Protokoll der Sitzung vom 18.09.2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Mitte Mai und Juni aufgedeckte Überwachungsskandal hat uns in seinen Ausmaßen überrascht. Uns wurde drastisch vor Augen geführt, vor welchen Herausforderungen wir im digitalen Zeitalter, im Zeitalter der Kommunikation mit vielen verschiedenen Möglichkeiten und auf vielen verschiedenen Wegen, stehen.

Das digitale Zeitalter erlaubt es eben auch, mit Programmen wie „Tempora“ oder „PRISM“ millionenfach Telekommunikationsdaten von Bürgern weltweit abzuschöpfen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird zur Makulatur, weil wir überhaupt nicht mehr beeinflussen können, wo und wann diese Programme eingesetzt werden.

Es ist das Verdienst von Edward Snowden, uns diese Überwachung vor Augen geführt zu haben. Wir dürfen aber eines nicht vergessen: Edward Snowden hat die Gesetze seines Landes gebrochen. Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir sogenannte Whistleblower als Helden bezeichnen. Wir brauchen auch loyale Beamte, die in der Lage sind, ihre Verschwiegenheitsverpflichtungen, die sie gegenüber dem Staat abgegeben haben, einzuhalten.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Lieber ein paar mehr Edward Snowden als loyale Beamte!)

Meine Damen und Herren! Der beste Schutz vor der Ausspähung von Daten ist es, diese erst gar nicht zu erheben. Daher wundert es mich, dass ausgerechnet die GRÜNEN heute diesen Antrag stellen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ausgerechnet!)

Wer hat die verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung beschlossen, die größte Sammlung personenbezogener Bewegungs- und Verbindungsdaten aller Zeiten? – RotGrün.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Wer hat mit der Spiegel-Datei aller Bankkonten und aller Verfügungsberechtigten beim Bundesamt für Finanzen eine der größten Sammlungen von Bankdaten eingeführt? – Rot-Grün.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das war Schwarz-Rot!)

Wer hat die größte Datenerfassung für Arbeitnehmer beschlossen, das sogenannte ELENA-Verfahren, damals noch unter dem harmlosen Namen JobCard? – Rot-Grün. Alle Daten von Arbeitnehmern, ihre Einkommen, ihre Sozialversicherungsdaten, hätten auf einem zentralen Server gelegen, der nur einmal von Organisationen außerhalb unseres Landes gehackt hätte werden müssen, und alle Daten wären weg gewesen. Das wäre Ihre Verantwortung gewesen, weil Sie diese Systeme geschaffen haben. Es war diese Bundesregierung, die genau dieses System abgeschafft hat.

(Beifall des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Meine Damen und Herren! Wundern Sie sich nicht, wenn ausländische Nachrichtendienste auf unsere Daten zugreifen, wenn wir ihnen diese Daten auf einem Silbertablett servieren.

Auf Antrag der Fraktion der GRÜNEN sollen wir jetzt die Auswirkungen der NSA-Affäre auf den Freistaat Sachsen beleuchten. Die GRÜNEN nutzen die Affäre – Herr Lichdi hat wieder einmal eine seiner Wahlkampfreden gehalten –, um dieses Thema noch vor der Bundestagswahl möglichst gewinnbringend auszuschlachten. Ihre Forderungen sind aber unrealistisch. Wie soll die Sächsische Staatsregierung bis zum 31. Oktober 2013 eine Information bekommen, ob, und wenn ja, wie viele sächsische Bürger oder Betriebe ausgespäht wurden? Das müssen Sie mir einmal erklären! Meinen Sie, dass die Sächsische Staatskanzlei eine E-Mail an Obama schreibt, bitte teile uns das mit, und dann kommt eine fette ExcelTabelle mit den Worten „Dear Stanislaw“, und darin steht dann alles? In welcher Welt leben Sie eigentlich?

Damit nicht genug: In Ihrem Antrag schreiben Sie auch noch, dass die Sächsische Staatsregierung Beihilfe geleistet habe, indem öffentliche Stellen des Freistaates Sachsen mitgemacht hätten. Beihilfe setzt doch voraus, dass das überhaupt bekannt ist. Es muss erst einmal klar sein, was

getan wird, dass es rechtswidrig ist, und man muss einen Vorsatz haben, dabei mitzumachen. Für all das haben Sie keinerlei Indizien bzw. Beweise geliefert.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Was die Forderung des Sächsischen Datenschutzbeauftragen angeht: Selbstverständlich nehmen wir die Forderungen des Sächsischen Datenschutzbeauftragten vom 1. Juli 2000 ernst. Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, diese auch umzusetzen. Aber dazu brauchen wir keinen Oppositionsantrag. Wir nehmen den Datenschutzbeauftragten immer ernst.

(Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Der Datenschutz ist für uns ein sehr hohes Gut, denn es sind die Daten des Bürgers und nicht des Staates. Der Staat muss sich dafür rechtfertigen, wenn er unsere Daten nutzen will.

Etwas besser ist schon der Antrag von der Fraktion DIE LINKE. Hier wird zwar mit deutlich mehr Sachinteresse und mehr Fachkunde gearbeitet, aber auch hier ist es die Orientierung, die manchmal fehlt. Eine eingehende Untersuchung, inwieweit die sächsischen Bürger, die Unternehmen und deren Kommunikation vor rechtsstaatswidrigen Zugriffen geschützt werden können, ist der Staatsregierung schlicht und einfach nicht möglich, weil jedes Unternehmen selbst dafür verantwortlich ist, welche IT sie anschafft, welche Sicherungsprogramme sie nutzt und wie sie sich vor Zugriffen schützt. Jedes Unternehmen ist frei, seine Kommunikationswege und die Speicherorte seiner Datenorte zu bestimmen.

Ich begrüße ausdrücklich die Initiative von zwei großen deutschen Telekommunikationsunternehmen, die festgelegt haben, dass der Austausch ihrer E-Mails künftig über verschlüsselte kryptische Leitungen erfolgt. Das ist der richtige Weg.

Wichtig ist meines Erachtens die Information jedes Einzelnen darüber, mit welchen Programmen und welchen Mitteln man sich davor schützen kann, ausgespäht zu werden. Das ist mir in dem Antrag der GRÜNEN entschieden zu kurz gekommen. In betont grüner Manier wird hier wieder sofort nach dem Staat gerufen, der es richten soll, anstatt zu sagen: Jeder hat erst einmal eine Selbstverantwortung. Wie viele Unternehmen verschicken unverschlüsselte E-Mails, obwohl über das PGP-Verfahren sehr einfache, sehr sichere und sehr kostengünstige Verfahren zur Verfügung stehen? Das ist doch der Punkt, auf den man erst einmal hinweisen muss.

Ich sage Ihnen ganz eindeutig: Es ist auch die Sache jedes Einzelnen, inwieweit er bereit ist, Daten preiszugeben. Ich reise sehr gern, aber in ein Land reise ich nicht. Das sind die USA. Ein Land, das alle Einreisenden unter Generalverdacht stellt, das von jedem Einreisenden seine Fingerabdrücke nimmt wie von einem Schwerstkriminellen, ein

Land, das sich vorab die Kreditkarten mailen lässt, damit man überhaupt hineinkommt. In ein solches Land fahre ich nicht. Wenn man dieses Zeichen noch einmal deutlicher setzen würde, auch von vielen anderen, dann würde vielleicht auch einmal ein gewisses Umdenken eintreten.

(Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Klaus Bartel, DIE LINKE, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Eine Überprüfung sämtlicher Verwaltungs- und Verfahrensabläufe im Verbundnetz Sachsen wird derzeit vorgenommen. Der Staatsminister hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen.

Es ist für uns wichtig, dass wir alles dafür tun, damit die Daten, die wir in Sachsen erheben und zu denen wir dem Bürger Pflichten auferlegen, uns diese Daten zu liefern, auch in Sachsen gehostet werden, dass die Datenleitungen sicher sind und dass wir die Daten vor Zugriffen schützen. Ich denke, das Staatsministerium der Justiz und für Europa ist auf einem guten Weg, um hierbei einen sehr guten Standard zu gewährleisten.

Ich möchte auch eines betonen: Viele von den Sachen, über die wir uns hier unterhalten, sind Geheimdienstsachen. Ich werde meine Möglichkeiten in der PKK nutzen, um zu erörtern, welche Möglichkeiten tatsächlich genutzt wurden und ob das in rechtsstaatlicher Art und Weise erfolgt. Das ist eine geheime Veranstaltung, aber ich werde meinen Teil dafür tun.

Wir haben uns an vielen Punkten in der Regierung im Freistaat Sachsen, aber auch in der Bundesregierung dagegen verwahrt, Datenkraken einzubauen und entsprechende Zugriffsmöglichkeiten zu schaffen – nicht immer zur Freude unseres Koalitionspartners. Es war die liberale Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die sich auch nach dem Regierungswechsel konsequent dagegen gesperrt hat, eine neue Vorratsdatenspeicherung einzuführen. Wir sind hart geblieben. Ein massenhaftes Aufbewahren von Telekommunikationsverbindungen wird es mit uns nicht geben, auch wenn viele Konservative das gern gesehen hätten.

