Im aktuellen Doppelhaushalt haben wir dieser besonderen Problematik Rechnung getragen. So wurden allein die Mittel für den präventiven Kinderschutz um 400 000 Euro erhöht. 2013 fließen 1,8 Millionen Euro in den Kinderschutz; 2014 werden es knapp 2,2 Millionen Euro sein.
Es ist ein großer Unterschied zwischen Ihrem Ansatz und dem Konzept des Kinderschutzes, wie wir es uns vorstellen und wie es von zahlreichen Vereinen, Ämtern und Institutionen in Sachsen umgesetzt wird. Wir rücken die potenziellen Opfer, die Kinder und ihren Schutz in den Vordergrund.
Wir wollen präventiv und vorsorgend das Wohl des Kindes sichern, und das in einem ganzheitlichen Ansatz. Sie hingegen schauen auf den Täter und wollen politischen Nutzen aus dem Missbrauch schlagen. Es reicht aber nicht, wie die NPD-Fraktion hier plakativ und Aufsehen erheischend nach einer Täterdatei ruft. Ein Informationssystem, das die Intensivüberwachung rückfallgefährdeter Straftäter gewährleistet, ist wichtig und existiert bereits. Aber Menschen an den Pranger zu stellen scheitert an verfassungsrechtlichen Geboten. Es zeigt, was Sie wirklich wollen und dass Sie den eigentlich wichtigen Schutz der Kinder zugunsten populistischer Forderungen zurückstellen. Sie wollen Täter, die ihre Strafe verbüßt haben, öffentlich machen und dem Mob Ihrer rechten Klientel aussetzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer kleinen Geschichte beginnen. Bekanntlich sind die Studierenden in den USA jünger als in Deutschland. Wenn sie beginnen, sind sie noch Jugendliche. An der Universität Stanford beispielsweise kann ein Hochschullehrer selbstverständlich in seinem Dienstzimmer kein Gespräch mit einer Studierenden über deren Seminarar
beit oder ihre sonstigen Leistungen führen. Vielmehr muss er dafür Sorge tragen, dass ein Dritter mit dabei ist oder er muss die Tür sperrangelweit offenstehen lassen, damit jedermann vom Flur aus beobachten kann, was da passiert oder nicht passiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns einig, dass wir solche Verhältnisse, diese verdruckste Geschlechterkultur, in Sachsen, in Deutschland und in Europa nicht wollen.
Die Stellungnahme der Staatsregierung zu dem Antrag der NPD-Fraktion macht deutlich, dass auf allen erdenklichen Ebenen im Rechtsbereich wie im pädagogisch-psychologischen Bereich – mein Vorgänger hat das detailliert dargestellt – das Möglichste getan wird, um dem sexuellen Missbrauch zu wehren. Es kann also gar keine Rede davon sein, dass lediglich „Sonntagsreden“ gehalten würden, denen „endlich Taten folgen müssten“, wie die NPD-Fraktion in ihrem Antrag behauptet.
Gerade heute haben wir bereits über das Therapieunterbringungsausführungsgesetz diskutiert, das diese Fragestellung mit berührt. Auf Bundes- wie auch Landesebene ist man ständig dabei, den präventiven wie interventionellen Kinderschutz zu optimieren. Das Instrument des erweiterten Führungszeugnisses etwa verhindert faktisch die Einstellung verurteilter Sexualstraftäter in den sensiblen Arbeitsfeldern, und rückfallgefährdete Sexualstraftäter werden überwacht. Das alles ist Realität.
Eine Sexualstraftäterdatei würde nicht nur mit dem Datenschutz kollidieren – da bin ich nicht Ihrer Meinung, dass Ihr Vorschlag das verhindern würde –, sondern auch aus einschlägig Vorbestraften Geächtete machen, die niemals wieder eine Chance zur gesellschaftlichen Integration erhielten. Humanitäre wie menschenrechtliche Aspekte lassen einen solchen Weg nicht zu.
In welche menschlichen Abgründe wir im Zusammenhang mit diesem Themenkomplex sehen, wird beim Missbrauch in der Familie deutlich. Über zwei Drittel aller Fälle, so schätzen Experten, finden in der Familie bzw. im Freundeskreis statt. Die Täter nutzen ihre Macht und die Autorität sowie das Vertrauen aus, das die Kinder ihnen entgegenbringen. Nur jeder 18. bis 20. Missbrauch kommt zur Anzeige, weil das Verleugnungspotenzial und die Tendenz zur Geheimhaltung hoch sind. Man möchte das Familien- und Freundesidyll nicht zerstören und sieht deshalb über den Missbrauch hinweg. Die Transparenz wird noch dadurch erschwert, dass die Täter oft eine Doppelrolle spielen. Nach außen hin treten sie als integre, moralisch gefestigte Persönlichkeiten auf, die pädophile Handlungen empört verurteilen; im eigenen Umfeld jedoch begehen sie just solche Missbrauchshandlungen.
Mit einer Verschärfung der Gesetzeslage oder Kampagnen ist dem überhaupt nicht beizukommen. Der Antrag der NPD-Fraktion hinkt zum einen hinter der tatsächlichen
Entwicklung hinterher, zum anderen bietet er keine Lösungsansätze im Rahmen des demokratischen Verfassungsstaates. Darum ist er, meine ich, abzulehnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines hat die Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“ und die Medienarbeit der KampagnenInitiatoren bereits jetzt erreicht: Sie hat Versäumnisse der Landesregierung bei der unbürokratischen und schnellen Hilfe für die Opfer von Missbrauch öffentlich gemacht. Seit über einem Jahr verweigert sich die Landesregierung, ihren Teil zur Einrichtung eines Fonds für Missbrauchsopfer beizutragen. Dieser Fonds soll insgesamt 100 Millionen Euro umfassen und unter anderem die Finanzierung von Beratungsstellen und Opferinitiativen sicherstellen. Genau diese Einrichtungen stehen jetzt vor dem Aus, weil die Länder feilschen und an der falschen Stelle sparen.
