Im Kern geht es darum, dem Online-Petitionswesen des Landtages eine zentrale Funktion hinzuzufügen, nämlich an der Stelle, wo Petitionen immerhin schon online eingereicht werden können, ihnen aber die Möglichkeit der Mitzeichnung beim Sächsischen Landtag fehlt. Mitzeichnungsoption würde bedeuten, dass man bei einer
bestehenden online verfügbaren Petition die Möglichkeit hat, diese als Bürgerin oder als Bürger mit seinem eigenen Namen zu unterstützen und auf diese Art dem Anliegen mehr Gewicht zu geben, wie wir das bei der Massenpetition ansonsten auch schon kennen.
Die Mitzeichnungsoption bietet, wo sie schon Anwendung findet, die Möglichkeit kraftvoller Mobilisierung. Zum Beispiel konnte beim Bundestag mit den
100 000 Unterschriften für ein bedingungsloses Grundeinkommen oder mit 120 000 Unterschriften gegen Netzsperren ein Zeichen gesetzt, konnten die Forderungen vieler Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck gebracht werden.
Die Möglichkeit der Mitzeichnung entspricht strukturell der kommunikativen Dynamik im Netz. Im Schneeballprinzip kann man sozusagen weitersagen, wo es beteiligungsorientierte Handlungsmöglichkeiten gibt. Nach der Gefällt-mir- oder Das-unterstütze-ich-auch-Methode kann so über politische Handlungsmöglichkeiten auf Ebene der Petition auch in sozialen Netzwerken weiter informiert werden.
Die Massenpetition ist schon immer ein legitimes Mittel der politischen Meinungsäußerung, das damit in der Online-Welt an Bedeutung gewinnt. Als legitimes Mittel der politischen Meinungsäußerung kennt sie auch die Arbeitsordnung des Petitionsausschusses des Sächsischen Landtages. Es ist also nicht richtig, dass es sich bei der Petition dem Zweck nach um eine individuelle Bittstellung gegenüber der Obrigkeit handeln müsse, wie das zum Teil argumentiert wurde. Jene gemeinsame politische Nutzung ist bekannt und Praxis, in Sachsen allerdings bislang auf die Papierwelt beschränkt. Aus unserer Sicht kann das nicht so bleiben.
Der Bundestag bietet diese Möglichkeit schon seit mehreren Jahren. Andere Landesparlamente zogen nach. So veröffentlichte Thüringen gerade im September dieses Jahres, dass demnächst Eingaben an den Landtag auch online mitgezeichnet werden können. So erklärte der Petitionsausschussvorsitzende des Thüringer Landtages, Fritz Schröter von der CDU, das noch vor Jahresabschluss zu beendende Projekt.
Wenn Sie diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, wenn Sie unseren Vorschlag auch in anderen zusammenhängenden Arbeitsgruppen oder in eigenen Initiativen nicht aufgreifen, wird Sachsen zum Schlusslicht in der OnlineBeteiligung bei Parlamenten. Dafür kann es keine guten Argumente geben.
Die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestages, Kersten Steinke, sagt auch, die Online-Petitionen hätten sich beim Bundesparlament bewährt. Etwa 15 000 Eingaben zählte der Petitionsausschuss des Bundestages in nur einem Jahr. Seit 2005 ist es dort möglich, sowohl zu petitieren als auch mitzuzeichnen. Dort gibt es auch positive Erfahrungen mit dem Diskussionsforum. Die Ausschussvorsitzende sagt, die Diskussionsbeiträge seien auch für Politiker informativ und relevant. Es liegt auf der Hand, dass ein Forum für Bürgerbeteiligung auch
Wir haben uns diesen Vorschlag nicht einfach selbst ausgedacht oder übertragen, sondern auch das Gespräch zu den Initiatorinnen und Initiatoren von Massenpetitionen in Sachsen gesucht und diese sowohl in Papierform als auch mit einem Internetverfahren befragt und dankenswerterweise eine große Beteiligung erfahren. Es stellte sich heraus, dass von den Befragten 37 % die Möglichkeit der Online-Einreichung beim Sächsischen Landtag immerhin kennen. Mehr als die Hälfte aller Teilnehmer nutzt das Internet auch selbst zum Einreichen von Petitionen und zum Sammeln von Unterschriften. Das heißt, die anderen, die das Online-Petitionsangebot beim Landtag nicht kennen, nutzen andere Plattformen.
