von Waldbesitzern oder die Koordinierung von Pflanzenschutzmaßnahmen.
Nicht, dass ein solcher neoliberaler Kurs von der derzeitigen Koalition unerwartet käme; deutlich auch die Handschrift des Grundbesitzerverbandes. Dieser hatte bereits 2007 in seiner Stellungnahme zum Verwaltungsneuordnungsgesetz in Bezug auf die damals vorgesehene Streichung des waldgesetzlichen Vorkaufsrechts für den Freistaat erfrischend offen erklärt, worum es geht. Zitat: „… Die neu geschaffenen Privatwaldbetriebe benötigen Zuwachs, um wirtschaftlich sinnvolle und lebensfähige Größen zu erreichen. Ein wesentliches Instrument dazu ist ein Vorkaufsrecht. Im Interesse der Eigentümer und des Waldes muss das Vorkaufsrecht jedoch an erster Stelle dem Privatwaldeigentümer zustehen.“
Nun steigt seit dieser Zeit der Bodenpreis rasant; es steigen die Holznachfrage und damit der Holzpreis.
Angesichts dieser positiven Verwertungsbedingungen wird klar, warum ein weiterer Marktteilnehmer – diesmal der Staat und seine Kommunen – dringend ausgebootet werden sollen.
Mich erstaunt nur, wie gnadenlos die Koalition über die eindeutig artikulierten Interessen der kommunalen Ebene hinweggeht und damit vielfach Kommunalpolitiker aus den eigenen Reihen vor den Kopf stößt – zumal die Kommunen vor angeblich überbordenden Prüfaufträgen nicht gerettet werden wollen. Zumindest die Kommunen stellen angesichts ihrer prekären finanziellen Situation und der realen Flächenverhältnisse keine realistische Bedrohung für die privaten Waldbesitzer dar.
Das alles ist aberwitzig. Seit dem Paragrafenpranger und in diesem Jahr mit jedem koalitionären Vorstoß zur Streichung kommunaler Vorkaufsrechte weisen die verschiedenen Vertreter des Städte- und Gemeindetages händeringend auf die Bedeutung des Vorkaufsrechtes im Wasser-, Naturschutz- und Waldgesetz als wichtiges Instrument zur Sicherung von Flächen für öffentliche Interessen hin.
In der Anhörung zum Gesetzentwurf mahnte der Sachverständige des SSG geradezu, die Bedeutung dieses Instrumentes für die Kommunen nicht an der geringen Inanspruchnahme festzumachen, sondern vielmehr zu bedenken, dass seine Funktion auch darin besteht, überhaupt Kenntnis von einem Eigentümerwechsel zu bekommen und damit einen Gesamtüberblick über die Eigentümerstruktur zu behalten.
Anders ausgedrückt: Wenn eine Kommune, ein kommunaler Forstbetrieb oder auch Sachsenforst selbst handeln will – hier geht es beispielsweise um Wegebau oder Verkehrssicherungspflichten, um Naturschutzfragen, um Waldbrände oder die Koordinierung von Pflanzenschutzmaßnahmen –, dann muss sie oder er schlicht wissen, wer Eigentümerin oder Eigentümer ist. Der Verwaltungsaufwand, der im Ernstfall bei der Nachforschung über aktuelle Besitzverhältnisse entsteht, dürfte den der Kommunen bei der formalen Prüfung von Vorkaufsrechten bei Weitem übersteigen und auch erheblich mehr Zeit kosten.
Sie haben dazu von meiner Fraktion einen Änderungsantrag vorliegen; meine Kollegen von der SPD-Fraktion und den GRÜNEN haben nicht mehr den Mut gehabt, mit ihren eigenen Änderungsanträgen dazu aufzuwarten, aber ihnen bleibt die Chance zur Einsicht.
Zumindest ist mir keiner bekannt.
