Im vorliegenden Antrag wird unverantwortlich mit den Ängsten der Menschen gespielt, und die Ablehnung von allem, was fremd erscheint, wird geschürt. So einfach darf es sich ein Parlament aber nicht machen. Um dem Thema gerecht zu werden, muss man deutlich differenzieren.
Die CDU/FDP-Koalition steht klar zum Recht auf Asyl für politisch Verfolgte. Wer die Werte von Freiheit und Demokratie glaubhaft vermitteln möchte, kommt nicht daran vorbei, sich denen gegenüber solidarisch zu zeigen, die in ihrer Heimat nicht sicher leben können. Menschen, die vertrieben wurden oder verfolgt werden und täglich um ihr Leben fürchten müssen, müssen in einem geordneten Verfahren bei uns Schutz finden dürfen.
Andererseits ist natürlich auch klar, dass unser Wohlfahrtsstaat keine Zuwanderung allein aus wirtschaftlichen Gründen verkraften kann. Genau aus diesem Grund wurde 1993 von CDU und FDP auch gesetzlich reagiert und das Asylrecht auf politische Verfolgung beschränkt.
Uns ist selbstverständlich bewusst, dass die Probleme in Nord- und Zentralafrika nicht in Sachsen gelöst werden können. Dennoch sollten wir auch in Sachsen hinterfragen, ob es richtig ist, dass hoch qualifizierte Menschen während des Asylverfahrens dazu verdammt sind, ihren Alltag lediglich abzusitzen, statt einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen zu dürfen. Es sind rund 10 % der Asylbewerber, die einen Hochschulabschluss haben – das sind in Sachsen immerhin 500 Menschen –, und der Freistaat sucht händeringend nach Fachpersonal. Wir haben als ersten Schritt bereits die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse verbessert.
(Alexander Delle, NPD: Die, die gut qualifiziert sind, können bleiben, und die anderen können gehen!)
Anders als Sie sehen wir in Zuwanderern und Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, nicht die Risiken, sondern die Chancen. Hinterfragt werden kann aber auch, warum wir lieber Hilfspakete und militärische Unterstützung gen Süden schicken, anstatt Freihandel zu ermöglichen, der den Menschen und den Regionen hilft, sich schrittweise selbst aus ihrer Situation zu befreien und die wirtschaftliche Situation auf dem afrikanischen Kontinent zu verbessern.
Abschließend möchte ich noch daran erinnern, dass auch viele Deutsche einmal weltweit Asyl gesucht und gefunden haben, nämlich in der Zeit zwischen 1933 und 1945, als sie in ihrem Heimatland aus politischen und religiösen Gründen verfolgt wurden. Der gleiche Hass und dieselbe Xenophobie – für Sie: Fremdenhass –, die damals Ursache für die Verfolgung von Millionen von Menschen in Deutschland waren, sind auch noch heute keine Lösung für Probleme jeglicher Art, wie Sie es vorschlagen.
Ich empfehle Ihnen, meine Dame und meine Herren von der NPD: Gehen Sie mit Ihrem Hass zum Arzt. Vielleicht kann man Sie heilen. Aber versuchen Sie nicht, von Hass getrieben Politik zu machen. Wohin das führt, haben wir vor 80 Jahren schmerzhaft erfahren müssen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 2,5 % – das ist der Anteil von Migrantinnen und Migranten in Sachsen, und diese Zahl belegt eine Tatsache:
Es geht der NPD an dieser Stelle überhaupt nicht um die Sache. Es geht Ihnen nicht um Chemnitz oder um Integration oder sonst irgendetwas, sondern Ihnen geht es um ein
Zeichen in den eigenen Verband; denn nach all den Wahlniederlagen und Querelen schreiben Ihnen die eigenen Kameraden ja schon Briefe, und wir haben „pampig und cholerisch“ – das war ein Zitat – gerade eben hier vorn erlebt. Das ist eine ganz simple Geschichte: Wenn für die NPD nichts mehr geht – Rassismus geht immer,
um die eigenen Reihen zu schließen. Aber Sie werden uns an dieser Stelle nicht bekommen, weil wir wissen, wie wertvoll das Asylrecht für unsere Gesellschaft ist.
Wir können es humanistisch begründen, weil wir wissen und verstanden haben, dass wir dort, wo wir die Freiheit der Meinung durchsetzen wollen – und zwar nicht nur in Deutschland und in Europa –, ein universelles Menschenrecht anerkennen. Dann wissen wir automatisch, dass wir den Menschen, denen dies nicht zuteil wird, eine neue Heimat bieten und sie schützen müssen.
Wir wissen es aber auch aus einem christlichen Erbe heraus. Ich zitiere einmal aus der Charta von Groningen von 1987: „Flüchtlinge und Asylsuchende führen uns vor Augen, wie viel Gewalt und Unrecht auf der Welt herrschen. Die Belastungen und die Erschwernisse, die sich aus der Gewährung des Schutzes für Flüchtlinge ergeben, zu scheuen heißt, diese Gewalt und dieses Unrecht als ein Problem aller Menschen zu ignorieren.“ – Genau das werden wir nicht tun. Wir werden dieses Unrecht und diese Gewalt, die viele Menschen erfahren, nicht ignorieren.
