Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 7

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz über die Beteiligung des Sächsischen Landtages an der

Erarbeitung des Landesentwicklungsplans

Drucksache 5/9548, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/10353, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Wir beginnen mit der Aussprache in der Reihenfolge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Jähnigen. Sie eröffnen die Aussprache und haben das Wort dazu.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir die Rechte des Parlaments in der Landesentwicklungsplanung stärken. Das ist für uns nicht nur, aber auch eine Frage der Demokratie und Transparenz. Aktuell ist es eine Frage dessen, dass wir deutlich sehen, dass die Regierung in der Landesentwicklungsplanung fehlsteuert. Sie setzt falsche Richtungsentscheidungen, besonders im Verkehr – das wird uns heute später noch beschäftigen –, bei der Daseinsvorsorge und bei der Energie- und Umweltpolitik. Wir meinen, dort ist eine Korrektur dringend notwendig, und wir wollen dafür das Parlament in der Verantwortung sehen, wie in Sachsen unmittelbar nach der Wende bis 1994.

Unser Vorschlag, dass der Landesentwicklungsplan nur im Einvernehmen mit dem Parlament erlassen werden kann, wird derzeit in den Bundesländern Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen praktiziert. Er war in Sachsen geltendes Recht bis 1994. Wir stellen uns das so vor, dass das Parlament wie bisher zum Entwurf des Planes Stellung nimmt, dass die Regierung begründen muss, wenn sie von der Stellungnahme abweicht, und dass zum Schluss eine Abstimmung stattfindet, ob das Parlament zustimmt oder nicht, also ein Ja oder ein Nein wie bei einem Staatsvertrag.

Sie merken schon, dieses Verfahren ist geeignet, auch in die jetzige Landesentwicklungsplanung eingefügt zu werden. Es muss also nicht von vorn beginnen. Aber es wird mit der Stellungnahme des Parlaments anders umgegangen werden müssen, und das Parlament wird zustimmen oder ablehnen können, wenn Sie unserem Antrag zustimmen, anders als bisher, wo es im Wesentlichen nur zusehen und eine Meinung äußern darf.

In der Debatte im Ausschuss ist noch gesagt worden, das Parlament sei gar nicht in der Lage, eine derart umfassende Abwägung vorzunehmen, wie sie im Rahmen des Landesentwicklungsplanverfahrens mit den vielen Stellungnahmen der Bürgerinnen und Bürger und der Träger öffentlicher Belange erforderlich sei. Das glaube ich nicht. Parlamente, die in der Lage sind, Haushaltsgesetze bisher ohne Bürgerbeteiligung zu erlassen und umfassende Gesetzesabwägungen vorzunehmen, können auch über Entwicklungspläne abwägen. Jeder Gemeinderat wägt ehrenamtlich über Bebauungspläne, über Flächennutzungspläne ab und das auch in großen kreisfreien Gemeinden, also in Großstädten. Was die können, können wir auch.

Bitte stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu und stärken Sie das Parlament!

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Nun die CDU-Fraktion. Herr Abg. Fritzsche. Herr Fritzsche, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Frau Jähnigen, ich fühle mich ein wenig an unsere Debatte aus dem Mai 2010 erinnert, als wir über das Gesetz zur Raumordnung und Landesplanung des Freistaates Sachsen, also unser Landesplanungsgesetz, debattiert haben. Denn damals haben wir die Frage schon einmal ausführlich hier in diesem Hohen Hause erörtert. Ebendort haben wir auch über diesen Zustimmungsvorbehalt des Landtages zum LEP als Rechtsverordnung diskutiert.