Wir haben – weil ich gerade die Koordinierung von Pflanzenschutzmaßnahmen ansprach – auch noch einmal unseren Antrag vom Ausschuss in das Plenum eingebracht, der unnötige Zuständigkeitszersplitterungen bei Pflanzenschutzmaßnahmen beseitigen will. In der bisherigen Gesetzgebung wird für Sachsenforst immer eine Sonderzuständigkeit geschaffen. Das mag für Sachsenforst komfortabel sein; aber bei bunt durchmischten
Eigentumsverhältnissen, beispielsweise in meiner Region in Ostsachsen, wirkt das nur kontraproduktiv.
Es ist für uns nicht nachvollziehbar – und wurde auch von Sachverständigen in der Anhörung kritisch angemerkt –, warum ausgerechnet der Staatswald von der Anordnung von Pflanzenschutzmaßnahmen durch die unteren Forstbehörden ausgenommen werden soll. Eine solche Anordnung folgt allein fachlichen Erfordernissen, wird abgestimmt mit dem LfULG als oberer Forstbehörde und muss unabhängig von Eigentumsfragen für alle Waldbesitzformen gleichermaßen gelten.
Meine Damen und Herren der Koalition, die Abschaffung des kommunalen Vorkaufsrechts ist die eine Sache. Die deutliche Bitte – beispielsweise der Landkreisebene –, sich doch als Freistaat auch an großflächigen Pflanzen- bzw. Gesundheitsschutzaktionen finanziell zu beteiligen, blieb außerdem unberücksichtigt. Auch da können schlecht planbare Kosten auf die kommunale Ebene zukommen.
Mein Fazit aus dem heutigen Gesamttag – nicht nur aus diesem Tagesordnungspunkt –: Die kommunale Familie braucht offenbar dringend eine neue Staatsregierung, sonst bleibt von dem ohnehin geringen Gestaltungsspielraum bald nichts mehr übrig, während steigende Kostenbelastungen der Kommunen durch die Staatsregierung tapfer ignoriert werden.
In der vorliegenden Form wird DIE LINKE dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Sie haben aber Gelegenheit, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Danke schön.
Recht vielen Dank, Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann den Ausführungen meiner Kollegin Kallenbach wenig inhaltlich hinzufügen; aber ich möchte noch einmal an Sie appellieren, auch als Kreisrätin aus einem betroffenen Kreis, dem Landkreis Görlitz.
Wir haben eine sehr lebhafte Debatte im Ausschuss geführt und ich habe immer wieder betont, dass es mir an dieser Stelle nicht mehr um gegenseitige Schuldzuweisung geht.
Wir haben eine Müllverbrennungsanlage – wer diese warum und wie da hingestellt hat, ist jetzt zweitrangig. Wir haben das Problem, dass die Bürgerinnen und Bürger für eine kommunale Fehlentscheidung und zumindest für die abfallwirtschaftliche Fehlorientierung und die fachaufsichtliche Begleitung und Genehmigung des Landes jetzt zur Kasse gebeten werden. Ich denke, aus diesem Fakt heraus ergibt sich die Verantwortung auch des Freistaates, die er wahrnehmen kann, und alle direkt und indirekt Beteiligten rufe ich auf, sich an einen Tisch zu setzen und das Problem gemeinsam anzugehen. Die Landräte haben, unterstützt durch ihre Kreistage, einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, wie das aussehen kann, nämlich über die erwähnte Autarkieverordnung.
Ich bitte Sie herzlich, verschließen Sie sich diesem Hilferuf nicht und versuchen Sie gemeinsam mit den kommunal Verantwortlichen und dem Land hier eine Lösung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu finden.
Recht vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist viel Bewegung auf dem Bodenmarkt. Das ist per se nicht so schlecht, denn steigende Bodenpreise verweisen auf gute Perspektiven für landwirtschaftliche Produkte. Aber das ist eben nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist weniger positiv. Einige konkrete Beispiele dazu.
Weithin bekannt ist die große Biogasanlage eines kommunalen Energieversorgers bei Döbeln. Um die Anlage zu beschicken, bewirtschaftet ein landwirtschaftlicher
Lohnunternehmer inzwischen bereits rund 4 000 Hektar Land und bei jeder sich bietenden Gelegenheit kauft und pachtet er weiter dazu – zu überhöhten Preisen. In der angrenzenden Lommatzscher Pflege gehört bereits jeder zweite Hektar einem Nichtlandwirt aus den alten Bundesländern.
