Ich erinnere mich noch an die Ausführungen des Verwaltungsdirektors des KSV, Herrn Andreas Werner, hier im Saal in der öffentlichen Anhörung, die zu diesem Verwaltungsneuordnungsgesetz am 4. September stattfand. Er sagte unter anderem Folgendes: „Stellen Sie sich einmal vor, nicht mehr drei verschiedene Bereiche in drei Regierungspräsidien, nicht mehr drei isolierte Sachgebiete im Referat Inneres mit jeweils drei, vier oder fünf Menschen in einer ansonsten riesigen Behörde und fachlich abgekoppelt. Ich denke, die Konzentration an einer Stelle beim KSV ist in jedem Fall ein Gewinn.“ Das Ergebnis kennen Sie alle: Ein riesiges Verwaltungsmonstrum ist entstanden.
Der überörtliche Sozialhilfeträger beim Landeswohlfahrtsverband wurde nur noch „unter anderem“ ein überörtlicher Sozialhilfeträger. Neben den Aufgaben nach dem Sozialhilferecht sind in einer Einrichtung nunmehr folgende Aufgaben konzentriert: die Aufgaben als überörtliche Betreuungsbehörde, Aufgaben der Sozialplanung, Aufgaben des Sozialpädagogischen Dienstes, Aufgaben zur Förderung nach dem SGB XI, Aufgaben des sozialen Managements, Aufgaben zur Erteilung einer Erlaubnis zum Führen einer Berufsbezeichnung in einem Gesundheitsberuf, Aufgaben zur Erbringung vorübergehender und gelegentlicher Dienstleistungen, Aufgaben zur Förderung nach dem Landesjugendhilfegesetz, Aufgaben nach dem Schwerbehindertenrecht, Aufgaben nach dem sozialen Entschädigungsrecht und seit diesem Jahr auch noch die Heimaufsicht. Meine Damen und Herren! Ich kann zu allen einzelnen Bereichen keine näheren Ausführungen machen; dazu reicht die Zeit nicht. Wer sich aber dafür interessiert, der kann gern auf die Homepage des KSV – ksv-sachsen.de – schauen. Es lohnt sich allemal.
Seit dem Jahr 2008 sind nun fünf Jahre vergangen. Wir sind der Ansicht, dass an diesem Punkt die Frage nach einer Evaluation zulässig sein muss. Es geht besonders um eine fachliche Prüfung und Bewertung der neuen Aufgabenstellung und der damit im Zusammenhang stehenden verwaltungsorganisatorischen Änderungen des Kommunalen Sozialverbandes.
Wir wollen wissen, ob die Effekte, die mit den damaligen Entscheidungen beabsichtigt waren, wirklich eingetreten sind. Was lief in den letzten fünf Jahren gut? Was lief anders als erwartet? Wird der KSV den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, tatsächlich gerecht? Kann er das überhaupt unter den ihm vorgegebenen Maßgaben? Wir wollen ebenfalls wissen, wie der KSV die gepriesene
Bürgernähe wirklich gestaltet. Welche Erfahrungen lassen sich für andere Bereiche weitervermitteln? Wie lange dauert die durchschnittliche Bearbeitung eines Antrags beim KSV? Wie viele Widerspruchs- und Klageverfahren sind anhängig? Wie verlief die Entwicklung der Rechtsbehelfsverfahren? Ist der KSV tatsächlich so effizient, wie erhofft? Im sozialen Entschädigungsrecht beispielsweise sind immer noch über 300 Verfahren unerledigt. Schließlich ist die Frage zu stellen und zu beantworten, ob es möglicherweise andere Einrichtungen und Träger gibt, die bestimmte Aufgaben schneller und effektiver bearbeiten können.
Meine Damen und Herren! Es reicht eben nicht aus, sich auf die Schulter zu klopfen und mit Hilfe der Statistik zu posaunen, dass die Sozialhilfeausgaben im Freistaat Sachsen bundesweit weiter unter den durchschnittlichen Nettoausgaben liegen. Woran liegt das? Möglicherweise liegt es daran, dass Leistungen der Eingliederungshilfe für Bürgerinnen und Bürger bis 18 und über 65 Jahre nicht vom KSV, sondern von den Kommunen direkt erbracht werden und deswegen in der Statistik keine Rolle spielen – anders als in den anderen Bundesländern.
Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, dass gerade in diesem sensiblen Bereich verantwortungsbewusster gehandelt und die Gesamtheit in den Blick genommen werden sollte. Statistische Tricks sind hier nicht hilfreich, sondern eine klare Analyse ist notwendig.
Meine Damen und Herren! Jetzt möchte ich noch einige Bemerkungen zur Heimaufsicht machen. Ich erinnere an die Kritik des Sächsischen Rechnungshofes im Bericht von 2011: „Mit dem Übergang der Heimaufsicht auf den Kommunalen Sozialverband, der überörtlicher Träger der Sozialhilfe ist, besteht ab dem Jahr 2013 die Möglichkeit von Interessenkonflikten beim KSV, weil die Heimaufsicht und der überörtliche Träger der Sozialhilfe in einer Behörde vereinigt werden.“ Der Sächsische Rechnungshof empfahl damals – und unserer Auffassung nach auch zu Recht –, die organisatorische Trennung zwischen der Heimaufsicht und dem Träger der Sozialhilfe beizubehalten.
Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung ist hier anderer Auffassung. Außerdem sei die Heimaufsicht erst seit diesem Jahr 2013 beim KSV angesiedelt, und da könne man jetzt noch keine Entscheidungen treffen. Ich rate aber dringend zu klären, ob es nicht doch einen Interessenkonflikt gibt und hier die Entscheidungen wieder rückgängig gemacht werden müssen.
Insoweit erlaube ich mir noch folgende Bemerkung: Ich habe schon den Eindruck, dass sich die Staatsregierung in den vergangenen Jahren mit dem KSV eine Institution geschaffen hat, auf die sie unliebsame oder besonders schwierige Aufgaben übertragen kann. Wenn man dann einmal nachfragt, wie das eine oder andere Projekt läuft – ich will an dieser Stelle nicht wieder von der Allianz für Arbeit anfangen –, und konkrete Ergebnisse sehen will,
bekommt man Stellungnahmen, in denen zitiert wird oder Auskünfte gegeben werden, dass die geforderten Daten nicht erhoben werden oder der Staatsregierung keine Erkenntnisse vorliegen.
Meine Damen und Herren! Die Stellungnahme der Staatsregierung zum vorliegenden Antrag lässt leider im Grunde nur einen Schluss zu: Sie hat kein Interesse daran, zu prüfen, ob die von ihr getroffenen Maßnahmen überhaupt wie beabsichtigt Wirkung entfalten. Wie sonst lässt es sich erklären, dass es keine Übersicht über die Entwicklung der Fallzahlen der anderen Träger gibt? – Stattdessen solche Behauptungen, wie: Es ist zu erwarten, dass durch den Alterungsprozess und die steigende Lebenserwartung auch für ältere Menschen mit Behinderung weit über 65 Jahre hinaus zunehmend höhere finanzielle Belastungen auf die Träger der Sozialhilfe zukommen.
Der KSV führt zu dieser Problematik in seinem Gesamtkonzept an dieser Stelle, an der es um Angebote zur Absicherung von Versorgung und Möglichkeiten zur Teilhabe für ältere Menschen mit Behinderung geht, aus: „Dies wird umso wirkungsvoller möglich sein, je besser es gelingt, die vorhandenen Ressourcen des einzelnen Menschen mit Behinderung sowie die Ressourcen seines sozialen Nahfeldes, wie Angehörige oder Nachbarn, hierbei zu nutzen.“ Es tut mir leid, aber das ist doch genau der gleiche Text, den wir seit Jahren hören, wenn die Staatsregierung darüber spricht, wie sie die Herausforderungen des demografischen Wandels meistern will.
Wir sind der Meinung, nur über ehrenamtliches Engagement, sosehr auch wir dieses schätzen, werden die Probleme, die in diesem Bereich auf uns zukommen, nicht zu lösen sein; und dass ein Sozialhilfeträger, der eigentlich die Interessen seiner Klienten im Blick haben sollte, in das gleiche Horn bläst, kann ich persönlich absolut nicht nachvollziehen.
