Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, erteile ich jetzt der Ministerin das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin Clauß.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zwei Forderungen wurden in dieser Debatte laut: die Forderung nach mehr Geld und die Forderung nach mehr staatlicher Aktivität. Beiden Forderungen sind wir schon lange vor diesen Anträgen nachgekommen. Das hat auch die Debatte gezeigt.
Wir sind diesen Forderungen bezüglich der finanziellen Höhe nachgekommen, wobei die Förderung zum Teil auch über Ihre Forderung hinausgeht. Denn seit 2004 ist die Staatsregierung gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen in der Analyse und bei der Bekämpfung des Ärztemangels aktiv. Mittlerweile sind wir anerkanntermaßen das aktivste und kreativste Bundesland, wenn es um die Maßnahmen gegen den Ärztemangel geht. Wir werden darin nicht nachlassen.
Dafür, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, nimmt die Staatsregierung einiges an Geld in die Hand. Ich nenne hier nur wenige Beispiele.
Wenn sich ein Arzt in einem offenen Planungsgebiet bzw. in Gebieten mit drohender Unterversorgung niederlassen will und dafür ein Darlehen braucht, gibt der Freistaat Sachsen dafür Zinszuschüsse. Seit 2004 sind dafür im sogenannten Gründungs- und Wachstumsprogramm für circa 600 Ärzte Beträge in Millionenhöhe geflossen. Gemeinsam mit der Krankenkasse und der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen haben wir ein eigenes Förderprogramm für Medizinstudenten aufgelegt.
Ja, ich betone das noch einmal, weil es nicht selbstverständlich war und weil wir mit viel Widerstand auch vom Bundesausschuss gerechnet haben. Wir haben es trotzdem durchgesetzt, aber das geht nur gemeinsam.
Immerhin sind es 50 Studierende, die wir hiermit fördern und die sich verpflichten, nach dem Studium in die unterdurchschnittlich versorgten Regionen Sachsens zu gehen.
Darüber hinaus bietet der Freistaat Sachsen eine gezielte Förderung für niederlassungswillige Hautärzte, Kinderärzte und Nervenärzte in offenen Planungsbereichen an. Hier könnte – ich sage: könnte – ein Investitionszuschuss bis zu 35 % der förderfähigen Kosten abgerufen werden, und zwar bis maximal 200 000 Euro. Ich sage nochmals „könnte“, denn zu diesem Programm – eine entsprechende Frage wurde schon gestellt – wurde bisher kein Antrag eingereicht.
Ja, nun werden Sie entgegnen, es sei eben das falsche Programm, oder „Sehen Sie!“. Aber da muss ich Sie enttäuschen.
Denn auch über die genannten Sicherstellungszuschläge der KV konnten in den Gebieten mit drohender Unterversorgung nur wenige Ärzte angeworben werden. Hier gab es immerhin bis zu 60 000 Euro für eine Niederlassung, also noch 10 000 Euro mehr, als in diesem Antrag gefordert.
Die Staatsregierung weiß – und damit sind wir nicht allein –, dass dies auch ein Indiz dafür ist, dass es eben nicht nur vom Geld abhängt, ob sich eine Ärztin oder ein Arzt niederlässt oder nicht. Deshalb lehnen wir es auch ab, einfach jetzt noch mehr Geld in diese Programme zu investieren. Das ist nicht nur finanzpolitisch, sondern auch ordnungspolitisch konsequent; denn, meine Damen und Herren, ich darf nochmals daran erinnern: Nicht der Freistaat Sachsen, sondern die Kassenärztliche Vereinigung muss die ambulante ärztliche Versorgung sicherstellen.
Allerdings halten wir es in Sachsen für selbstverständlich, dass wir uns dieser Herausforderung partnerschaftlich und gemeinsam stellen. Diese partnerschaftliche Zusammenarbeit macht es mir auch leicht, auf den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu antworten. Sie fordert darin, dass die Staatsregierung die Aufsicht über die Geschäftsführung des Landesausschusses wahrnehmen soll und auf eine Prüfung des zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs in nicht unterversorgten Planungsbereichen hinwirken muss.
Ich muss Sie darauf hinweisen, dass sich unsere diesbezügliche Rechtsaufsicht lediglich auf die Geschäftsführung, also auf die organisatorische Seite der Arbeit, erstreckt. Inhaltliche Vorgaben sind nicht durch die Rechtsaufsicht abgedeckt. Gleichwohl sind wir natürlich in einer engen Zusammenarbeit mit dem Landesausschuss, und ich kann Ihnen versichern, dass eine Einflussnahme unsererseits gar nicht nötig wäre, denn der Landesausschuss hat bereits gehandelt. Er hat sich in seinen Sitzungen im Juni und im November 2008 und außerdem im August 2009 mit dieser Regelung und deren Umsetzung in Sachsen befasst, und er hat sich – vorerst! – gegen eine Umsetzung dieser Regelung entschieden.
