ist eine Akte und was sind Aktenteile, gehören dann der Vergangenheit an. Ich persönlich spreche mich für die baldige Umsetzung dieses Vorschlages aus. Meine Fraktion ist bereit, die erforderliche Umgestaltung des Gesetzes mit zu begleiten. Ich möchte mit einem Dank an den Datenschutzbeauftragten und seine Mitarbeiter für die Aufarbeitung des Gesamtkomplexes, für die viele Mühe und die Sorgfalt, die verwendet wurde, schließen.
Das war Herr Biesok für die FDP-Fraktion. Nun spricht Herr Lichdi für die Fraktion GRÜNE; Herr Lichdi, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann verstehen, dass Sie von der Koalition jetzt dem Herrn Datenschutzbeauftragten Kränze winden, nachdem er Ihnen ein Ergebnis geliefert hat, das Ihnen politisch in den Kram passt. Vielleicht hätten Sie auch mal die politische Größe besessen, Ihre Anwürfe, die Sie im Zusammenhang mit der Handygate-Affäre an den Datenschutzbeauftragten gerichtet haben, zurückzuziehen. Aber die Debatte geht ja gleich noch ein bisschen weiter.
Meine Damen und Herren! Ich nehme zur Kenntnis, dass der Datenschutzbeauftragte zu dem Ergebnis kommt, dass das Landesamt für Verfassungsschutz mit der Vernichtung von Aktenteilen nicht gegen § 7 Abs. 4 Satz 4 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes verstoßen habe. Diese Vorschrift verpflichte nicht zu einer Aufbewahrung, bis die Gesamtakte gelöscht werde, sondern verpflichte zur Löschung von entnommenen Aktenteilen spätestens und nur für den Fall, dass die Gesamtakte nicht gebraucht wird. Das war die strittige Rechtsfrage. Vorher sei eine Löschung jedenfalls erlaubt, wenn die Aktenteile und Daten nicht mehr erforderlich oder aufgrund anderer Vorschriften zu löschen seien. So lautet jetzt das Ergebnis des Datenschutzbeauftragten.
Diese Auslegung ist wohl vertretbar, gerade vor dem Hintergrund der vom Datenschutzbeauftragten im Bericht dargelegten – man kann schon sagen – besonderen Aktenführung im Landesamt für Verfassungsschutz mit Sachakten, Personenakten und Jahrgangsakten. Aber ich halte auch daran fest, dass die Auffassung des Datenschutzbeauftragten rechtlich nicht unanfechtbar ist. Wenn der Gesetzgeber dem Landesamt für Verfassungsschutz solch weitgehende Löschungsrechte gegeben haben sollte, dann müssten diese unbedingten Verpflichtungen zur verfahrensrechtlichen Absicherung der Aktenwahrheit und Aktenklarheit gegenüberstehen, etwa die Pflicht zur Führung aussagekräftiger Löschprotokolle. Ansonsten würden wir die ohnehin schon bestehende Unkontrollierbarkeit des Inlandsgeheimdienstes weiter verstärken. Das ist eine Unkontrollierbarkeit, die es in einer Demokratie eigentlich nicht geben dürfte.
Leider haben wir uns alle viel zu sehr daran gewöhnt, dass der Geheimdienst eben geheim ist. Wir schauen nicht genau hin, was die so alles treiben. Meine Vorredner haben ja die Berichte des Datenschutzbeauftragten, den Bericht der Harms-Kommission und auch den Bericht des Kollegen Schneider genannt. Man hätte es nicht für möglich gehalten, dass das ein dermaßener Sauladen ist.
Der entscheidende Punkt ist aus unserer Sicht folgender: Mitnichten, meine Damen und Herren von der Koalition, ist diese vom Datenschutzbeauftragten vertretene Rechtsauffassung ein Persilschein dafür, dass das Landesamt bei der konkreten Aktenschredderung nach dem 04.11.2011 gesetzeskonform gehandelt hat. Das ist eine weithin offene Frage und die wird es auch bleiben, solange wir nicht feststellen können, ob die Akten einen NSU-Bezug hatten oder nicht.
