Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

Ich bin etwas überrascht, dass die Diskussion in dieser Form insbesondere vom Kollegen Weichert geführt wird, weil ich weiß, dass Kollege Weichert in seiner Stadtratstätigkeit in Leipzig der Vorsitzende des dortigen Vergabegremiums gewesen ist. Dort muss Kollegen Weichert deutlich geworden sein, dass für die Vergabe die Ausschreibung entscheidend ist. Was man in eine Ausschreibung hineinschreibt, ob man zum Beispiel Service- oder Wartungsfreundlichkeit oder Energiekosten im Rahmen der Kriterien berücksichtigt, ist Sache der Ausschreibenden. Wenn ich das aber in die Ausschreibung nicht hineinschreibe, brauche ich mich nachher nicht zu wundern, wenn das Kriterium bei der Vergabeentscheidung nicht berücksichtigt wird.

Das ist alles jetzt schon möglich. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir ein sehr schlankes Vergabegesetz haben. Ich hatte in der damaligen Debatte für die Staatsregierung ausgeführt, dass wir bedenken müssen, für wen wir Vergaberegelungen schaffen. Es geht doch nicht um die großen zwei- oder dreistelligen Millionenprojekte. Die werden doch ganz anders geregelt. Es geht um die Aufträge, die unsere sächsischen mittelständischen Firmen akquirieren sollen. Die sind eben keine Großkonzerne, die

sich entsprechende Stabsstellen leisten und sich mit hochkomplexen Vergaberegeln auseinandersetzen können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte das an einem Beispiel erläutern, und zwar an einem Beispiel, das unstrittig ist und sich deshalb dafür sicher gut eignet.

(Stefan Brangs, SPD: Besser als das vom Kollegen!)

Das Thema Kinderarbeit ist hier in der Debatte schon angesprochen worden. Ich denke, wir sind uns darüber einig, dass wir Kinderarbeit ablehnen. Es wird auch niemand hier im Hohen Haus einem anderen Kollegen unterstellen, dass er für Kinderarbeit sei. In der inhaltlichen Frage sind wir uns also vollkommen einig.

Die Frage ist: Können wir so etwas in einem Vergabegesetz regeln, das insbesondere für den sächsischen Mittelstand Anwendung finden soll? Da sage ich: Das ist nicht möglich, weil es dem kleinen Mittelständler mit zehn oder 15 Mitarbeitern vollkommen unmöglich ist, die Nachweise zu beschaffen, dass die von ihm eingesetzten Vorprodukte nach den entsprechenden Kriterien erstellt worden sind. Das überfordert den kleinen Mittelständler. Deswegen ist diese Regelung in einem Vergabegesetz nicht tauglich, wenngleich wir uns als Freistaat Sachsen nach wie vor gegen Kinderarbeit einsetzen müssen, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Herr Staatsminister, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Gern.

Herr Brangs, bitte.

Herr Minister, zunächst einmal ist es gut, dass Sie sich hier noch einmal klar bekannt haben.

Meine Frage geht in folgende Richtung: Können Sie sich vorstellen, dass im Rahmen einer Verpflichtungserklärung auf Grundlage eines Zertifizierungsverfahrens genau der von Ihnen angesprochene Punkt durch den, der den Auftrag bekommt, ausgeschlossen wird?

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie ein Unternehmen im sächsischen Mittelstand – ich war ja selbst Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens – mit 20 Mitarbeitern, bei dem Sie eine Mitarbeiterin in der Verwaltung haben, die Sekretariatstätigkeiten ausführt und die Buchhaltung macht, und wo ansonsten der Geschäftsführer auf der Baustelle unterwegs ist, bei einer Beteiligung an einer öffentlichen Ausschreibung im Bauwesen die entsprechenden Nachweise erbringen kann. Das kann ich mir nicht vorstellen. Deswegen bin ich froh, dass der Landtag beschlossen hat, diese Kriterien nicht in das Gesetz aufzunehmen, sehr geehrter Herr Brangs.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Staatsminister, Sie gestatten eine Nachfrage?

Gern.

Herr Brangs.

Herr Minister, das war nicht meine Frage. Ich habe von einem weltweit anerkannten Zertifizierungsverfahren gesprochen. Es gibt anerkannte Zertifizierungsverfahren, die eben genau ausschließen, dass das verwendete Produkt durch Kinderarbeit hergestellt wird. Das gibt es auch im Baubereich bereits jetzt schon.

Können Sie sich vorstellen, dass dies auf Basis dieser Zertifizierungen im Rahmen einer Verpflichtungserklärung dessen, der den Auftrag annimmt, geregelt werden kann?

Ich halte es nicht für möglich, dass ein Geschäftsführer eines Bauunternehmens, der sich tagtäglich auf der Baustelle befindet und die Mitarbeiter in der Tätigkeit unterstützt,

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

sich damit beschäftigen kann, ob im Einzelnen die Vorprodukte, die er einsetzt, – –

(Stefan Brangs, SPD: Es geht um zertifizierte Verfahren!)

Bleiben Sie ruhig, Herr Brangs! Denken Sie an Ihren Blutdruck! Nicht nervös werden, Herr Brangs, ganz ruhig bleiben!

(Stefan Brangs, SPD: Mehrheit hat nichts mit Weisheit zu tun!)

Ich habe gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich dieser Geschäftsführer dann noch darüber Gedanken machen kann, welche der im Unternehmen verwendeten Produkte gegebenenfalls nach den Verfahren zertifiziert sind oder nicht. Das kann ich mir nicht vorstellen.

