Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

2007 beseitigte das Regierungspräsidium Leipzig die letzten Hürden für die Ablagerung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle. Ohne Beteiligung der Umweltverbände und der Öffentlichkeit wurde per Plangenehmigung vom 02.07.2007 die Deponie Cröbern für viele Abfälle der Deponieklasse III geöffnet.

Doch all das reichte immer noch nicht. Die WEV sah sich 2007, also in ebendiesem Jahr, nach weiteren Einnahmequellen um. Der Müllnotstand in der italienischen Region

Kampanien bot scheinbar die Aussicht, Cröbern auf wirtschaftlich erfolgreiche Beine zu stellen. Doch die WEV überschätzte ihre Leistungsfähigkeit. Ihr Vertriebschef akquirierte über Müllmakler so viel Müll aus Kampanien, dass die Anlagen damit überfordert waren.

Was dann folgte, war selten rechtens. Statt zügig den italienischen Müll in Cröbern zu verarbeiten, stand er lange in den Zügen und führte zu starken Geruchsbelästigungen. Letztendlich verkaufte man einen Großteil dieses ja für Sachsen notifizierten italienischen Mülls weiter nach Sachsen-Anhalt.

Meine Damen und Herren, das ist schlicht und ergreifend illegal! Keiner der wechselnden Umweltminister hier in diesem Lande hat diesen Fakt bisher eingeräumt, geschweige denn daraus Konsequenzen gezogen.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Noch heute fehlen für ein Drittel dieser Abfälle die Nachweise einer ordnungs- und umweltgerechten Entsorgung.

In der Wahl des Geschäftspartners hatte man auch nicht die glücklichste Hand. Gegen den Müllabnehmer ermitteln die sachsen-anhaltinischen Behörden. Fast 30 % der ins Nachbarland gelieferten italienischen Abfälle sind bis heute nicht wieder aufgetaucht.

Im Januar 2008 wurden wir von der Staatsregierung noch beruhigt. Auf meine mündliche Anfrage in der 100. Plenarsitzung am 25.01.2008 benannte Umweltminister Prof. Wöller nur eine Charge gemischter Siedlungsabfälle. Auch in der Sitzung des Umweltausschusses am 31. März 2008 wurden die Parlamentarier auf Anfrage informiert, dass es keine neuen Abfalllieferungen aus Kampanien nach Sachsen gebe. Wie erst später bekannt wurde, verschwieg der CDU-Umweltminister die zwei Notifizierungen mit der Abfallschlüsselnummer 19 05 01, die etwa gerade in diesem Zeitraum per Bahn das sächsische Gröbern erreichten. Genau diese, den Abgeordneten vorenthaltenen Notifizierungen sind nun Gegenstand italienischer Ermittlungsbehörden; denn in Kampanien war zum Zeitpunkt der Lieferung keine Anlage in der Lage, Abfälle dieser Art aufzubereiten. Ein abfahrbereiter Zug soll von der italienischen Militärspezialeinheit NOE wegen Beimischung unerlaubter Stoffe aufgehalten und zurückgewiesen worden sein.

Die Siedlungsabfälle, die dann in Sachsen ankamen, waren oft nicht mehr als Hausmüll zu erkennen. Von WEV-Angestellten wurden sie als das sogenannte Schwarze bezeichnet. Einige Chargen enthielten zudem noch schwach radioaktive Abfälle medizinischer Herkunft.

Im November 2008 berichteten das ZDF-Magazin „Frontal 21“ sowie das MDR-Magazin „Exakt“ über die Missstände. So seien Verwertungsangaben von den sächsischen Abfallbehörden nachträglich geändert worden. Dieses Dokument wurde uns auf unser Drängen hin Ende Januar 2009 zur Verfügung gestellt.

Es ist deutlich erkennbar, dass die Endverwendung in Cröbern nachträglich handschriftlich verändert wurde. Meine Damen und Herren, dies ist erklärungsbedürftig. Die Notifizierung ist ein amtliches Dokument mit dem Zweck, Ursprungsort, Transportweg und Endverbleib sowie die Verwertung des Abfalls zu dokumentieren und nachzuweisen. Wer hat hier warum manipuliert? Waren sächsische Abfallbehörden – hier das Regierungspräsidium Dresden – etwa in korrupte Machenschaften der Mafia und der WEV eingebunden?

