Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Heutzutage allerdings sind dem Gerrymandering einige – wenn auch wenige – rechtliche Grenzen gesetzt, zum Beispiel in Gebieten nationaler Minderheiten wie bei uns in der Oberlausitz. So ist der Kommentierung zu Artikel 16 des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten klar zu entnehmen, dass sich unser Land mit der Ratifizierung verpflichtet hat, von Maßnahmen des sogenannten Gerrymandering im Siedlungsgebiet der Sorben Abstand zu nehmen.

Einen eindeutigen Hinweis geben auch die sogenannten Lund-Empfehlungen der OSZE über die wirksame Beteiligung nationaler Minderheiten am öffentlichen Leben von September 1999. Dort heißt es unter Punkt II. Buchstabe (B) Nr. 10 der Allgemeinen Grundsätze – ich zitiere –: „Die geographischen Grenzen der Wahlkreise sollten einer angemessenen Vertretung der nationalen Minderheiten entgegenkommen.“

In der Begründung wird zu diesem Punkt ausgeführt, dass bei der Feststellung der Grenzen von Wahlkreisen „die Belange und Interessen nationaler Minderheiten im Hinblick auf eine Sicherstellung ihrer Vertretung in Entscheidungsgremien berücksichtigt werden“ sollten. Von der Staatsregierung als Einreicherin des vorliegenden Gesetzentwurfs kann ich die Kenntnis dieser internationalen Norm des Minderheitenschutzes erwarten.

Auf jeden Fall erwarte ich von der Staatsregierung die Kenntnis unserer Verfassung. Hier sei auf Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 verwiesen, wonach in der Landes- und Kommunalplanung die Lebensbedürfnisse des sorbischen Volkes zu berücksichtigen sind.

Der Sachverständige Herr Prof. Dr. Ferdinand

Wollenschläger führte hierzu in der Anhörung aus, dass dieser Belang der Landesplanung – ich zitiere – „beim Wahlkreiszuschnitt zu berücksichtigen“ sei.

Der Sachverständige Herr Prof. Dr. Rupert Scholz äußerte sich folgendermaßen – ich zitiere –: „Ich glaube nicht, dass man die Lausitz beliebig auseinanderschneiden könnte, also gewissermaßen ein paar Sorben hier, ein paar Sorben dort. Ich glaube nicht, dass das statthaft wäre. Es wäre jedenfalls nicht ein verfassungsrechtlich zu rechtfertigender Abwägungstopos.“

Der Sachverständige Prof. Dr. Bernd Grzeszick zitierte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2002, wonach – ich zitiere – „die repräsentierte

Gruppe der Bevölkerung nicht nur eine arithmetische Größe sein, sondern nach örtlichen, historischen, wirtschaftlichen, kulturellen und ähnlichen Gesichtspunkte eine Einheit darstellen“ soll. Vor diesem Hintergrund seien – nach seiner Auffassung – „auch Abweichungen vom Bevölkerungsdurchschnitt gerechtfertigt“.

Diesen Einschätzungen schloss sich auch der Sachverständige Herr Prof. Dr. Gerd Strohmeier an.

Schaut man nun genau hinein in die einzelnen Wahlkreise in der Oberlausitz, so stellt man fest, dass mit Blick auf die verfassungsrechtliche Kritik an dem Prinzip „ein paar Sorben hier, ein paar Sorben dort“ die Lage in den Wahlkreisen 51 bis 57 zumindest fragwürdig ist. Besonders problematisch ist aber die Zuordnung der Gemeinden Königswartha, Radibor, Neschwitz und Puschwitz mit einem sehr hohen sorbischen Bevölkerungsanteil – teilweise mit sorbischem Mehrheitsanteil – zum Wahlkreis 55, der von dem Stadtgebiet Hoyerswerda mit eher geringem sorbischem Bevölkerungsanteil geprägt ist. Hier hätte nach meiner Überzeugung die Berücksichtigung von Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 der Sächsischen Verfassung und der oben genannten internationalen Normen des Minderheitenschutzes zu einer anderen Vorgehensweise führen müssen.

Apropos Vorgehensweise der Staatsregierung im hiesigen Gesetzgebungsverfahren – meine Kollegin Köditz hat es schon angesprochen –: Dem Anhörungsprotokoll ist nicht zu entnehmen, dass der Rat für sorbische Angelegenheiten an der Anhörung des Gesetzentwurfs beteiligt worden wäre. Auch in sonstiger Weise ist beim Rat für sorbische Angelegenheiten – wie auch bei der Domowina – nicht konkret um eine Stellungnahme nachgesucht worden.

