Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Karabinski mit einer Kurzintervention.

Genau so ist es. Ich möchte kurz Bezug auf die Ausführungen von Frau Friedel nehmen. Frau Friedel, das, was wir hier tun, ist nur eine Ergänzung zu dem, was die Polizei ohnehin schon tut. Sie haben das Beispiel selbst angesprochen. Natürlich kann man auch bei Kfz-Diebstahl das gesuchte Fahrzeug über Facebook verbreiten. Ich bin mir sicher, dass es unheimlich schnell geht, wenn ein bestimmtes Fahrzeug gesucht wird und man via Facebook zahlreiche Hinweise dazu bekommt, wo sich das Fahrzeug gerade aufhält. Wenn Sie sich vielleicht mit dem Antrag beschäftigt und geschaut

hätten, wie das in anderen Bundesländern funktioniert – genauso funktioniert das auch. Man hat schon gestohlenes Diebesgut via Facebook wiedergefunden, und wir wollen hier nur eine zusätzliche Plattform für die sächsische Polizei finden, und –

(Jürgen Gansel, NPD: Da hat man aber keine direkte Grenze zu Polen! – Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

das ist eben der Unterschied – es gibt zahlreiche junge Menschen, die nicht „Aktenzeichen XY... ungelöst“ und „Kripo live“ schauen. Sie lesen auch keine Tageszeitung. Diese erreiche ich aber via Facebook; und wenn die sächsische Polizei diese Plattform nutzt, dann trägt das durchaus zur Erhöhung der inneren Sicherheit in Sachsen bei. Es rettet nicht die Welt, Sie haben völlig recht, aber es ist ein kleiner Beitrag, um die Welt ein klein wenig besser zu machen, und das wollen wir.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Oh-Rufe von der SPD)

Frau Friedel, Sie können natürlich auf die Kurzintervention antworten.

Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Karabinski, ich denke, ich habe es eigentlich deutlich gemacht: Wir haben doch gar nichts gegen Ihren Antrag. Wir haben auch gar nichts dagegen, dass die Polizei Facebook nutzt. Das ist doch alles kein Problem.

(Zuruf der Abg. Kristin Schütz, FDP)

In Sachsen heißt das „nüscht“, Frau Schütz, denn zumindest ich bin von hier.

Womit wir ein Problem haben, ist: Wir müssen doch die Polizei in die Lage versetzen, nicht nur gestohlene Wertgegenstände wiederzufinden, sondern die oberste Aufgabe der Polizei ist Gefahrenabwehr, nicht Strafverfolgung, und die oberste Aufgabe der Polizei ist, dafür zu sorgen, dass die Sachen gar nicht erst gestohlen werden. Das kann die Polizei aber nicht mehr, wenn Innenpolitik weiter so gemacht wird, wie Sie sie machen; denn dann gibt es keine Polizei mehr, dann gibt es sie nur noch virtuell.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Frau Jähnigen für die GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Beim ersten Lesen dieses Antrages hatte ich auch die Hoffnung, es wäre nur ein Placebo, nur virtuelle Sicherheitspolitik, so schlimm das ist. Sie kritisieren das zu Recht. Allerdings, wenn ich dem so zuhöre, was besonders Herr Karabinski gesagt hat, denke ich, es handelt sich um den Versuch, uns eine Beruhigungspille zu verpassen, und diese Pille ist vergiftet.

Beginnen wir bei der Öffentlichkeitsarbeit. Mehr Öffentlichkeitsarbeit, damit die Welt ein bisschen besser scheint, Herr Karabinski, das heißt auch: mehr Aufgaben für die Polizeibediensteten; denn seriöse Öffentlichkeitsarbeit über soziale Netzwerke macht Arbeit, und wir haben zusehends Personalmangel in der Polizei. Und Sie wollen in den nächsten Jahren noch über 2 000 Stellen streichen. Morgen werden wir uns mit den Auswirkungen bei der Grenzkriminalität beschäftigen. Haben Sie sich das wirklich überlegt – freiwillige zusätzliche Aufgaben für die Polizei?

Aber kommen wir einmal zu der von Ihnen so gepriesenen Fahndung über Facebook; denn da wird es wirklich hoch problematisch.

Zum Ersten haben wir gerade erst erfahren müssen, dass die Fahndungen in Niedersachsen zu negativen Effekten geführt haben. Das „Handelsblatt“ berichtete am

25. Juli 2012: „Fahnder steigern Bekanntheit vermeintlicher Kinderpornoseite“. Grund war die Veröffentlichung der Seite auf Facebook durch die Polizei.