Herr Staatsminister, ich sage es Ihnen sehr deutlich: Solange Sie mir nicht schlüssig den Endverbleib des Italienmülls erklären und solange Sie mir nicht die Manipulation auf den Notifizierungsdokumenten erklären, so lange steht der Verdacht einer vorsätzlichen, illegalen Abfallbeseitigung mit der Verwicklung von Behördenmitarbeitern im Raum. Weichen Sie mir nicht aus! Hören Sie auf mit der Schönrederei! Klären Sie diese Sachverhalte auf und ziehen Sie endlich daraus Konsequenzen!

Doch dies ist nicht der einzige Fall. Ich greife jetzt den anderen Fall auf, mit dem wir uns in diesem Haus auch schon öfter auseinandersetzen mussten: Abfallimmobilisierungsanlage Pohritzsch. Diese Abfallimmobilisierungsanlage bindet hochgiftige Filteraschen aus Müllverbrennungsanlagen an Trägermaterialien. Ziel ist eine Ablagerung auf Deponien geringerer Deponieklassen, die natürlich günstiger ist. Mit dieser Immobilisierung kann man viel Geld verdienen.

Dort, wo solche gefährlichen Abfälle verarbeitet werden, dürfen keine Stäube nach außen gelangen. Diese Anlage staubt aber dermaßen, dass sich eine Dreckschicht auf den umgebenden Wegen ansammelt.

Umweltminister Wöller antwortete mir aber dennoch wie immer abwiegelnd: „Die Anlage wird durch das Regierungspräsidium Leipzig regelmäßig überwacht. Zur Sammlung von Staubproben in der Umgebung der Anlage gibt es keine Veranlassung.“

Dann waren es wieder Umweltverbände und besorgte Bürger, die den Stein ins Rollen gebracht haben. Bodenproben der Deutschen Umwelthilfe zeigten hohe Grenzwertüberschreitungen: für Blei um das 6,9-Fache und für Kadmium und Chrom um das 1,1-Fache. Das sind Schwermetalle, die ziemlich giftig sind.

Erst jetzt wurden sächsische Umweltbehörden tätig. Das Landratsamt stellte nun auch – jetzt erst! – eine erhebliche Kontamination der Straßenbankette fest und erließ folgerichtig – dankenswerterweise, richtigerweise – eine nachträgliche Anordnung nach § 17 des BundesImmissionsschutzgesetzes. Auch das LfUG setzte endlich eine Überwachung durch und bestätigte diese Überschreitung bei den Depositionswerten von Blei und Kadmium.

Meine Damen und Herren! Wir dachten ja alle, das Problem sei gelöst. Aber mir liegt eine neue Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe vom Januar 2010 vor – vor wenigen Tagen bei mir eingegangen –, die eben

wiederum eine Überschreitung gerade bei Blei und Kadmium feststellt.

Ich frage mich schon: Offensichtlich reichen die nachträglichen Anordnungen des Landratsamtes Nordsachsen nicht aus. Offensichtlich greift das Umweltministerium immer noch nicht durch und stellt sicher, dass hierbei die Grenzwerte eingehalten werden. Offensichtlich ist die Anlage bezüglich Blei und Kadmium technisch nicht zur Bindung in der Lage.

Ich weiß, Herr Staatsminister, es gibt ein anderes Gutachten. Das betrifft aber nicht Blei und Kadmium.

Meine Damen und Herren! In den Abfallbehandlungs- und Recyclinganlagen Sachsens brannte es von 2003 bis zum Sommer 2007 in 58 Fällen. Dabei wurden große Mengen Abfälle unsachgemäß entsorgt. Große Mengen an Schadstoffen gelangten in die Luft und es entstanden enorme Sachschäden. In circa einem Drittel der Fälle liegt Brandstiftung vor. Das haben Sie selbst so beantwortet.