Um es gleich vorwegzunehmen: An der grundsätzlichen Position der Koalition aus CDU und FDP hat sich nichts geändert. Einiges möchte ich allerdings noch einmal ausführen:

Der Anlass für die Erarbeitung des LEP als Raumordnungsplan liegt in § 8 Abs. 1 Raumordnungsgesetz, nach dem die Länder erstens einen Raumordnungsplan für das Landesgebiet als landesweiten Raumordnungsplan und zweitens Raumordnungspläne für die Teilräume der Länder, die Regionalpläne, aufzustellen haben. Auf der Landesebene, hier in Sachsen, wird das durch das eben schon erwähnte Gesetz zur Raumordnung und Landesplanung des Freistaates Sachsen untersetzt und insbesondere spezifiziert durch § 3 zur Aufstellung eines solchen Raumordnungsplanes als Landesentwicklungsplan.

Auch in Ihrem Redebeitrag klang es eben an: In § 6 Abs. 2, speziell Satz 9 dieses Gesetzes heißt es: „Der Entwurf des Landesentwicklungsplanes mit Begründung ist dem Landtag frühzeitig zur Stellungnahme zuzuleiten.“

Der Ball liegt dann bei uns im Feld, und wir haben wie viele andere Träger öffentlicher Belange und Privatpersonen auch die Möglichkeit, zu diesem Plan eine Stellungnahme abzugeben.

Wenn wir uns das Verfahren anschauen – es läuft gerade –, dann können wir feststellen, dass eine sehr große Anzahl an Stellungnahmen abgegeben wurde und der Landtag eben eine davon geliefert hat. Allerdings hatten wir, auch begründet durch unser Verfahren, sogar noch etwas mehr Zeit dafür zur Verfügung. Erstens durch sehr frühzeitige Zuleitung und dann auch durch eine entsprechend lange Bearbeitungszeit.

Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen – was auch in Ihrem Redebeitrag anklang –, dass in Deutschland dieser Zustimmungsvorbehalt, den Sie mit Ihrem Gesetzentwurf einfordern, zwar – wie Sie es auch gesagt haben – in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen bereits existiert – in Schleswig-Holstein wird wohl eine entsprechende Regelung ab 2013 in Kraft treten –, dass damit aber auch klar wird, dass der Großteil der Länder auf eine ebensolche Regelung verzichtet. Dies aus guten Gründen, denn die meisten haben in ihren jeweiligen Landesplanungsgesetzen ähnliche Regelungen, wie wir sie im Freistaat Sachsen bewusst gewählt haben, denn es ist auch eine Zeit lang anders gehandhabt worden. Auch das haben Sie gesagt.

Noch einmal eingehen möchte ich darauf – das habe ich bereits im Mai 2010 an dieser Stelle gesagt –, dass wir auch grundsätzliche verfahrensrechtliche Bedenken gegen einen solchen Zustimmungsvorbehalt durch den Landtag im Zuge der dann durch die Staatsregierung zu erlassenden Rechtsverordnung haben. Das aktuelle Entwurfsverfahren zeigt, dass von der Möglichkeit der Beteiligung sehr intensiv Gebrauch gemacht wurde und wahrscheinlich auch bei einer erneuten Auslegung, die erfolgen wird, wieder gemacht werden wird. Es liegen also bei der Staatsregierung eine Vielzahl von Hinweisen, Einwendungen und Anregungen der Träger öffentlicher Belange und auch zahlreicher Privatpersonen vor, welche wiederum nach der in § 7 Abs. 2 des Raumordnungsgesetzes des Bundes – ich zitiere – „gegeneinander und untereinander abzuwägen“ sind. Es findet also ein sehr umfangreicher Abwägungsprozess statt.

Die abschließende Abwägungsentscheidung – das muss man an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen – unterliegt selbstverständlich der vollständigen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte und muss dieser entsprechend standhalten. Es ist also durchaus die Frage berechtigt, ob es rechtlich nicht tatsächlich bedenklich ist, diesen umfangreichen und durch die Gesetzgebung des Bundes geforderten fachlichen Abwägungsprozess gerade zum Endpunkt einer erfolgten Abwägung, nämlich hier mit einem Beschluss im Landtag, zu konterkarieren und damit den Aufstellungsprozess und die Rechtssicherheit gegebenenfalls infrage zu stellen.

