Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war Herr Kollege Tippelt für die FDP-Fraktion. Für die Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließt sich jetzt Frau Giegengack an.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon viel ausgeführt und zum Teil auch sehr heftig debattiert worden. Unsere Fraktion gibt ihre Rede zu Protokoll. Wir haben zwei, drei Punkte aufgenommen. Wir werden uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Giegengack. Für die NPD-Fraktion jetzt Herr Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion schließt sich den Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände an und nimmt den Vertrag zur Kenntnis, ohne ihm zuzustimmen. Mit anderen Worten: Wir enthalten uns der Stimme.

Der Bund hat durch Artikel 7 des Vertrages wenigstens in Aussicht gestellt – sozusagen freiwillig, das heißt, nicht einklagbar –, für die von den Kommunen angezeigten, noch nicht zugeordneten Grundstücke aus dem sogenannten Bodenreformland ein sogenanntes Zuordnungsverfahren einzuleiten, nachdem die Kommunen dies selbst nicht machen dürfen. Dadurch können diese in Zukunft wenigstens hoffen, dass seit Jahren ungeklärte Vermögensfragen auf ihrem Gebiet einer Klärung zugeführt werden. Besser wäre aus Sicht der NPD-Fraktion allerdings eine ordentliche Regelung mit verbindlichen Pflichten und Rechten gewesen.

Jetzt möchte ich hier für die NPD-Fraktion noch einige Ausführungen zu historischen Grundsatzfragen machen, die bislang in dieser Debatte leider Gottes peinlich gemieden wurden. Die NPD-Fraktion stellt die Zugehörigkeit von Grund und Boden in Sachsen zum bundeseigenen Finanzvermögen, verwaltet durch die BVVG – Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, generell infrage; denn diese Zuordnung beruht im Wesentlichen auf der Enteignung der sogenannten Großgrundbesitzer durch die Sowjetische Militäradministration in den Jahren 1945 bis 1949 – einer Willkürmaßnahme, die auch mit Schauprozessen und Todesurteilen gegen Unschuldige, ja, mit der Liquidation einer ganzen gesellschaftlichen Klasse einherging.

Bei der Beratung dieses Gesetzentwurfes ist es also tatsächlich unerlässlich, einen Blick in unsere deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts zu werfen. Der größte Teil des nach dem Krieg enteigneten Landes – circa 3 Millionen Hektar Acker, Grasland und Wald – wurde sogenanntes Bodenreformland; das heißt, es wurde dann wiederum nach der Enteignung an Menschen vergeben, die oft alles verloren hatten, zum großen Teil auch an Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten, und zwar in Losen von etwa 8 bis 12 Hektar.

Diese Menschen waren in der damaligen Sprache der DDR die „Neusiedler“. Als die DDR 1949 gegründet wurde, wurde meines Wissens zunächst rechtlich festgelegt, dass sie das erhaltene Land zwar nicht pfänden oder verkaufen, sehr wohl aber vererben durften. In den Sechzigerjahren kam dann über diese Neusiedler die Zwangskollektivierung, durch welche die Neusiedler wiederum ihre Grundstücke in die LPGs einbringen mussten. Sie waren nach wie vor auf dem Papier eine Art Eigentümer, verloren aber völlig das Verfügungsrecht über das Land.

Im März 1990 erklärte die Modrow-Regierung die Neusiedler wieder zu vollwertigen Eigentümern und deren Erben zu Vollerben, die dadurch einen unbedingten Erbanspruch erhielten. Darauf wähnten sich Hunderttausende von Erben eine Zeitlang als Grundbesitzer, allerdings nur bis ins Jahr 1992. In diesem Jahr beschloss nämlich der Bundestag das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz. Dadurch wurde plötzlich das Erbrecht wieder von Bedingungen abhängig gemacht, denen es schon vor der Zwangskollektivierung und formell vielleicht auch noch danach unterworfen war. Die Erben mussten also in der Regel in den letzten zehn Jahren in der Landwirtschaft – sprich: in einer LPG – gearbeitet haben, um in den Genuss ihres Erbes zu kommen.

Nachdem die meisten Neusiedlererben diese Bedingungen nicht erfüllten, fiel ein Großteil der Flächen dem Finanzvermögen des Bundes zu und wurde zum größten Teil von der BVVG verwaltet, während ein kleinerer Teil in den Besitz der Länder überging, ohne deren Eigentum zu werden.

Die BVVG hat einen großen Teil der von ihr verwalteten Flächen inzwischen verkauft, wobei der Erlös natürlich dem Bundeshaushalt zugeflossen ist. Nach Auffassung der NPD war insbesondere dieses 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz ein reiner Akt des Diebstahls, der sich vor allem darin manifestierte, dass man amtlicherseits die Grundbücher einfach änderte – ein ungeheurer Verstoß gegen eines der am besten gehüteten Rechte, die unsere Rechtsordnung überhaupt kennt.

