Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

Ich hatte bereits gesagt, dass dieses Abkommen von großer Bedeutung, insbesondere für die Erzgebirgsregion, ist, hier insbesondere für die arg gebeutelte Region Johanngeorgenstadt, die allein mit 15 Millionen Euro an diesem Vorhaben partizipiert und damit letztlich auch eine strukturelle und wirtschaftlich unabdingbare Unterstützung erfährt. Aber auch Standorte in Schneeberg, Aue und Breitenbrunn, Annaberg und Wolkenstein sowie Oberwiesenthal werden von diesen in Aussicht gestellten Mitteln profitieren. Damit kann in den kommenden Jahren wohl ein über lange Zeit und auch nach 1990 fortdauerndes Problem endlich gelöst werden.

Dies ist meines Erachtens auch eine durchaus bemerkenswerte Solidarleistung des Bundes und des Freistaates für die betroffenen Gebiete. Deshalb an dieser Stelle auch aus regionaler Sicht noch einmal Dank für das Engagement all derer, die sich um diese Abkommen bemüht haben – um das erste Abkommen genauso wie um das jetzt nachfolgende. Ich möchte Sie bitten, dass wir überfraktionell – auch vor dem Hintergrund der Bedeutung, die dieses Folgeabkommen in Ergänzung zum Staatsvertrag hat – diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Abg. Scheel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Colditz, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer „Jungfernrede“ als neuer Finanzer der CDUFraktion!

(Beifall bei den LINKEN, der CDU und der FDP)

Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie die Frage des Folgeabkommens in den Mittelpunkt gerückt haben. Allerdings werde ich einen anderen Blickpunkt darauf

legen, auch wenn die 69 Millionen Euro, die vom Bund in Aussicht gestellt sind, natürlich auch uns erfreuen.

Ich will, wenn Sie von einem Kompromiss sprechen, ein anderes Wort benutzen. Ich glaube, was der Bund und die Länder ausgehandelt haben – vor allem, was der Bund gegenüber den Ländern getan hat –, ist ein Bubenstück. So ungefähr kann man das bezeichnen, weil mit dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 auch die Frage des Finanzvermögens erst einmal grundsätzlich geregelt und gesagt wurde: Lieber Bund, wir übertragen dir treuhänderisch das Finanzvermögen der ehemaligen DDR und gehen davon aus, dass du mit diesem Vermögen treuhänderisch umgehst. Zu gegebener Zeit wird dann abgerechnet und im Einigungsvertrag festgehalten, dass 50 % der dann entstehenden Summe dem Bund und die andere Hälfte den Ländern und anteilig auch den Kommunen zusteht.

Wenn wir im Hinblick auf diese Verpflichtung, die der Bund hat – als Treuhänder mit den Mitteln umzugehen –, seit dem Ende des letzten Jahrtausends darüber verhandeln müssen, wie nun die Endabrechnung aussieht, dann ist es schon mal bemerkenswert, dass wir über zehn Jahre in solchen Verhandlungen sitzen und nicht vorankommen.

Es ist bemerkenswert, dass es Positionen gibt – Sie haben darauf hingewiesen –, in denen die Länder auf der einen Seite sagen: Was am Ende herausgekommen ist, sind 3,5 Milliarden Euro Plus, und der Bund auf der anderen Seite sagt: Was am Ende herausgekommen ist, sind 4 Milliarden Euro Minus. Das ist ein Unterschied von 7,5 Milliarden Euro. Das ist ein ganz schöner Batzen. Darüber sollte man ein Wort verlieren. 30 % der jeweiligen Hälfte sind theoretisch unser Landesanteil.

Wie kommt es dazu, dass ein Defizit, bei dem das Land Sachsen vielleicht mit 600 Millionen Euro beteiligt gewesen wäre, oder ein Überschuss, an dem das Land Sachsen mit ungefähr 500 Millionen Euro beteiligt gewesen wäre, am Ende mit einer doppelten Null endet? Einigkeit besteht zwischen Bund und Ländern darin, dass hier Einnahmen aus Finanzvermögen in Höhe von 4,75 Millionen Euro bestehen. Werden die Verwaltungskosten abgezogen, gibt es trotzdem Gründe, die dazu führen, dass diese differierenden Rechtsauffassungen – wie Sie sie genannt haben – entstehen. Was sind aber diese Gründe – oder ich nenne sie einmal sachfremde Gründe –, die dazu führen, dass sich der Bund dermaßen arm rechnet?

