Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Frau Jähnigen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat als nächste Rednerin das Wort. Bitte, Frau Jähnigen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Offenbar zählen vertriefte, zu kurzfristig eingereichte Gesetzentwürfe bei dieser Regierung nicht mehr zur Ausnahme, sondern sie kommen regelmäßig.

(Beifall der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Von sächsischen Regierungen erwarte ich anderes. Ich will jetzt nicht lügen und sagen, dass ich von dieser Regierung anderes erwarte. Aber eigentlich sollte es anders laufen.

Der Altersgrenzenerhöhung für diesen freien Beruf können wir uns öffnen. Es ist ja keine Arbeitspflicht, wenn es um einen freien Beruf geht. Ältere Menschen sind durchaus leistungsfähig. Allerdings muss es mit Blick auf die konkreten Erwartungen an den Berufsstand diskutiert werden. Das haben wir in der zeitlichen Eile jetzt nur im Ansatz tun können.

Es handelt sich hier nicht nur um ein Problem des demografischen Wandels, sondern um akuten Fachkräftemangel. Die berufsständische Vertretung hat uns in ihrem Brief einiges ins Stammbuch geschrieben, was nicht einmal diskutiert worden ist. Auf meine Frage, wie die Regierung damit umzugehen gedenkt, gab es keine Antwort. Will sagen, hier ist eine Vielzahl von Maßnahmen gefragt. Allein durch die Verlängerung der Altersfrist wird das Problem nur nach hinten verschoben. Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure werden länger arbeiten, aber es werden nicht mehr da sein. Nach wie vor erwarte ich zu dem Problem eine Stellungnahme der Staatsregierung.

Vor diesen Hintergründen habe ich meiner Fraktion eine Enthaltung zu diesem Gesetzentwurf empfohlen.

(Beifall der Abg. Gisela Kallenbach, GRÜNE)

Die NPD-Fraktion hat keinen Redebedarf signalisiert. Ich frage die Staatsregierung. Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben Redebedarf signalisiert. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zuerst möchte ich mich bei all denen recht herzlich bedanken, die dafür Sorge getragen haben, dass wir diesen Gesetzentwurf im Plenum beraten können. Wir haben damit eine kurzfristige, pragmatische und vernünftige Lösung gefunden, die – und das sage ich im Kontext vieler Vorredner – keine Regelung für einen Einzelfall ist. Sicher, jede Regelung hat einen ersten Anwendungsfall. Die derzeitige Problemlage besteht jedoch mehr oder weniger akut in zahlreichen weiteren Fällen.

Vor zehn Jahren, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir die Weichen für ein modernes amtliches Vermessungswesen im Freistaat Sachsen gestellt mit den ÖbVs als Hauptakteuren der Antragsmessungen. Damit diese durchaus als Erfolgsgeschichte zu beschreibende Sache in der Fläche weiter fortgeführt werden kann, ist ein kontinuierlicher Berufsnachwuchs erforderlich. Es ist richtig, hier gab es in der Vergangenheit Defizite, deren Ursachen vielschichtig sind. Wir haben das erkannt und reagieren darauf. Diese Anhebung der Altersgrenze ist nur ein erster Schritt. Sie ermöglicht es älteren ÖbVs, ihre Tätigkeit länger auszuüben, um nicht mit dem entsprechenden Druck eine Nachfolgeregelung für ihr Büro treffen zu müssen.

