Eine entscheidende Grundlage für die gestiegene Lebenserwartung ist eine gute medizinische Versorgung, und es ist ein wichtiges Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie, allen Sachsen weiterhin eine flächendeckende medizinische Grundversorgung zu ermöglichen.
Wir bieten dafür eine Reihe von Maßnahmen an. Ärzte bekommen unter anderem Investitionszuschüsse oder zinsverbilligte Darlehen, wenn sie im ländlichen Raum eine Praxis gründen oder eine Praxis übernehmen. Medizinstudenten erhalten während des Studiums eine finanzielle monatliche Förderung, wenn sie sich verpflichten, nach dem Studium für eine angemessene Mindestzeit als Hausarzt in einer ärztlich unterversorgten Region Sachsens tätig zu werden. In ganz Sachsen entstehen Netzwerke zwischen Basisversorgern vor Ort und Spezialisten in den Ballungsräumen, um auch in kleineren Orten eine hochwertige medizinische Versorgung anbieten zu können. Bereits jetzt gibt es flächendeckend in ganz Sachsen für die Schlaganfallversorgung Telematikverbünde
Zu einem erfüllten Leben gehört auch, meine Damen und Herren, in Würde alt zu werden. So haben wir uns in der Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel gesetzt, älteren Menschen solange es geht ein Leben in ihrem häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Dafür fördern wir zum Beispiel Alltagsbegleiter für Senioren, Maßnahmen zum generationen- und altersgerechten Umbau der eigenen vier Wände, den Ausbau geriatrischer Netzwerke sowie innovative technische Assistenzsysteme, die den Alltag älterer und benachteiligter Menschen situationsabhängig unterstützen.
Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten ist bekanntermaßen ein weites Feld. Der Freistaat unterstützt über das Sozialministerium noch viele weitere in der Nachhaltigkeitsstrategie genannte Bereiche, wie die Gesundheitsförderung unserer Jüngsten, die Sucht- und Gewaltprävention sowie die Barrierefreiheit, bei der wir sowohl bei der Beseitigung physischer Hindernisse wie auch bei der Kommunikation und dem Zugang zu Informationen beachtliche Fortschritte erreicht haben.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Schwerpunkt unserer Nachhaltigkeitsstrategie lautet: „Klima schützen – Energie effizient nutzen – Versorgung sichern“. Diese Themen gehören für die Staatsregierung zwingend in ein gemeinsames Handlungsfeld; denn die Herausforderungen der Zukunft liegen darin, Klimaschutz und Energie miteinander zu verbinden, und zwar so, dass neben der Ökologie auch die beiden anderen Säulen der Nachhaltigkeit – das Soziale und die Ökologie – bedacht werden, und zwar konkret die Menschen, die Arbeit und Lohn aus der Verstromung heimischer fossiler und alternativer Energieträger erhalten und die sächsische Volkswirtschaft, die nicht nur einer der Spitzenreiter in moderner Techno
logie ist, sondern auch einen sehr hohen Energiebedarf hat. Ihn, meine Damen und Herren, gilt es zu decken – und das zu bezahlbaren Preisen.
Sachsen setzt dazu unter anderem auf den Ausbau erneuerbarer Energien, aber auch auf eine bessere Effizienz konventioneller Kraftwerke. Zu den erneuerbaren Energien ging übrigens eine Initiative von Sachsen aus; auch das gehört zu unserer Geschichte. 1996 war es bereits, meine Damen und Herren, da rief die kleine, schöne, erzgebirgische Stadt Oederan den „Tag der erneuerbaren Energien“ aus – bereits 1996.
In diesem Zusammenhang ein herzliches Dankeschön an Herrn Krasselt, der damals noch Bürgermeister war und diese Idee maßgeblich unterstützt hat,
mit dem Erfolg – Herr Krasselt, Ihr Beifall –, dass der „Tag der erneuerbaren Energien“ jetzt in ganz Deutschland, auch in anderen Bundesländern, für die nachhaltige Energiegewinnung in den Kommunen wirbt. Herzlichen Dank, Herr Krasselt!