Ein weiteres Beispiel. Weil Biogasanlagen nach EEG nur noch zu 60 % mit Mais beschickt werden dürfen, wächst der Druck auf das Grünland. In der Folge kletterten die Pachtpreise für Grünland auf 700 Euro, wofür vorher maximal 400 Euro üblich waren. Ein Schäfer aus Mittelsachsen schaffte deshalb seine Schafe ab. Er kümmert sich heute nur noch darum, dass das intensiv gedüngte Grünland zu Grassilage verarbeitet wird. Milchvieh haltende Betriebe haben bei diesen Preisentwicklungen das Nachsehen.
Die Beispiele machen deutlich, dass hier Bodenpreise gezahlt werden, die aus normaler landwirtschaftlicher Tätigkeit nicht mehr zu erwirtschaften sind. Die Betriebe
aber geraten in die Bredouille. Sie sind gezwungen mitzuhalten, koste es, was es wolle.
Agro Energy, eine „Kapitalsammelstelle“, wie es das Thünen-Institut nennt, reibt sich indes die Hände. Die freundliche Heuschrecke hält eine Verdoppelung der Bodenpreise in zehn bis 15 Jahren im Osten für möglich. Auf ihrer Homepage heißt es unter anderem: „Landwirte vor Ort kaufen alles Land zur Arrondierung zu beinahe jedem Preis. Professionelle Investoren prüfen die Anlageklasse zunehmend. In der Folge wird der Preisabstand zu Westdeutschland wahrscheinlich deutlich kleiner.“
Wenn sich die Betriebe dann überschuldet haben, greift der Beteiligungsfonds freudig zu, strukturiert den Betrieb um und entlässt Mitarbeiter.
In diesem Szenario wirkt ein weiteres Problem als Katalysator: die fehlende Betriebsnachfolge. Aus diesem Grund steht beispielsweise in meiner Region ein landwirtschaftlicher Betrieb von über 1 000 Hektar zum Verkauf. Das ist wahrlich kein Pappenstiel. Nach offiziellen Schätzungen ist in zwei Dritteln der sächsischen Betriebe die Nachfolge ungeklärt, und dann klammert man sich schnell und unkritisch an den ersten externen Investor, der sich als rettender Notnagel anbietet. Häufig hat der aber kein Interesse an einem langfristigen Engagement. Hier rächt sich bitter, dass grüne Berufe nach wie vor bei überdurchschnittlicher Arbeitsbelastung unterdurchschnittlich
bezahlt werden.
Meine Damen und Herren, für uns als LINKE ist der landwirtschaftliche Bodenmarkt von ganz besonderem Wert, denn er ist die Produktions- und Existenzgrundlage der Landwirte und eben nicht beliebig vermehrbar. Er muss besonders vor den Auswüchsen einer uneinge
schränkten Liberalisierung geschützt werden. Aus seiner Verantwortung für das Gemeinwohl heraus muss der Staat beim Bodenmarkt genauer hinschauen, gegebenenfalls einschreiten und damit auch Eigentümerrechte einschränken können – und das auch deshalb, weil es gerade auch politische Faktoren sind, die den Preisanstieg zusätzlich anheizen, wie die Verkaufspraxis der BVVG oder allgemein die Finanzkrise.
Genau deshalb ist unser Gesetz auch nicht „aus der Zeit gefallen“, wie uns der Sachverständige der BVVG in der Anhörung belehren wollte. Eigentlich sind wir bereits spät dran, denn es besteht die Gefahr, dass durch Nichtstun ein größerer Schaden entsteht, während draußen ein schleichender Besitzübergang stattfindet.
Ich darf noch einmal die wesentlichen Neuerungen unseres Agrarstrukturverbesserungsgesetzes in Erinnerung rufen. Wir wollen erstens einen Bodenfonds einführen, mit dem Flächen, die im Rahmen des Vorkaufsrechts bei drohender Gefährdung der Agrarstruktur aufgekauft werden können, verwaltet werden und Landwirten langfristig verpachtet werden können. Die Verpachtung soll dabei an Bedingungen geknüpft werden, die Mensch und Umwelt zugutekommen.