Hauptstreit ist die finanzielle Unterstützung von Opfern familiären Missbrauchs, die die Länder nicht mittragen wollen, weil man nur die Opfer institutionellen Missbrauchs unterstützen will. Für Betroffene, die jetzt Hilfsangebote und Beratungsstellen brauchen, ist dieser Stillstand seit Ende 2011 kaum zu ertragen. Die Verweigerung geht sogar so weit, dass Gespräche mit der Bundesebene offensiv erschwert und konkrete Ansprechpartner in den Ländern nicht mitgeteilt werden. Nur Bayern und Berlin haben bereits konkrete Zusagen gemacht.
Was tut der Freistaat Sachsen? Er glänzt wieder einmal durch Alibihandlungen und Hinhaltetaktik bei einem Thema, bei dem schnelle Hilfe für die Betroffenen notwendig wäre. Die Staatsregierung sollte hier und heute die Diskussion über diesen Antrag für eine Stellungnahme nutzen und klarstellen, wann der Fonds für Missbrauchsopfer endlich Mittel aus Sachsen erhält und welche Gründe die Zahlung bisher verhindert haben. Selbst Bundesfamilienministerin Kristina Schröder ist es leid, sich das Trauerspiel ihrer Parteifreunde in Sachsen noch länger anzuschauen, und hat bereits zugesagt, die Bundesmittel für den Opferfonds sofort bereitzustellen. Es geht also, wenn man nur will.
Genau diese Untätigkeit der Regierung Tillich hat der NPD-Fraktion deutlich gemacht, dass Handlungsbedarf besteht. Wenn die Staatsregierung die Ergebnisse des Runden Tisches sexueller Kindesmissbrauch ignoriert und seit November 2011 vorliegende Empfehlungen nicht umgesetzt werden, legen wir Ihnen ein Konzept für einen Aktionsplan gegen Missbrauch vor, der wenigstens die Grundlage für eine ernsthafte Beschäftigung mit diesem Thema im Freistaat und in den Kommunen darstellt. Beispielhaft sei ein Punkt aus unserem Aktionsplan genannt, der sofort und unkompliziert umgesetzt werden
könnte, wenn der politische Wille dazu da wäre. Wir fordern die verpflichtende Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses auch für ehrenamtlich Tätige in Kinder- und Jugendeinrichtungen als präventive und vertrauensbildende Maßnahme.
§ 12 der Justizverwaltungskostenordnung sorgt bereits jetzt dafür, dass Ehrenämter und sozial Schwache durch diese Sofortmaßnahme nicht finanziell belastet werden. Wir würden dafür sorgen, dass es Sexualstraftätern schwerer fallen würde, sich in Einrichtungen und Vereinen als vermeintlich ehrenamtliche Helfer einzuschleichen und sich somit potenziellen Opfern anzunähern. Ein weiterer bedeutender Punkt unseres Aktionsplanes ist die Ausweitung der Opferrechte. Konkret geht es uns um das Informationsrecht der Betroffenen. Wir wollen, dass Opfern von Missbrauch das Recht eingeräumt wird, nach der Verurteilung der Täter Informationen über deren Aufenthaltsort zu erreichen. Es ist unerträglich und unzumutbar, dass Opfer im Alltag ständig damit rechnen müssen, ihren Peinigern über den Weg zu laufen. Hier sind nicht nur die Grundrechte der Täter zu berücksichtigen, sondern auch die der Opfer. Ein Leben nach der Tat ohne Angst kann mit dieser Maßnahme erleichtert werden.
Wenn die Staatsregierung schon keine Mittel für die ausreichende Betreuung der Betroffenen bereitstellt, dann sollten wir zumindest die Opferrechte in diesem Punkt stärken.
Besonders bei Fällen von sexuellem Missbrauch müssen wir wieder zum politischen Grundsatz zurückkehren: Opferschutz steht über Täterschutz. Auch die besondere Betreuung und Beratung von behinderten Kindern, die überdurchschnittlich von sexuellem Missbrauch betroffen sind, würde im Rahmen des Aktionsplanes auch in Sachsen endlich angegangen werden können. Unsere geforderte Dunkelzifferstudie würde genaue Zahlen über das Phänomen Kindesmissbrauch in Sachsen liefern, die bisher leider nicht vorliegen.
Tun Sie etwas für die Kinder und Jugendlichen in Sachsen, für die Opfer von Missbrauch und die unterfinanzierten Beratungsangebote! Fordern Sie die Staatsregierung auf, endlich in Sachen Opferfonds tätig zu werden, und unterstützen Sie den Aktionsplan und die Sexualstraftäterdatei für unsere Kinder, für ein sicheres Sachsen!
Meine Damen und Herren, ich lasse jetzt abstimmen über die Drucksache 5/11256. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei nur wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Es ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch ein Abgeordneter das Wort zu nehmen? – Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir jetzt über diese Beschlussempfehlung ab, und ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? –
Bei einer ganzen Reihe von Stimmenthaltungen und Gegenstimmen wurde der Beschlussempfehlung mehrheitlich zugestimmt.
Hier ist eine Redezeit von zehn Minuten festgelegt, wenn jemand das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall.
Gemäß § 102 Abs. 7 der Geschäftsordnung stelle ich hiermit die Zustimmung des Plenums entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Ausschuss fest, es sei denn, es