Es ist – Kollege Karabinski hat es angedeutet – natürlich auch ein Erbe deutscher Geschichte. Ich möchte nur einmal aufzählen: Alfred Döblin, Oskar Maria Graf, Heinrich Mann, Albert Einstein – diese Liste könnte man endlos fortsetzen –, all das sind große Persönlichkeiten, die durch neonazistische Politik aus Deutschland vertrieben wurden, und man braucht keinen Kategorischen Imperativ von Kant, um zu verstehen, dass das, was Sie heute hier erklären, schlicht dem menschlichen Anstand widerspricht.
Ich möchte aber noch auf einen aktuellen politischen Punkt eingehen, den Sie gerade versuchen zu missbrauchen. Die humanitäre Katastrophe rund um Lampedusa ist ein menschliches Drama. Dort sterben Hunderte Menschen, und das ist nicht neu.
Seit 1990 starben über 15 000 Menschen an den europäischen Außengrenzen. Die Hälfte davon ertrank oder ist im Mittelmeer verschollen. Sie versuchen, aus diesem menschlichen Elend politisches Kapital zu schlagen. Sie missbrauchen diese Debatte. Dies wird zum Beispiel auch
ersichtlich, indem Sie mit finanziellen Begründungen argumentieren. Sie denken, dass man Menschenrechte in Geld aufwiegen kann. Das funktioniert nicht. Menschenrechte sind universell.
(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Holger Apfel, NPD: Komisch, dass das die Mehrheit der Bevölkerung genauso sieht und keine Zuwanderung will!)
Der richtige Weg ist eine europäische Debatte über europäische Asylpolitik, und ich freue mich ausdrücklich, dass es parteiübergreifend Zeichen gibt, dass wir uns darüber unterhalten müssen, was in unseren europäischen Grenzen passiert.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tragik von Lampedusa hat uns alle betroffen gemacht. Die Bilder haben uns unsere eigenen schmerzlichen Gewissenskonflikte vor Augen geführt; denn Lampedusa ist nur ein kleiner Ausschnitt einer globalen Flüchtlingstragödie.
45 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, davon allein eine Million syrische Kinder. Das ist einer der Gründe für die Verdreifachung der Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind.
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stiegen die Zahlen allein im letzten Monat nochmals um 20 % gegenüber dem Vormonat an. Die NPD setzt auf Panik und das ist falsch. Sehen wir den Realitäten ins Auge und handeln stattdessen mit besonnener Hand. Dafür brauchen wir zwei grundsätzliche Perspektivwechsel. Der erste erfordert zuallererst Mut. Wir müssen anerkennen, dass die Not der Welt so groß ist und dass sie zu groß für ein einzelnes Land ist. Das gilt für Italien, für Malta und auch für Deutschland. Es gilt sogar für ganz Europa. Deswegen müssen wir offen thematisieren, dass es einen Zusammenhang zwischen unserer europäischen Solidarität und den dafür zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln gibt. Erst wenn wir das tun, können wir darüber nachden
Was meine ich damit? Wir wissen zum Beispiel, dass die meisten Flüchtlinge über Schlepper nach Europa kommen. Wir machen damit unsere humanitäre Hilfe von denen abhängig, die aus der Not der Flüchtlinge Kapital schlagen. Ist es nicht an der Zeit, unsere Humanität unabhängig von der Schleppertätigkeit zu gestalten? Das ginge zum Beispiel, wenn die EU die deutsche Idee der freiwilligen Aufnahme von Flüchtlingen aus Bürgerkriegsregionen wie Syrien ausbaut. Darüber hinaus könnten wir generell über eine geregelte Zuwanderung nach Europa nachdenken. Es werden derzeit verschiedene Modelle diskutiert; ihnen ist gemeinsam, dass sie uns gestalten statt reagieren lassen.
Wie wäre es darüber hinaus mit der Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU im Verhältnis zur Größe der Mitgliedsstaaten, einem Königsteiner Schlüssel für Europa zur solidarischen Verteilung der Lasten, mit einem Europäischen Amt für Migration und Flüchtlinge? Brauchen wir in der EU nicht endlich gleiche Standards für die Aufnahme von Asylsuchenden?
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein weiterer Satz gehört zur vollen Wahrheit. Die Solidarität mit Flüchtlingen und die Begrenzung der Aufnahmezahlen in Europa gehören zusammen. Europa kann nicht
45 Millionen Flüchtlinge aufnehmen. Deutschland hat keine überwachten Außengrenzen. Die Begrenzung findet also für uns an der EU-Außengrenze statt oder gar nicht. Deshalb brauchen wir ordnungsstaatliche Maßnahmen an der EU-Außengrenze, um die Schleppertätigkeit wirksam einzuschränken – auch über Frontex.
Der zweite Perspektivwechsel betrifft den Umgang Deutschlands mit Asylsuchenden. Wir setzen seit 20 Jahren auf Vergrämung und hoffen, dass das die Flüchtlinge davon abschreckt, zu uns zu kommen. Wir wissen heute: Diese Strategie ist nicht nur inhuman, sondern sie funktioniert auch nicht. Ganz konkret: Bayern hat nicht weniger Flüchtlinge, weil es dort Essenspakete gibt. Flüchtlinge lassen sich nicht abschrecken, doch ihre Zermürbung wirkt sich negativ auf unsere eigene Gesellschaft aus.
Bedenken wir das Prinzip „innen gleich außen“: Je mehr Perspektivlosigkeit und dysfunktionales Verhalten in Flüchtlingsheimen vorherrscht, desto mehr Vandalismus und Kriminalität können in unserer Gesellschaft entstehen. Handeln wir also besonnen und beziehen die Asylsuchenden konstruktiv in unser gesellschaftliches Leben ein, solange sie bei und mit uns leben.