Weiterhin – das soll nur eine Randbemerkung sein – ergibt sich auch die Gefahr eines zeitlichen Verzugs. Wir merken gerade, dass solch ein Aufstellungsverfahren schon so einen sehr langen und mit großem Arbeitsaufwand verbundenen Zeitraum in Anspruch nimmt.

Ich möchte es noch einmal deutlich sagen: Die Einflussnahme des Landtages ist durch eine besonders frühe Beteiligung im Rahmen der Möglichkeiten gegeben. Wir nehmen diese Möglichkeit auch wahr. Die theoretische Überlegung, dass diese Möglichkeit vom Landtag nicht wahrgenommen wird, halte ich eher für abwegig. Ich denke, dass die Einflussnahme durch diese frühe Beteiligung sichergestellt ist.

Es klingt in Ihrer Begründung auch an, dass Sie in den Raum stellen, diese Stellungnahme des Landtages spiele möglicherweise in der Abwägung keine Rolle. Ich halte das Gedankenspiel, dass eine Staatsregierung eine Stellungnahme des Landtages unberücksichtigt lässt, eher für schwer vorstellbar, da sie hier mehrheitlich beschlossen wurde. Wir werden Ihren Gesetzentwurf daher ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion DIE LINKE; Herr Abg. Stange, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat mit seiner Mehrheit aus CDU und FDP am 19. Mai 2010 das Landesplanungsgesetz neu gefasst. Darin ist dem Sächsischen Landtag die Position eines Trägers öffentlicher Belange mit besonders herausgehobener Stellung übertragen worden.

Bereits im damaligen Gesetzgebungsverfahren haben die demokratischen Oppositionsparteien, also auch wir, die Fraktion DIE LINKE, moniert, dass sich der Sächsische Landtag mit diesem Landesplanungsgesetz selbst beschränkt und als Gesetzgeber in eine schwächere Position gegenüber der Staatsregierung und der Verwaltung begibt. Unsere Versuche, dem Landtag und seiner Befassung mit dem Landesentwicklungsplan mehr Gewicht zu verleihen sowie das Landesplanungsgesetz hinsichtlich beispielsweise des erforderlichen Monitorings aufzubessern, sind damals am Widerstand der Koalition gescheitert. Das haben wir mit Bedauern und Unverständnis zur Kenntnis nehmen müssen.

Schließlich hat der Landesentwicklungsplan für uns nicht nur den Wert seines gebundenen Papiergewichts. Vielmehr werden in ihm Weichen gestellt, die die Landesentwicklung weit über die reine Geltungsdauer des Landesentwicklungsplanes von zehn Jahren hinaus prägen. Deshalb sind wir uns mit den GRÜNEN in dem Ansinnen durchaus einig, die Rolle des Landtags als dem Vertretungsorgan der sächsischen Bevölkerung, also des Souveräns, im Aufstellungsverfahren des LEP zu stärken. Zudem gibt es aus unserer Sicht aus der Erfahrung im Umgang des Landtags, besser gesagt seiner Mehrheitsfraktionen, im Aufstellungsverfahren des Landesentwicklungsplanes ganz aktuell berechtigte Zweifel an der Ernsthaftigkeit Ihres Vorgehens und am Selbstverständnis als oberster Volksvertretung in Sachsen.

Eine Blockanhörung zu diesem Planwerk auf einen Tag mit drei Blöcken zusammenzuschmelzen, obwohl jedem die Bedeutung des Planwerks bewusst sein dürfte, hat schon für den Kenner der Materie etwas Besonderes an sich. Ich will daran erinnern, dass wir das Sächsische Standortegesetz mit insgesamt sechs Blöcken an drei Tagen angehört haben. Es gibt ein gewisses Missverhältnis.