Wir wollen zweitens die Ausübung des Vorkaufsrechts vereinfachen, insbesondere auch dann, wenn kein erwerbswilliger Landwirt sofort zur Stelle ist; denn oftmals springen interessierte Landwirte ab, weil die Preise einfach zu hoch sind.
Schließlich wollen wir den Anstieg der Bodenpreise abdämpfen, indem wir bei Boden- und Pachtpreisen Veräußerungen über 120 % des durchschnittlichen ortsüblichen Verkehrswertes untersagen.
Nicht zuletzt ist es erklärtes Ziel des Gesetzentwurfs, dass durch eine systematische Bündelung unterschiedlicher bundesgesetzlicher Regelungen nach dem Vorbild von Baden-Württemberg zu einer klareren Rechtslage beigetragen wird und bisherige Doppelnormierungen vermieden werden.
So ganz allein stehen wir mit unseren Überlegungen im Übrigen längst nicht mehr. In Brandenburg berät seit Monaten eine spezielle Arbeitsgruppe der Landesregierung. Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, selbst Bayern erwägen Regelungen insbesondere zur Kaufpreiskontrolle und zur Zurückdrängung nicht landwirtschaftlicher Investoren. Die sächsische Debatte um den umkämpften Bodenmarkt erscheint mir dagegen, vorsichtig ausgedrückt, etwas diffus. Zwar werden Negativbefunde zur Bodenpreisentwicklung oder zu Aktivitäten außerlandwirtschaftlicher Investoren durch den Berufsstand und seine Verbände nicht bestritten, aber zumindest in der Wirkung für Sachsen relativiert. Dabei steigen auch bei uns die Preise für landwirtschaftliche Flächen – langsamer als anderswo –, aber doch kontinuierlich auf aktuell knapp unter 9 000 Euro je Hektar. Innerhalb eines Jahres ziehen wir damit an Brandenburg vorbei.
Das Thünen-Institut spricht angesichts dieser Entwicklung von einem ostdeutschen Phänomen, bei dem die neuen Länder weiter an Attraktivität für besonders große, finanzkräftige Investoren gewinnen, weil hier durchschnittlich größere Lose bei insgesamt noch niedrigeren Preisen angeboten werden.
Die Treuhandnachfolgerin BVVG trägt ihr Scherflein dazu bei, ungeachtet aller Korrekturen an ihren Privatisierungsgrundsätzen. Der durchschnittliche Hektarpreis beim Erwerb von BVVG-Flächen liegt in diesem Jahr in Sachsen bei rund 12 000 Euro je Hektar, also um mehr als ein Drittel höher als der allgemeine landwirtschaftliche Flächenpreis in Sachsen. Spitzenreiter im letzten halben Jahr bei den BVVG-Verkäufen in Sachsen war eine Fläche in Mittelsachsen, wo knapp 30 000 Euro pro Hektar für ein knapp 20 Hektar großes Stück Land gezahlt wurden, also insgesamt schlappe 600 000 Euro.
Es bleibt dabei: Die beste Politik ist eine vorsorgende Politik, die nicht Netze krampfhaft zu knüpfen versucht, wenn das Kind schon im Brunnen liegt. Offensichtlich sah das die Koalition zumindest im Kern ähnlich, denn sie ließ die Notwendigkeit eines Agrarstrukturverbesserungsgesetzes zunächst mittels eines eigenen Antrags von der Staatsregierung prüfen. Die Prüfung allerdings erbrachte dann das zu erwartende Ergebnis: Wir lassen lieber alles so, wie es ist.
Die Anhörung zum Gesetzentwurf war da schon deutlich aufschlussreicher. Von einigen Sachverständigen kamen konkrete Hinweise zur Verbesserung der Textfassung, die wir im Wesentlichen in unserem Änderungsantrag verarbeitet haben.
