Protokoll der Sitzung vom 08.05.2013

Klauseln, die die angedachte Wirksamkeit der Schuldenbremse aushebeln können, gibt es im vorgelegten Gesetz

entwurf ohnehin, wie ich Ihnen mit Verweis auf Einflüsse von Bund und Europa bereits dargelegt habe.

Wie ich eingangs bereits darlegte, werden wir als NPDFraktion diese Gesetzesinitiative zur Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen gründlich und aus allen denkbaren Blickwinkeln prüfen und davon unser Abstimmungsverhalten abhängig machen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Ich rufe die CDU-Fraktion wieder auf, und wir gehen damit in die zweite Runde. Herr Abg. Michel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Ausführungen von Martin Dulig zur Stärkung der Einnahmenseite und über die Politik der Kanzlerin lassen erahnen, wie schwer es manchmal war, eine fraktionsübergreifende Einigung zu erzielen. Heute kann ich es zugeben: Es hat Phasen gegeben, in denen ich während der Arbeit der „Arbeitsgruppe Verfassungsänderung“ selbst nicht mehr fest daran geglaubt habe, dass wir mit den Gesprächen zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf kommen werden. Teilweise habe ich schon ganz konkret über Alternativpläne für meine Fraktion nachgedacht.

Doch trotz unterschiedlicher Temperamente in der Arbeitsgruppe und trotz unterschiedlicher parteipolitischer Ausrichtungen und Herangehensweisen ist es gelungen,

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

einen tragfähigen und in Deutschland bisher einmaligen Kompromiss zu finden. Dafür meinen herzlichen Dank an alle Beteiligten.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Es sei mir gestattet, mich – neben den Fraktionsvorsitzenden Steffen Flath und Holger Zastrow – auch bei den verhandelnden Arbeitsgruppenmitgliedern zu bedanken. Es sind die Kolleginnen Hermenau, Giegengack und Jähnigen zu nennen, die Kollegen Dulig, Panter und auch die Kollegen von der Koalition Andreas Schmalfuß, Carsten Biesok, Marko Schiemann und die parlamentarischen Berater.

Ich möchte niemandem Schwierigkeiten bereiten oder gar eine Videoeinblendung aus Berlin provozieren.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Sein Lieblingsthema!)

Aber auch bei den Kollegen Gebhardt, Bartl und Scheel möchte ich mich für die sachlichen und konstruktiven Gespräche bedanken.

Deshalb habe ich nicht verstanden, Herr Gebhardt, warum Sie heute teilweise wieder hinter Ihre ursprüngliche Position zurückgefallen sind. Aber vielleicht gibt es noch eine Anweisung aus Berlin, die ich nicht kenne.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Wir schicken die Botschaft weiter! – Zuruf von der NPD: Oder aus Moskau!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 9. Mai 2012 fand die erste Beratung der Arbeitsgruppe statt. In den vergangenen zwölf Monaten wurde wirklich jedes Wort des Gesetzentwurfs mehrfach beleuchtet, diskutiert, verworfen. Am Ende hat es eine ganz bewusste Normsetzung gegeben. Ich sage das deshalb sofort am Anfang meiner Rede, um externen Hineininterpretationen einen Riegel vorzuschieben.

Wenn zum Beispiel im Gesetzentwurf „Gesetz“ oder „Rechtsverordnung“ steht, dann sind das auch nur diese Normen und nicht noch Verwaltungsvorschriften oder gar Verwaltungsakte, die Wille des Gesetzgebers sind.

Ich will damit auch sagen: Die Arbeitsgruppe hat ein Jahr lang um einen Konsens gerungen und ihn – dank der Anstrengung aller – gefunden. Dann kann man auch davon ausgehen, dass die Worte wohl abgewogen sind. Ich möchte deshalb hier meiner Erwartung Ausdruck verleihen, dass dies von allen Beteiligten entsprechend beachtet wird.