Meine Damen und Herren! Um es ganz klar zu sagen: Uns geht es in erster Linie nicht um den KSV als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern um die Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen
und/oder Sinnesbeeinträchtigungen, um die Menschen mit chronischen Erkrankungen, um die Menschen in häuslicher Umgebung oder im ambulanten oder stationären Bereich, die hilfe- und pflegebedürftig sind, um Menschen, die nach dem sozialen Entschädigungsrecht leistungsberechtigt sind, wie Opfer von Gewalt oder Impfgeschädigte oder Geschädigte nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Es geht um Menschen, die alle auch ein Recht auf ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben in unserer Gesellschaft haben.
Wird hier der Freistaat Sachsen seiner Verantwortung wirklich gerecht? – Nur eine umfassende Evaluierung der Tätigkeit und der Aufgabenverteilung des Kommunalen Sozialverbandes des Freistaates Sachsen wird diese Frage klären. Anhand der Ergebnisse der Evaluierung können wir dann darüber diskutieren, was wann und wie zu
ändern ist oder aber auch nicht. Aber ich denke, wir brauchen hier eine kritische Auseinandersetzung damit.
Ich bitte daher für die Mitglieder meiner Fraktion um Zustimmung zu unserem Antrag und Sie, Herr Wehner, noch einmal: Machen Sie es uns nach! Bei den wichtigen Dingen sollten wir eine gemeinsame Sprache sprechen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Thema ist die Evaluierung der Tätigkeit und der Aufgabenerledigung des Kommunalen Sozialverbandes des Freistaates Sachsen. Im Auftrag des Kreistages Mittelsachsen bin ich seit 1994 Mitglied der Verbandsversammlung des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen. Mit dem dadurch erworbenen Wissen, denke ich, kann ich an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und allen voran Herrn Werner, dem Direktor des Kommunalen Sozialverbandes, ganz herzlich für ihre engagierte und sozial verantwortliche Arbeit danken.
Sowohl die sachgerechte Daseinsvorsorge für die Betroffenen als auch der sehr verantwortungsvolle Umgang mit den finanziellen Mitteln, die hauptsächlich von den Kreisen und den kreisfreien Städten im Umlageverfahren erbracht werden, verdienen Respekt.
Gleich zu Beginn meiner Rede will ich für die CDU/FDPKoalition feststellen, dass wir für den Antrag der LINKEN keine wirkliche Notwendigkeit sehen, auch wenn Sie es sehr umfangreich begründet haben. Dazu komme ich noch.
Der Kommunale Sozialverband ist ein höherer Kommunalverband zur Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung auf dem Gebiet der überörtlichen Sozialhilfe. Solche höheren Kommunalverbände sind in der Bundesrepublik die Regel und nicht etwa die Ausnahme.
Bitte genau zuhören! Nichts anderes habe ich gesagt. – Ziel des Kommunalen Sozialverbandes ist es, sowohl fachlich als auch finanziell auszugleichen und damit über Kreisgrenzen hinaus ein bedarfsgerechtes und landeseinheitliches Leistungsangebot im gesamten Freistaat für den betroffenen Personenkreis zu gewährleisten. Bereits 2007 – Herr Wehner hat es gesagt – wurde in Vorbereitung der
Umsetzung des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes eine umfassende Prüfung der dem Kommunalen Sozialverband übertragenen und zu übertragenden Aufgaben vorgenommen.
Sie beantragen weiter Prüfung und Aufgabenkritik dahin gehend, welche der vom KSV derzeit wahrgenommenen Aufgaben unter Berücksichtigung des Kommunalisierungsgebots gemäß Artikel 84 und 85 in die unmittelbare Aufgabenverantwortung der Landkreise und kreisfreien Städte selbst übertragen werden können. Die Prüfung wurde vor der Umsetzung des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes vorgenommen und führte beispielsweise dazu, dass Leistungen der Kriegsopfervorsorge zum 01.08.2008 von den Landkreisen bzw. kreisfreien Städten auf den Kommunalen Sozialverband übertragen wurden.