Auf zwei strittige Punkte, die in der Anhörung gleich mehrfach angesprochen wurden, möchte ich noch reagieren.
Durchaus ambivalent beurteilten die Sachverständigen unsere Regelungen im Fall des Kaufs von Geschäftsanteilen. Mit diesen sogenannten Share Peals ist es wie mit dem Bodenmarkt im Allgemeinen. Anteilskäufe können positive Effekte haben, wenn frisches Kapital vor Ort für Investitionen und damit zur Sicherung der Arbeitsplätze eingesetzt wird. Auf der Negativseite steht dagegen die Gefahr einer Verlagerung möglicher Gewinne aus der Region oder einer sogenannten Tiefladerlandwirtschaft. „Einer solchen anonymisierten Landwirtschaft“, warnt beispielsweise der sachsen-anhaltische Agrarminister, „droht der Verlust der gesellschaftlichen Akzeptanz...“
Bislang unterliegen Geschäftsanteilsverkäufe nicht dem Grundstücksverkehrsgesetz und sind damit genehmigungsfrei. Diese Lücke haben wir in § 4 geschlossen, wohl wissend, dass solche Geschäfte schwer durchschaubar und damit eben auch schwer regelbar sind. Nur die Praxis im Gesetzesvollzug kann zeigen, ob die vorgeschlagene Regelung so ausreicht oder nachjustiert werden muss. Sämtliche befragte Experten wissen sich derzeit nicht besser zu helfen. Unstrittig ist dagegen, dass wir zielgerichtet und rasch handeln sollten.
Und der zweite Diskussionspunkt: Zentraler Regelungsgehalt unseres Gesetzes ist die Schaffung eines Bodenfonds. Ungleich, aber wahr: Der gemeinhin als „Wünschdir-was“-Partei gescholtenen LINKEN wird an dieser Stelle von verschiedener Seite vorgeworfen, dass die Finanzausstattung für diesen Bodenfonds zu gering sei, um ernst gemeint zu sein. Ganz abgesehen davon, dass im Gesetz zunächst lediglich das Instrument „Bodenfonds“ eingeführt wird und dass jeder Finanzansatz, den wir in Ausschussberatungen eingebracht hätten, diskussionslos vom Tisch gewedelt worden wäre – aber unser Bodenfonds folgt einer anderen Logik.
Ich gebe zu, erst nachdem uns der Weg des Aufkaufs aller sächsischen BVVG-Flächen versperrt wurde. In diesen Fonds fließen nur solche Flächen, für die nach Prüfung der Wirkungen auf die Agrarstruktur das Vorkaufsrecht durch die Sächsische Landsiedlungsgesellschaft angewendet werden kann. Damit ist der Flächenanteil pro Jahr wesentlich geringer und eben auch der entsprechende Finanzbedarf.
Insofern stellen die 5 Millionen Euro lediglich eine haushalterische Erstausstattung dar, die selbstverständlich – den entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt – in den Folgejahren auf der Grundlage von Erfahrungswerten fortgeschrieben werden muss.
Meine Damen und Herren! Die landwirtschaftliche Fläche schrumpft auch in Sachsen, weil alle möglichen gesellschaftlichen Interessen befriedigt werden wollen, unter anderem nach Siedlungs- und Verkehrsflächen oder nach Bodenschätzen. Davon gibt es anscheinend immer zu wenig. An Lebensmitteln gibt es dagegen mehr als genug, bislang jedenfalls noch.
Deshalb meint DIE LINKE, wir müssen jetzt handeln. Wir haben Ihnen dazu einen konkreten Vorschlag unterbreitet, wie Sachsen mehr Handlungsoptionen im Bodenrecht erhält. Ich bin sehr gespannt, wie Sie Ihre Zurückhaltung im Vollzug heute und hier begründen wollen.
Danke schön.
Recht vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Seit dem 01.10.2013 liegt er nun vor, der offizielle Satzungsbeschluss des Regionalen Planungsverbandes
Oberlausitz/Niederschlesien zur Braunkohleplanung für die Tagebauerweiterung Nochten II – 300 Seiten stark das Werk.