Meine Damen und Herren! Das Grundgesetz erklärt klar – auch für die Bundesländer –, dass im Jahr 2020 keine neuen Kredite mehr aufgenommen werden dürfen, es sei denn, es liegt ein Fall der Ausnahmen vor. Genau darin bestand die Aufgabe für die Arbeitsgruppe: die Ausnahmen zu regeln.

Deshalb hat die Arbeitsgruppe zunächst gemeinsam definiert, wann eine Abweichung von der Normallage vorliegt. Diese wird im neuen Artikel 95 Abs. 4 geregelt: An eine Kreditaufnahme darf im Freistaat Sachsen erst wieder ab einer massiven negativen konjunkturellen Entwicklung gedacht werden. Die durchschnittlichen Steuereinnahmen der vergangenen vollen vier Jahre sind das Maß. Aber erst bei einem Absinken der Steuereinnahmen um 3 % oder mehr kann man – muss man aber nicht – an eine Kreditaufnahme denken. Diese wäre bei einem Mehrheitsbeschluss der Parlamentsmitglieder aber mit maximal 99 % der durchschnittlichen Steuereinnahmen der vergangenen vier Jahre gedeckelt. Ein struktureller Anpassungseffekt ist somit immer gegeben, es sei denn, es liegt ein Fall der zweiten Alternative in Artikel 95 Abs. 4 vor; danach kann mit Zweidrittelmehrheit des Parlaments über die 99 % hinaus ein Kredit aufgenommen werden. Diese Alternative kam für den Fall europäischer oder bundesdeutscher Konjunkturprogramme und zur Schaffung der Abnahmemöglichkeit dieser Programme in den neuen Artikel 95 Abs. 4 mit hinein.

Genauso obliegt die Feststellung der Ausnahmen – Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen – einer Zweidrittelmehrheit des Landtags. Dies bedeutet eine Stärkung des Parlaments; darauf hat Kollegin Hermenau schon hingewiesen. Dies bedeutet aber auch eine deutliche Hürde im Hinblick auf die unbestimmten Rechtsbegriffe „Naturkatastrophen“ und „außergewöhnli

che Notsituationen“. Ich bin mir sicher: Im Falle des Hochwassers im Jahr 2002 hätte es im Parlament schnell eine Einigung mit Zweidrittelmehrheit gegeben. Hier geht für mich der Glaube an die Vernunft des Parlaments vor jedem Versuch, die unbestimmten Rechtsbegriffe „Naturkatastrophen“ und „außergewöhnliche Notsituationen“ zu definieren.

Meine Damen und Herren! Wenn man auf Kredite verzichten will, ist klar, dass man für die Eventualitäten des Lebens auch mit Rücklagen vorsorgen muss. Des Weiteren bestand Konsens, dass sich der Freistaat Sachsen nicht zulasten der Kommunen entlasten soll, um das Neuverschuldungsverbot einhalten zu können; solche Praktiken soll es ja in anderen Bundesländern gegebenenfalls geben.

Um den sächsischen Kommunen und Landkreisen diese Sorge zu nehmen, haben wir in der Arbeitsgruppe lange zum Thema Kommunalfinanzen diskutiert. Letztlich erfolgte die Ergänzung des Artikels 85 Abs. 2. Neben einer Umsetzung der Rechtsprechung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes zur Umwandlung freiwilliger Aufgaben in Pflichtaufgaben galt es die Fälle zu regeln, in denen finanzielle Mehrbelastungen durch Gesetz oder – aufgrund eines Gesetzes – durch Rechtsverordnung ausgelöst werden. Der Freistaat Sachsen kann aber nicht ausgleichspflichtig für Normen der EU oder des Bundes bzw. für reine Umsetzungsakte von Bundes- oder EURecht gemacht werden. Ein finanzieller Ausgleich für die Kommunen setzt voraus, dass die Mehrbelastung durch eine Norm des Freistaates unmittelbar verursacht wird, das heißt, wenn der Freistaat Sachsen materiellen Gestaltungsspielraum über EU- oder Bundesregelungen hinaus zulasten der Kommunen nutzt.

