Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

Ich sehe nun keinen weiteren Redebedarf in dieser 1. Aktuellen Debatte. Sie ist damit abgeschlossen und wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Notstand bei der medizinischen Notfallversorgung verhindern

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Zunächst hat natürlich die Antragstellerin das Wort. Es ergreift für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Bartl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Dulig hat mich eben gefragt, als das Thema aufgerufen wurde, ob ich dazu spreche und warum das der rechtspolitische Sprecher tut. Das hat seinen guten Grund. Ich versuche es einmal zu verdeutlichen.

Es gibt natürlich keine wichtigen Gesetze auf der einen und weniger oder unwichtige Gesetze auf der anderen Seite. Aber natürlich beinhalten Gesetze mitunter besonders sensible Regelungsmaterien, deren strikte Durchführung die laut Gesetzesbefehl Verantwortlichen zu sichern haben und bei denen es darum geht, dass der Landtag und die Staatsregierung die Einhaltung der in diesen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben peinlichst genau kontrollieren.

Dazu gehören nach unserer Auffassung mit Sicherheit die im Sächsischen Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz getroffenen Regelungen für den Rettungsdienst im Freistaat Sachsen im Allgemeinen und zur verlässlichen Gewährleistung der notärztlichen Versorgung im Besonderen. Die rettungsdienstärztliche Notfallversorgung und die Bereitstellung von Notärzten müssen ohne Wenn und Aber funktionieren – abgesichert und ausgeführt durch Fachleute in hinreichender

Zahl – und es muss in jeder Notfallsituation gewährleistet sein, dass ein Arzt verfügbar ist.

(Beifall bei den LINKEN)

Es ist in Sachsen nichts Neues, dass die Funktionalität des Rettungsdienstes immer wieder ins Gerede kommt und Insider seit Jahren beklagen – nicht selten auch in Präzedenzfällen medial reflektiert –, dass wir eine schleichende Ausdünnung der Rettungsdienste zu verzeichnen haben.

Nun ist wiederholt in den Medien, beginnend zum Beispiel auch in der „Freien Presse“ vom 12. März 2013, darauf aufmerksam gemacht worden, dass in erheblichem Umfang Notarztdienste nicht mehr besetzt sind. In der heutigen Ausgabe berichtet die „Freie Presse“ davon – das sind die Zahlen der Arbeitsgemeinschaft für die Notarztversorgung, ARGE NÄV –, dass im Freistaat Sachsen im vergangenen Jahr 1 600 mal Notarztdienste nicht mit einem Notfallmediziner besetzt gewesen sind und sich dieser Trend 2013 ungebremst fortsetzt. Die ARGE NÄV hat laut Stand vom 3. April 2013 für April 2013 in 136 Fällen unbesetzte Dienste gemeldet, bei denen also der Dienstplan noch nicht konkret mit Notärzten besetzt war, wobei zwei Drittel dieser Vakanzen auf den Direktionsbereich Chemnitz entfallen. Spitzenreiter sind zum Beispiel Lichtenstein mit 19 Vakanzen, Limbach

Oberfrohna mit 15 und Frankenberg mit elf usw.

Das heißt also, wir haben die Situation, dass in Sachsen 2012 5,5 % der Notarztdienste nicht besetzt gewesen sind. Nach unserer Kenntnis genügt es in MecklenburgVorpommern oder Schleswig-Holstein, wenn 0,5 % rettungsdienstlich nicht abgesichert sind, dass die Verantwortlichen im zuständigen Ministerium – im Innen- oder Sozialministerium – einbestellt werden.

Wir wollen mit dieser Debatte deutlich machen, dass wir in diesem Haus – ohne einseitige Schuldzuweisung, ohne Vereinfachung der Probleme – darüber sprechen und prüfen müssen, ob in Sachsen das Rettungswesen aus systemischen Gründen nicht mehr hinreichend funktioniert.

Dabei sollten wir die Hinweise, die Gedanken und die Auffassungen aller daran Beteiligten als Landtag aufnehmen und darüber nachdenken, ob es gesetzlicher Veränderungen bedarf. Das werden wir nicht im Rahmen der Aktuellen Stunde leisten können, aber wir müssen damit beginnen. Wir können nicht – nachdem uns medial immer und immer wieder dieses Problem gewissermaßen aufgetragen wird – warten, ob sich die Situation dann im Selbstlauf klärt oder nicht.

Wir wissen, dass die Ursachen für diese mangelnde Besetzung vielfältig sind. Die Ärztekammer beklagt, dass es zu viele Notarzteinsätze gebe und dass der Indikationskatalog für Notfälle nicht mehr stimmig sei. Es gibt Notärzte, die darauf aufmerksam machen, dass durch die veränderten Belastungszeiten an den Krankenhäusern – 90 % der Notärzte sind Krankenhausärzte – es einfach nicht mehr funktioniert und sie nicht mehr bereit und in der Lage sind, die Notfalldienste zu leisten. Wir haben hausgemachte Fehler – offensichtlich. Die Situation ist schwer erklärbar. Es ist aus unserer Sicht obskur, zum Beispiel bei Notärzten in kreisfreien Städten zu sagen, dass die Einsatzentgelte gekürzt werden. Im vergangenen Jahr sind –

Die Redezeit ist abgelaufen.