Natürlich ist es nur eine Übergangslösung für das drängende Problem der sonst ohne Nachfolge erlöschenden Bestellung der ÖbV und eines deshalb unter Umständen fehlenden Leistungsangebotes vor Ort und ganz besonders in der Fläche. Eines ist klar, und das ist schon ausgesprochen worden: Die Altersstruktur im Vermessungswesen bleibt problematisch. Mit diesem Gesetzentwurf gewinnen wir Zeit, die wir für die Auseinandersetzung mit den angesprochenen Problemen nutzen werden. Vor allem geht es um die Nachwuchsgewinnung, die im Vordergrund steht. Ich kann Ihnen sagen, dass wir zumindest aus der Perspektive der Staatsregierung auf einem guten Weg sind. Frau Köditz, nur noch einmal zur Erinnerung: Im Jahr 2006 gab es die letzten Einstellungen, 2008 dann die letzten Absolventen in diesem Bereich. Jetzt haben wir im Jahr 2012 die Ausbildung für die Laufbahnbefähigung zum höheren vermessungstechnischen Verwaltungsdienst zum ersten Mal mit vier Referendaren aufgenommen. Daneben haben wir die Ausbildung im gehobenen Dienst auch wieder mit vier weiteren Anwärtern aufgenommen.

Deshalb bleibt zu resümieren: Für den Freistaat Sachsen bleibt ein modernes Vermessungswesen auch in Zukunft unentbehrlich, weil nur eine zuverlässige Vermessung von Grund und Boden Sicherheit und Ordnung garantiert und weil präzise Geodaten das Rückgrat unserer wirtschaftlichen Prosperität sind. Deshalb habe ich die herzliche Bitte, dass Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Entsprechend § 46 Abs. 5 Satz 1 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, zu beraten und abzustimmen. Wenn es keinen Widerspruch dazu gibt, verfahren wir so.

Aufgerufen ist das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Vermessungs- und Katastergesetzes, Drucksache 5/12030, Gesetzentwurf der Staatsregierung, und Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 5/12112. Es liegen keine Änderungsanträge vor.

Wer der Überschrift seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmenthaltungen ist mehrheitlich der Überschrift zugestimmt.

Ich rufe auf Artikel 1. Wer Artikel 1 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Stimmenthaltungen? – Keine. Gegenstimmen? – Ich habe keine

Gegenstimmen erkennen können. Mehrheitlich ist Artikel 1 zugestimmt.

Ich rufe auf Artikel 2. Wer Artikel 2 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Stimmenthaltungen? – Gegenstimmen? – Ich kann keine Gegenstimmen erkennen. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen ist Artikel 2 zugestimmt.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung. Ich stelle den Entwurf Gesetz zur Änderung des Sächsischen Vermessungs- und Katastergesetzes in der in der 2. Lesung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen ist der Entwurf damit als Gesetz beschlossen.

Meine Damen und Herren, mir liegt ein Antrag auf unverzügliche Ausfertigung dieses Gesetzes vor. Dem wird entsprochen, wenn der Landtag gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit beschließt. Wenn es keinen Widerspruch dazu gibt, verfahren wir so. – Ich kann keinen Widerspruch erkennen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Europäische Bürgergesellschaft fördern –

Freiwilliges Europäisches Jahr für alle ermöglichen!

Drucksache 5/12083, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD, Staatsregierung, wenn gewünscht. Als Erster spricht Herr Hähnel für die CDU-Fraktion. Herr Hähnel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Europäische Union hat 2013 zum Europäischen Jahr der Bürgerinnen und Bürger ausgerufen. Hierdurch sollen die individuellen Rechte der Unionsbürger in den Mittelpunkt gerückt und wieder ins Bewusstsein der Menschen in Europa gebracht werden.

Im Vertrag von Maastricht aus dem Jahre 1993 wurde die Unionsbürgerschaft ins Leben gerufen. Diese Unionsbürgerschaft ist keine leere Hülle, sondern gibt den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union konkrete Rechte. Viele dieser Rechte sind inzwischen selbstverständlich für uns geworden. Ich nenne beispielhaft das Recht auf Freizügigkeit und die freie Wahl des Wohnortes innerhalb der Europäischen Union. Jeder Unionsbürger kann innerhalb der Europäischen Union grenzüberschreitend reisen, arbeiten oder einkaufen.

Dies wird mittlerweile als selbstverständlich hingenommen und nicht als Vorteil des europäischen Einigungspro

zesses erkannt. Im Gegenteil, sowohl die Europäische Union als auch der europäische Gedanke leiden unter einem massiven Ansehens- und Vertrauensverlust.

