Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Eine Bemerkung sei mir jedoch noch erlaubt. Historisch pikant ist der Satz, wonach das Anleihekaufprogramm – ich zitiere Ihren Antrag – „ein undemokratischer Akt der Selbstermächtigung“ sei, „mit dem alle nationalen Parlamente und Regierungen putschartig übergangen“ würden. Es wundert mich, einen solchen Satz ausgerechnet von der NPD zu hören.

(Andreas Storr, NPD: Sie haben ihr doch zugestimmt als Zentrum!)

Die Koalitionsfraktionen werden den Antrag auf jeden Fall ablehnen.

(Andreas Storr, NPD: Das Zentrum hat dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nächster Redner für die Opposition ist Herr Scheel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat scheint es so, als wenn die Probleme Europas genau das Thema sind, mit dem die NPD ihr Süppchen kochen möchte. Herr Apfel, Sie sprechen von verbrecherischer Inflationspolitik, die gestoppt werden muss, von unverschämter Ausplünderungspolitik. Sie sollten ein bisschen verbal abrüsten. Das macht es vielleicht einfacher, mit Ihnen auf Sachebene zu diskutieren.

(Andreas Storr, NPD: Wir sind halt nicht so smart!)

Ich gebe auch gern zu, dass es in all unseren Parteien natürlich Sorgen gibt, wenn es um die Frage Europas geht.

(Holger Apfel, NPD: Das wäre neu!)

Natürlich gibt es irgendwo immer einen Anfang. Der Anfang liegt auch im Vertrag von Maastricht; wie er gebaut wurde, wie damit umgegangen wurde. Er liegt auch darin, dass zehn Jahre lang in Europa nicht gehandelt wurde und dass eben dieser Maastricht-Vertrag auch keinen Krisenmechanismus vorsah, wie damit umzugehen ist, wenn Staaten sich nicht so verhalten, wie wir uns das vorstellen, wenn in Staaten strukturelle Probleme entstehen, wer wann wie warum handeln kann, mit welchen Maßnahmen am besten.

Aber es hilft doch nicht, auf der Grundlage der Fehlkonstruktionen der Vergangenheit jetzt de facto die Zerschlagung der Europäischen Union zu betreiben. Was jetzt gefragt ist, ist eine Krisenbewältigung, zu versuchen, mit einer Situation umzugehen, in der Europa in der Tat vor einem Scheideweg steht, aber wo es jedem bewussten Europäer, jedem bewussten Demokraten darum gehen muss, ein Zerbrechen Europas zu verhindern

(Arne Schimmer, NPD: In Deutschland gibt es nur noch den Notausgang!)

und nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen und am Ende die Finanzmärkte und die Bürger draußen noch mehr zu verunsichern, als es ohnehin schon der Fall ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den LINKEN)

Auch wir denken, dass es richtig ist, dass gehandelt wird und nicht weiter nicht gehandelt wird. Genau aus diesem Grunde wurden auch Schutzschirme aufgespannt. Man kann sich über die Maßnahmen, die eine Troika dort gemacht hat, gern streiten. Dazu haben wir bestimmt alle unterschiedliche Auffassungen. Aber dass diese Troika, die aus IWF, EZB und Europäischer Kommission besteht, doch wohl Pläne entwickelt, die dazu dienen sollen, dass Europa und die Währung Europas, der Euro, wieder

Stabilität bekommen, das darf nicht wirklich hintertrieben werden.

(Zuruf von der NPD)

Wer sich in der Politik hinstellt und so tut, als wäre das alles Humbug und man würde sozusagen nur Pleitepapiere kaufen, wie Sie es gerade getan haben, der macht genau das, was die Finanzhaie gern wollen: Er gibt ihnen den Vorwand, die Zinsspirale immer weiter nach oben zu drehen. Genau das ist auch der Punkt.

Was hat denn Draghi gemacht? Was hat denn die EZB gemacht, nachdem die Troika-Programme eingeführt wurden, nachdem die Maßnahmen beschlossen wurden und die Finanzmärkte immer noch gegen diese Staaten spekuliert haben und die Finanzmärkte immer noch dafür gesorgt haben, dass sich die Zinsen weiter nach oben entwickeln und damit die Last und der Druck auf diese Staaten immer höher wird?

In dem Moment zu sagen: Liebe Finanzmärkte, jetzt zeigen wir euch einmal, wer am längeren Hebel sitzt, wer noch das Sagen hat, nämlich die Politik, nämlich am Ende auch Zentralbanken. Ja, wir glauben an die Maßnahmen, wir glauben daran, dass die Staaten in der Lage sind, diese Krise zu bewältigen

(Jürgen Gansel, NPD: Das schaffen Sie doch gar nicht!)

und werden deshalb nicht zulassen, dass die Finanzmärkte diese Fragen konterkarieren und kaufen also in diesem Falle diese Anleihen aus dem Sekundärmarkt auf.

(Jürgen Gansel, NPD: Sie können Ihr privates Geld in griechischen Staatsanleihen anlegen!)

Das ist das, was dort passiert ist. Was Sie wollen, ist eigentlich, diese Staaten weiter den Spekulanten zu überlassen. Sie wollen die europäische Solidarität aufkündigen, und Sie sagen, dieses Geld ist jetzt schon verloren. Ich glaube daran, dass es gelingen wird, Europa weiterhin zu stabilisieren, und dass dieses Geld nicht verloren ist.