Ich kann Ihnen aus eigenem Erleben als Verbandsrätin sagen, dass das Planwerk ziemliche Planrechtfertigungslücken aufweist.
Zum Schluss hat man sich dann wohl eher in Glaubensgrundsätze gerettet, insbesondere bei der Begründung der energiepolitischen Notwendigkeit der Erweiterung, statt sich mit Gegenargumenten, zahlreichen Gutachten und den vielen Einwendungen konkret auseinanderzusetzen.
Hier spielte wohl der Glauben eine größere Rolle; aber der Glaube gehört in die Kirche.
In einen Plan gehören nun einmal Zahlen und Fakten, und diesbezüglich weist der Plan erhebliche Mängel auf. Jetzt liegt der Plan zur Genehmigung hier im Land. Das Innenministerium ist am Zug, und ich kann dem Innenminister nur raten, eine sehr detaillierte Tiefenprüfung vorzunehmen. Dann werden Sie zu dem Ergebnis kommen –, wie wir es als LINKE bereits sind –: Dieser Plan ist nicht genehmigungsfähig.
Auf die detaillierten Inhalte werden wir im Verlaufe des heutigen Tages noch an anderer Stelle zurückkommen. Ich möchte Ihnen nur einmal einen kleinen Einblick in den Planungsprozess geben, denn auch dieser ist schon deutlich kritikwürdig.
Die Planerarbeitung krankte beispielsweise von Anbeginn an der Parallelität zwischen der Planausarbeitung durch den Planungsverband auf der einen und den Umsiedlungsverhandlungen der Gemeinde auf der anderen Seite. Für die einen, wie für mich, der größte Fehler, der in diesem Planungsprozess überhaupt gemacht werden
konnte – für den Betreiber und Antragsteller sicherlich der größte Coup.
Diese Parallelität verhinderte, dass von Anfang an unvoreingenommen auf den Planungsprozess geschaut und dass der ganze Prozess ergebnisoffen geführt werden konnte.
In einer Diskussion im Regionalen Planungsverband rutschte das auch einmal einem Verbandsrat heraus, indem er sagte: Es geht hier nicht mehr um das Ob, es geht hier nur noch um das Wie. Und das ist die entscheidende Frage.
Dabei liegen klare Voten von den Gemeinden vor, die auch nicht aufgehoben worden sind. Es gibt noch ein ganz aktuelles Votum der Domowina, und all diese Konflikte führten bei einigen Gemeinderäten zu richtig spürbaren Gewissensnöten.
In der Oberlausitz scheint nun tatsächlich die Energiewende zur Farce zu werden. Wer aber den Sumpf trockenlegen will, der darf nicht die Frösche fragen; und das ist das Zweite, was ich an diesem Planungsprozess immer wieder kritisiert habe: Es ist aus meiner Sicht nicht am Betreiber, der Antragsteller ist, vorzugeben, wie lange seine Kraftwerke zu laufen haben, wie viel Kohlemengen er verstromen will und wie viele Laststunden er für seine Kraftwerke vorsieht; sondern das sind Vorgaben, die von der Politik gesetzt werden müssen.
Die Regionalpolitik hat hoffnungsvoll nach Dresden auf den Landesentwicklungsplan und auf das Energie- und Klimakonzept geschaut, was damals noch in der Erarbeitung war und inzwischen vorliegt; aber da hat man ein wenig ins Nirwana geschaut. Konkrete quantitative Vorgaben gibt es nicht und dann spricht man so blumig von der langfristigen Fortführung der Braunkohleverstromung und der Sicherung der Kraftwerksstandorte – was auch immer das konkret für uns Verbandsräte heißen soll.
Zu CO2-Minderungszielen, zu Rohstoffmengen, zu Zeiträumen, zu Reduzierungen auch bei der Fahrweise der Tagebaue – dazu hat man keine Vorgaben gemacht und der Planungsverband sah sich auch nicht in der Lage, das einzufordern.
Meine Damen und Herren! Das gesamte Planungsverfahren führte zu dem Ergebnis, dass sich hier in der Oberlausitz zum Teil das Schicksal der Energiewende entscheiden wird.