(Lachen des Abg. Holger Apfel, NPD)

Hierzu möchte ich Sie auf die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage vom Mai hinweisen. Nur noch 45 % der befragten Bürger stehen der Europäischen Union positiv gegenüber. Im Vorjahr waren es noch 60 %. Warum ist das Vertrauen in weiten Kreisen der Bevölkerung verloren gegangen?

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Der Grund ist natürlich in erster Linie in der scheinbar endlos wirkenden Euro- und Staatsschuldenkrise zu sehen, die seit Jahren die öffentlichen Debatten über Europa dominiert. Daneben gibt es aber noch Kritikpunkte, die schon jahrzehntelang immer wieder auftauchen, wenn von der Europäischen Union die Rede ist: angeblich überbordende Bürokratie, unübersichtliche Entscheidungsprozesse und damit auch mangelnde Transparenz, zu hohe Kosten für die Brüsseler Institutionen.

Ungeachtet dessen, dass diese Vorwürfe nicht zutreffen, muss man diese Meinungen natürlich ernst nehmen. Der Präsident der Europäischen Kommission, Manuel

Barroso, hat in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union 2012 zu Recht festgestellt, dass die Zeiten, in denen die europäische Integration mit der stillschweigenden Zustimmung der Menschen vorangebracht wurde, vorüber sind. Europa darf kein Europa der Technokraten, Bürokraten oder gar Diplomaten sein. Europa muss Zug um Zug demokratischer werden. So Barroso.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Ich möchte ergänzen: Europa muss ein Europa der Bürgerinnen und Bürger werden. Das ist unser Ziel.

(Beifall der Abg. Marko Schiemann, CDU, und Carsten Biesok, FDP)

Wenn aus der Europäischen Union mehr werden soll als ein in erster Linie ökonomisches Projekt, müssen wir erreichen, dass dieses europäische Bewusstsein bei den Bürgern entsteht bzw. wächst. Deshalb müssen wir Projekte und Maßnahmen anstoßen, die dazu führen, dass der europäische Einigungsprozess nicht nur als Projekt der Staats- und Regierungschefs und der Institutionen der Europäischen Union gesehen wird.

Dazu gehört, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, dass ihre gemeinsamen Wertevorstellungen, die gemeinsame Kultur und Geschichte die Fundamente der Europäischen Union bilden. Dazu müssen grenzüberschreitende Dialoge ermöglicht und das gegenseitige Kennenlernen erleichtert werden. Die Lebensumstände der europäischen Nachbarn müssen erfahrbar sein.

(Beifall der Abg. Marko Schiemann, CDU, und Carsten Biesok, FDP)

Deshalb setzen wir uns dafür ein, ein Freiwilliges Europäisches Jahr für alle Interessierten zu ermöglichen, da uns dies hierfür geeignet erscheint.

Die Forderung nach einem Freiwilligen Europäischen Jahr für alle Bürger ist nicht neu. Sie war in der Vergangenheit beispielsweise Gegenstand des Europamanifestes, ohne dass hierdurch tatsächlich weitere Umsetzungsschritte erfolgten.

Wir halten aber gerade das Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger für geeignet, jetzt erneut einen ähnlichen Vorstoß zu starten. Wir wollen damit engagierte Europäer unterstützen, die freiwillig in gemeinnützigen europäischen Projekten tätig werden wollen.

Aus unserer Sicht macht es aber keinen Sinn, wieder etwas Neues zu erfinden. Wir sollten bestehende Strukturen nutzen und weiterentwickeln.

(Beifall der Abg. Marko Schiemann, CDU, und Carsten Biesok, FDP)

Deshalb lautet unser Vorschlag, den Europäischen Freiwilligendienst hierfür zu nutzen. Seit seiner Gründung haben über 70 000 junge Menschen im Rahmen des EFD Erfahrungen in und mit Europa gesammelt. Allerdings ist eine Teilnahme nur im Alter von 18 bis 30 Jahren, in bestimmten Fällen ab 16 Jahren möglich. Warum sollen