Protokoll der Sitzung vom 19.09.2013

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Biesok?

Selbstverständlich.

Bitte, Herr Kollege Lichdi.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr Kollege! Sie haben gerade, wenn ich Sie recht verstanden habe, Richter aus dem Landgericht Bautzen für ihr Eintreten für den Erhalt des Landgerichts Bautzen kritisiert. Darf ich Sie fragen, ob Sie damit den

Kollegen Gatz – damals Präsident des Landgerichts Bautzen – gemeint haben, der bekanntlich von diesem Hause zum stellvertretenden Verfassungsrichter am Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen gewählt worden ist? Haben Sie diesen Kollegen gemeint?

Herr Kollege Lichdi, ich habe mit dieser Bemerkung sowohl den Kollegen Gatz gemeint, der meines Erachtens die Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit überschritten hat, und genauso einen Kollegen, der meint, im Rahmen seiner richterlichen Unabhängigkeit Verfahren aussetzen zu können, weil er der Auffassung ist, die Zuständigkeit des Gerichts sei nicht mehr gegeben, bzw. weil er die Entscheidung, dass er nicht mehr ein eigenes Gericht, sondern nur noch eine Außenstelle hat, nicht teilt. Diese Richter meine ich in der Tat.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich bedanke mich sehr herzlich für diese klaren Ausführungen. Ich denke, wir werden sie zu bewerten wissen.

Lassen Sie mich noch etwas klarstellen: Herr Bartl, Sie haben wieder versucht den Eindruck zu erwecken, die sächsische Justiz sei nicht unabhängig. Das möchte ich sehr deutlich zurückweisen; denn das ist falsch. Die Justiz im Freistaat Sachsen ist durch und durch unabhängig. Die von der Opposition so gern apostrophierten „sächsischen Verhältnisse“ gibt es einfach nicht. Entsprechende Vorwürfe sind falsch, sie sind Polemik.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Sie sind es hingegen – zusammen mit vielen anderen Oppositionspolitikern –, die eine politische Justiz indirekt bevorzugen, wenn Sie bei Straftaten zwischen denen von Linksextremen und denen von Rechtsextremen unterscheiden wollen. Wenn es Ihnen politisch passt, soll eingegriffen und sollen Verfahren eingestellt werden.

Meine Damen und Herren! Die Justiz ist auch in Sachsen unabhängig. Dazu gehört es, dass man, auch wenn man ein Grundanliegen moralisch teilt, trotzdem anerkennt, dass es strafrechtlich relevant ist und der Täter entsprechend bestraft werden muss.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Eine Justiz, in die die Politik mal eingreift und mal nicht, je nachdem, wie es opportun erscheint, wird es in Sachsen nicht geben und wird es insbesondere mit einem liberalen Justizminister nicht geben.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

In der öffentlichen Debatte über die Justiz werden oftmals die Anwälte vergessen. Ich bin froh und glücklich, dass der Justizminister auch deren Funktion hervorgehoben hat, möchte das aber gern noch etwas verstärken. Anwälte

sind unabhängige Organe der Rechtspflege. Es ist eine hohe Errungenschaft des Rechtsstaates, dass jedem Bürger – gleich, ob er einen zivilen Anspruch durchsetzen bzw. sich gegen diesen verteidigen muss oder ob ihn ein strafrechtlicher Vorwurf trifft – ein faires Verfahren zusteht. Gerade im Strafverfahren geht es um persönliche Freiheit. Es geht um Schuld oder Unschuld, um Rehabilitation oder gesellschaftlichen Totalabsturz. Das faire Verfahren gewährleisten unabhängige Rechtsanwälte.