Erstens ist es so, dass der Bund die „Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut“ – also alle Lasten und Kosten, die damit verbunden waren – in dieses Vermögen sachfremd hineingerechnet hat. 3,5 Milliarden Euro

Ausgaben hat er einfach mit in diese Rechnung hineingegeben.

Zweitens, dass bei der staatlichen Versicherung nicht nur der eventuelle Verkaufswert da ist, sondern dass auch die Lasten, die damit einhergehen, in Höhe von 1,9 Milliarden Euro in diese Rechnung einfließen.

Drittens, dass gesagt wird, der Entschädigungsfonds wird nicht nach Abschluss der Finanzierung, sondern vom Gesamtfinanzvermögen weggenommen. Das sind noch einmal 2,3 Milliarden Euro, die der Bund sachfremd gegenüber den Ländern in Rechnung stellt. Jetzt würde man sagen: Das kann ja wohl nicht sein, da muss man sich doch wehren!

Wir müssen aber festhalten, dass die Möglichkeit zur Gegenwehr gegenüber dem Bund so gut wie nicht vorhanden war. Das ist vielleicht eine Schwäche des Einigungsvertrages. Wenn ich dann in den Begründungen lesen muss, dass der Bund glaubhaft gemacht hat, wenn die Länder darauf klagen würden, dass der Bund endlich ein Gesetz auf den Weg bringen soll, und der Bund dann sagt: Ihr könnt machen, was ihr wollt, wir werden unsere Rechtsauffassung, also 4 Milliarden Euro Minus, in dieses Gesetz hineinschreiben und euch belasten, dann kann man das doch nicht einfach durchgehen lassen und sagen, dass das ein toller Kompromiss ist. Das hört sich für mich nach Erpressung an.

Wenn es unsere einzige Möglichkeit ist, den Bund zu zwingen, das Gesetz zu erlassen, und wenn das Gesetz dann erlassen ist, vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen, dann ist man in einer schwierigen Verhandlungsposition. Dazu gehört aber auch, dass es nicht nur ein Aussitzen des Bundes gegenüber den Ländern war, hierzu keine Regelung zu treffen, sondern dass bei der angesprochenen Wismut-Regelung, die im Jahr 2011 gefasst worden ist – die Sie gerade richtigerweise gepriesen haben, bei der man sagt, wir sind uns einig in dieser Regelung –, jetzt gesagt wird: Aber wir als Bund unterschreiben erst, wenn die Frage des Finanzvermögens geregelt ist.

Auch das nenne ich ein sachfremdes Erpressungspotenzial des Bundes gegenüber den ostdeutschen Ländern.

Insofern hat der Bund eines getan: Er hat uns am ausgestreckten Arm verhungern lassen, bis wir mehr oder weniger entnervt gesagt haben: Okay, dann lassen wir uns eben auf diese doppelte Null ein. Ich gehe jetzt nicht auf die Frage von Prozesskostenrisiken ein. Bei solchen Summen ist das natürlich immer schwierig. Ich sage: Wir haben uns vom Bund durch Gewalt an die Wand drücken lassen. Wir nehmen es zur Kenntnis und weichen der Gewalt. Die Fraktion DIE LINKE wird sich trotzdem der Stimme enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach Herr Kollege Scheel. Für die SPDFraktion ergreift jetzt Kollege Mario Pecher das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Gesetz, das im Ausschuss eigentlich relativ schmerzlos durchgegangen ist, hier zu solchen Debatten führt.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Wissen Sie, Herr Scheel, das ist ein freies Land. Da kann man auch viel Unfug erzählen.

(Jürgen Gansel, NPD: So frei nun auch wieder nicht!)