Das hat folgende Gründe: Für die Umsetzung dieser Regelung fehlen noch die bundeseinheitlichen Definitionen der einzelnen Parameter. Über diese Definitionen wird noch immer im Bundesausschuss debattiert, damit ein einheitliches Vorgehen in den Ländern gewährleistet wird. Außerdem gibt es bereits eine Möglichkeit, auf solche lokalen Brennpunkte einzugehen; denn auch ohne die neue Bundesregelung kann der Landesausschuss bereits heute für Planungsbereiche oder für Teile von Planungsbereichen Unterversorgung bzw. drohende Unterversorgung feststellen. Diese Möglichkeit hat der Landesausschuss seit 2004 in Abstimmung mit dem SMS konsequent genutzt.
Der sächsische Landesausschuss war damit bundesweit der erste, der Sicherstellungsmaßnahmen für Gebiete mit hoher Unterversorgung beschlossen hat. Er war auch der
Darüber hinaus kämpft Herr Dr. Heckemann als Vorsitzender der sächsischen Kassenärztlichen Vereinigung bereits seit über zwei Jahren dafür, dass der demografische Faktor in die Bedarfsplanung integriert wird. Erfreulicherweise hat der Bundesausschuss das aufgegriffen und diskutiert eine entsprechende Änderung der Bedarfsplanungsrichtlinie. Diese neue Bedarfsplanung ist jetzt für das Frühjahr avisiert worden. Die inhaltliche Kritik am Landesausschuss ist also nicht gerechtfertigt. Er hat bereits gehandelt, als in Berlin noch einmal das Gesetz geschrieben wurde, auf das Sie sich jetzt beziehen.
Meine Damen, meine Herren, in der Debatte ging es um mehr Geld, um mehr Einflussnahme und um mehr Niederlassungsmöglichkeiten. Die Realität zeigt uns: Niederlassungswillige Ärzte sind Mangelware, und zwar gerade im ländlichen Raum. Da sind Entgelt und Niederlassungsmöglichkeiten nur eine Seite der Medaille. Dazu liegen schon viele Studien vor. Auf der anderen Seite brauchen wir gute Ideen und ein Zusammenstehen aller wichtigen Akteure, zum Beispiel auch des Ärztenetzwerkes Sachsen. Hier arbeiten Kassenärztliche Vereinigung, Landesärztekammer und, was ganz wichtig ist, Städte- und Gemeindetag und Landkreistag mit. Sie alle sitzen an einem Tisch.
Das sind die Wege, die wir gemeinsam weiter gehen müssen. Das Carus Consilium wurde genannt und vieles andere mehr. Auf dem Chefärztekongress Mitteldeutschland, auf dem ich kürzlich gewesen bin, wurde Sachsen wieder als das Land erwähnt, das letztlich Vorbild für die anderen neuen Bundesländer ist.
Ich bin außerordentlich froh, dass wir es in den vergangenen Jahren geschafft haben, ein Klima zu erzeugen, in dem alle Akteure gemeinsam gegen den Ärztemangel vorgehen. Das muss auch so bleiben; denn die Herausforderungen werden nicht geringer. Der demografische Wandel wurde hier schon genannt.
Die Sächsische Staatsregierung lässt sich vom Landesausschuss, von der Kassenärztlichen Vereinigung und von den Krankenkassen fortlaufend über den Sachstand der ärztlichen Versorgung sowie über die eingeleitenden Maßnahmen unterrichten. Die Staatsregierung hat in zahlreichen Debatten und in Kleinen Anfragen immer wieder über die einzelnen Maßnahmen informiert, und das wird sie auch weiterhin tun.
Was die Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung anbelangt, so werden wir sehr wohl unsere sächsischen Kerninteressen einbringen.
Zur neuen Honorarverordnung möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass ich bereits im Sommer die damalige Bundesministerin Frau Schmidt und jetzt auch wieder den Herrn Bundesminister angeschrieben habe. Ich erwarte diesbezüglich eine Antwort.
Wir kommen nun zu den Schlussworten. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Dr. Pellmann, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Staatsministerin, ich will eines ausdrücklich voranstellen: Ich persönlich bin durchaus bereit, Ihr Engagement anzuerkennen. Es ist vielleicht, wenn das ein Vertreter der Opposition sagt, nicht üblich.