§ 6 Abs. 2 des Sächsischen Sorbengesetzes lautet jedoch – ich zitiere –: „In Angelegenheiten, die die Rechte der sorbischen Bevölkerung berühren, haben der Sächsische Landtag und die Staatsregierung den Rat für sorbische Angelegenheiten zu hören.“

Hat die Staatsregierung diese Rechtsnorm übersehen?

Meine Damen und Herren! In der Antwort der Staatsregierung auf meine Kleine Anfrage vom 13. Juni 2012, Drucksache 5/9376, verweist der Innenminister mit Blick auf die oben genannten Minderheitenrechte der Sorben darauf, dass die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen werde, der den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspreche. Diese Einschätzung teilt die Fraktion DIE LINKE so unumwunden nicht.

In der Abwägungsentscheidung zum vorliegenden Gesetzentwurf war für unsere Fraktion die feststellbare Nichtbeachtung von innerstaatlichen und internationalen Normen des Minderheitenschutzes bei der Wahlkreiseinteilung in der Oberlausitz einer der entscheidenden Gesichtspunkte, die den vorliegenden Gesetzentwurf für uns nicht zustimmungsfähig machen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich frage die Abgeordneten: Wünscht eine Fraktion in der zweiten Runde noch das Wort? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben jetzt das Wort.

Herzlichen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dass ein Wahlgesetz regelmäßig Anlass dafür ist, sich in den Vorberatungen und dann im Plenum intensiv damit auseinandersetzen, wissen wir. Wir haben es gerade wieder erlebt.

Als kleinsten gemeinsamen Nenner habe ich Folgendes herausgehört: Alle akzeptieren, dass es im Hinblick auf das Sächsische Wahlgesetz Anpassungsbedarf gibt. Dabei geht es speziell um die Zuschnitte der einzelnen Wahlkreise.

Ziel ist es, die Wahlgleichheit im Freistaat Sachsen sicherzustellen. Die Frage, ob jede Wählerstimme im Land annähernd den gleichen Wert bekommt und damit auch die gleiche Chance hat, ist aus meiner Sicht keine Bagatelle. Wir reden hier nach meinem Verständnis über eine Grundvoraussetzung für die Demokratie.

Im Jahr 2008, also in der vergangenen Legislaturperiode, ist im Wahlgesetz festgelegt worden, dass die Größenabweichungen einzelner Wahlkreise vom Landesdurchschnitt 15 % nicht überschreiten sollen und 25 % nicht überschreiten dürfen. Die Bevölkerungsentwicklung

macht es daher notwendig, die Landtagswahlkreise im Sinne der Wahlgleichheit neu abzugrenzen. Die Staatsregierung hat die Pflicht, einen entsprechenden Entwurf vorzulegen.

Wir konnten die Zahl der Wahlkreise, die von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise um mehr als 15 % abweichen, gering halten. Damit haben wir die Neuregelung aus der letzten Legislaturperiode bei diesem Gesetz das erste Mal angewandt. Sachsenweit kommen wir gerade mal auf vier geringfügige Abweichungen. Im Wahlkreis 3 haben wir eine Abweichung von 15,8 %, im Wahlkreis 10 – das ist die höchste Abweichung, meine sehr verehrten Damen und Herren – von 16,1 %, im Wahlkreis 11 sind es 15,8 % und im Wahlkreis 42 auch 15,8 %. Deshalb möchte ich den Dank an die Wahlkreiskommission aussprechen.

Anders als das hier diskutiert worden ist, war das für die Arbeit an unserem Entwurf eine wichtige und wertvolle Hilfe. Den Vorschlag zur regionalen Verteilung der Wahlkreise haben wir gerade im Entwurf der Staatsregierung berücksichtigt und zugrunde gelegt. Herr Panter, an der Stelle war er eben die Basis. Dort steht drin, dass Chemnitz und Görlitz jeweils einen Wahlkreis weniger haben werden zugunsten von Dresden und dem Landkreis Nordsachsen, die jeweils einen dazubekommen. In Leipzig wurde das Stadtgebiet so eingeteilt, dass es kein Herausragen mehr in die Landkreise gibt. Da ist der Abg. Seidel in besonderem Maße betroffen gewesen, weil vorhin gefragt worden ist, wo es Probleme bei der CDU

gibt. Der Wahlkreis existiert aufgrund dieser Veränderungen schlichtweg nicht mehr. Es wurden entsprechende örtliche Verhältnisse stärker berücksichtigt, keine landkreisübergreifenden Wahlkreise mehr gebildet.

Und, Herr Kosel, anders, als Sie das jetzt für Ihre Fraktion vorgetragen haben, ist nach meiner festen Überzeugung im Ergebnis der Anhörung ganz deutlich herausgekommen – bei aller Unterschiedlichkeit, die dort diskutiert worden ist –, dass der Entwurf der Staatsregierung verfassungskonform ist und damit die entsprechend notwendige Berücksichtigung ihren Niederschlag gefunden hat. Deshalb bittet die Staatsregierung, meine Damen und Herren, dass Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Entsprechend § 46 Abs. 5 Satz 1 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, zu beraten und abzustimmen. Änderungsanträge liegen mir nicht vor. Wenn es keinen Widerspruch gibt, verfahren wir so.