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen anhand einiger Indikatoren unserer Nachhaltigkeitsstrategie
zeigen, dass unsere Energie- und Klimaschutzpolitik bereits Früchte trägt. Da wäre erstens der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch. Er liegt derzeit bei 15,2 %. Das ist ein Erfolg vor dem Hintergrund, dass wir im Jahr 2000 noch bei 3,2 % lagen.
Der zweite Indikator misst die energiebedingten Kohlendioxidemissionen. Diese betrugen 2010 48 Millionen Tonnen pro Jahr. Auch das ist eine gute Entwicklung, wenn man bedenkt, dass der Wert 1990 mehr als doppelt so hoch war.
Der dritte Indikator ist, meine Damen und Herren, der Waldflächenanteil. Er liegt in Sachsen bei 28,4 %. Das sind über eine halbe Million Hektar voller Bäume – über eine halbe Million Hektar! Und jährlich wächst der Anteil Wald in Sachsen um 650 Hektar – 650 Hektar! Wenn man bedenkt, dass ein Hektar Wald 10 000 Euro kostet, und wenn man des Weiteren bedenkt, dass auch die Flächenverfügbarkeit nicht ganz unproblematisch ist, dann ist das eine beachtliche Leistung, meine Damen und Herren.
Ein weiteres Ziel unserer Nachhaltigkeitsstrategie ist die Verbesserung der Energieeffizienz. Ein beeindruckendes Beispiel, meine Damen und Herren – das will ich Ihnen nicht vorenthalten –, habe ich vor zwei Wochen hier in Dresden kennenlernen dürfen. Eine Firma – junge Unternehmer – vermieten Server – also Großrechner. Das Geniale daran ist, dass diese Server nicht mehr zentral irgendwo aufgebaut sind, sondern dezentral in Wohnhäusern. Und mit der Wärme dieser Server werden die Wohnungen beheizt und die Warmwasserversorgung in
den Häusern sichergestellt. Man spart also doppelt Energie: Der Hausbesitzer muss sich nicht extra eine Heizungsanlage einbauen lassen, und der Serverbetreiber muss nicht extra Energie aufwenden, um die Server zu kühlen – also eine Win-win-Situation für alle. Das ist eine geniale Idee, vor allem, weil der Einsatz dieser Server so gesteuert ist, dass dort gerechnet wird, wo gerade Wärme gebraucht wird – geniale Idee, Ursprung in Sachsen. Ich hoffe, dass das weltweit Anwendung findet.
Ein großer Beitrag zur Energieeffizienz kommt auch von den Kommunen, meine Damen und Herren. Ich habe Ihnen bei der letzten Aktuellen Debatte zum Klimaschutz vom European Energy Award – abgekürzt: EEA – berichtet. Der EEA ist ein Energiemanagementsystem, das in mehr als 40 sächsischen Städten, Landkreisen und Gemeinden den Anstoß dazu gegeben hat, beispielsweise neue Radwege und Abstellanlagen zu bauen, Holzheizkraftwerke mit Fernwärmenetz zu errichten oder Straßenbeleuchtung auf effiziente LED-Technik umzurüsten. Da der EEA dazu führt, den Energieeffizienzgedanken nachhaltig zu verankern, fördert der Freistaat die Einführung bereits seit fünf Jahren.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz zwei weitere Handlungsschwerpunkte umreißen, und zwar die natürlichen Lebensgrundlagen und die Finanzpolitik. Beginnen wir mit dem Handlungsschwerpunkt natürliche Lebensgrundlagen. Auch hier kann der Freistaat Sachsen Erfolge vorweisen, wohl wissend – das will ich deutlich sagen –, dass es bei einigen der in der Nachhaltigkeitsstrategie genannten Ziele weiterer Anstrengungen bedarf, zum Beispiel bei der Verminderung der Flächeninanspruchnahme oder auch beim Artenschutz.