Ich sehe das Problem darin, dass wir in dem System, in dem wir uns befinden, nicht wesentlich weiterkommen. Schauen wir uns das Ganze einmal an, wird deutlich, dass wir uns trotz aller Bemühungen die Frage stellen müssen: Warum haben wir trotz dieser Bemühungen, die ich nicht für ausreichend halte – das hatte ich bereits erwähnt –, die Trendwende nicht erreicht? Deswegen muss man eine weitere Frage stellen: Was ist jetzt zu tun? Dazu sage ich: Was Sie bisher getan haben und kurzzeitig angedacht wurde, ist nicht ausreichend.
Natürlich ist uns klar, dass wir mit unserem heute eingebrachten Antrag nicht den Ärztemangel auf einen Schlag beseitigen können. Das wäre nur ein Stein im Mosaik. Das ist völlig klar. Wir brauchen – Frau Staatsministerin, Sie haben dazu in Ihrer Rede den Auftrag gegeben – ein Zusammenspiel aller Beteiligten. Ansonsten kommen wir in dieser Sache nicht weiter.
Wenn ich Sie für Ihr persönliches Engagement gelobt habe, so möchte ich doch auf eines in diesem Zusammenhang nicht verzichten. Frau Schütz hat – wenngleich auch zwischen den Zeilen – alles, was in den letzten Tagen durch die Zeitungen gegangen ist, als Einzelmeinung abgetan. Ich weiß nicht, ob es eine Einzelmeinung ist.
Eines weiß ich: Eine Kopfpauschale wird von uns niemals unterstützt. Sie können es auch Kopfprämie nennen. Für mich ist das der klassische Begriff der Kopfpauschale. Jeder Ossi kann sich darunter etwas vorstellen. Bei einer solchen Prämie – das haben uns erst die Freunde aus Westdeutschland beigebracht – hat man zu Ostzeiten etwas bekommen. So war das. Sie versuchen uns ständig zu verwirren. Wir aber passen auf.
Ich sage Ihnen eines: Eine Kopfpauschale ist das Unsozialste, was ich mir bisher in der Krankenversicherung vorstellen kann. Sie können schreien, wie Sie wollen. Die Frau Staatsministerin hat zwar keine Bürgerversicherung gefordert. Das kann ich von ihr auch nicht erwarten.
Mir ist klar, dass Sie das nicht machen können. Dafür habe ich Verständnis. Wenn Sie wenigstens sagen würden, dass wir die gesetzliche Krankenversicherung erhalten wollen, hätten Sie dafür meine Unterstützung. Ich sage Ihnen, verehrte Herrschaften – –
Ja, Frau Präsidentin, ich komme zu meinem letzten Satz. Insofern ist die FDP neben dem Etikett, das sie erworben hat, als Partei des Wortbruches mehr und mehr dabei, die CDU als Partei der sozialen Schieflage und der sozialen Abbrüche zu überholen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Vorbereitung auf diese Debatte habe ich natürlich die Debatten der letzten Jahre gelesen. Ich muss sagen, dass ich nicht besonders überrascht bin, dass seit fünf oder mehr Jahren die gleichen Muster bedient werden. Das heißt, dass die Linken mehr staatliches Handeln fordern. Die CDU referiert die Maßnahmen des Freistaates. Die SPD bleibt relativ moderat. Nur eine Partei hat sich um 180 Grad gedreht: Die FDP referiert nun auch die Maßnahmen des Freistaates und stellt sie heraus. Frau Schütz, all die Maßnahmen, die Sie aufgezählt haben, gab es schon, als Sie noch in der Opposition waren.
Frau Clauß, Tatsache ist, dass die Förderungen, die ich – auch sehr positiv – herausgestellt habe, nur greifen, wenn wir einen Bedarf an Ärzten ausweisen. Die Bedarfsplanungsrichtlinie bietet uns die Möglichkeit dazu.
Die Aktivitäten des Freistaates sind sehr breit angelegt. Das halte ich für richtig. Frau Clauß, ich möchte Folgendes erwähnen: Sie haben auf eine Anfrage – gestellt von Herrn Dr. Pellmann und Frau Dr. Pinka – mitgeteilt, dass es durchaus in der Staatsregierung selbst noch Hemmnisse in Bezug auf die Ausbildung im Medizinstudium gibt. Sie haben einen Katalog aufgestellt, was alles von unserem Wissenschaftsministerium ergriffen werden müsse, damit wir mehr Mediziner bekommen. Es gibt durchaus noch Hausaufgaben zu erledigen.