– die Einsatzentgelte einfach gekürzt worden. Das sind Probleme, die mehr oder weniger heute hier angesprochen werden sollten. Wir bitten um eine objektive und offensive Debatte, aber auch um eine Debatte, die zielführend ist.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die einbringende Fraktion sprach Herr Bartl. Er zitierte übrigens aus gewaltigen Papierstapeln. Es sind alles Zitate, die er vorgetragen hat. Wir haben das hier noch einmal überprüft. Die freie Rede war also gewahrt.

Als Nächstes spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Krauß. Danach kommen SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. – Bitte, Herr Kollege Krauß.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bartl hat das Zeitungswissen vorgetragen, das er hat. Ich will vorwegschicken: Wir haben uns nicht nur auf Zeitungen gestützt,

(Zuruf von den LINKEN)

sondern wir reden auch mit den Betroffenen und haben daher auch einen ganz guten Überblick über die Thematik.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn man über den Rettungsdienst oder die Notfallversorgung spricht – das haben Sie ja hineingeschrieben –, dann will ich sehr deutlich sagen, dass es drei Elemente sind, die man hat: Das ist der KV-Notdienst – wenn man zum Beispiel eine schwere Erkältung am Wochenende hat, dann sollte man den anrufen. Nach circa ein oder zwei Stunden kommt dann ein Arzt nach Hause und man wird behandelt. Man kann aber auch in die Notfallambulanzen der Krankenhäuser gehen, in denen man sich behandeln lassen kann. Auch das gehört zur Notfallversorgung.

Nun zum Rettungsdienst, über den wir hier sprechen. Ich will deutlich sagen: Wir sind mit der Situation unzufrieden, auch wenn 97 % der Einsätze erst einmal abgesichert sind. Ich will aber auch sagen, dass bei den restlichen 3 %, bei denen die Ärzte an dem Standort sozusagen nicht verfügbar sind, der Rettungswagen mit dem Notarzt natürlich trotzdem kommt. Er kommt bloß aus einer anderen Richtung gefahren. Wir wollen diese 3-%-Quote deutlich reduzieren, denn wir sind damit nicht zufrieden.

Zuständig für die Sicherstellung sind die Krankenkassen, die im Freistaat Sachsen in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen sind. Ich halte es für keine schlechte Idee, dass die Versicherten, die das Ganze bezahlen, eingebunden sind und damit auch Verantwortung für den Rettungsdienst haben. Aus meiner Sicht ist diese Arbeitsgemeinschaft sehr stark um eine Lösung bemüht. Wir müssen darüber sprechen, ob die Rechte, die diese Arbeitsgemeinschaft hat, ausreichen. Braucht sie mehr Durchgriffsrechte, wenn es nicht funktioniert, mit Bitten sicherzustellen, dass wir genügend Notärzte haben? Ich glaube, wir müssen auch darüber sprechen, wie man stärker einfordern kann, dass die Krankenkassen dort eine stärkere Mitwirkung einfordern können.

Ich glaube, wir haben kein Problem, dass wir zu wenige Ärzte im Notarztdienst haben. Wir haben 4 100 Ärzte, die dafür infrage kommen, also die entsprechende Ausbildung haben.

Wir haben auch kein finanzielles Problem. Ich will noch einmal deutlich sagen: Es gab natürlich eine Verschiebung zwischen Stadt und Land, aber weniger Geld ist deshalb auf keinen Fall im System.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Besondere die ländlichen Kollegen haben noch einmal deutlich mehr Geld bekommen. Die Ärzte sagen selbst,

dass das in erster Linie kein finanzielles Problem ist. Das Problem sind einzelne Krankenhäuser, die sich aus der Verantwortung ziehen. 90 % der Ärzte, die als Notarzt unterwegs sind, kommen aus den Krankenhäusern. Es gibt eine Handvoll kommunaler, aber auch privater Kliniken, die glauben, dass sie sich daran nicht mehr beteiligen müssten. Das geht so nicht. Das will ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Bei der Neufassung des Rettungsdienstgesetzes haben wir darüber diskutiert, ob wir die Krankenhäuser stärker verpflichten können mitzuwirken. Wir haben damals mit der Krankenhausgesellschaft vereinbart, dass wir das miteinander besprechen wollen. Das haben wir auch getan. Wir werden das auch weiterhin tun. Die Bereitschaft der Krankenhausgesellschaft dafür ist stark ausgeprägt.

Aber wir sagen auch sehr deutlich: Es geht nicht, dass sich dann einzelne Träger aus der Verantwortung mogeln. Ich will aber auch sagen: Ich habe großes Verständnis dafür, wenn sich ein Krankenhaus herausmogelt und ein Krankenwagen, in dem ein Notfallpatient liegt, dann an einem solchen Krankenhaus vorbeifährt und den Patienten in einem anderen Krankenhaus unterbringt.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: So ein Quatsch!)

Ich glaube, es ist ein Nehmen und Geben beim Rettungsdienst.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Vor allem Nehmen!)

Wer Patienten haben möchte, der muss auch mitwirken und sich daran beteiligen.

Ich finde, wir brauchen an der einen oder anderen Stelle einen kommunalen runden Tisch, an dem man einzelne Probleme bespricht – –

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)

Entschuldigung, Herr Pellmann, wenn ein kommunales Klinikum in Chemnitz nicht mitwirkt, dann muss doch auch diese Stadt Verantwortung übernehmen und die Oberbürgermeisterin muss sich hinsetzen und sagen: Es geht so nicht, dass unser kommunales Haus an der Daseinsfürsorge nicht mehr mitwirkt. – Das ist doch selbstverständlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben auch – –

(Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Bitte, Herr Bartl.