Ein Wort muss mir aufgrund der Wortwahl, die Sie hier an den Tag legen, noch gestattet sein. Ihnen geht es nicht um einen Neustart Europas. Sie wollen verbrannte Erde in Europa hinterlassen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wir werden diesen Weg auf keine Art und Weise unterstützen und diesen Antrag auf jeden Fall ablehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich kann keine weitere Wortmeldung in der ersten Runde feststellen. Mir liegt noch eine Wortmeldung für eine zweite Runde vor. Herr Schimmer für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Nimm das Recht weg. Was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?“ – Dieses Zitat des heiligen Augustinus führte Papst Benedikt XVI in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag im September 2011 an, die man auch als Kommentar zu den Aktuellen Debatten um die sogenannte Euro-Rettung und die damit einhergehende Entrechtung der Bürger und der nationalen Parlamente lesen kann.

(Zurufe von der CDU)

Zahlreiche Bürger in Deutschland haben gehofft, dass das Karlsruher Verfassungsgericht der Schutzwall gegen eben jene von Benedikt XVI. angesprochene große Räuberbande sein würde, die die kleinen Leute in Deutschland vor Inflation und den deutschen Staatshaushalt vor der Inanspruchnahme durch fremde Staaten schützen würde.

Das Umfrageinstitut YouGov beispielsweise hat in einer kurz vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtes für die deutsche Presseagentur erhobenen Umfrage ermittelt, dass sich 54 % der Befragten einen Sieg der Euroskeptiker in Karlsruhe wünschten. Alle diese Hoffnungen – das wissen wir jetzt leider – sind am 12. September enttäuscht worden. Die Karlsruher Richter haben den verhängnisvollen Kurs der Rettungspolitik der Bundesregierung weitgehend bestätigt.

Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim erklärte am Tag des Karlsruher Urteilsspruchs in der „Welt“: „Nach dem heutigen Urteil gibt es faktisch keine finanzielle Grenze mehr. Damit räumt das Gericht Bollwerke gegen eine stärkere Belastung der deutschen Steuerzahler beiseite im Interesse des Handlungsspielraumes der Politik.“

Aber wir alle wissen auch, seit dem Anleihekaufprogramm des Mario Draghi ist der ESM-Rettungsschirm ohnehin nur noch ein Nebenkriegsschauplatz. Sicher, die 190 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm werden sicher gern auf deutsche Kosten verfrühstückt. Das Mittagessen und ein opulentes Dinner am Abend serviert dann der EZB-Oberkellner Mario Draghi mit seiner in den Medien als „Bazooka“ bezeichneten Gelddruckmaschine aus der EZB.

Mit dem unbegrenzten Anleihekaufprogramm der EZB wurde an den nationalen Parlamenten und Regierungen vorbei ein Superrettungsschirm geschaffen. Dessen Volumen ist überhaupt nicht mehr begrenzt und kann möglicherweise ein Vielfaches des deutschen Bundeshaushalts betragen. Dieser, das muss ich hinzufügen, dient nur den großen internationalen Banken und Finanzkonzernen. Deswegen leistet dieser gerade diesen Tendenzen, die Sie, Herr Scheel, in Ihrem Wortbeitrag kritisiert haben, Vorschub.

Die EZB übergeht mit ihrem Anleihekaufprogramm sowohl die im ESM-Vertrag vorgesehenen Haftungsobergrenzen als auch alle demokratischen Kontroll- und Entscheidungsrechte. Es passte dabei in das Bild, dass die Europäische Zentralbank nicht nur ein unbegrenztes

Anleihekaufprogramm verkündet hat, sondern darüber hinaus die Qualitätsanforderungen an die zu hinterlegenden Sicherheiten so stark abgesenkt hat, dass in Zukunft noch gegen die Hinterlegung des letzten Schrottpapiers Geld ausgegeben wird. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis die EZB alte Fahrräder aufkauft und im Gegenzug neues Geld ausgibt, so wie es der FDPFinanzexperte Frank Schäffler schon im August 2011 prognostiziert hat.

Wir alle bekommen doch die Entwicklung mit. Wir alle gehen einkaufen. Die Inflation ist jetzt schon auf einem Mehrjahreshoch. Sie kommt natürlich auf schleichenden Sohlen daher. Sie hat aber verheerende Folgen. Inflationsraten von 5 % halbieren ein Sparguthaben innerhalb circa 20 Jahren. Deswegen hat die NPD schon immer Folgendes gesagt: Die Inflation ist nichts anderes als eine Existenzbedrohung für Sparer, Anleger, Rentner und Bezieher von Versorgungsbezügen.

Die Grundtendenz hinter all diesen Maßnahmen ist doch klar: Es kommt den großen Banken und Finanzkonzernen entgegen, die gar nichts von Demokratie halten. Während der Bürger durch die Erzeugung von Inflation enteignet werden soll, bewährt sich eben – wie gesagt – der frühere Vizeeuropachef von Goldman Sachs Mario Draghi als einhundertprozentiger Mann des Großkapitals.

Herr Scheel, bitte hören Sie zu! Jetzt können mit dem Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank die großen Banken ihre Schrottanleihen, die sie eigentlich auf eigenes Risiko gekauft hatten, bequem bei der Europäischen Zentralbank versilbern. Sie übernimmt alle Risiken. Alle Risiken werden nur von den Großbanken zu der Notenbank – also zur Allgemeinheit und damit zum deutschen und europäischen Steuerzahler – verschoben. Wenn diese Anleihen ausfallen, werden natürlich Abschreibungen auf das Grundkapital der EZB fällig. Größter Kapitaleigner ist mit 27 % die Deutsche Bundesbank. Diese ist wiederum zu 100 % im Besitz des Bundes. Am Ende wird der Löwenanteil der Verluste wieder einmal am deutschen Steuerzahler hängenbleiben.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Voraussetzung ist aber, dass die Staatsanleihen ausfallen!)

Ich glaube, das ist schon geschehen.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Aber Herr Scheel, Griechenland – –

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Herr Scheel, Griechenland ist aber schon seit Langem pleite.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)