Nehmen wir nur das Strafverfahren: Der Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren – später: der Angeklagte – steht dem Staat mit dessen gesamtem Machtapparat allein gegenüber. Nur zwei Beispiele: An der Durchsuchung gegen Mitarbeiter der Leipziger Firma Unister waren nach Auskunft der Sächsischen Staatsregierung drei Staatsanwälte, 70 Polizeibeamte, 38 Finanzbeamte und drei Gutachter einer IT-Firma beteiligt. Gegen Vorstände der Sachsen LB ermittelt die Leipziger Staatsanwaltschaft seit dem Jahr 2007. Erst in diesem Jahr wurde die Anklageschrift fertiggestellt, weil die Thematik so komplex ist. Hier muss eine effektive Strafverteidigung die Rechte der Beschuldigten und der Angeklagten wahren.

Wenn nunmehr der Präsident des Landgerichts Dresden, Herr Häfner, öffentlich fordert, Anwälten einen finanziellen Anreiz zu geben, wenn sie das Verfahren beschleunigen, dann legt einer der obersten Vertreter der Justiz im Freistaat Sachsen die Axt an die Wurzeln des Rechtsstaates.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Beifall der Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Der Präsident des größten Landgerichts in Sachsen ruft dazu auf, einem Organ der Rechtspflege die Wahrnehmung der Rechte seiner Mandanten abzukaufen. Dem muss man entschieden entgegentreten, und das sage ich auch ausdrücklich im Rahmen der Debatte über eine Fachregierungserklärung. Das kann man nicht tolerieren, das darf man nicht dulden. Man muss gleich am Anfang sagen: Rechte von Mandanten sind nicht verkäuflich.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Kommen wir zum Justizvollzug. Ich höre oft den Satz: „Opferschutz geht vor Täterschutz.“ Ich halte diesen Satz für falsch. Opfer sind zu schützen. Täter – auch vermeintliche Täter – haben Grundrechte, und diese haben wir zu wahren. Über diesen Punkt werde ich nicht diskutieren. Egal, wer angeklagt ist und weswegen er verurteilt wird – ich werde ihm nicht seinen Grundrechtebestand entziehen, sondern ihm seine Rechte weiterhin gewährleisten. Das ist auch eine Verpflichtung aus unserer Verfassung. Für die Beachtung dieses Grundsatzes werden wir weiterhin eintreten.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb haben wir auch bei dem Gesetzesmarathon zu dem Untersuchungshaftvollzugsgesetz, dem Jugendstraf

vollzugsgesetz, dem Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz, dem Therapieunterbringungsgesetz und dem Strafvollzugsgesetz immer wieder versucht, die Rechte beider Seiten in Einklang zu bringen. Einerseits sind die Opferrechte zu beachten; andererseits ist immer zu beachten, dass wir es bei den Tätern mit Menschen zu tun haben, die wir menschenwürdig behandeln müssen. Wir haben das oberste Ziel – insoweit stimme ich mit Marko Schiemann im Ergebnis überein –, sie zu resozialisieren.

Deshalb zieht sich durch unsere Gesetzesvorhaben eine rote Linie. Die rote Linie ist der Gedanke, dass nicht nur der Schutz der Bevölkerung eine Aufgabe des Justizvollzugs ist und dass der Justizvollzug nicht nur schlicht und einfach eine Aufbewahrung, eine Verwahrung von Menschen ist, um sie dafür zu bestrafen, dass sie kriminell waren, sondern dass wir sie resozialisieren müssen, damit sie wieder ein vollständiger und wertvoller Bestandteil unserer Gesellschaft werden, damit sie befähigt werden, künftig ein Leben ohne Straftaten zu führen.

Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade die Hilfestellungen bei Sucht- und Schuldenproblematiken gestärkt haben. Die Koalitionsfraktionen haben dies mit ihren Anträgen für den Entwurf des Haushaltsplans 2013/2014 gestärkt. Allein die ehrenamtliche Betreuung haben wir gestärkt, indem wir hierfür zusätzlich zum Regierungsentwurf Mittel in Höhe von 33 000 Euro zur Verfügung gestellt haben.

