Ich habe nur eine kurze Zwischenfrage, vielleicht auch eine Frage zum Verständnis: Haben Sie soeben ernsthaft von einer Steuererleichterung für das Hotel- und Bordellgewerbe gesprochen?
Vor allem aber werden in anderen Bundesländern die freien Radios aus dem Etat der Landesmedienanstalten finanziert. Die Kosten werden vollständig oder zum überwiegenden Teil übernommen, weil in diesen Ländern offensichtlich der politische Wille dafür da ist und weil in diesen Ländern auch Politiker der Union sehen, dass die Bürgermedien ein wichtiger Teil der demokratischen Rundfunkkultur sind. Es geht also.
Das dritte Argument, welches gegen diese Förderung angeführt wird, ist das der Verbreitungswege. Es sei ausreichend, wenn die freien Radios nur noch digital über das Internet Verbreitung finden würden. Das sei die Zukunftstechnologie. Deswegen könne man schon jetzt umstellen. Um mit Herrn Plasberg zu reden: Wo Politik auf Realität trifft, gehört es dazu einzuschätzen, dass derzeit die Mehrzahl der Nutzer noch kein Internetradio nutzen und deshalb dieser Schritt noch mindestens fünf Jahre zu früh käme und wir den Radios die Mehrzahl ihrer Hörer nähmen.
Es geht also abschließend darum: Ist die sächsische Regierungskoalition der Auffassung, dass die Förderung von Meinungsvielfalt, bürgerschaftlichem Engagement und Partizipation eine gesellschaftliche Aufgabe ist? Wenn ja, dann steht sie jetzt in der Pflicht, den entsprechenden ordnungspolitischen Rahmen zu schaffen.
Wir hatten bis zum letzten Jahr eine Sondersituation. Jetzt gilt es, Verantwortung dafür zu übernehmen – wie es auch im Rundfunkstaatsvertrag verankert ist –, die nichtkommerziellen lokalen Rundfunksender – also die freien Radios – zu fördern und dies Eingang in unsere sächsische Gesetzgebung finden zu lassen. Es ist möglich. Machen wir also den Weg frei.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien zu überweisen. Wer möchte seine Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
1. Lesung des Entwurfs Gesetz über die Kennzeichnungs- und Ausweisungspflicht der Bediensteten der Polizei
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen, dass die Polizei bürgernah und transparent handelt. Das ist ein Ziel, bei dem sich vermutlich alle demokratischen Fraktionen hier im Hause einig sind.
Der Staat darf den Bürgerinnen und Bürgern nicht anonym gegenübertreten – besonders dort, wo er das staatliche Gewaltmonopol innehat, ausübt und ausüben soll. Mit unserem Gesetzentwurf schlagen wir Ihnen einen konkreten Schritt für mehr Bürgernähe und Transparenz vor. Wir wollen, dass das polizeiliche Handeln den handelnden Personen auch zugeordnet werden kann. Man kann es auch mit einem Zitat aus dem Europäischen Kodex der Polizeiethik, der am 19. September 2001 vom Ministerkomitee als Empfehlung für die Mitgliedsstaaten beschlossen wurde, sagen – ich zitiere –: „Die Bediensteten der Polizei sind auf jeder Ebene für ihre eigenen Handlungen oder Unterlassungen sowie für ihre Anweisungen an ihre Untergebenen persönlich verantwortlich.“ Diese müssen ihnen auch zuordenbar sein.
Wie sieht das nach geltendem sächsischem Recht aus? Nach Sächsischem Polizeigesetz haben sich auf Verlangen des Betroffenen Bedienstete der Polizei bei der Durchführung von Polizeimaßnahmen auszuweisen. Ja, das gilt aber schon nicht mehr, wenn – so steht es im Gesetz – es die Umstände nicht mehr zulassen. Ob die Umstände es zulassen oder nicht, bleibt allein der Entscheidung der Polizei überlassen. Nachprüfungen und Konkretisierungen sind nicht vorgeschrieben. Wir finden das nicht ausreichend.
Jeder Polizist, der bereits jetzt vorbildlich handelt und auf freiwilliger Basis ein Namensschild trägt, verdient unsere
Anerkennung. Es ist aber nicht der vorgeschriebene Standard. Unverbindlichkeit genügt im Rechtsstaat nicht.
Besonders betrifft es die Situation in den sogenannten geschlossenen Einheiten – bei Großeinsätzen, von denen heute schon viel die Rede war, zum Beispiel vor Demonstrationen oder Fußballspielen. Hier agieren Polizistinnen und Polizisten oft sehr schnell und in großen Gruppen. Sehr oft sind sie nicht individuell erkennbar. Sie müssen Helme tragen oder sich schützen. Sie tragen bisher nur die Gesamtkennzeichnung ihrer Einheiten.
Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir einerseits die Pflicht zum Tragen von Namens- und Dienstschildern für alle Angehörigen der Polizei einführen. Das betrifft übrigens auch die kommunalen Polizeibehörden und die Ordnungsämter. Andererseits wollen wir für die geschlossenen Einheiten individualisierte Kennzeichen einführen.
