Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013

Diese Formulierung „Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters“ lässt sich eben nicht nur auf solche Fragen reduzieren, ob der Täter Mitglied einer rechtsextremistischen Partei ist oder ob während der Tat „Ausländer raus!“ gebrüllt wurde. Aber leider passiert es so immer wieder in Sachsen.

Die Tatumstände sind oftmals diffiziler, und sie wirken auf die Opfer und ihre Hinterbliebenen. Dies im Interesse einer Unterstützung für die Opfer aufzuarbeiten ist eine große und nicht zu unterschätzende Leistung der Opferberatungsstellen. Ich kann mich nur bedanken – bedanken in meinem persönlichen Namen als auch im Namen meiner Fraktion für diese Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitar

beiter der RAA im Interesse der Opfer im Angesicht des Leids, das ihnen widerfahren ist.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Es ist für diese Arbeit dringend notwendig, dass sich die Beratungsstellen auf eine gesicherte Ressourcenlage verlassen können. Immer wieder wird die Arbeit mit den Opfern durch den notwendigen Kampf um finanzielle Mittel gestört. Mitarbeiter und Mietverträge müssen gekündigt werden – aus unserer Sicht ein untragbarer Zustand. Dieser Zustand muss endlich im Interesse der Opfer beendet werden.

Meine Damen und Herren, bezüglich der mobilen Beratungsteams befürchtete ich besonders Schlimmes. Im Bericht der Expertenkommission zur Evaluation des Landesamtes für Verfassungsschutz, vorgestellt im Februar dieses Jahres, stand: „Ein Krisenunterstützungsteam im Verfassungsschutz, das mit besonders geschulten Mitarbeitern kurzfristig bei akuten Problemen in den Kommunen vor Ort helfen könnte, wäre hier eine Möglichkeit.“ – Ich befürchtete, dass damit die Arbeit der zivilgesellschaftlichen mobilen Beratungsteams ersetzt werden soll. Aufgrund der vielfältigen Fehleinschätzungen in den letzten Jahren durch das Landesamt für Verfassungsschutz wäre dies mit Sicherheit eine Katastrophe gewesen. Aber seit gestern ist wenigstens an diesem Punkt Entwarnung angesagt.

Im Bericht der Projektgruppe zur Umsetzung der Empfehlung der Expertenkommission, wie ihn der Innenminister gestern der Öffentlichkeit vorstellte, taucht das Thema Krisenunterstützungsteams nicht mehr so auf. In der Pressemitteilung von Herrn Ulbig heißt es ganz einfach: „Außerdem bietet der Verfassungsschutz Beratungsgespräche und Unterstützungsmaßnahmen für Kommunen und Träger an.“ – Im Bericht selbst findet man nun – Zitat –: „Als erfolgreiches Mittel haben sich die sogenannten Aktionsformen erwiesen, die bisher drei Mal – zwei Mal in Hoyerswerda und ein Mal in Geithain – behördliche und zivilgesellschaftliche Akteure zur gemeinsamen Lagebewertung und Erörterung von Maßnahmen zusammenführten.“

Zu den zivilgesellschaftlichen Akteuren gehören die mobilen Beratungsteams. Sie werden also gebraucht. Dann soll man sie auch in ihrer konkreten Arbeit unterstützen und nicht zu regelmäßigen Bittstellern um finanzielle Ressourcen reduzieren. Sie leisten eine notwendige Arbeit, die endlich verstetigt werden muss. Wir als LINKE halten eine Institutionalisierung der Beratungsnetzwerke, sowohl der für die Opfer rechter Gewalt als auch für die mobile Beratung, eigentlich für überfällig. Der Weg dahin scheint noch weit. Gehen wir heute aber erste Schritte und fordern wir gemeinsam die Staatsregierung auf, endlich zu handeln.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die SPD-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Hundert, wenn nicht sogar Tausend Menschen haben in den vergangenen Jahren in Sachsen Großartiges geleistet. Gemeinsam in vielfältigen Projekten, Netzwerken und vielseitigen lokalen Aktionsplänen, in Präventionsräten, in einer großen Vielfalt von Aktionsformen haben wir in manchen Regionen eine rechte Dominanzkultur gebrochen und einen Korridor für die Demokratie geschlagen.

(Andreas Storr, NPD: Staatlich alimentiert, ohne Staatsknete wäre das nicht gegangen!)

Wir haben in vielen Regionen wichtiges Terrain für die Zivilgesellschaft zurückgewonnen, Neonazis in ihre Schranken gewiesen und ihnen den Nährboden entzogen.

(Jürgen Gansel, NPD: Mit viel Staatsknete!)

Einer der wichtigen Eckpfeiler dieser positiven Entwicklung sind die Beratungsnetzwerke in Sachsen, und das seit über zehn Jahren. Auch der NSU-Untersuchungsausschuss stellt in seinem Abschlussbericht fest – ich zitiere –: „In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass professionelle Unterstützung von Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, wie sie durch die Opferberatungsstellen in freier Trägerschaft geleistet wird, unverzichtbar ist.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich im Namen der SPD-Fraktion dem Dank von Frau Köditz an diese Menschen anschließen, die oft auch unter einem gewissen persönlichen Risiko hier gearbeitet haben, die auf Hetzseiten der Neonazis gepostet wurden, vom „Nationalen Beobachter“ oder Ähnlichen mit Klarnamen und Telefonnummern und Adressen veröffentlicht wurden. Wer so standhaft ist, der hat unsere Unterstützung auch in Sachsen verdient.