Wir sollten es den Mitgliedskörperschaften überlassen, welche Aufgaben sie in eigener Zuständigkeit und welche sie über den Kommunalen Sozialverband erbringen. Der KSV Sachsen muss nicht nur keinen Vergleich mit ähnlich gelagerten Verbänden anderer Bundesländer scheuen, im Gegenteil, er könnte Maßstab für solche Vergleiche sein.
In den 19 Jahren meiner Mitgliedschaft in der Verbandsversammlung des KSV hat gerade die Leistungsfähigkeit des Verbandes immer wieder auf der Tagesordnung gestanden. Zahlen werde ich an dieser Stelle allerdings nicht nennen; denn diese sind – auch das hat Herr Wehner mir schon vorweggenommen – auf der Internetseite des KSV nachlesbar. Ich bin mir sicher, dass auch die antragstellende Fraktion diesen Datenbestand kennt.
Sie haben das bestätigt. Umso mehr verwundert es mich, dass wir heute noch mehr Abfrage wollen. Ich will versuchen, das zu verdeutlichen. Bedenken Sie den Kostenaufwand, den Bürokratieaufwand. Es ist immer leicht, von Bürokratieabbau und Reduzierung zu reden. Es fällt den Abgeordneten bisweilen schwer, es auch praktisch durchzuführen.
Gerade der Punkt 2 des Antrages fordert Darstellungen, die öffentlich zugänglich sind. Neben den umfangreichen Betrachtungen im Rahmen der Verwaltungs- und Funktionalreform 2008 möchte ich auch auf das Gutachten „Kommunaler Sozialausgleich für den Freistaat Sachsen“ der Firma con_sens, Consulting für Steuerung und soziale Entwicklung GmbH Hamburg aus dem Jahr 2012 verweisen. Damit liegen aus unserer Sicht ausreichend Daten und Fakten zum KSV Sachsen vor. Ihr Antrag ist somit nicht erforderlich.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Fallzahlen durch eine älter werdende Gesellschaft und der damit steigenden finanziellen Belastung der Träger der Sozialhilfe bleibt das Thema freilich sehr aktuell.
Herr Krasselt, kennen Sie auch die Schlussfolgerungen aus diesem Gutachten? Gerade deswegen wäre ja die Bewertung erforderlich.
Wir sehen es eben anders, Herr Wehner. Ich will Ihnen das überhaupt nicht abstreiten. Sie haben das, denke ich, ordentlich und ausführlich begründet, aber wir haben eine völlig andere Auffassung. Im Grundsatz sind wir für die Eigenständigkeit und für eigene Verantwortung, wohingegen ich bei der Linksfraktion immer wieder feststelle, dass Sie gern die Verantwortung zum Staat zurückziehen wollen. Ich denke, es sind Erkenntnisse aus der jüngeren Geschichte, dass genau das nicht funktioniert. Wir haben in den Staatsorganen nicht die besseren Leute sitzen. Ich kenne den KSV recht gut. Dort sitzen Fachleute, und die machen eine hervorragende Arbeit. Ich will es noch einmal wiederholen: Das Thema der Effektivitätssteigerung, der Leistungsbereitschaft ist immer Gegenstand der Verbandsversammlung.
Ich will einmal zu dem Thema der zukünftigen finanziellen Belastung zurückkommen. Das bleibt hochaktuell. Ich will aber auch davor warnen: Lösungsansätze allerdings, die intern eine Aufgabenverlagerung in Richtung Freistaat vorsehen, sind nicht zielführend. Der Freistaat kann die vom KSV wahrgenommenen Aufgaben keinesfalls effizienter erfüllen. Das ist meine ganz persönliche Überzeugung. Da mögen wir durchaus differenziert die Sache betrachten.
(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Da liegt ein Interessenkonflikt vor, das müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen!)
Es ist jetzt erst im ersten Jahr. Nun lassen Sie uns dieses Thema ausklammern und einmal zwei Jahre fortsetzen, nämlich gerade, weil der Landesrechnungshof – – Kann ich das als Frage werten, es ist nämlich meine Redezeit?