Knapp die Hälfte aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhofft sich auch die Möglichkeit einer OnlineMitzeichnung für elektronische Petitionen. Drei wesentliche Funktionen werden von den Bürgerinnen und Bürgern, die selbst Initiatoren geworden sind, für Petitionen gesehen: 29 % sehen das Hauptziel darin, auf Probleme aufmerksam zu machen. 35 % meinen, dass auch tatsächlich Lösungen und Abhilfe von Problemen mit Petitionen erreicht werden können. 35 % wollen vor allen Dingen auch Meinungsäußerungen zu verschiedenen Sachverhalten.
Meine Damen und Herren! Dieses Engagement und diese Zielstellung, die die Bürgerinnen und Bürger mit Petitionen verbinden, muss man ernst nehmen und kann man nicht einfach wegstimmen. Ein gestiegenes Bedürfnis für Beteiligung kann man nicht ignorieren. Insofern ist es besonders bedauerlich, dass es zu keiner überfraktionellen Einigung gekommen ist.
Es wünschen sich jenseits dieser schon bekannten Elemente auch 38 % der Befragten die elektronische Unterschrift bei Volksbegehren. Immerhin 23 % sprechen sich dafür aus, dass Diskussionsforen zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Politikerinnen und Politikern gerade auch vom Parlament selbst angeboten werden.
Ich möchte auch nicht darauf verzichten, Ihnen noch ein paar direkte Rückmeldungen zum Online-Angebot des Landtages mitzugeben, die wir in offener Abfrage von den Bürgerinnen und Bürgern zurückerhalten haben. Dort gab es die Kritik, dass es klarer und einfacher strukturiert sein müsste und – Zitat – „nicht in einer letzten Ecke auf der Homepage verlegt werden sollte“. Außerdem – Zitat – „sollte eine kostenfreie Nutzung möglich sein“, was die Nutzung qualifizierter elektronischer Signaturen ausschließt.
Ferner sollte die Umsetzung vollständig barrierefrei sein. Es besteht entsprechender Handlungsbedarf beim Angebot des Landtages. Es gibt diesen Handlungsbedarf. Diesen auszusitzen bringt nichts als Frustration bei den engagierten Bürgerinnen und Bürgern und schreckt neue ab, sich zu beteiligen.
Deswegen fordere ich Sie auf, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Die von uns vorgeschlagene Lösung stellt auch technisch keinen unüberschaubaren Aufwand dar. Für eine Umsetzung äquivalent der Lösung des Bundestages ist das Know-how komplett vorhanden. Es bedeutet ebenso keinen hohen finanziellen Aufwand.
Ich kann also unter Verweis auf welche Gründe auch immer nicht verstehen, warum man diesen Vorschlag ablehnen könnte. Es sei denn, man hat Angst vor der Meinungsäußerung der Bürgerinnen und Bürger oder kann aus Prinzip nie einen Vorschlag der Opposition aufgreifen, obwohl Sie, wie ich bereits sagte, im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft in einem anderen Zusammenhang die Gelegenheit dazu hatten.
Um eines klar zu sagen: Das Mehr an Beteiligung, welches wir brauchen, erschöpft sich natürlich aus unserer Sicht nicht bei der Einführung der vollumfänglichen Online-Petition. Meine Fraktion kann sich weitaus mehr vorstellen. Wir wollen zum Beispiel die Quoren für verbindliche direkte politische Beteiligung senken. Wir können uns dabei auch die digitale Unterschrift und Beteiligung vorstellen. Wir haben zum Beispiel die Online-Unterschrift beim Volksbegehren vorgeschlagen. Wir wollen also mehr.