Allerdings beruht das Recht der Neusiedler und ihrer Erben – jenes an und für sich gute Recht, das von der Bundesrepublik so schamlos verletzt wurde – wiederum auf dem Unrecht der Enteignung der Großgrundbesitzer. Dazu muss man sagen: Solche Paradoxe gibt es in der Geschichte.

Als nun Helmut Kohl nach den 2+4-Verhandlungen die glatte Lüge verbreiten ließ, die sowjetischen Verhandlungspartner hätten die Respektierung der Enteignung zwischen 1945 und 1949 als Voraussetzung für die Einwilligung der Sowjetunion in die deutsche Wiedervereinigung verlangt, und diese Lüge später durch Gorbatschow aufgedeckt wurde, glaubten trotz des dazwischenliegenden Betruges an den Neusiedlern viele Zeitgenossen, dass diese Lüge letztendlich einer guten Sache diente, nämlich der Verhinderung eines erbitterten Kampfes zwischen den ehemaligen Großgrundbesitzern und den früheren Neusiedlern.

Dabei, sehr geehrte Damen und Herren, war genau das nicht der Fall. Kohl enteignete nicht deswegen die Großgrundbesitzer ein zweites Mal, weil er die Bodenreform und den sozialen Frieden retten wollte, sondern einfach nur deshalb, weil er Millionen Hektar Land dem Finanzvermögen des Bundes zuschlagen und so die Kosten der Wiedervereinigung begleichen wollte. Dass er über die 2+4-Verhandlungen log, wissen wir jedenfalls aus einer relativ sicheren Quelle; denn Michail Gorbatschow hat mehrmals bestätigt – zum Beispiel im „Spiegel“ und auch

in einer öffentlichen Rede im Berliner Congress Centrum (ICC) am 1. März 1996 –, dass das Thema Restitution von Bodenreformland kein einziges Mal während der 2+4Verhandlungen zur Sprache kam und auch niemals im Politbüro in Moskau besprochen wurde.

Es bleiben noch einige Fragen, die wir uns an diesem Tag, während wir die Frage der Restitution bzw. des Finanzsondervermögens in diesem Plenum debattieren, stellen: Was machen wir nun mit dieser Geschichte, mit dieser unserer deutschen Geschichte? Können wir der Bodenreform der Vierzigerjahre etwas Positives abgewinnen und die um ihre Früchte betrogenen Neusiedler im gewissen Sinne als Idee und Auftrag für die Zukunft sehen, obwohl ihre materielle Grundlage, das Bodenreformland, durch Entrechtung anderer bereitgestellt wurde? Können wir diese anderen als eine untergegangene deutsche Elite würdigen, von der wir ebenfalls etwas lernen können, obwohl sie von den Siegern des Zweiten Weltkrieges und deren deutschen Erben bis in unsere Tage hinein als Junker und Kriegsverbrecher verteufelt wurden? Können wir, obwohl wir wissen, dass sich die vermeintlich so rechtsstaatliche Bundesrepublik letztlich mit dem

2. Vermögensrechtsänderungsgesetz auch an Diebesgut bereichert hat, trotzdem anerkennen, dass auch nach 1989/1990 wenigstens dafür gesorgt wurde, dass es weitergeht und dabei zum Teil auch wiederum Großartiges geleistet wurde? Können wir alle diese Widersprüche als Verpflichtung und als Auftrag für die Zukunft sehen?

Die NPD denkt: Ja, das können wir; denn das ist unsere tragische und wechselvolle deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, meine Damen und Herren.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Schimmer hatte das Wort für die NPD-Fraktion. Wir sind am Ende der Rednerreihung angekommen. Gibt es noch Redebedarf aus den Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Will die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Bitte. Für die Staatsregierung spricht Herr Staatsminister Prof. Unland.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir behandeln jetzt einen Punkt, der relativ weit hinten auf der Tagesordnung steht; aber wenn man ihn sich etwas genauer anschaut, ist es heute finanziell gesehen der gewichtigste, denn wir sprechen über viele Milliarden Euro. Dieser Tagesordnungspunkt hat auch bedeutende finanzielle Auswirkungen auf unser Bundesland. Deshalb ist es ganz gut, dass wir uns diesem Thema noch einmal detailliert widmen.

Im Dezember 2012 – also vor nicht allzu langer Zeit – wurde der vorliegende Finanzvermögens-Staatsvertrag durch den Bund und die ostdeutschen Länder unterzeichnet. Nach Artikel 65 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung ist für die Wirksamkeit des Staatsvertrages die Zustimmung des Landtages in Form eines Ratifizierungsgesetzes

erforderlich. Deshalb sitzen wir heute noch einmal zusammen.

Mit dem Finanzvermögen-Staatsvertrag haben die seit über zehn Jahren laufenden Verhandlungen endlich einen erfolgreichen Abschluss gefunden. Artikel 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages sieht die hälftige Aufteilung des Finanzvermögens auf den Bund und die ostdeutschen Länder vor.