Das gilt sowohl für die Koalition als auch für die Opposition in dem Fall. Ich habe dazu dezidiert eine ganz andere Auffassung.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Wenn Sie sagen „Erpressung des Bundes“ und „am langen Arm verhungern lassen“, dann haben wir auf der einen Seite die Risikoabwägung, was den Freistaat Sachsen erwischen kann, und auf der anderer Seite die Wismut-Sanierung, was Herr Colditz angesprochen hat. Aus Zwickauer Sicht sage ich ganz deutlich: Es ist eine große Leistung, die hier vollbracht wurde und noch wird.

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Was Sie – aus welcher Schablone heraus auch immer – vollkommen verdrängen: Das ist die große Aufbauleistung des Bundes für die neuen Bundesländer. Und Sie sagen, die rechnen irgendwelche sachfremden Leistungen hinein. Im Detail kann man ja vielleicht der Auffassung sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das ist Auffassung der Länder gewesen, Herr Kollege!)

Das ist mir scheißegal, was Sie da erzählen.

(Zurufe von den LINKEN)

Sie ignorieren vollkommen, dass dieser Bund mit Hunderten von Milliarden Beträgen ein marodes Land, einen maroden Osten aufgerüstet hat, auf den wir alle stolz sein können.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Ich glaube, wenn in einer Verhandlung die Meinungen – Länder und Kommunen auf der einen Seite und der Bund auf der anderen Seite –, ich sage einmal, wie Schafsböcke aufeinanderknallen und wir über Jahre keine Einigung erzielen – – Vielleicht hätten wir das auch noch weitertreiben können, nochmal zehn Jahre – mag sein. Vielleicht hätte es auch irgendwann einmal ein Ergebnis gegeben. Das ist das mit „hätte, könnte, sollte“. Ich finde – das habe ich ganz klar im Ausschuss gesagt –, dass das ein Kompromiss ist, mit dem man leben kann. Lieber die Null als ein Minus. Das sage ich auch ganz deutlich. Deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Das war der Beitrag vom Kollegen Pecher für die SPD-Fraktion. Herr Kollege Tippelt, Sie sprechen jetzt für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Am

14. Dezember 2012 unterzeichnete Ministerpräsident Tillich den Staatsvertrag über die Aufteilung des Finanzvermögens gemäß Artikel 22 des Einigungsvertrages zwischen dem Bund und den neuen Ländern. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll diesem Staatsvertrag durch den Sächsischen Landtag zugestimmt werden.

Auch wenn wir uns als sächsische Abgeordnete – genauso wie die Staatsregierung – ein anderes Verhandlungsergebnis gewünscht hätten, so ist es vielmehr der gegenseitige Verzicht von Bund und neuen Ländern auf Ansprüche gemäß Artikel 22 des Einigungsvertrages. Es ist das Ergebnis harter Verhandlungen.

In Abhängigkeit von der jeweiligen Rechtsauffassung steht der Forderung der neuen Länder gegenüber dem Bund in Höhe von 3,5 Milliarden Euro die Forderung des Bundes gegenüber den neuen Ländern in Höhe von circa 4 Milliarden Euro entgegen.

Aus der Sicht unserer Fraktion – hierzu teilen wir ausdrücklich die Auffassung der Staatsregierung – ist der gegenseitige Verzicht nur eine logische Schlussfolgerung. Leider sind die Erfolgsaussichten bei Beharren auf den gegenseitigen Forderungen nicht bezifferbar. Eine Klärung auf dem Rechtswege wäre mit außerordentlich hohen Kosten und großem zeitlichen Aufwand verbunden, der in keinem Verhältnis zu den gegenseitigen Ansprüchen steht. Aus diesen Gründen wird meine Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Ich möchte jedoch noch auf einen weiteren Punkt hinweisen – Herr Colditz sprach es schon an –, der in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem FinanzvermögenStaatsvertrag steht. Als Freistaat Sachsen haben wir noch ein weiteres Interesse an der Verabschiedung dieses Gesetzes. Der Bund hat die Unterzeichnung des WismutFolgeabkommens vom Zustandekommen des Finanzvermögen-Staatsvertrages abhängig gemacht. Es ist egal, ob man das nun Erpressung nennt oder nicht.

In diesem Zusammenhang können wir als Freistaat Sachsen vom Bund eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 69 Millionen Euro erwarten.

Auch vor diesem Hintergrund möchte ich Sie bitten, heute dem Gesetz zum Finanzvermögen-Staatsvertrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)