Nehmen wir als Beispiel die Wasserver- und Abwasserentsorgung. Auch wenn wir auf einem im weltweiten Vergleich gesehen sehr hohen Niveau agieren, gilt es dennoch auch bei uns, die Wasserver- und Abwasserentsorgung unter dem Blickwinkel Klimawandel und Demografie nachhaltig zukunftsfähig zu gestalten. Wir haben dazu im vergangenen Jahr unsere Grundsatzkonzeption der Wasserversorgung 2020 weiterentwickelt. Mit bestem Gewissen können wir sagen: Die Trinkwasserversorgung ist langfristig nachhaltig gesichert. Wir verfügen über ausreichende, sich erneuernde Wasservorkommen, gute Anlagen der Wassergewinnung und -aufbereitung sowie eine funktionierende Infrastruktur, um das Wasser an den Verbraucher zu bringen. 442 Trinkwasserschutzgebiete – meine Damen und Herren, das sind 8 % unserer Landesfläche – dienen dem Schutz unseres Trinkwassers – jetzt und für kommende Generationen.
Trotzdem gibt es gerade im Hinblick auf den Klimawandel noch einiges zu tun. Die Aufgabenträger sind beispielsweise mit Blick auf zunehmende Extremereignisse gefordert, die Verbundsysteme für die Trinkwasserverteilung weiter auszubauen, denn das Hochwasser von 2002 hat gezeigt, wie wertvoll bereits vorhandene Wassergewinnungs- und Leitungssysteme sind. Auch die sinkenden Bevölkerungszahlen erfordern Anpassungen, insbesonde
re bei den wassertechnischen Anlagen. Schließlich sind Abschreibungszeiten sehr lang, und wir wollen, dass – wie im Abwasserbereich – die Anlagen ganz im Sinne der Nachhaltigkeit auch für kommende Generationen noch finanzierbar sind.
Um diese Anpassungen an die demografische Entwicklung zu ermöglichen, haben wir zum Beispiel die Förderung der Abwasserentsorgung so flexibel gestaltet, dass die Aufgabenträger selbst entscheiden können, ob eine dezentrale oder eine zentrale Lösung für sie vor Ort das Richtige ist. Diese Förderung hat mitgeholfen, dass wir bei dem entsprechenden Indikator unserer Nachhaltigkeitsstrategie gute Erfolge vorweisen können. Der dort genannte Anteil der Abwasserbehandlung nach dem Stand der Technik lag 2010, meine Damen und Herren, bei 88 %, und wir haben in den letzten zwei Jahren dort weiter ausgebaut; die genauen Zahlen werden gerade erarbeitet. Auch das ist ein großer Erfolg.
Meine Damen und Herren, damit die genannten Maßnahmen umgesetzt werden können, hat sich der Freistaat Sachsen seit mehreren Jahren das aus der Forstwirtschaft stammende Prinzip der Nachhaltigkeit besonders in der Finanzpolitik zu eigen gemacht.
Damit komme ich zum fünften Handlungsschwerpunkt. Nachhaltige Finanzpolitik bedeutet in Sachsen, nicht mehr Geld auszugeben, als eingenommen wird. Das ist ein Grundpfeiler sächsischer Politik. So, wie wir unsere Wälder im Gleichgewicht halten, wollen wir auch unser Konto nicht überziehen.
Der Freistaat Sachsen, meine Damen und Herren, hat seit 2006 keine neuen Schulden mehr aufgenommen. Denn wir wollen nicht, dass unsere Kinder und Enkel mit ihrer Arbeit unsere Schulden und Zinsen bezahlen müssen. Wir setzen auf Investitionen, und wir setzen auf Schuldenabbau.
Sachsen hat nicht umsonst die höchste Investitionsquote und die zweitniedrigste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer. Diese Grundsätze einer nachhaltigen Finanzpolitik verfolgen wir auch weiterhin. Das ist notwendig, insbesondere wenn wir die Rahmenbedingungen kennen. Die Rahmenbedingungen sind nicht einfach.
