Ist Ihnen eigentlich bewusst, welche Landesprogramme für diese 200 Millionen Euro aufgelegt werden könnten, um zum Beispiel soziale und kulturelle Infrastruktur zu gestalten? Auch das ist ein weiteres Beispiel für die Vernichtung potenzieller Gestaltungskraft im Freistaat Sachsen.
(Volker Bandmann, CDU: Aber die SED-Lasten tun Sie nicht abrechnen! – Heiterkeit bei der CDU – Zuruf von den LINKEN: Und ewig grüßt das Murmeltier! – Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)
Unser Problem ist nicht der Verlust von Geld durch Kreditbelastungen, sondern der Verlust von Menschen,
die aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen zum Beispiel mit den Folgen sächsischer Niedriglohnpolitik ihr Glück woanders gesucht haben. Über eine dreiviertel Million Menschen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten gegangen. Sie haben mit den Füßen abgestimmt über die Politik der Staatsregierung und die Lage im Freistaat. Jeder weiß, dass sich unter denen, die gegangen sind, viele junge, gut ausgebildete Menschen, insbesondere viele junge, kluge Frauen, befinden, und diese holt man nicht mit einer Eierschecke an der Autobahnraststätte zurück.
Herr Morlok hat ja nun schon den demografischen Sommer gesehen und stellt in einer Presseerklärung fest, die Abwanderung aus Sachsen sei gestoppt.
Aber, Herr Morlok, dass auch in dieser Hinsicht eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, mussten wir schon Mitte der Neunzigerjahre erleben, als Sachsen sehr kurzzeitig einen positiven Wanderungssaldo hatte, der dann wieder zurückfiel auf umso schlechtere Werte.
Der Mensch – das wusste schon Immanuel Kant – ist der Zweck an sich. Diesen kategorischen Imperativ treten Sie mit Füßen, denn Sie kennen nur einen Zweck, und der heißt: keine Neuverschuldung. Einen anderen Plan kann man bei Ihnen nicht erkennen. Jenseits dessen sind Sie vollkommen planlos.
Sie sind zugleich ziellos. Das sieht man schon daran, dass Sie von der Landespolitik den Kommunen ständig neue Aufgaben aufbürden, aber ihnen dafür nicht das notwendige Geld geben, wie wir gerade bei den Lehrmitteln erlebt haben.
So blieb der Finanzausgleich jahrzehntelang unverändert. Jetzt soll es gerade einmal zusätzlich 30 Millionen Euro geben – ein Tropfen auf den heißen Stein.
Die Fraktion DIE LINKE wird die dreieinhalb Monate andauernden Haushaltsberatungen nutzen, um herauszufinden, an welchen Stellen die jeweilige schwarz-gelbe Prägemarke unseren TÜV-Stempel erhalten kann. Sie sehen, wir gehen ergebnisoffen und konstruktiv an die Sache heran.
Für welche haushaltspolitischen Sünden zahlen wir im kommenden Doppelhaushalt weiter? Bei der berühmtberüchtigten Zielzahl 70 000 Personalstellen bis 2020
handelt es sich schließlich um die einzige bisher bekannte haushaltspolitische Innovation des Ministerpräsidenten Tillich. Hier wollte einer seinen Vorgänger in den Zielmarken toppen und ist jämmerlich gescheitert. In den Einzelplänen der Ressorts findet man sogenannte kwVermerke, also keine Wiederbesetzung der Stellen, mit einer Beschriftung, zum Beispiel im Einzelplan 07 des Sächsischen Wirtschaftsministers: 150 zukünftig wegfallende Stellen für das Jahr 2021 und folgende. In welche Horizonte wollen Sie eigentlich vordringen? Ist Ihnen eigentlich bewusst, wann Ihre Regierungszeit endet?
Unser weiterer Prüfungsschwerpunkt ist die haushaltstechnische Umsetzung des Standortegesetzes, schließlich ein Lieblingskind des Kollegen Martens. Ausgehend von der Behauptung der Staatsregierung und der Koalitionsparteien sollte dieses Behördenroulette der Nachweis von zentraler Gestaltungskraft sein.
Ein Blick in den Einzelplan 14 des vorliegenden Entwurfs, Staatlicher Hochbau, zeigt, dass im Landesbau von diesem Gestaltungsvorhaben nicht viel übrig geblieben ist. Man könnte sagen: Viel Titel, wenig Mittel.