Sie werden keine Ruhe bekommen. Es wird noch zahlreiche Initiativen vor Ort geben und der Plan wird infrage gestellt.
Ich rate Ihnen sehr, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen und die Plangenehmigung zu versagen.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Es gibt Entscheidungen im politischen Leben, da wäre die Chance, sich deren Wirkung für eine ferne Zukunft in einer Glaskugel anschauen zu können, mehr als verlockend. Aber da wir diese Chance nicht haben, müssen wir uns diskursiv auf eine Entwicklungsrichtung verständigen.
Ein solcher Diskurs kann durchaus einiges an Schärfe gewinnen, je größer die Veränderungen scheinen, die eingeleitet werden sollen, und je größer die Besitzstände sind, die es infrage zu stellen gilt. Nichts weniger als das erleben wir gerade.
Die Energiewende ist eine technische Revolution und gerade in dem Moment, in dem die Politik die Größe der Aufgabe begreift, weicht sie erschrocken Schritt für
Schritt zurück. Böse Zungen behaupten auch, sie würde kräftig geschoben.
In der Oberlausitz hat dieser Diskurs nun sein vorläufiges Ende gefunden. Ich berichtete heute bereits anlässlich der Aktuellen Debatte darüber. Jetzt ist die Staatsregierung am Zug, das Innenministerium muss den Plan prüfen und genehmigen. Nach dem Braunkohleplan soll für die Oberlausitz erst einmal alles beim Alten bleiben. Kohle wird in dieser Region seit über 100 Jahren gefördert. Daraus resultierte ohne Zweifel ihr wirtschaftlicher Aufschwung. Dafür wurden Eingriffe in Natur und Landschaft hingenommen, dafür mussten Menschen immer wieder umgesiedelt werden. Das eine war ohne das andere nicht zu haben.
Aber inzwischen hat sich einiges geändert. Vor allem wissen wir heute viel besser Bescheid, welche teuren Nachwehen mit dem angeblich so billigen Braunkohlestrom verbunden sind. Wir wissen um die Zusammenhänge zwischen Energieproduktion, CO2-Ausstoß und Klimawandel. Wir spüren bereits ihre Wirkung am Wetterverlauf. Heute gibt es die Alternativen, die vor 25 Jahren fehlten. Die erneuerbaren Energien haben großes Potenzial. Geändert hat sich auch die wirtschaftliche Bedeutung der Kohle für die Gesamtregion, insbesondere nachzulesen am Verhältnis von Arbeitsplätzen und Umsiedlern. Kollege Lichdi wies bereits auf die Arbeitsplätze hin, die seit dem Jahr 1990 verschwunden sind. Es sind circa 95 %.
Heute stehen im Planungsprozess Oberlausitz circa 1 500 Arbeitsplätze in Kraftwerk und Tagebau einer gleichgroßen Anzahl von Menschen gegenüber, die umgesiedelt werden müssen – manche bereits zum zweiten Mal in ihrem Leben. Wie viele ihre Arbeit durch die Erweiterung des Tagebaus verlieren, hat man auf Nachfrage dagegen nicht ermitteln können. Dass allerdings viele Menschen weiterhin den Landkreis verlassen werden, davon kann man getrost ausgehen – trotz Braunkohle oder gerade wegen der Braunkohle.
Geändert haben sich auch die Anforderungen an eine intakte Umwelt, die künftigen Generationen hinterlassen werden soll. Im Planverfahren wurden diese und andere Schutzgüter definierten Entwicklungszielen gegenübergestellt und Umsetzungsmaßnahmen festgelegt. Genau hier beginnen die Probleme.