Zum Zweiten ist die Veröffentlichung von Daten von Verdächtigen in sozialen Netzwerken selbstverständlich hoch problematisch. Natürlich droht dabei Stigmatisierung. Herr Karabinski, kennen Sie sich mit Facebook nicht aus? Jeder Nutzer kann dort einen neuen Content anlegen, und selbst wenn die Kommentarfunktion deaktiviert ist, ist auf diese Weise eine virtuelle und eine reelle Hetzjagd möglich, und darüber wird gesprochen. Sie wissen das nicht. Ich finde das erschreckend.

Zum Dritten propagieren Sie hier Fahndungen, mit denen Sie sich nicht ernsthaft auseinandergesetzt haben. Ermittlungen, die durch Richter angeordnet sind – ist das die Realität? Was ist mit verdeckten Ermittlungen? Der Zugang zu den Kommunikationsinhalten, gerade über Facebook, wo man vermeintlich unter Freunden kommuniziert, eröffnet der Polizei in der Tat neue Möglichkeiten, Kenntnisse über die Personen, die dort verkehren, zu erlangen.

Aber Menschenrechte bei Strafverfolgung und -verhütung gelten auch im digitalen Raum und müssen dort gewährt werden. Und verdeckte Ermittlungen unterliegen nach der Strafprozessordnung engen Grenzen und ziehen Benachrichtigungspflichten nach sich. Sie wollen zwar verbal absichern, dass das unter strenger Berücksichtigung des Datenschutzes zu prüfen sei, aber wir erleben gerade in Sachsen immer wieder, dass der Datenschutz der polizeilichen Praxis hinterherlaufen muss und erst hinterher von den Problemen erfährt. Gerade in diesem geschützten Raum haben die Nutzer hohe Vertraulichkeitserwartungen, die dann missachtet werden.

Viertens schließlich – darauf hatte Herr Schneider als Sprecher des Sächsischen Datenschutzbeauftragten bereits hingewiesen: Der Staat bedient sich bei der FacebookFahndung Privater. Er unterwirft seine Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsmaßnahmen im Netzwerk den Nutzungsbedingungen des Anbieters an der Börse, und die Firmen, die dort die Daten kaufen, können die Ermitt

lungsergebnisse und -verfahren mitbenutzen, zum Beispiel, um schwarze Listen zu erstellen. Das können wir nur ablehnen. Ich finde, damit wird die Welt nicht besser, sondern problematischer. Deshalb bitte ich allgemein um ein Nein zu diesem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Karabinski, Ihre zweite Kurzintervention.

Ja, einmal darf ich noch. – Liebe Frau Jähnigen, ich nehme Bezug auf Ihren Redebeitrag. Dass Personen bei Fahndungen an den Pranger gestellt werden könnten, wenn via Facebook gefahndet würde, ist eine Gefahr, die auch besteht, wenn die Polizei nur offline arbeitet; denn auch Zeitungsartikel zur Fahndung kann man ebenfalls ausschneiden und dann an ganz viele Bäume hängen. Es ist also nichts Neues. Was im Online-Modus geschieht, das gibt es offline ganz genauso. Das sind Dinge, mit denen man sich natürlich auseinandersetzen muss. Der Datenschutz darf nicht außer Acht gelassen werden; das schreiben wir auch in unserem Antrag. Aber das, was Sie hier anführen, geschieht im Offline-Modus genauso, wie es im Online-Modus geschehen kann.

Was Sie ebenfalls noch angeführt haben: In unserem Antrag steht definitiv nicht, dass die Polizei die Erlaubnis bekommen soll, Facebook-Konten automatisiert zu durchschnüffeln. Das wollen Sie hineindeuten. Das ist aber nicht das, was wir hier fordern, und auch nicht das, was wir uns vorstellen. Das ist einfach wieder grüne Panikmache und mit unserem Antrag nicht vereinbar. Das ist Quatsch, was Sie hier sagen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Jähnigen, möchten Sie darauf antworten? – Das möchten Sie nicht. Abschließender Redner in der ersten Runde ist Herr Storr für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen fallen nicht durch eine Antragsflut auf. Wozu auch? Dass die wenigen von Ihnen gestellten Anträge aber fast jedes Mal in einem anderen Bundesland abgekupfert worden sind, dann in einem langatmigen Berichtsantrag nochmals verwässert, um schnell noch auf die Tagesordnung gesetzt zu werden, ist manchmal schon recht anstrengend, aber auch bezeichnend für das Verhältnis von Regierungsfraktionen und Staatsregierung.