Der Datenschutzbeauftragte stellt in seinem Bericht auf Seite 21 fest: „Eine Vernichtung muss allerdings immer dann unterbleiben, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte vorhanden sind, dass die gespeicherten Daten beispielsweise noch erforderlich für eine parlamentarische Kontrolle, die Strafverfolgung oder Rechtsverfolgung im schutzwürdigen Interesse eines Betroffenen sind.“ Ich frage Sie jetzt allen Ernstes, meine Damen und Herren, warum unser Inlandsgeheimdienst mit dem Tarnnamen Verfassungsschutz nach dem 04.11. angesichts des offensichtlichen Versagens nicht auf die Idee gekommen ist, dass das konkrete hinreichende Anhaltspunkte sind, dass hier vielleicht Akten zu bewahren sind? Offensichtlich haben die gar nicht kapiert, was dort am 4. November deutlich geworden ist.
Offensichtlich haben sie sich gar nicht für zuständig gehalten. Sie haben in ihrem Tran einfach weiter so gemacht wie bisher. Sie haben gar nicht verstanden, dass es sie irgendetwas angeht. Das ist doch der Skandal, meine Damen und Herren.
Dass aber in diesem konkreten Fall keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für einen NSU-Bezug vorhanden seien, basiert eben gerade nicht auf objektiven und nachvollziehbaren Erkenntnissen des Datenschutzbeauftragten, sondern eher auf den Bekenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz selbst. Denn aufgrund der lückenhaften Aktenlage konnte sich der Datenschutzbeauftragte kein eigenes Bild machen. Der Datenschutzbeauftragte wird nicht müde zu betonen, dass er auf Auskünfte und das sogenannte Kopfwissen – ein Ausdruck, den ich bis dato gar nicht kannte – der Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz zurückgreifen musste,
Meine Damen und Herren! Es gibt viele weitere Details in dem Bericht. Ich verweise nur auf Seite 9: „Anlass für die Löschung in den Sachakten waren nach Auskunft des LfV die fehlende Relevanz der Person für eine weitere Speicherung, der Ablauf von Speicherfristen, doppelte Stücke bzw. Buchungen oder vorläufige Entwürfe.“ Zitat ausdrücklich der Datenschützer: „Ob das so zutraf, konnte ich nur in wenigen Einzelfällen, in der Regel bei Doppelbuchungen und Entwürfen, mit Sicherheit nachvollziehen.“
Im Klartext: Ob NSU-relevante Informationen vernichtet wurden, bleibt somit offen. Der Datenschützer kann die Vernichtung NSU-relevanten Materials gerade nicht ausschließen.
Ein weiteres Detail. Beachtenswert ist die Bemerkung des Datenschutzbeauftragten, dass ihm nur das vom Landesamt selbst gelieferte Zahlenmaterial vorlag. Auf Seite 8 oben stellt der Datenschutzbeauftragte klar, dass sich Aussagen zur Vernichtung nur für sogenannte gebuchte Einzelstücke treffen ließen. Ob ein Dokument aber gebucht oder im Sinne des Landesamtes beigeheftet wird, entscheidet der jeweilige Sachbearbeiter, und zwar offensichtlich ohne jede Anleitung, ohne jede Aktenführungsanordnung. Im Klartext: Die Vernichtung sogenannter beigehefteter Einzelstücke lässt sich überhaupt nicht mehr nachvollziehen. So könnte man weiter fortfahren.
Meine Damen und Herren! Es lohnt sich, den Bericht ganz genau zu analysieren und auf die Details zu achten. Insbesondere die Mängelliste hinsichtlich Aktenführung, Registrierung und Dokumentation sind alles andere als Lappalien. So führt der Datenschutzbeauftragte aus: „Die vom Landesamt für Verfassungsschutz angegebenen, bisweilen vermuteten Gründe für Löschungen sind plausibel, aber nicht mehr vollständig nachprüfbar.“ Oder: „In zwei Bereichen fiel mehrfach auf, dass bei den Löschungsverfügungen keine Abzeichnung durch den Sachbearbeiter vorgenommen wurde. In einem gesamten Beobachtungsbereich war die Aktenführung nicht nachvollziehbar.“
Ich gebe ein weiteres Zitat wieder: „Es sei jedem Sachbearbeiter überlassen, wie er die Aktenführung gestaltet, solange der Vorgang noch nicht zu den Akten geschrieben und an das Register gegangen ist. Wiederholt seien in den Vorgängen aus den Jahren 2008 und davor offene oder als VSNfG eingestufte Einzelstücke überhaupt nicht registriert worden.“
Meine Damen und Herren! Es gibt für die Staatsregierung und das Landesamt nun wahrlich keinen Grund, sich auf die Schulter zu klopfen. Die Aktenführung und Dokumentation müssen dringend verbessert werden. Dazu liegt Ihnen unser Entschließungsantrag vor. Dies ist keine unnütze Bürokratie sondern eine Forderung, die Demokratie und Rechtsstaat gebietet, um eine Kontrolle des Inlandsgeheimdienstes mit der Tarnbezeichnung Verfassungsschutz überhaupt erst zu ermöglichen.