Ich habe jahrelang in Unternehmen Verantwortung getragen. Ich weiß wie Kollege Hauschild oder Kollege Pohle, wie Unternehmen funktionieren. Ich gehöre zu denen, die hier nicht über Vergaben herumtheoretisieren. Ich weiß, was Vergaben bedeuten, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich habe nach der Entscheidung hier im Landtag zu dem neuen Vergaberecht viele Stellungnahmen erhalten, auch von Dritten außerhalb des Freistaates Sachsen. Es ist darin deutlich geworden, dass wir mit unserem Vergabegesetz im Freistaat Sachsen wieder beispielgebend waren, wie das schon beim ersten Vergabegesetz, das hier in Sachsen verabschiedet wurde, der Fall war.

(Zuruf des Abg. Henning Homann, SPD)

Ich bin sehr froh, dass wir hier gemeinsam in intensiven Diskussionen mit den entsprechenden Kammern und Verbänden ein solch fortschrittliches Vergaberecht gestalten konnten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen, dass ich Sie nach dem, was ich jetzt ausgeführt habe, noch einmal an die Worte der Landrätin Denk aus dem schönen Vogtland erinnere. Ihre Kernaussage war: günstige Betriebskosten, keine Sozialstandards, keine Ökostandards, kein Mindestlohn. Lehnen Sie daher bitte die vorliegenden Gesetzentwürfe ab.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Herr Brangs, Sie wünschen bitte?

Eine Kurzintervention.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte es noch einmal ausführen, weil ich glaube, dass es der Minister entweder nicht verstanden hat oder nicht verstehen wollte. Es gibt anerkannte Zertifizierungsverfahren, zum Beispiel SA 8000. Das ist eine in den USA ansässige Vereinigung, die die Bedingungen von Arbeit bzw. Leiharbeit, all die Dinge, die damit zu tun haben, zertifiziert und ausschließt, dass Produkte unter unsozialen Bedingungen hergestellt werden.

Ich möchte es so erklären: Wenn Sie einen Kaffee kaufen, auf dem ein Trade-Zeichen steht, das besagt, dass er fair gehandelt ist, dann wissen Sie, dass darin fairer Kaffee ist. So einfach ist die Welt. Wenn Sie zertifizierte Produkte im Bau einsetzen und im Rahmen einer Erklärung sicherstellen müssen, dass Sie diese berücksichtigt haben, dann ist nur eine Erklärung, ein weiteres Schreiben notwendig, dass Sie das berücksichtigt haben. Um nicht mehr geht es.

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Was daran ein Riesenaufwand sein soll, ist mir unerklärlich. Was Sie sich damit eigentlich vergeben, ist, dass Sie ein klares Bekenntnis ablehnen, zu sagen, Sie sind dafür, dass endlich nachvollziehbare Regelungen geschaffen werden, damit Kinderarbeit und unsoziale Standards, die eben nicht unseren Auffassungen entsprechen, endlich beendet werden. Das ist eine politische Erklärung, und diese können Sie umsetzen, indem Sie im Rahmen des Vergabegesetzes sagen: Ich will zukünftig, dass diese Mindeststandards erfüllt sind, damit ich als derjenige, der das Gesetz verabschiedet und der als Landesgesetzgeber dafür verantwortlich ist, ein Zeichen setze – nicht mehr und nicht weniger. Es ist überhaupt nicht so kompliziert, wie Sie es darstellen. Es ist ein ziemlich einfacher Vorgang. Man muss es nur wollen, aber ich glaube, Sie wollen es nicht. Dann sagen Sie es doch, aber sagen Sie bitte vorher nicht, Sie wollen keine Kinderarbeit, –

Bitte zum Schluss kommen.

– wenn Sie im zweiten Schritt nicht bereit sind, etwas dagegen zu tun.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Staatsminister, Sie haben die Gelegenheit zur Erwiderung. Sie nutzen diese; bitte.

Sehr geehrter Herr Brangs, Ihre Ausführungen bestätigen, was ich in der Debatte schon habe anklingen lassen: dass Sie von den normalen Bestellabläufen eines mittelständischen Unternehmens keine Ahnung haben.

(Stefan Brangs, SPD: Ein tolles Argument! Dann können Sie ja einen Vorschlag machen!)

Ich will Ihnen das gern erläutern. Es ist nämlich so, dass Sie dort über eine Vielzahl von einzelnen Vorprodukten verfügen müssen und bestellen sowie beschaffen müssen. Wenn wir eine Sicherheit hätten, dass – ich sage mal – 95 oder 99 % dieser Produkte entsprechend dem Zertifizierungsverfahren zertifiziert wären, sodass es für den einzelnen Unternehmer kein großes Problem wäre, aus den großen Listen, die er hat, einfach ein Produkt auszuwählen, und er kann sich in der Regel darauf verlassen, dass die Zertifizierung erfolgt ist, dann – darin gebe ich Ihnen recht – ist das kein Problem.

Wenn es aber so ist, dass eine Zertifizierung nicht weit fortgeschritten ist und es eine ganze Reihe Produkte auf dem Markt gibt, die üblicherweise eingesetzt werden, dann ist es für denjenigen schwer, der die Ausschreibung macht, wenn er von der Baustelle nach Hause gekommen ist oder am Wochenende, dies alles nachzuvollziehen. Darauf habe ich hingewiesen und darauf möchte ich auch weiterhin hinweisen.

(Thomas Jurk, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Jurk, ich vermute, Sie wollten eine Zwischenfrage stellen. Bei Kurzinterventionen ist das nicht möglich.