Dieses Ansinnen war Konsens in der Arbeitsgruppe. Es sei mir dennoch gestattet, meiner Freude darüber Ausdruck zu verleihen – nicht nur, weil wir dadurch unserem Koalitionsvertrag an dieser Stelle Verfassungsrang verleihen,

(Lachen bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

nein, auch deshalb, weil ich dies für eine zentrale Stelle der Verfassungsänderung halte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dem ständigen Drehen an der Normsetzungsschraube kann somit zumindest ein finanzieller Preis verliehen bzw. sogar ein Riegel vorgeschoben werden. Eine Ausgleichspflicht zugunsten der Kommunen besteht aber nicht bei Regelungen, die Kommunen wie andere natürliche oder juristische Personen im Freistaat Sachsen treffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir in Artikel 94 Abs. 2 dem Grundsatz des sozialen Ausgleichs Rechnung tragen, so ist dies für mich die Wiederholung des Artikels 1 der Sächsischen Verfassung. Es ist für mich als Christdemokrat aber eine Selbstverständlichkeit, bei der Haushaltsaufstellung den Artikel 1 der Sächsischen Verfassung zu beachten.

Keine Selbstverständlichkeit – bundes- oder europaweit – ist die Verankerung eines Beamtenversorgungsfonds in der Sächsischen Verfassung. Damit stellt sich der Freistaat Sachsen einem der dringendsten Probleme unserer Zeit. Allzu leicht werden die Versorgungslasten in die Zukunft geschoben. Mit der Verankerung des Generationenfonds in der Verfassung ist klar, dass die Generation, die sich Beamte leistet, auch dafür sorgt, dass deren Pensionen abbezahlt werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir diese Verfassungsänderung vollziehen, wenn wir am 10. Juli 2013 in namentlicher Abstimmung mindestens 88 Mal ein Ja hören, dann haben wir ein großes Stück Generationengerechtigkeit vollbracht. Niemand sagt, dass die Politik im Freistaat dadurch einfacher wird. Nein, im Gegenteil: Die Politik übernimmt wieder mehr Verantwortung. Wir Politiker müssen dem Volk sagen, was bezahlbar ist und was nicht. Wir Politiker legen uns ein Stück weit selbst die Fesseln an.

Aber Politik wird dadurch auch wieder glaubhafter. Jeder Bürger muss mit dem Geld auskommen, das er auf der Habenseite hat. Nur die Politik hat sich immer vorbehalten, mehr ausgeben zu können, als vorhanden ist. Diese Zeiten wären dann im Freistaat Sachsen mit Beginn des neuen Haushaltsjahres am 01.01.2014 vorbei – nicht nur rein faktisch, nicht nur – wie bisher – einfachgesetzlich, sondern auch verfassungsrechtlich abgesichert.

Der Freistaat Sachsen wäre dann das erste deutsche Bundesland mit einem wirksamen, verfassungsrechtlich verankerten Neuverschuldungsverbot. Wir haben nicht – wie andere Länder – vor, das Neuverschuldungsverbot erst ab dem Jahr 2020 wirken zu lassen und uns vorher noch mit Krediten vollzusaugen. Nein, das sächsische Neuverschuldungsverbot ist ein ehrliches Neuverschuldungsverbot. Wir dämmen damit hoffentlich die ewige Standardspirale ein.

All dies lohnt meines Erachtens die Mühen. Deshalb wünsche ich uns konstruktive Beratungen zu dem Gesetzentwurf und am 10. Juli 2013 mindestens 88 Jastimmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den GRÜNEN, des Abg. Stefan Brangs, SPD, und der Staatsregierung)

Wird von der SPD-Fraktion noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann für die FDP-Fraktion Herr Prof. Schmalfuß, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Während die Staatsschuldenkrise und ihre Auswirkungen noch immer wie ein Damoklesschwert über uns schweben, zeichnet den Freistaat Sachsen eine seit Jahren solide Haushalts- und Finanzpolitik aus. In Sachsen sind wir bereits sehr viel weiter als in den meisten anderen europäischen Ländern.

