Protokoll der Sitzung vom 08.05.2013

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Frau Abg. Jähnigen, bitte, für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Michel, ich habe mich gefreut, dass Sie nach unseren langen Verhandlungen das Ergebnis so verinnerlicht haben, dass Sie von einer Umsetzung des Koalitionsvertrages sprachen;

(Lachen des Abg. Steffen Flath, CDU)

allein, ganz so ist das gewiss nicht, denn es ist ein Kompromiss und es soll – im Gegensatz zu Koalitionsverträgen – der Verfassungsvertrag, über den wir heute sprechen, beim ersten Verfassungsänderungsgesetz deutlich länger und breiter wirken. An einigen Stellen haben wir das System der Finanzverfassung tatsächlich geändert.

Uns GRÜNEN war das in Kenntnis der Bedenken, denen viele unserer Vorschläge zur Transparenz und zur Änderung der Verfassung bei Ihren Fraktionen und bei der Regierung begegnen würden, wichtig, weil wir meinen, dass die Erhaltung der finanziellen Ressourcen, aber auch ihre gerechte und transparente Verteilung eine Grundfrage von Demokratie ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gerade deshalb werden wir die Umsetzung der Verfassung in das notwendige Ausführungsgesetz, für das wir in der Begründung einige Eckpunkte festgehalten haben, und in die kommenden Haushalte kritisch und streng messen. Solide Haushaltspolitik – Antje Hermenau sagte es bereits – besteht für GRÜNE nicht nur aus Schuldenabbau – er ist gewiss eine Voraussetzung dafür –, sondern auch aus dem Willen, Geld nicht wahlkampftaktisch, sondern antizyklisch zur Stärkung der sozialen Systeme auszugeben.

Wir meinen, dass die Transparenz der Haushaltspolitik, die Rechte des Landtags als Volksvertretung hier ebenso gestärkt werden müssen wie die Rechte der Bürger. Das wird unser Maßstab sein.

Lassen Sie mich noch einiges zur Neuregelung des Artikels 85 Abs. 2 sagen. Wir haben uns hier verständigt, die bisherige Rechtsprechung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes zu kommunalen Pflichtaufgaben, zur Rechtssicherheit und zur Klarheit zu übernehmen und in die Verfassung zu schreiben. Endlich, muss ich sagen; denn jetzt ist klar, dass die vom Freistaat veranlassten und

verbindlichen Standarderhöhungen bezahlt werden

müssen. Wer bestellt, zahlt – das gilt jetzt für alle übertragenen Aufgaben –; denn in der Begründung ist klargestellt, dass sich das auch auf freiwillige Aufgaben beziehen kann. Im neuen Verfassungstext sollen sie „bestehende Aufgaben“ heißen, und es ist schon Artikel 84 unserer geltenden Verfassung zu entnehmen – in den Kommentierungen können Sie es nachlesen; liebe Kolleginnen und Kollegen, ersparen Sie mir die Zitate –: Übertragene Aufgaben müssen nicht nur Pflichtaufgaben sein – manchmal sind sie es, aber nicht immer –, sondern auch freiwillige Aufgaben.

Wir möchten nicht, dass – wie in manchen Fällen – in die Grauzone der Freiwilligkeit oder in ein teils-teils aus freiwilligen und pflichtigen Aufgaben geflüchtet wird, wie wir es zurzeit zum Beispiel beim öffentlichen Personennahverkehr erleben.

Selbstverständlich – ich sage es noch einmal, damit es im Wortprotokoll steht – stellen wir den Gleichmäßigkeitsgrundsatz des kommunalen Finanzausgleichs nach Artikel 87 nicht infrage. Uns geht es um die Regelung im Grenzbereich. Wir möchten klarstellen, dass dann, wenn der Freistaat Ausführungsbestimmungen für die Kommunen regelt, wenn er Handlungsspielraum hat, ein Umsetzungsgesetz oder eine Rechtsverordnung zu machen, die Mehrbelastungspflicht ausgelöst wird. Unmittelbare

Regelungen – zum Beispiel beim freiwilligen öffentlichen Personennahverkehr – trifft der Freistaat dann, wenn er in einer Finanzierungsverordnung die Kommunen verpflichtet, im Rahmen ihrer Organisationshoheit touristische Angebote von Kleinbahnen mitzufinanzieren. Man kann das in der Sache richtig finden, aber damit werden natürlich eine Pflicht und auch eine Ausgleichspflicht erzeugt.

Eine nicht unmittelbare Regelung, die nicht ausgleichspflichtig wäre, wäre sicher eine Regelung in der Gemeindeordnung, die sagt, für bestimmte kommunale Beigeordneten- und Wahlämter ist ein Hochschulabschluss erforderlich.

Die neue Mehrbelastungspflicht – das ist uns wichtig – wird im Rahmen der kommunalen Normenkontrolle durch den Sächsischen Verfassungsgerichtshof und natürlich auch bei der allgemeinen Rechtskontrolle im Rahmen eines Organstreites gegen den Haushalt, wenn es dazu käme, kontrollierbar sein.