Ich möchte exemplarisch drei Beispiele nennen: Zum Schutzgut Klima heißt es beispielsweise im Umweltbericht, der Teil des Braunkohleplanes ist, dass zur Prüfung des globalen Klimaschutzes keine Kriterien und Indikatoren existieren und sich die Verbindung zum Kraftwerk Boxberg planverfahrens- und umweltrechtlich nicht herstellen lässt.“
Das soll heißen: Die Genehmigung des Tagebaus Nochten II hat erst einmal nichts mit dem Kraftwerk Boxberg und dessen klimaschädigendem CO2-Ausstoß zu tun. Deshalb wurde sie schlichtweg nicht bewertet. Patholo
gisch würde eine solche Begründung alle Merkmale des klassischen Spaltungsirreseins aufweisen.
Ein weiteres Beispiel. Bei der Abwägung zur energiepolitischen Notwendigkeit der Tagebauerweiterung wurde eine Alternativenprüfung vorgenommen. Ihr Fazit – ich zitiere –: „Der vollständige und ersatzlose Verzicht auf die Weiterführung des Tagebaus wäre ab dem Jahr 2027 mit einem Versorgungsausfall für das Kraftwerk Boxberg verbunden.“ – Toll! Das wird nicht bezweifelt.
Abzuwägen war dagegen, wie lange welche Menge Kohlestrom für die Energieversorgung des Landes benötigt wird oder ob der Strombedarf sukzessiv aus anderen Quellen bezogen werden kann. Ich verweise an dieser Stelle auch auf das erst in diesem Jahr bestätigte Energie- und Klimakonzept der Region. Darin wird aufgezeigt, welche Potenziale an erneuerbaren Energien allein in der Lausitz stecken. Bis zum Jahr 2020 wären danach 64 % erneuerbarer Strom möglich – wohlgemerkt: nach einem mittleren Szenario, also nicht einmal nach einer Maximalberechnung.
Es geht nicht um Alternativen für den Antragsteller Vattenfall, sondern um Alternativen für die Gesellschaft. Das war zu untersuchen.
Ein anderes Beispiel. Es geht um das Schutzgut Wasser. Diesbezüglich gibt es erhebliche Abweichungen in den ausgewiesenen Grundwasserständen zwischen den verschiedenen Gutachten, die dem Braunkohleplan zugrunde liegen. Eine Dichtwand soll kommen. Wie sie sich konkret auswirkt, bleibt unklar.
In jedem Fall wird deutlich, dass im direkten Vergleich mit dem Braunkohleplan 94 der Grundwasserbeeinflussungsbereich deutlich umfangreicher ausfallen wird. Bei der Wirkungsabschätzung auf Wasserschutzgebiete treten Widersprüche zwischen den Prognosen des Betreibers aus dem Jahr 2007 und der Modellierung der Gutachter aus dem Jahr 2010 auf. Die Beeinflussung von Trinkwasserschutzgebieten in Menge und Qualität wird nicht in der nötigen Detailschärfe dargestellt.
Zum bekannten Problem der Verockerung heißt es im Umweltbericht lapidar: „Ob angrenzende Trinkwasserschutzgebiete durch kippenbürtige Schadstofffahnen
beeinträchtigt werden, kann nicht prognostiziert werden.“ – Zusammengefasst heißt das: Nichts Genaues weiß man nicht! Das nenne ich eine grob fahrlässige Planung.
Nach 1990 wurden in der Region allein drei Wasserwerke bergbaubedingt außer Betrieb genommen. Im Jahr 2015 kommt das Wasserwerk Bärwalde hinzu. Damit muss nahezu der gesamte nördliche Teil der Landkreise Bautzen und Görlitz mit Fernwasser versorgt werden. Ich denke, es ist von Braunkohleplanung nicht zu viel verlangt, an dieser Stelle genau zu sagen, wie man gedenkt, die Trinkwasserversorgung der Region in Zukunft zu sichern.
Das waren drei Beispiele von vielen. Es gibt weitere zahlreiche Ungereimtheiten. Ich sage es klar: Es geht hierbei nicht um simple Auslegungsfragen, nicht einmal um unterschiedliche politische Bewertungshintergründe, sondern um klare inhaltliche Abwägungsmängel im Planverfahren, die zu einer Rechtsunwirksamkeit des gesamten Planes führen können, da die Zustimmung durch die Verbandsräte gegebenenfalls auf fehlerhaften Annahmen beruht.