Im Bereich der Suchthilfe haben wir ebenfalls zusätzliche Mittel aufgebracht und damit die Möglichkeit geschaffen, dass wieder neue Verträge abgeschlossen werden und Beratung möglich ist. Die alten Ansätze, die wir hatten, reichen für qualifizierte Kräfte nicht mehr aus.

Wir haben auch eine Diskussion innerhalb unterschiedlicher Ressorts beendet, indem wir klargestellt haben, dass für den Bereich der Insolvenz- und Schuldnerberatung in den Justizvollzugsanstalten Mittel in Höhe von 380 000 Euro zur Verfügung stehen, damit die Leute, die dort einsitzen, ihre Schuldenprobleme in den Griff bekommen. Das ist richtige Resozialisierung.

Bei den Gesetzen haben wir ferner ein Augenmerk darauf gelegt, dass das sogenannte Übergangsmanagement beim Übergang von der Haftanstalt in das normale Leben erleichtert wird und dass wir Kooperationspartner finden, um diese Menschen aufzufangen, wenn sie die Anstalt verlassen.

Diese Integration muss möglichst frühzeitig und mit einer breiten Palette von Maßnahmen begleitet werden. Dafür haben wir einiges getan.

Lassen Sie mich noch etwas zu dem Punkt sagen, über den hier diskutiert wurde, die angebliche Privatisierung der sächsischen Justiz. Ich hatte das eigentlich gar nicht vorgesehen, aber das ist ein Punkt, der hier völlig überspitzt dargestellt wurde.

Lassen Sie uns überlegen, was wir jetzt ausgeschrieben haben: Wir haben den Sicherheitsdienst bei der Einlasskontrolle ausgeschrieben. Wenn hier der Eindruck er

weckt wird, dass private Sicherheitsdienste die Aufgaben von Wachtmeistern übernehmen würden, dann ist das völlig falsch. Private Sicherheitsdienste werden lediglich die Einlasskontrolle durchführen, die es bis zu dem Anschlag hier in Dresden überhaupt nicht gegeben hat.

Es ist für mich überhaupt kein Unterschied, ob ich auf einem Flughafen ein Flugzeug davor schützen muss, dass es Terroristen kapern und entführen, oder ob ich eine Kontrolle durchführe, damit niemand ein Messer oder eine Pistole mit in ein Gericht bringt. Beides machen Private, die von staatlicher Hand beliehen werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Klaus Bartl, DIE LINKE: Fliegen ist freiwillig! In ein Gericht gehe ich, weil ich muss! – Sabine Friedel, SPD: Einmal nachdenken beim Reden!)

Die anderen Aufgaben, für die die Justizwachtmeister ausgebildet sind und für die sie eine Qualifikation besitzen, werden weiterhin von Beamten wahrgenommen, und das ist auch gut so.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Biesok?

Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Biesok, können Sie die Tätigkeiten, die die privaten Sicherheitsdienste an den Eingangsschleusen der Gerichte durchführen sollen, näher beschreiben? Sind das diejenigen, die neben diesem Tor, neben diesem Detektor, stehen, oder sind es auch diejenigen, die dann, wenn der Detektor anschlägt, also ein Verdacht auf Waffen oder metallene Gegenstände besteht, die entsprechende Person auch durchsuchen?

(Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Nein!)

Was sind die Befugnisse dieser Personen?

(Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Keine Befugnisse! Verwaltungshelfer!)

Soweit ich informiert bin, führen sie keine Durchsuchungen durch, sondern sie sind Verwaltungshelfer bei diesen Kontrollen. Wie gesagt: Ich werde auch am Flughafen regelmäßig abgetastet, und zwar von Privaten. Das ist manchmal auch unangenehm.

Die stehen dort also herum, oder was?

Sie stehen dort nicht herum, sie führen Taschenkontrollen durch.

Sie führen also Taschenkontrollen durch. Führen sie auch Durchsuchungen von Personen durch?

(Christian Piwarz, CDU: Ist das ein Frage-Antwort-Spiel? Seit wann ist er dafür verantwortlich!)

Das ist jetzt die letzte Frage gewesen.