Der hier vorgeschlagene Punkt ist aber das Mindeste, um mit einer gesellschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten und in Sachsen nicht den Anschluss zu verlieren.
Vielen Dank, Frau Bonk. Meine Damen und Herren! Jetzt ist die CDUFraktion an der Reihe. Frau Abg. Dietzschold, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zum Thema Einführung öffentlicher Petitionen beim Sächsischen Landtag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksache 5/3704 sieht eine Änderung des Petitionsgesetzes des Freistaates Sachsen vor. Konkret soll zum einen die Einführung einer elektronischen Datenübermittlung von Petitionen in das Gesetz aufgenommen und zum anderen die Möglichkeit einer öffentlichen Petition eingeräumt werden. Dazu möchte ich aus der Sicht als Mitglied des Petitionsausschusses gerne Stellung nehmen und dazu auf einzelne Punkte näher eingehen.
Hinsichtlich der ersten Forderung ist deutlich zu machen, dass derzeit in den Grundsätzen des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden in der Fassung vom 5. November 2009 bereits unter Punkt 4 die Schriftform geregelt ist. Petitionen können schriftlich oder durch das zur Verfügung gestellte Online-Formular eingereicht werden. Die Schriftform ist nur bei der Namensunterschrift gewahrt. Im Online-Verfahren genügt die Bestätigung über den vorgesehenen Link.
Meine Damen und Herren! Meines Erachtens ist dieses Vorhaben bereits ausreichend und sollte nicht weiter gesetzlich geregelt werden. Es ist für alle einfach. Das derzeitige Verfahren sieht nach § 1 Abs. 2 des Petitionsgesetzes vor, dass Petitionen schriftlich einzureichen sind. Dieser Begriff der Schriftlichkeit soll und muss gerade im Interesse des Petenten als Grundrechtsträger sehr weit verstanden werden. Es soll zudem dafür Sorge getragen werden, dass das Petitionsverfahren so einfach wie möglich ausgestaltet ist.
Nein. – Ebenso muss die Möglichkeit offen gelassen werden, auf neue technische Entwicklungen und Einzelsituationen von Petenten angemessen zu reagieren.
Die einbringende Fraktion verkennt dies allerdings und will mit dieser Gesetzesänderung eher die Grundlagen für eine Verkomplizierung des Verfahrens schaffen. Wir sind folgender Meinung: Je stärker im Gesetzestext reglementiert wird, wie eine Petition eingelegt werden kann, umso eher besteht im Zweifel die Gefahr, dass Petitionen abgelehnt werden. Es ist ebenso deutlich zu machen, dass mit der bisherigen Situation im Zweifel schneller eine Anpassung an aktuelle technische Entwicklungen als über das Verfahren einer Gesetzesänderung möglich ist.
Meine Damen und Herren! Damit möchte ich zu den öffentlichen Petitionen kommen. Eine solche, ausgegangen von den Petitionen des Deutschen Bundestages, gibt es bereits im Deutschen Bundestag, in der Bürgerschaft Bremen sowie in Rheinland-Pfalz. Andere Länder haben bereits nachgezogen oder diskutieren darüber.
Der Petitionsarbeitskreis meiner Fraktion hat sich in Berlin beim Deutschen Bundestag die dortigen Möglichkeiten angeschaut und sich mit den Petitionsteams intensiv ausgetauscht. Im Ergebnis haben wir den Eindruck gewonnen, dass die öffentliche Petition wenig zielführend ist und die eigentliche Rolle und Bedeutung einer Petition negiert. Somit ist grundsätzlich darauf zu verweisen, dass mit dem Einlegen einer Petition immer eine individuelle Bitte oder Beschwerde eines Bürgers vorgetragen wird. Der Petent oder die Petenten verbinden mit der Petition ein bestimmtes Anliegen, welches sich häufig durch eine individuelle Vorgeschichte auszeichnet. Mit der im Gesetzentwurf vorgesehenen Möglichkeit, dass die öffentliche Petition im Internet mitgezeichnet werden kann, besteht die Gefahr, dass sich das individuelle Petitionsrecht in eine allgemeine politische Bekundung umwandelt. Frau Bonk hat dies gerade deutlich dargelegt.