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und in den vergangenen Jahren Strukturreformen und eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung eingeleitet und umgesetzt.

Meine Damen und Herren, am Grundsatz einer soliden Haushaltspolitik, die die Ausgaben und Einnahmen miteinander in Waage bringt – auch wenn das Strukturreform bedeutet –, werden wir als CDU- und FDP-Koalition auch in Zukunft festhalten.

Allerdings stehen auch dem Freistaat Sachsen einige grundlegende Herausforderungen bevor. Trotz steigender Steuereinnahmen wird sich der Freistaat Sachsen in den kommenden Jahren nicht mehr leisten können als in den vergangenen Jahren. Grund dafür, meine Damen und Herren, sind nicht nur die rückläufigen Solidarpakt- und europäischen Fördermittel, sondern auch die prognostizierte demografische Entwicklung. Während wir im Jahr 2007 noch etwa 2,7 Milliarden Euro an Sonderbedarfsergänzungszuweisungen aus dem Solidarpakt II erhalten haben, werden diese Mittel im Jahr 2020 auf null sinken.

Aus den Europäischen Sozial- und Strukturfonds standen dem Freistaat Sachsen in der vergangenen Förderperiode von 2007 bis 2013 etwa 4 Milliarden Euro zur Verfügung. In der kommenden Förderperiode werden es voraussichtlich etwa zwei Drittel dieser finanziellen Mittel sein. Ob der Freistaat Sachsen nach 2020 noch weitere Fördermittel der Europäischen Union erwarten kann, ist ungewiss. Ungewiss ist aber auch, wie sich der Länderfinanzausgleich ab dem Jahr 2020 organisieren wird.

Meine Damen und Herren, zu diesen expliziten haushalterischen Herausforderungen kommt, wie wir künftig mit der dennoch bestehenden, sehr geringen Verschuldung in Höhe von 11,7 Milliarden Euro und der impliziten Verschuldung aus Pensionsverpflichtungen in Höhe von etwa 10 Milliarden Euro umgehen möchten.

Dieser Herausforderung müssen und werden wir begegnen. Eine Maßnahme ist die Vorlage dieses Gesetzentwurfes und damit die Aufnahme des Neuverschuldungsverbotes in die Sächsische Verfassung. Ab dem 1. Januar 2014 wollen wir uns freiwillig – früher, als es Artikel 109 Grundgesetz für die Bundesländer vorsieht – dem Neuverschuldungsverbot unterwerfen. Dieses Vorgehen ist einmalig in Deutschland. Alle anderen Landesverfassungen, die über ein Neuverschuldungsverbot verfügen, sehen Übergangsregelungen vor oder lassen in gewissem Maße eine weitere Neuverschuldung zu.

Wir binden uns aber nicht freiwillig selbst, sondern wir gehen auch in einem weiteren Punkt als Vorbild voran. Über den Generationsfonds werden bereits heute Mittel für die künftigen Pensionsansprüche zurückgelegt. Diesen Vorsorgefonds sichern wir jetzt ebenfalls in der Verfassung ab. Auf das Modell will ich aus Zeitgründen nicht mehr eingehen. Wir haben aber einen komplexen Regelmechanismus, der nachvollziehbar und eben keine atmende Schuldenbremse ist.

Meine Damen und Herren, als haushalts- und finanzpolitischer Sprecher meiner Fraktion bin ich stolz auf diese

Regelung des Neuverschuldungsverbotes. Ich bin mir sicher, dass dieser sächsische Weg, das Neuverschuldungsverbot in die Sächsische Verfassung aufzunehmen, ebenso Vorbild für andere Bundesländer sein wird wie unsere solide Haushalts- und Finanzpolitik der vergangenen Jahre.