Die Frage ist: Was verstehen wir eigentlich unter diesem Finanzvermögen? Herr Scheel und Herr Colditz haben schon einige Punkte genannt; ich möchte diese noch ein klein wenig anreichern, damit man erkennt, wie groß der Regelungsumfang ist.

Es handelt sich also um ehemaliges volkseigenes Vermögen an Grundstücken und Immobilien, aber auch – Herr Scheel, was Sie schon genannt haben – um die Sanierungsaufwendungen der Wismut GmbH, die Verbindlichkeiten der Staatlichen Versicherung der DDR, das den Ländern übergebene Bodenreformland oder die Feriendienstliegenschaften des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und, und, und. Dies alles wird mit diesem Vertrag geregelt.

Allerdings bestehen zu den einzelnen Vermögensmassen unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen dem Bund und den Bundesländern. Die Zahlen sind schon genannt worden: Abhängig vom jeweiligen Rechtsstandpunkt steht einem Überschuss von etwa 3,5 Milliarden Euro – das ist die Position der Länder – ein Fehlbetrag von rund 4 Milliarden Euro – das ist die Position des Bundes – gegenüber. Eine Annäherung dieser divergierenden Standpunkte konnte in den Verhandlungen nicht erreicht werden.

Bund und Länder einigten sich daher mit diesem Staatsvertrag auf eine „Null-Lösung“, das heißt, zwischen Bund und Ländern bestehen keine Ansprüche gemäß Artikel 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages mehr. Das Finanzvermögen ist mit Inkrafttreten des Staatsvertrages abschließend und vollständig aufgeteilt.

Herr Scheel, jetzt muss ich Sie leider ein klein wenig enttäuschen: Der Bund hat den Freistaat Sachsen nicht am langen Arm verhungern lassen; denn jedes ostdeutsche Bundesland kam noch mit einem speziellen Problem. Wir hatten hier in Sachsen einen intensiven Wismut-Bergbau, dessen Lasten teilweise nicht geregelt waren, was die Sanierung anbelangt. Deshalb kam das Land Sachsen mit dem Problem der Wismut-Altstandorte. Herr Colditz hat es schon richtig dargelegt. Nun, was sind WismutAltstandorte? Diese sind so definiert, dass sie im Wesentlichen bis zum 31. Dezember 1962 stillgelegt worden sind.

Der Bund hat nun die Unterzeichnung des Verwaltungsabkommens über die Beteiligung des Bundes an der Sanierung der Wismut-Altstandorte mit dem Abschluss des Finanzvermögen-Staatsvertrages verknüpft. Mit dem Verwaltungsabkommen beteiligt sich der Bund zu 50 %, das heißt mit 69 Millionen Euro, an der Sanierung der

Wismut-Altstandorte. Die Sanierungsarbeiten werden bis zum Jahr 2022 laufen.

Nutznießer sind insbesondere unsere Kommunen im Erzgebirge. Ich nenne einige wichtige Projekte – Herr Colditz sprach schon einige an –: Johanngeorgenstadt ist ein großer Nutznießer dieses Abkommens, ebenso Annaberg-Buchholz, Aue, Schneeberg, Oberwiesenthal und, und, und. Aber nicht nur im Erzgebirge, sondern auch im Vogtland und in Westsachsen profitieren Altstandorte, zum Beispiel Tannenbergsthal und Crimmitschau. Wer sich ein klein wenig mit dem Wismut-Bergbau auskennt, weiß, dass es auch in Freital und Dresden WismutBergbau gab. Alles das fällt darunter; die Altstandorte können jetzt saniert werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Staatsvertrag.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gerade hatte Staatsminister Prof. Unland für die Staatsregierung das Wort. Wir sind am Ende der Aussprache angelangt.

Meine Damen und Herren! Entsprechend § 46 Abs. 5 Satz 1 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, zu beraten und abzustimmen. – Da ich keinen Widerspruch erkennen kann, verfahren wir so.

Aufgerufen ist das Gesetz zum FinanzvermögenStaatsvertrag, Drucksache 5/11229, Gesetzentwurf der

Staatsregierung. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses, Drucksache 5/11541.

Es liegen keine Änderungsanträge vor.

Zuerst rufe ich die Überschrift zur Abstimmung auf. Wer der Überschrift des Gesetzes zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überschrift bei einigen Stimmenthaltungen angenommen worden.

Ich rufe Artikel 1 auf. Wer Artikel 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit ist Artikel 1 zugestimmt worden.

Ich rufe Artikel 2 auf. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Wiederum keine. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit ist auch Artikel 2 zugestimmt worden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle den Entwurf des Gesetzes zum Finanzvermögen-Staatsvertrag, Drucksache 5/11229, Gesetzentwurf der Staatsregierung, in der in der 2. Lesung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer dem Entwurf des Gesetzes zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Keine Neinstimmen. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit ist der Entwurf als Gesetz beschlossen.

Dieser Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.