Lassen Sie mich zum Schluss aus aktuellem Anlass auch noch auf den Auftritt des derzeitigen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Meyer-Plath, vor dem Untersuchungsausschuss eingehen. Herr Ulbig, es war Ihr Versuch, mit Herrn Meyer-Plath das Landesamt erst einmal aus der Schusslinie zu holen. Wenn man Herrn Meyer-Plath kennenlernt – ich hatte am 1. Februar das Vergnügen – ist man erst einmal von der Geschmeidigkeit und der persönlichen Freundlichkeit des Herrn MeyerPlath beeindruckt.
Wer ist Herr Meyer-Plath? Herr Meyer-Plath war der VMann-Führer von Piatto. Wer war Piatto? Piatto wurde im Jahr 1994 wegen Mordes an einem Menschen verurteilt. Wer hat ihn aus dem Knast geholt? Es war der brandenburgische Verfassungsschutz.
Er hat ihn aus dem Knast geholt, um ihn als V-Mann zu gewinnen und einzusetzen. Wer hat ihn dafür nach Sachsen gefahren? Das war Herr Meyer-Plath, unser jetziger Verfassungsschutzpräsident.
Er hat ihn hier eingeführt. Dieser Mann wurde genau wegen diesen Dingen vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages befragt und muss dort eine Rolle – aufgrund seiner Arroganz und seiner offensichtlichen Unfähigkeit zu erkennen, welche Verantwortung er für das Desaster NSU trägt –, abgegeben haben, die dem Ansehen des Freistaates Sachsen in der Bundesrepublik Deutschland nicht besonders gut getan hat.
Ein solcher Mann ist nicht geeignet, im Landesamt für Verfassungsschutz aufzuräumen oder das Vertrauen, das Sie, Herr Ulbig, auch durch Ihre Politik verspielt haben, wiederzugewinnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Bericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten wurde durch die aufgeregte Berichterstattung in den Medien am 14. Juli 2012 ausgelöst. Darin wurden die wildesten Gerüchte verbreitet und Mutmaßungen angestellt, warum im Bundesamt für Verfassungsschutz nach dem Auffliegen eines vermeintlichen oder tatsächlichen Terrornetzwerkes die Schredder heiß liefen.
In der sächsischen Niederlassung dieser Schnüffel- und Denunziationsinstitution hatte man auch unbeirrt weiter diesbezüglich Akten physisch eliminiert. Die Verdachtsmomente, nach denen ganz bewusst Dokumente vernichtet wurden und werden sollten, die eine Steuerung des mutmaßlichen Mördertrios oder anderer Formen der Mitwirkung, zumindest aber Kenntnis von deren Treiben, belegten, führten sogar zu einem Sinneswandel des ansonsten relativ beratungsresistenten Innenministers, der sich auf ein Vernichtungsmoratorium verstand, um eine Prüfung dieser Vorgänge durch den Datenschutzbeauftragten zu ermöglichen. Dessen Bericht ist Grundlage der heutigen Debatte.
Es sei gleich von meiner Seite, also der NPD-Fraktion, angemerkt, dass der Bericht – wie so viele andere aus Ihrer Feder, Herr Schurig – in Bezug auf den Aufbau, die Durchdringung der Materie, die rechtliche Bewertung sowie auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen und Forderungen das leistet, was man sich eigentlich von der Staatsregierung wünschte: Klarheit der Darstellung, Transparenz des Weges und Ergebnisse. Insofern sind Sie leider immer noch ein unverzichtbares Korrektiv des Freistaates.