Wir meinen, dass dadurch das Ansehen und die Bürgernähe der Polizei gestärkt werden. Gerade bei den Einsätzen der geschlossenen Einheiten kann es zu einer sogenannten erhöhten Eingriffsintensität und leider auch zu unzulässigen Ausübungen von Gewalt der Polizei gegen Dritte kommen. In diesen Fällen – das sind Einzelfälle – ist nur so eine Überprüfung möglich.
Bisher können sich beschuldigte Polizistinnen und Polizisten in der Gruppe auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Das soll auch so bleiben. Mögliche Opfer können aber – oft Monate danach – nicht beschreiben, wer ihnen gegenüber gehandelt hat. Weder eine innerdienstliche noch eine gerichtliche Überprüfung ist möglich.
Wir greifen damit eine langjährige Forderung an den Sächsischen Landtag von Menschenrechtsorganisationen und nicht zuletzt auch von Petenten auf.
Das Argument, dass dadurch die Gefahr von Denunziationen gegen die Polizistinnen und Polizisten erhöht würde,
ist falsch. Es ist sicher richtig, dass Polizisten in schwierige Situationen kommen, wenn sie angegriffen und bedroht werden. Allerdings ist auch die unzulässige Anzeige einer Straftat eine Straftat – eine bewusste falsche Verdächtigung. Das ist nicht hinnehmbar.
Unterstellen Sie uns bitte kein generelles Misstrauen gegen die Polizei. Das Gegenteil ist der Fall. Wir stempeln niemanden zu einem Gewalttäter ab und stellen ihn unter Generalverdacht. Es ist die fehlende Zurechenbarkeit, die den Eindruck erwecken könnte, dass es den Bürgern schwer gemacht wird, polizeiliches Handeln überprüfen zu lassen. Die Rechtswegegarantie ist eine demokratische Selbstverständlichkeit.
Ich betone noch einmal: Wir wollen Polizeiarbeit transparent und bürgernah machen. Dadurch wollen wir das Ansehen der Polizei stärken.
In der Antwort auf eine Anfrage des Kollegen Lichdi mit der Drucksachennummer 4/13401 bekam dieser folgende Antwort: Im Jahr 2008 gab es in Sachsen 81 Ermittlungsverfahren gegen Polizistinnen und Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. Leider konnte uns nicht mitgeteilt werden, wie viele davon und aus welchem Grund eingestellt wurden.
Eine unzulässige Ausübung von Gewalt durch die Polizei ist ein Einzelereignis: Hier gilt aber auch, dass jeder Fall einer zu viel ist. Das Interesse an der Aufklärung ist deshalb groß, weil ein staatliches Gewaltmonopol ausgeübt wird.
Unser Gesetzentwurf sieht selbstverständlich einen weiten Ausnahmebestand vor. Zum Zweck des Polizeieinsatzes oder zum Schutz von Leib, Leben und Freiheit von Personen, Polizisten und ihren Angehörigen können Ausnahmen gemacht werden. Allerdings – anders als bisher – müssen diese einzelfallbezogen entschieden und schriftlich dokumentiert werden. Herr Kollege Hartmann von der CDU hat es in der Aktuellen Stunde an anderer Stelle gesagt: Eine Erweiterung der Dokumentationspflichten ist durchaus sinnvoll und macht die Nachprüfbarkeit durch Betroffene innerdienstlich oder gerichtlich möglich.
Datenschutz für Angehörige der Polizei ist uns sehr wichtig. Unser Vorschlag ist deshalb, dass Einzelheiten und Umsetzung der neuen Kennzeichnungs- und Ausweisungspflicht durch die Regierung über eine Rechtsverordnung mit Zustimmung des Datenschutzbeauftragten erlassen werden, dessen Kompetenz einfließen muss und soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Kennzeichnungs- und Ausweisungspflicht wird derzeit in verschiedenen Bundesländern diskutiert und wohl auch eingeführt. Sie wird überall dort diskutiert, wo es den Willen gibt, Polizeiarbeit modern und transparent zu gestalten.
Dieses Hohe Haus beschäftigt sich dennoch nicht zum ersten Mal damit. Bereits bei der Beschlussempfehlung des Innenausschusses im Sächsischen Landtag zum ersten Sächsischen Polizeigesetz 1991 war eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten vorgeschlagen worden. Damals war es übrigens ein Antrag der FDP-Fraktion, den die GRÜNEN unterstützt haben. Leider wurde sie auf Antrag der CDU in der letzten Beratung im Sächsischen Landtag herausgestrichen.
Diese Diskussion – unmittelbar nach der friedlichen Revolution – greifen wir nun auf. Der Freistaat Sachsen kann und sollte eine Vorreiterrolle in Transparenz und Bürgernähe wahrnehmen.
In diesem Sinne wünschen wir unserem Gesetzentwurf eine sachliche und offene Diskussion im Parlament, in der Polizei und Bürgerschaft.
Meine Damen und Herren! Es ist die Überweisung an den Innenausschuss vorgesehen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist die Überweisung beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.