Zu guter Letzt haben wir mit Entsetzen die Ignoranz und Selbstherrlichkeit dieser Staatsregierung zur Kenntnis nehmen müssen, mit denen sie die substanziellen Einwände zum Entwurf des Landesverkehrsplanes de facto vom Tisch gewischt und den Landesverkehrsplan im Wesentlichen und somit ohne wesentlichen Änderungen in der Entwurfsfassung bestätigt hat. Dabei hat sich die Staatsregierung und für sie federführend das SMWA mit Minister Morlok – der gerade geht –

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das ist doch ein super Anblick!)

an der Spitze über die sehr detaillierten Bedenken einer hochkarätigen Sachverständigenanhörung im Landtag und die Stellungnahmen der Nahverkehrsaufgabenträger

sowie der regionalen Planungsverbände zumeist hinweggesetzt, bevor er schlussendlich den Landtag und auch die eigenen Koalitionsfraktionen brüskiert hat. Zwar hat der Staatsminister Morlok den Landesverkehrsplan dem Landtag als Information zugeleitet und war aufgrund seiner Anwesenheit im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zu jeder Zeit über den Behandlungsstand des Landesverkehrsplanes im Parlament informiert; dennoch hat er dieses Planwerk noch vor Beschlussfassung der durch die Koalitionsfraktionen in Vorbereitung befindlichen Stellungnahme im Kabinett abschließend befassen und als Rechtsverordnung beschließen lassen.

Offen gestanden: Mehr Outing über das Verhältnis von Staatsregierung und Koalition zueinander ist wohl kaum noch möglich.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion, ich richte mich jetzt an Sie,

(Zuruf von der CDU: Danke!)

Herr Schiemann, auch an Sie: Ich kann durchaus nachvollziehen, wie sehr Sie sich damit durch den auch mit Ihren Stimmen gestützten Minister genasführt fühlen müssen, und in diesem Bedauern und in der kollegialen Solidarität verbietet sich auch fast der Hinweis auf Ihr selbst herbeigeführtes Leid in diesem Falle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das führt vor Augen, wie wichtig insbesondere die Stellungnahme des Landtages zum Entwurf des Landesentwicklungsplanes, vor allem, wie wichtig die Stellungnahme des Landtags im Aufstellungsverfahren zum LEP ist. Dabei sind wir der Auffassung, dass sich das komplette Verfahren im Landesplanungsgesetz abbilden muss. Angemerkt sei dabei, dass eine Aufwertung der durch den Staatsminister einberufenen Regionalkonferenzen durch eine institutio

nalisierte Einbeziehung der Gremien des Landtags somit dringend geboten ist, ganz zu schweigen von einer erforderlichen Befassung des Landtages mit dem Landesentwicklungsbericht als einem zentralen Analyseinstrument in einem geordneten Verfahren. In diesem Jahr ist das nur aufgrund des Antrages meiner Fraktion so geschehen.

Dennoch leiten uns heute Bedenken bei der Behandlung des vorliegenden Gesetzentwurfs.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein!)

Nicht allein, dass es die erste und einzige Rechtsverordnung wäre, die nur mit Zustimmung des Landtages in Kraft träte. Auch eine erhebliche Besserstellung des Landtages als einen von vielen Trägern öffentlicher Belange innerhalb eines Rechtsverordnungsverfahrens erschließt sich uns dabei nicht. Zudem lässt der Gesetzentwurf das ihm innewohnende Einvernehmlichkeitsverfahren vermissen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, dass wir uns nicht falsch verstehen: Die Fraktion DIE LINKE steht für ein geordnetes Verfahren zur Aufstellung des Landesentwicklungsplanes und vor allem für die Souveränität des Landtages dabei. Der Landtag sollte dabei nach unseren Vorstellungen eine wesentlich bedeutsamere Rolle spielen, als sie ihm zurzeit zugedacht ist. Allerdings führt uns der vorliegende Entwurf dabei nicht aus den rechtlichen und rechtssystematischen Dilemmata heraus. Deshalb wird sich unsere Fraktion heute zum vorliegenden Gesetzentwurf enthalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Johannes Lichdi, GRÜNE: Puh!)

Vielen Dank, Herr Stange. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abg. Köpping. Bitte, Sie haben das Wort.