Zunächst einmal bleibt uns als eines der wichtigsten Ergebnisse Ihrer Untersuchungen festzuhalten, dass es nach Bekanntwerden des sogenannten NSU keine auffälligen Veränderungen im Sinne einer Häufung von Aktenvernichtungen im Landesamt gegeben hat, soweit Sie dies im Rahmen Ihrer relativ aufwendigen Untersuchung feststellen konnten. Sie haben aber auch das erkenntnistheoretische Problem angerissen, dem Sie sich gegenübersahen: Akten, wenn sie korrekt, das heißt den gesetzlichen Regelungen und Verwaltungsvorschriften gemäß, vernichtet worden sind, sind eben damit auch nicht mehr rekonstruierbar, auch nicht von einem findigen Datenschutzbeauftragten.
Schon aus diesem Grund ist man fassungslos vor dem mangelnden Instinkt und Feingefühl einer solchen Institution, dass man dort seit dem 12. Juli 2012 nicht automatisch jede Akte im Bereich des Rechtsextremismus verwahrt hat, um Verdächtigungen und Unterstellungen beweiskräftig entgegentreten zu können. Das wäre schon allein deswegen wünschenswert gewesen, weil im 2. Untersuchungsausschuss am 25. Januar 2013 bei der Zeugenvernehmung einer ehemaligen Referatsleiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz behauptet wurde, dass im Jahr 2007 vom Vertreter des Präsidenten der Behörde Herrn Dr. Olaf Vahrenhold rechtswidrige Weisungen zur Vernichtung von Aktenteilen im Bereich der Arbeitsgruppe „Abwicklung Organisierter Kriminalität“ erteilt wurden.
Im Zusammenhang mit dieser Zeugenvernehmung wurden weitere Ungereimtheiten aufgelistet, die auch dem Datenschutzbeauftragten auffielen. So berichtete die vernommene ehemalige Referatsleiterin, Frau Skroch, von der merkwürdigen und den Verwaltungsvorschriften nicht entsprechenden Angewohnheit Dr. Vahrenholds,
Vermerke und wichtige Anweisungen zu Vorgängen nicht auf den Akten selbst, sondern auf leicht wieder zu entfernenden und damit leicht manipulierbaren gelben Klebezetteln vorzunehmen. Diese Praxis taucht auch auf Seite 17 des Berichts des Datenschutzbeauftragten in Verbindung mit Bleichstiftanmerkungen auf, die ebenfalls leicht manipuliert werden können. Während der Datenschutzbeauftragte diese Aktenführungsanomalie nur rügt, weil er im Rahmen seiner Prüfungen nur vereinzelt darauf stieß, ließ Frau Skroch durchblicken, dass insbesondere schwerwiegende Entscheidungen und Anweisungen so behandelt wurden. So konnte sie durch Kopfwissen und Aktenvergleich nachweisen, dass wesentliche Akten oder Aktenteile nicht nur manipuliert, sondern regelrecht gefälscht worden waren.
Diese Tatsachenbehauptung musste vergangene Woche auch der ehemalige Präsident dieser umstrittenen Behörde, Reinhard Boos, eingestehen.
So verdienstvoll Ihre Arbeit, Herr Schurig, war, so kratzt sie wahrscheinlich nur an der Oberfläche. Das ist nicht Ihr Verschulden. Umso intensiver müssen aber neutrale Prüfer insbesondere und gerade im Bereich des sogenannten Rechtsextremismus die Akten dieser Behörde, die auch kriminelle politische Aufträge zwielichtigen VLeuten erteilt, einer intensiven Durchforstung unterzogen werden. Dabei müssen neben der Vollständigkeit der Akten auch quellenkritische Überlegungen und die Materialauthentizität geprüft werden. Die NPD hat Ihren Bericht zur Kenntnis genommen.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es den Bedarf für eine zweite Runde? – Das vermag ich nicht zu erkennen. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird? – Herr Staatsminister Ulbig, bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst möchte ich auch einen herzlichen Dank dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten und seinen Mitarbeitern aussprechen. Sie haben gründlich, unvoreingenommen und objektiv gearbeitet und sich nicht von der öffentlichen Diskussion beeinflussen lassen. Wie die öffentliche Diskussion in dieser Zeit gelaufen ist, ist teilweise Gegenstand der Debatte gewesen.
Am 24. Januar hat Herr Schurig seinen Bericht mit einem eindeutigen Ergebnis vorgestellt: Nach dem 4. November 2011 gab es keinen Anstieg der Vernichtungszahlen. In allen Phänomenbereichen war die Löschungspraxis gleich. Es gab keine Hinweise darauf, dass die nach dem 4. November 2011 vernichteten Unterlagen einen Bezug zum NSU hatten. Das LfV darf Akten und Aktenteile