Aufgerufen ist das Fünfte Gesetz zur Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 5/11824. Wir stimmen ab über die Überschrift. Wer der Überschrift seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen ist der Überschrift mehrheitlich zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen ab über Artikel 1. Wer Artikel 1 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Zweimal Abstimmen geht nicht. Ich frage noch einmal: Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Gut, jetzt ist es korrekt. Vielen Dank. Bei einigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen ist Artikel 1 mehrheitlich zugestimmt worden.

Ich rufe auf Artikel 2. Wer Artikel 2 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei einigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen ist Artikel 2 mehrheitlich zugestimmt worden.

Ich rufe den Anhang zu Artikel 1 auf. Wer diesem Anhang seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Gleiches Stimmverhalten, einige Gegenstimmen, einige Stimmenthaltungen. Damit ist dem Anhang zu Artikel 1 mehrheitlich zugestimmt worden.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Ich stelle Ihnen den Entwurf Fünftes Gesetz zur Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes sowie die in der Zweiten Lesung beschlossene Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und

zahlreichen Gegenstimmen ist der Entwurf mehrheitlich als Gesetz beschlossen.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 6

Polizeipräsenz im Internet erhöhen –

Soziale Netzwerke zur Polizeiarbeit nutzen!

Drucksache 5/11885, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile den Fraktionen der CDU und der FDP als einreichende Fraktionen das Wort. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Hartmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Polizeipräsenz im Internet erhöhen – Soziale Netzwerke zur Polizeiarbeit nutzen. Wir wissen alle, dass das Internet und die sozialen Netzwerke in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen haben. Allein, wenn wir uns anschauen, wie viele Facebook-Nutzer es in unserer Gesellschaft gibt, wie viele Twitter-Accounts existieren, wie soziale Netzwerke mittlerweile ein Bestandteil der Kommunikation in unserer Gesellschaft geworden sind, dann stellt sich die Frage: Wie gehen staatliche Behörden, wie geht die Polizei mit solchen Entwicklungen um, wie erreichen wir die Menschen?

Während wir in den vergangenen Jahren immer wieder darüber geredet haben, wie wir in das Internet, in die Rechnertechnologie hineinkommen, die Datenverarbeitung gestärkt haben, ist es heute so, dass auch klassische Internetseiten nicht mehr das aktive Medium sind, sondern die sozialen Netzwerke. Aus unserer Sicht ist es deswegen notwendig, dass auch die Polizei sich der Frage stellt, wie sie in diesen sozialen Netzwerken präsent ist, wie sie in der Struktur Möglichkeiten nutzen kann und mit Informationen zur Rückkopplung mit der Bevölkerung kommt. In anderen Ländern, zum Beispiel den Vereinigten Staaten, ist das schon gang und gäbe. Dort sind verschiedene Institutionen vertreten. Wir sind am Anfang und ich glaube, dass wir auch in Sachsen unsere Möglichkeiten nutzen sollten.

Insofern wollen wir mit diesem Antrag das Thema aufgreifen und schauen, wie die gute Konzeption unserer Online-Wachen mit den interaktiven Streifenwagen, die immer mehr angenommen werden, in diese Gesamtkonzeption soziale Netzwerke und Nachrichtendienste aufgenommen werden können. Ein zentrales Thema dieser Diskussion – wenn Sie sagen, Sie wollen soziale Netzwerke nutzen – ist die Frage des Datenschutzes. Der

Datenschutz muss bei dieser Frage betrachtet werden. Deshalb weisen wir darauf hin, dass unter Berücksichtigung der Belange des Datenschutzes der Einsatz der sozialen Netzwerke geprüft werden soll. Diese Rahmenbedingungen wollen wir achten.

Nichtsdestotrotz steht die Herausforderung, die sozialen Netzwerke auch für die Behörden des Staates und für die Polizei zu erschließen. Wir wollen, dass bis Ende Juli dieses Jahres ein entsprechender Bericht vorliegt, aus dem mögliche Handlungsfelder erschlossen werden können, wie und in welchem Umfang wir es nutzen können.

Wir haben ein positives Beispiel gehabt. Zu den Protesten um den 13. Februar hat die Polizeidirektion Dresden schon soziale Netzwerke genutzt. Twitter ist damals in den Ansatz gekommen und es endete mit dem Spruch: Dresden ist faktisch nazifrei. Ich glaube, das war eine gute Botschaft. Insoweit wollen wir die sozialen Netzwerke erschließen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.