Die Grenzen Ihres Könnens haben Sie auch in der Gestaltung des Einzelplanes für das Kultusministerium bewiesen. Kaum hatte der Landtag den Doppelhaushalt für 2011/2012 beschlossen, zeigte es sich, dass es sich um eine komplette Fehlplanung handelte. Bis heute schulden Sie dem Parlament und der Öffentlichkeit eine Erklärung, wieso eine solche Fehlplanung in zwei Kabinettsklausuren nicht erkannt worden ist und später durch eine gedankenlose Koalitionsmehrheit von CDU und FDP zum Gesetz erhoben wurde.
Erst durch massiven, monatelangen Protest und den Rücktritt des zuständigen Ministers waren Sie zur Korrektur Ihres völlig falschen Planansatzes bereit. Im jetzigen vorliegenden Doppelhaushaltsentwurf zeigt sich, dass Ihnen Einsicht und Kraft fehlen, Ihre eigenen Fehler endlich konsequent zu korrigieren. Sie agieren leider nicht nur plan- und ziellos, sondern auch kraftlos. Deshalb ist der Landtag heute zu Recht das Ziel von zentralen Streik- und Protestveranstaltungen der sächsischen Lehrerinnen und Lehrer.
Bereits diese Punkte des Doppelhaushaltes zeigen schwere Mängel. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, dass Ihr Haushaltsentwurf sinnbildlich auf die Hebebühne gefahren wird, damit wir die Ressortansetzungen der Einzelpläne auf Herz und Nieren prüfen. Sie ahnen es schon: 25 Minuten Redezeit ist für die Mängelliste viel zu kurz und der Kfz-Mechaniker würde bereits jetzt erheblichen Reparaturbedarf feststellen.
Wir werden uns bei der Prüfung nicht von der mutwilligen Unübersichtlichkeit abschrecken lassen, mit der Sie beispielsweise im Sozialhaushalt bei der Haushaltssystematik keinen Stein auf dem anderen gelassen haben. So sind Vergleiche mit Vorjahren nur mühselig herzustellen. Nach den großen Sozialkürzungen im vergangenen Haushalt scheint das Ihre neue Methode zu sein. Es geht nicht immer um große Summen, sondern um intelligentere Steuerung. Dass aber Braunkohletagebaubetreiber für die Wasserentnahme nichts zahlen müssen, aber im Haushaltsbegleitgesetz eine Wasserentnahmeabgabe für Wasserkraftanlagen eingeführt werden sollen, ist Klimaschutz à la Schwarz-Gelb. Wasserkraft behindern, Braunkohle subventionieren – dazu sagen wir ganz klar Nein,
ebenso zum bewusst und ohne Not organisierten Kahlschlag im Schienenpersonennahverkehr des ländlichen Raumes. So sieht sozialökologischer Umbau der Gesellschaft, wie wir ihn uns für ein Sachsen mit Zukunft vorstellen, nicht aus. Um zu begreifen, wie ein Land mit Lebensqualität aussieht, braucht man Kultur.
Auch die fehlt in Ihrem Doppelhaushalt. Die Kulturräume erhalten effektiv weniger Mittel. Die Teilfinanzierung der Landesbühnen Sachsen aus Kulturraummitteln stellt eine enorme Belastung für die Kulturräume dar. Nach den Kürzungen bei der Soziokultur im letzten Doppelhaushalt wollen Sie jetzt weitere Einschnitte in die Hochkultur vornehmen, wie bei Staatsoper, dem Staatsschauspiel und bei den Staatlichen Kunstsammlungen, also bei weltweit bekannten Aushängeschildern des Landes, um gleichzeitig eine millionenschwere Werbekampagne für Sachsen aus dem Boden zu stampfen. Was für ein Unsinn!
Wir wollen ein Sachsen, aus dem die Leute nicht weglaufen, sondern in das viele Menschen kommen wollen. Dafür reicht dieser Haushalt als Grundlage nicht aus. Da auch die CDU Interesse daran hat, dass ihr nicht noch mehr Personal abhandenkommt – ein zurückgetretener Kultusminister, ein renommierter Schulpolitiker, der das Handtuch wirft, und ein Dresdner CDU-Finanzbürgermeister, der die eigene Partei nicht mehr für wählbar hält, dürfte Ihnen reichen –, rechne ich mit Ihrer Kooperation bei den Haushaltsverhandlungen.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach Kollege Gebhardt. – Für die CDU-Fraktion ergreift jetzt Kollege Flath das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Gebhardt, ich habe Ihrer Rede zugehört.
Es war eine sehr gute Zusammenfassung des Pressespiegels in der Sommerpause, das Ganze versehen mit einigen zusammengewürfelten Aussagen, die irgendwie gut geklungen haben und die auch Beifall erzeugten.