(Beifall bei der NPD)

Alles das, was Sie sich berichten lassen wollen, ist doch, wie in der Antragsbegründung zu entnehmen ist, in Niedersachsen, dem ersten Bundesland, in dem die Polizei soziale Netzwerke nutzt, hinreichend überprüft worden. Die bei übrigens erfolgreichen Fahndungen nach Rechtsbrechern in sozialen Netzwerken und bei Twitter aufgetauchten Bedenken des niedersächsischen Daten

schutzbeauftragten wie auch des dortigen Justizministeriums sind ebenfalls berücksichtigt worden. Sie führten kurzzeitig zur Aussetzung der diesbezüglichen polizeilichen Aktivitäten. Sie sind aber inzwischen juristisch einwandfrei abgesichert, sodass Pannen, wie die Abspeicherung von Fahndungsaufrufen auf Rechnern anderer Staaten, künftig vermieden werden.

Es macht also aus Sicht der NPD keinen Sinn, wie im Antrag beispielsweise unter I Ziffer 3 aufgeführt, anzufragen, welche einzelnen Polizeiposten, Polizeireviere oder sonstigen Dienststellen bereits im Netz präsent sind. Es wäre vielmehr sinnvoll, gleiche Richtlinien zu entwerfen, welche Polizeidienststellen ab wann, in welcher Weise, mit welcher technischen Ausrüstung und mit welchem Auftritt im Netz vertreten sein müssen. Selbstverständlich kann eine modern ausgerichtete Polizei keine gedruckten Fahndungsplakate ganz allein in Schauvitrinen oder im Polizeipräsidium an die Wand hängen, wenn Fotos oder Phantomzeichnungen einfacher in das Netz gestellt werden können. Die Internetfahndung nach Kriminellen dürfte noch erfolgreicher werden, als dies „Aktenzeichen XY“ in seiner besten Zeit war, wenn die Präsentation entsprechend aufbereitet ist.

Wir haben auch schon die Einwände der klassischen parlamentarischen Bedenkenträger von den LINKEN vernommen. Die NPD ist fest davon überzeugt, dass unser hiesiger Datenschutzbeauftragter die Sachsen ganz gewiss vor Missbrauch schützen wird. Hier sollte Herr Schurig vor allem ein Auge auf den politischen Missbrauch eines solchen Instruments werfen, denn davon ist keine Regierung, gleich welcher Art oder welcher Partei, gefeit.

Ich erwähne es, weil man bei einer Recherche im Netz bezüglich der Erfahrung der niedersächsischen Polizei in sozialen Netzwerken oder bei Twitter auch auf Einträge stößt, die sich kritisch mit dem Verhalten von Dienstvorgesetzten auseinandersetzen. So warnt die „Junge Gruppe“, ein Ableger der Gewerkschaft der Polizei im Landesbezirk Niedersachsen, in einer mehrseitigen Ausarbeitung über die Gefahren der sozialen Netzwerke nicht nur allgemein davor, zu viel über sich im Netz zu verraten. Sie gibt auch Beispiele dafür, wie schnell und überraschend negativ der Dienstherr reagieren kann, wenn jüngere Polizeibeamte Bilder in das Netz stellen. Manchmal werden nur Fotos moniert, die bei dem Betrachter falsche Eindrücke erwecken könnten. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass in Niedersachsen auf gewerkschaftlich orientierte Polizeibeamte schlicht und einfach Druck ausgeübt wurde.

Die NPD sieht grundsätzlich die Notwendigkeit, das Internet für die polizeiliche Arbeit zu nutzen. Allerdings stellen sich eine Reihe von rechtlichen Fragen, zum Beispiel, ob soziale Netzwerke von privatrechtlichen Anbietern überhaupt von öffentlichen Institutionen genutzt werden sollen. Ist eine eigene technische Plattform, auch aus rechtlichen Gründen, geboten?