Denken Sie an den Solidarpakt; der läuft 2019 aus. Das bedeutet jährlich 200 Millionen Euro weniger im sächsischen Haushalt. Denken Sie daran, dass wir für jeden Einwohner, den wir in Sachsen weniger zählen können, circa 2 800 Euro weniger Steuereinnahmen und Zuweisungen erhalten. Denken Sie auch daran, dass ab 2014 mit der neuen Förderperiode der Europäischen Union die Finanzzuweisungen aus Brüssel geringer ausfallen werden als jetzt.
Das sind die Rahmenbedingungen, auf die wir uns, meine Damen und Herren, einstellen müssen. Dennoch haben wir uns in unserer Nachhaltigkeitsstrategie ganz bewusst
dazu verpflichtet, auch künftig keine neuen Kredite aufzunehmen. Wir wollen weiterhin Schulden tilgen. Wir wollen weiterhin auch die Landkreise und Kommunen adäquat an der Einnahmeentwicklung des Freistaates Sachsen beteiligen.
Meine Damen und Herren! Sachsens Nachhaltigkeitsstrategie enthält noch drei weitere, nicht weniger wichtige Handlungsfelder, nämlich „Städte und ländlichen Raum gemeinsam in die Zukunft führen“, „Wirtschaftswachstum und Innovation eine Richtung geben“ und „Fachkräftepotenziale sichern und nutzen“. Auch diese sind in der Nachhaltigkeitsstrategie konkret untersetzt und mit Indikatoren versehen.
Unsere Nachhaltigkeitsstrategie, meine Damen und Herren, ist klar gegliedert. Sie ist übersichtlich und damit für jeden schnell lesbar und vor allen Dingen verständlich. Meine Damen und Herren! Die gesamte Staatsregierung wünscht sich, dass damit das, was Hannß Carl von Carlowitz einst forderte – nämlich alles das, was uns anvertraut ist, nachhaltig zu nutzen –, oberstes Prinzip unseres Handelns bleibt.
Nachhaltigkeit zeigt sich vor allem darin, welches Erbe man künftigen Generationen hinterlässt. Sachsen hat sich dabei vorbildlich entwickelt. Die Nachhaltigkeitsstrategie wird uns als Kompass helfen, diese erfolgreiche Politik fortzusetzen. Ich wünsche mir in diesem Prozess viele Unterstützer und sehr viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
Wir kommen nun zur Aussprache zur Fachregierungserklärung. Ich bitte jetzt die Fraktion DIE LINKE, als Erste das Wort zu nehmen. Bitte, Frau Dr. Pinka.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „300 Jahre Nachhaltigkeit – Jubiläum einer Idee aus Sachsen“ – der Weg zu einer sächsischen Nachhaltigkeitsstrategie war lang. Zunächst wurden die Arbeiten daran im Jahr 2009 abgebrochen. Da der Freiberger Oberberghauptmann Hannß Carl von Carlowitz vor 300 Jahren aber das Buch „Sylvicultura oeconomica“ herausgab, wurde vom Minister Kupfer sozusagen als Punktlandung nun eine sogenannte Nachhaltigkeitsstrategie in der vergangenen Kabinettssitzung verabschiedet.
Was mich allerdings irritiert, ist die Tatsache, dass dieses Papier offensichtlich doch keinen so hohen Stellenwert für die Staatsregierung hat; denn dann spräche hier der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen und nicht der Umweltminister.
Der modernen Auslegung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ liegt eigentlich ein veränderter gesellschaftlicher Ansatz zugrunde,
nämlich, dass ein wirtschaftlicher Fortschritt im Gleichklang mit sozialer Gerechtigkeit und dem Schutz der natürlichen Umwelt einhergehen soll.
Deshalb will ich es gleich am Anfang auf den Punkt bringen: Wir brauchen eigentlich keine seit 300 Jahren aufgewärmte Carlowitz‘sche ökonomisch beschränkte Nachhaltigkeitsdenkweise. Wir brauchen eine Nachhaltigkeitsdebatte auf dem Stand der Zeit,