So war es auch beim Brand der CED in Chemnitz im Sommer 2007, dem einen oder anderen vielleicht noch dadurch bekannt, dass dort stundenlang eine kilometerlange Rauchsäule über Chemnitz gestanden hat.

Immerhin konnte unser Antrag im Landtag die Staatsregierung zur Einsetzung einer interministeriellen Arbeitsgruppe und zu einer Sonderprüfung von 208 Anlagen veranlassen. In Auswertung dieser Kontrollen – so haben Sie, Herr Staatsminister Kupfer, mir geantwortet – sei auf dem Erlasswege sichergestellt worden, dass bei Neuanlagen künftig der vorbeugende Brandschutz eine wichtige Rolle spiele. Da fragt man sich natürlich: War das bisher nicht der Fall? Aber sei es drum.

Sie, Herr Kupfer, haben mir nun im Dezember auf eine erneute Anfrage bestätigt, dass nach dem Abschluss der Sonderüberwachung ab dem 1. Januar 2008 in zwei Jahren nicht weniger als 28 weitere Brände in Abfallbehandlungsrecyclinganlagen aufgetreten sind. Wiederum in der Hälfte der Fälle lag nachgewiesenermaßen Brandstiftung vor. Ich fasse zusammen: Mindestens seit 2003 brennt es ein- bis zweimal im Monat in sächsischen Recyclinganlagen. Die Sonderüberwachungen haben also nichts gebracht. Ich sage auch, nach wie vor ist für mich der Verdacht nicht ausgeräumt, dass die Brandstiftungen der sogenannten warmen Entsorgung dienen, um Kosten zu sparen.

Meine Damen und Herren! Ich stelle jetzt vor dem weitgehend geleerten Plenum des Sächsischen Landtages fest: Auch hier ist die Staatsregierung nicht in der Lage, einen sicheren Betrieb durchzusetzen. Sollen wir uns etwa mit monatlichen Bränden abfinden? Ich meine, Herr Kupfer, Sie sollten endlich einmal beginnen, Ihre Aufgaben ernst zu nehmen. Ich freue mich auf Ihre heutige Stellungnahme. Angesichts der Fülle der notwendigen Informationen wird die Zeit sicher nicht ausreichen. Wir haben uns deswegen entschlossen, nicht einfach einen Antrag zu stellen, sondern wir wollen Sie auffordern, hier eine Fachregierungserklärung abzugeben. Dann hätten Sie

genügend Zeit, die notwendig ist, hier die Sachverhalte in der Fülle darzulegen. Wir hier im Plenum hätten auch Zeit, dieses gravierende Problem der sächsischen Politik ausführlich zu erörtern. Ich fordere Sie dazu auf, kneifen Sie nicht, nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr! Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Herr Lichdi, Sie haben den Antrag Ihrer Fraktion eingebracht. Als nächster Redner ist Herr Hippold von der CDUFraktion gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben uns heute zum wiederholten Male mit einem Antrag der GRÜNEN zur Überwachung von Deponien, Lagern und Abfallbehandlungsanlagen in Sachsen, den Abfallimporten und den angeblich illegalen Abfallablagerungen zu befassen.

In der Begründung ihres Antrages beklagen die GRÜNEN eine unzureichende Information zu den genannten Sachverhalten. Wie ich Ihnen nachfolgend darlegen möchte, ist diese Aussage nachweislich falsch. Dazu nur ein paar Zahlen: Seit dem Jahr 2007 wurde durch die Staatsregierung in insgesamt fast 160 Kleinen Anfragen, in einer Großen Anfrage, zu 19 mündlichen Anfragen und in einer Plenardebatte umfassend informiert.

(Christian Piwarz, CDU: Das scheint bei einigen immer noch nicht zu reichen!)

So scheint es zu sein.

Des Weiteren erfolgte eine Information des SMUL in insgesamt zwölf Ausschusssitzungen. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN! Wo waren Sie eigentlich in den letzten Jahren, als die Staatsregierung häufig aufgrund Ihrer Anfragen berichtet hat?