Aufgrund dieser offenen rechtlichen Fragen hält die NPDFraktion diesen Antrag für sinnvoll, auch um dieses

Thema parlamentarisch weiter zu behandeln und die Detailfragen im Landtag zu diskutieren. Wir stimmen deshalb diesem Antrag zu.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der NPD)

Das war die erste Runde der allgemeinen Aussprache. Mir liegen für eine zweite Runde keine Wortmeldungen vor. Ich frage dennoch die Abgeordneten, ob das Wort gewünscht wird? – Ich kann nicht erkennen, dass noch jemand das Wort ergreifen möchte. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird? – Herr Staatsminister Ulbig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist richtig, dass die sozialen Medien unsere Informations- und Kommunikationsgewohnheiten revolutioniert haben. Es ist eine Entwicklung, an der niemand vorbeikommt. Arbeitsabläufe und Arbeitsalltage sind verändert worden, aber anders, als ich das hier teilweise gehört habe: nicht – wie es offenkundig bei Ihnen ist – dazu, um Abläufe komplizierter und alles schwieriger zu machen und im Wesentlichen neue Aufgaben zu kreieren. Diese moderne Technologie ist durchaus geeignet, uns bei der Arbeit zu helfen.

Aus meiner Sicht ist das eine Entwicklung, an der wir alle nicht vorbeikommen. Ich denke, auch die sächsische Polizei kommt daran nicht vorbei. In den USA sind zahlreiche Behörden, von der Katastrophenschutzbehörde über den Präsidenten bis hin zu unzähligen Institutionen, auf den Social Medias aktiv. In Deutschland steckt dies zugegebenermaßen noch in den Kinderschuhen.

Die sächsische Polizei kommuniziert bisher vor allem klassisch über das Internet. Diese Angebote werden aber durchaus intensiv genutzt. Die Präsenz auf unserer Polizeiinternetseite ist bemerkenswert. Es ist eine der meistbesuchten Seiten im Internet mit 600 000 Besuchern pro Monat. Die Anzahl der Nutzung der Online-Wache hat sich von 5 346 auf über 15 500 im letzten Jahr erhöht. Auf den einschlägigen sozialen Medienplattformen machen wir aber bisher nur zaghafte Schritte. Auf Twitter werden die Pressemitteilungen der Polizei als Tweed abgesetzt und als direkte Verlinkung auf die Seiten von www.polizei.sachsen.de. Eine echte tatsächliche Kommunikation findet nicht statt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb ist es völlig richtig, dass das Thema kritisch diskutiert worden ist, denn der Einsatz von solchen sozialen Medien und diesen Plattformen für die polizeiliche Arbeit ist nicht unumstritten. Der Vorstoß aus Niedersachsen hat zuerst eine ziemlich starke Kritik – auch aus der Reihe der Datenschützer – erfahren. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Kritik muss man ernst nehmen. Der Staat trägt in den sozialen Medien eine hohe Verantwortung. Der Datenschutz ist ein hohes Gut. Das ist gerade

dann der Fall – und es wurde durch Frau Jähnigen völlig zu Recht angesprochen –, wenn staatliche Institutionen privatrechtliche Plattformen nutzen, deren Rechtsgrundlage auch noch außerhalb der EU liegt.

Um aber bei diesen strittigen Fragen Lösungen zu finden, wurde eine Bund-Länder-Projektgruppe „Soziale Netzwerke“ eingerichtet. Die ersten Schritte waren folgende: Möglichkeiten der polizeilichen Arbeit auf diesen sozialen Medienplattformen wurden analysiert, rechtliche Fragen definiert, Chancen und Risiken aufgezeigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Abschlussbericht dazu liegt vor. Das Ergebnis ist Folgendes: Die Schwerpunkte liegen auf dem Bereich der Öffentlichkeitsfahndung und der Nachwuchsgewinnung. Entsprechend wurden zwei Projektgruppen eingesetzt. Diese sollen konkrete Handlungsempfehlungen für beide Schwerpunkte erarbeiten. Im Herbst wird es erste Ergebnisse geben. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mir sicher, dass diese Projektgruppen für die aufgeworfenen Fragen wirklich gute Lösungen finden werden.

Fakt ist, dass nicht nur die Polizei von eigenen Auftritten auf Social-Media-Plattformen auf vielfältige Weise profitieren kann, sondern auch, das ist meine feste Überzeugung, die Menschen im Land. Nicht zuletzt ist dies ein geeignetes Mittel, ein Stück weit mehr Bürgerorientierung zu realisieren. Deshalb möchte ich sagen, dass aus der Sicht der Staatsregierung durchaus die Chancen gegenüber den Risiken überwiegen. Wir wollen auch im Bereich der sächsischen Polizei diese sozialen Medien zukünftig noch stärker einsetzen. Selbstverständlich werden wir auch die Ergebnisse der von mir angesprochenen Projektgruppen in unsere Arbeit einfließen lassen.