Wir sind gespannt auf die Anhörung und die Ausschussdebatten dazu. Aber jetzt ist ja von vielen Vorrednerinnen und Vorrednern diese Debatte mit einem Blick voraus verbunden worden. Das erste Mal in seiner 5. Wahlperiode spricht der Sächsische Landtag über ein Verfassungsänderungsgesetz. Unsere Sächsische Verfassung wertzuschätzen heißt nicht, sie unverändert zu lassen. Sie muss den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft angepasst sein. Was für die Finanzverfassung gilt, gilt für die anderen Teile natürlich erst recht.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Die Modernisierung der Sächsischen Verfassung steht in vielen Bereichen an: zuallererst bei der direkten Demokratie, wo die Quoren durch die Bevölkerungsverluste Sachsens, die der erste Verfassungsgesetzgeber nicht absehen konnte, de facto täglich steigen.

(Zuruf des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Sie gilt aber auch für die Stärkung der Bürgerrechte und der staatlichen Transparenz, zum Beispiel für ein Grundrecht auf Informationsfreiheit für alle Bürgerinnen und Bürger; das täte uns gut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie gilt auch für die Fortschreibung der Staatsziele. Das Staatsziel Klimaschutz wäre elementar zum Schutz der natürlichen Ressourcen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Marko Schiemann, CDU: Die 1. Lesung hat doch damit gar nichts zu tun!)

Zu diesen Themen wollen wir, BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN, Sie in Zukunft zur Diskussion einladen, und auf die freuen wir uns.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Scheel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn man die Vorredner gehört hat, hat man in der Tat denken können, die Koalitionsfraktionen haben mit ihrem Vertrag den Ausgangspunkt dieser Debatte gesetzt. Ich glaube, ich muss den Ausgangspunkt noch einmal ein bisschen zurechtrücken. Ausgangspunkt dieser Debatte ist ein Ergebnis der Föderalismusreform II auf Bundesebene, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Dort haben sich vor allem SPD und CDU gefunden, die gemeinsam bereit waren, das Grundgesetz zu ändern und eine sogenannte Abstinenzregel, also ein Neuverschuldungsverbot, in das Grundgesetz aufzunehmen.

(Marko Schiemann, CDU: Das war falsch!)

Das war zuerst einmal der Ausgangspunkt der Debatte. Wir haben dies als falsch angesehen – das sehen Sie vollkommen richtig – aus einem Grund, da natürlich eine Aufgabe dieser Föderalismusreform nicht erledigt wurde, nämlich die Aufgabe, auch die Einnahmenseite neu zu regeln. Denn wer sich die Möglichkeit von Kreditaufnahmen zur Finanzierung von Investitionen nimmt, muss auf der anderen Seite auch sagen, wie er seine Investitionen in Zukunft finanzieren will.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Diese Aufgabe, meine Damen und Herren, ist weiterhin offen. Denn einen schwachen Staat, wie ihn gern die FDP will, können sich nur Starke leisten.

(Torsten Herbst, FDP: Quatsch!)

Aber die Schwachen in diesem Land, die sozial Schwachen, die haben es nötig, dass auch der Staat handlungsfähig bleibt, auch in schwierigen Zeiten.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Das war für uns, für DIE LINKE, auch Ausgangspunkt, uns in diese Debatte hineinzubegeben und zu sagen: Wenn also das Grundgesetz diese Abstinenzregel vorsieht, dann muss es möglich sein, auch in Zukunft für den Freistaat Sachsen Handlungsfähigkeit zu bewahren. Darum ging es der LINKEN: Handlungsfähigkeit zu bewahren unter den Bedingungen einer wirkenden Schuldenbremse vom Bund, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir stehen jetzt am Ende eines Prozesses der Kompromissfindung zwischen Fraktionen. Wir haben ein Jahr lang miteinander gerungen, haben Experten angehört, haben unterschiedliche Modelle beleuchtet. Wir stehen jetzt vor dem Beginn der Parlamentsdebatte. Ich gehe davon aus, dass, so wie im letzten Jahr alle am Erkenntnisprozess interessiert waren, das Strucksche Gesetz auch für diese Verfassungsreform gilt, dass nämlich kein Gesetz das Parlament so verlässt, wie es hineingekommen ist,

(Beifall des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

dass es also in den nächsten Wochen und Monaten möglich ist, einen Erkenntniszuwachs zu erreichen. Das ist meine Annahme, die ich hier zur produktiven Diskussion in den Raum stelle.

Ich gehe davon aus, dass wir eine Sachverständigenanhörung durchführen, weil wir wissen wollen, ob der Sachverstand der Externen uns hilft.

(Holger Zastrow, FDP: Der kommt auch aus dem Parlament!)

Der kommt auch aus dem Parlament, vollkommen richtig, Herr Zastrow.

Aber wir machen eine Anhörung nicht einfach nur aus Spaß. Ich gehe davon aus, dass wir die Sachverständigen zu uns holen, weil wir hoffen, von ihnen einen Mehrwert zu bekommen.

Ich hoffe auch, dass wir dann durch die einen oder anderen Begründungen – Kollege Bartl wird dazu gleich noch Ausführungen machen – noch Erweiterungen erreichen können.