Sieht man sich nun einmal die unzähligen Kleinen Anfragen in Verbindung mit diesem Antrag genau an, so wiederholen sich die Fragen mehrfach. Dies lässt mich zu dem Schluss kommen, dass man entweder die Antworten nicht gelesen hat, nicht versteht oder nicht verstehen will.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Oder sie waren unvollständig!)

Möglicherweise ging den GRÜNEN aufgrund der Fülle der Unterlagen auch zwischenzeitlich der Überblick verloren. Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass, egal wie sachlich und umfangreich die Fragen beantwortet werden, mancher Abgeordnete der GRÜNEN erst dann zufrieden sein wird, wenn die Antworten das beinhalten, was er hören will. Sie zeichnen ein Bild von der sächsischen Abfallwirtschaft, das nicht den Tatsachen entspricht.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hippold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Lichdi?

Nein, ich würde gerne zusammenhängend vortragen. Danke.

Wo Verstöße aufgetreten sind, ist die Staatsanwaltschaft tätig. Da soll sie auch tätig werden und unlautere Sachverhalte aufklären, denn diese können nicht geduldet werden. Als die illegale Abfallentsorgung in Tongruben anderer Bundesländer öffentlich wurde, erfolgten umfangreiche Untersuchungen. Mir ist nicht bekannt, dass dabei auch Fälle in Sachsen aufgedeckt wurden. Dies zeigt die hohe Qualität und den guten Standard, den die sächsische Abfallwirtschaft zwischenzeitlich erreicht hat.

Ich bin davon überzeugt, dass wir eine funktionierende Umweltverwaltung haben. Es wird immer schwarze Schafe geben, die versuchen, geltendes Recht zu missachten. In solchen Fällen wird sachlich ermittelt und aufgeklärt, wobei die Abfallüberwachungsbehörden und die Strafverfolgungsbehörden eng miteinander zusammenarbeiten. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt allerdings für jede Person in unserem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung.

Eine sachgerechte Kontrolle durch das Parlament ist wichtig, keine Frage. Allerdings halte ich es für wenig sachgerecht, immer wieder Vorgänge aufzulisten, die schon längst abgeschlossen sind. Ich halte es für ebenso wenig sachgerecht, zu Vorgängen zu berichten, die noch Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen sind. Im Übrigen dürfen aus juristischen Gründen hierzu keine Aussagen gemacht werden.

Mit Ihren falschen Behauptungen werden Staatsanwälte, Bürgermeister und Geschäftsführer von Entsorgungsunternehmen und Abfallverbänden völlig unbegründet in Misskredit gebracht. Bedenken Sie bitte bei Ihren Äußerungen, dass die fachgerechte Entsorgung und Verwertung von Abfällen in Sachsen wichtige Arbeitsplätze bei unserem Mittelstand sichert. Sie nehmen offensichtlich in Kauf, dass durch Ihre pauschalen Vermutungen viele dieser Betriebe und Arbeitsplätze existenziell bedroht werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren der GRÜNEN! Sie haben offensichtlich aus dem Fall des Spargelhofes Kyhna, den Sie mit Ihren Äußerungen fast um seine Existenz gebracht haben, nichts gelernt.

Meine Damen und Herren! Ich selbst habe in den zurückliegenden zehn Jahren mehrere Deponiebauvorhaben als Ingenieur betreut. Außerdem war und bin ich von Berufs wegen mit der Verwertung und Entsorgung von Reststoffen und Abfällen befasst. Ich kann Ihnen versichern, dass unsere Behörden eine gute Arbeit leisten. Dies belegen auch zahlreiche Berichte unserer Ermittlungsbehörden.

Die Abfallüberwachung in Sachsen ist ausreichend. Die Forderung der GRÜNEN nach einem Ausbau der Über

wachung ist nicht zu rechtfertigen, passt aber in das allgemeine Bild des Misstrauens, dem mit noch mehr Überwachung entgegengewirkt werden soll. Ich bin davon überzeugt, dass durch die hohen Standards in der Abfallwirtschaft Sachsens keinerlei Gefährdungen der Umwelt zu befürchten sind und eine umfangreiche Aufklärung der aufgetretenen Fälle durch das SMUL und die Justiz stattgefunden hat bzw. stattfinden wird.