Nein. – Hinzu kommt der schnelle Gebrauch elektronischer Medien durch ein spontanes Anklicken, nur weil einem vielleicht der Titel gefällt. Er sorgt dafür, dass ein mehr oder weniger unverbindliches Bekundungsverfahren eingeführt wird, das mit dem Schutzbereich des Petitionsrechts kaum noch etwas zu tun hat.
Die Mitarbeiter im Petitionsdienst des Deutschen Bundestages haben uns dazu auch mehrere Petitionen gezeigt, bei denen genau dies passiert ist.
Zweitens muss deutlich gemacht werden, dass jede Petition und jedes Anliegen gleich wichtig sind und einer entsprechend sorgfältigen neutralen Bearbeitung bedürfen. Mit der Möglichkeit einer öffentlichen Petition besteht die Gefahr, dass zum einen nicht nur eine neutrale Bearbeitung von Petitionen erschwert, sondern auch eine Wertung von Petitionen vorgenommen wird. Bei den mitzeichnenden Personen und Unterzeichnern wird die folgende Hoffnung geweckt: Je mehr unterschreiben, desto schneller wird auch eine Lösung des Problems möglich sein.
Weiterhin stellen sich auch organisatorische Fragen, die geklärt werden müssen. Wie teuer ist die Einrichtung bzw. die Unterhaltung der öffentlichen Petitionen sowie des Diskussionsforums? Wird zusätzliches Personal mit welchen Kosten benötigt? Diese Fragen sind im Gesetzentwurf offen geblieben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das derzeitige Petitionswesen ist ganz bewusst sehr bürgerfreundlich und einfach gehalten. Der Gesetzentwurf der LINKEN verkompliziert das Verfahren zum Nachteil der Petenten. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Gleichwohl verschließt sich die Regierungskoalition einer Weiterentwicklung des sächsischen Petitionsrechts nicht. Wir wollen eine Weiterentwicklung an den Stellen, an denen es sinnvoll ist bzw. sinnvoll erscheint und dem Anliegen des Petenten nützt. Deshalb arbeitet die Arbeitsgruppe auch noch und es gibt keinen abschließenden Bericht dazu.
Die SPD-Fraktion ist nun an der Reihe. Frau Dr. Deicke, bitte warten Sie einen kleinen Moment. – Es gibt eine Wortmeldung an Mikrofon 1. Frau Abg. Bonk, Sie möchten vom Recht der Kurzintervention Gebrauch machen.
Ich muss sagen, ich bin überrascht, bestürzt – amüsiert nicht – darüber, in welcher Deutlichkeit hier eine Skepsis gegenüber einem offenen Petitionswesen von Ihnen zum Ausdruck gebracht worden ist. Außerdem ist es einfach nicht wahr, dass Sie Weiterentwicklungen des Petitions
wesens offen gegenüberstehen angesichts des Boykotts einer gemeinsamen Aktivität in den Arbeitsgemeinschaften, die zu beobachten ist.
Wir haben zwei Jahre gewartet, da ist leider nichts gekommen. Aber aus dem, was Sie jetzt gesagt haben, spricht ja die bloße Angst vor der politischen Meinungsäußerung von Bürgerinnen und Bürgern.
Sie haben so viel Skepsis demgegenüber, wenn Sie von der eigentlichen Rolle der Petition sprechen, die so eine individuelle Bittstellerposition gegenüber der Obrigkeit bedeuten soll. So stellen Sie sich offensichtlich das Bürger-Politik-Verhältnis vor.