Auch in Sachsen haben wir die Belange des Datenschutzes hochgehängt. Im Gegensatz zu manch anderem – auch rot-grün regiertem – Bundesland gibt es bei uns keine präventive Telekommunikationsüberwachung im Polizeigesetz. Im Polizeigesetz wurde auch keine Kennzeichenerfassung, sondern lediglich eine Kennzeichenerkennung in bestimmten Einzelfällen aufgenommen. Auch das war unbequem für unseren Koalitionspartner. Aber beim Thema Datenschutz müssen wir sehr genau darauf achten, was wir machen, weil es die Rechte des Einzelnen sind, die wir hier zu schützen haben.

Aus diesen Gründen sind die beiden vorliegenden Anträge meines Erachtens nicht geeignet, angemessen auf die Affären zu reagieren. Deshalb wird meine Fraktion diese Anträge ablehnen.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Für die FDP-Fraktion hatte Herr Kollege Biesok das Wort. – Für die Fraktion der NPD spricht jetzt Herr Löffler.

(Präsidentenwechsel)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in dieser Debatte viel gehört über die verschiedenen Details der Datensicherheit und die notwendigen Maßnahmen gegen die Ausspähung der Kommunikation durch die NSA und andere Geheimdienste. Auch die NPD-Fraktion teilt selbstverständlich das Anliegen, die Datensicherheit zu stärken und das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung zu verteidigen.

Wenig gesagt wurde leider zum Hintergrund der Ausspähaktionen durch die NSA und andere sogenannte westliche Verbündete gegen deutsche Behörden, Unternehmen und Bürger auf deutschem Hoheitsgebiet, also dem theoretischen Schutzgebiet des Grundgesetzes. Zunächst gilt mein Dank noch einmal Edward Snowden, der die üblen Geheimdienstmachenschaften der USA öffentlich machte.

(Beifall bei der NPD)

Nicht derjenige, der massivste Verstöße gegen grundgesetzlich verbriefte Rechte offenbart hat, ist nach unserem Verständnis ein Rechtsbrecher, der weltweit gejagt werden sollte, sondern diejenigen, die das Recht in unvorstellbarem Ausmaß mit Füßen treten, gehören zur Verantwortung gezogen, und Snowden ist das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Asyl bei offensichtlich politisch motivierter Verfolgung zu gewähren.

(Beifall bei der NPD)

Dieser mutige Mann, dem nicht nur wir Deutschen zu großem Dank verpflichtet sind, hat die unglaublichen Abhörmachenschaften der USA in der ganzen Welt offenbart. Wären wir Nationaldemokraten mit dieser Behauptung an die Öffentlichkeit gegangen, hätte man es in bekannter Blockparteienmanier als Verschwörungstheorie abgetan.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das stimmt!)

Während anderswo die Vollüberwachung der internetbasierten Kommunikation als Problem wirklich ernstgenommen wird, hat man in Deutschland – zumindest bei CDU und CSU – den Eindruck, dass man im Grunde so weitermachen will wie bisher.

Besonders lächerlich wirkte der Auftritt von Kanzleramtsminister Pofalla, der treuherzig beteuerte, dass die USA der Regierung versichert hätten, dass alles in Ordnung sei und man das deshalb auch Obama & Co. glaube.

(Jürgen Gansel, NPD: Halleluja!)

Dieses Verhalten zeigt, dass die Bundesrepublik auch über 20 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht souverän ist.

(Beifall bei der NPD)

Kein anderes Land in der EU wird so aktiv überwacht wie Deutschland. Unser Land wird nach wie vor als Feindstaat behandelt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Feindstaatenklauseln der UNO-Charta noch in Kraft sind oder ob sie durch die Resolution 50/52 aus dem Jahr 1995 außer Kraft gesetzt wurden.

Es ist eine offenkundige Tatsache, dass sowohl die USA als auch die Bundesregierung zumindest faktisch davon ausgehen, dass dieses Land weiterhin besetzt ist. Das Völkerrecht spielt dabei nur ganz am Rande eine Rolle. Es geht vielmehr um die Mentalität, mit der die Herrschenden in Washington und in Berlin mit dem Thema NSA-Überwachung umgehen.

Geradezu lächerlich ist der jetzt zu hörende Ruf nach dem Staatsanwalt, der dieser milliardenfachen Ausspähung nachgehen soll. Was soll dieser arme Mann denn machen, wenn es überhaupt zu einer ernsthaften Untersuchung kommen sollte? Präsident Obama verhaften? – Nein, das sind durchsichtige Manöver nach dem Motto: „Haltet den Dieb!“

Natürlich teilt die NPD-Fraktion das Anliegen der vorliegenden Anträge und nicht zuletzt jene Forderungen, die sich auf das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz und dessen mögliche Übermittlung von Daten an andere Geheimdienste beziehen. Die dazu vorliegenden Antworten der Staatsregierung auf die Anfragen verschiedener Abgeordneter sind für uns bisher nicht überzeugend.