Wie sieht das Ganze in Sachsen aus? Von Kontinuität sind wir in Sachsen seit Jahren weit entfernt. Auch in den letzten Jahren war es so, dass über die Haushalte und die Jahresgrenzen hinweg immer wieder eine Unsicherheit bestand. Wie soll kontinuierliche Arbeit funktionieren, wenn man in den letzten drei Monaten eines Jahres nicht weiß, wie es zum 01.01. weitergeht? Das sind keine verlässlichen Arbeitsbedingungen für solch eine wichtige Struktur. Auch das stellt der NSU-Untersuchungsausschuss-Abschlussbericht fest, der im Übrigen einstimmig auch mit der Unterstützung der CDU beschlossen wurde. Hier wird geschrieben: „Gesellschaftliche Projekte, die sich der Wahrnehmung dieser Verantwortung in besonderer Weise annehmen, bedürfen eines gewissen Maßes an Finanzierungssicherheit.“ Dies wäre auf bundesgesetzlicher Basis auch unter Einbeziehung der Länder zu gewährleisten.

Genau an dieser Sicherheit hapert es. Herr Kollege Jennerjahn hat die Entwicklung auf Bundesebene dargestellt. Ich weiß, der Weg nach Berlin ist lang. Auch Frau

Ministerin mag ab und zu eine Herde Elefanten auf der Leitung stehen haben. Aber spätestens seit dem 12. Juni 2013 können Sie sich nicht mehr herausreden. Auf eine Kleine Anfrage meiner Person haben Sie geantwortet: „Das Beratungsnetzwerk Sachsen ist Teil des Bundesprogramms ‚Toleranz fördern – Kompetenz stärken‘, welches bis Ende 2014 verlängert wurde und danach ausläuft. Die Staatsregierung bemüht sich um eine Kofinanzierung der Bundesförderung für 2014.“ Wie sagt man so schön? Sie haben sich bemüht. Aber hinbekommen haben Sie nichts – und das nach einem halben Jahr. Das ist beschämend für Sachsen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Der Eindruck, der entsteht – das sage ich ganz vorsichtig –, ist der, dass es politisch nicht gewollt sein könnte.

(Zuruf der Staatsministerin Christine Clauß)

Ich überlege sehr gut. Ich wünschte, Sie täten das auch einmal, Frau Ministerin. Sie haben gleich die Möglichkeit.

Es entsteht manchmal der Eindruck, dass solche Strukturen politisch nicht gewollt sind. Deshalb haben Sie heute hier die Chance, ein klares Bekenntnis dazu abzulegen. Das ist das, was wir heute von Ihnen erwarten, Frau Clauß.

Aber nicht nur das. Sie haben eine neue Chance. Der heute veröffentlichte Koalitionsvertrag von SPD und CDU sieht genau das vor, was der NSU-Untersuchungsausschuss gefordert hat, nämlich eine kontinuierliche finanzielle Förderung, –

(Staatsministerin Christine Clauß verlässt die Regierungsbank.)

Jetzt wird sie hektisch. Sie sollten das einmal lesen.

eine kontinuierliche finanzielle Förderung auf gesetzlicher Grundlage. Genau auf dieser Basis – das ist meine Hoffnung – wird sich der Freistaat Sachsen in den kommenden Wochen und Monaten darauf einlassen, hier Planungssicherheit zu schaffen, kurzfristig für das nächste Jahr, aber auch mittel- und langfristig für die nächsten Jahre.

Die Arbeit der Beratungsnetzwerke wird gebraucht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war Herr Homann für die SPD-Fraktion.

(Arne Schimmer, NPD, steht am Saalmikrofon.)

Was ist Ihr Wunsch am Mikrofon 7?

Ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte.

Herr Homann hat wieder einmal blumenreich die Leiden der Antifaschisten ausgemalt. Angeblich werden auf neonazistischen Hetzseiten Adressen mit Klarnamen gepostet. Was die Klientel macht, die Ihnen nahesteht, das konnte man am vergangenen Sonnabend wieder einmal in Leipzig bei der „Compact“Konferenz erleben. Da wurden bei einer angemeldeten Veranstaltung fast alle Besucher beschimpft, bespuckt und gewalttätig angegriffen. Das betraf auch russische DumaAbgeordnete. Einige Tage später wurde bei Herrn Sarrazin ein „Hausbesuch“ veranstaltet und sein Haus bei einem Anschlag mit einem Farbbeutel „verziert“.

Hier sieht man doch, was das eigentliche Ziel dieses sogenannten Kampfes gegen rechts ist. Dieser Kampf gegen rechts hat zum Ziel, im Grunde genommen einen rechtsstaatswidrigen Ideologiestaat zu begründen, in dem wirklich nur nach unerwünschten, unerlaubten Meinungen gefahndet und dann auch ganz handfest gegen jeden vorgegangen wird, der sich noch das Recht einer eigenen Meinungsbildung herausnimmt.

(Beifall bei der NPD)

Hier herrscht eine große Einseitigkeit. Ich nehme Ihnen das nicht einmal übel, Herr Homann, weil ich weiß, dass Sie den Käse glauben. Sie argumentieren immer so überzeugend auf dem Niveau einer Sozialhilfestunde für Schüler der 9. Klasse.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wie das in der Realität aussieht, hätten Sie sich wirklich einmal am Samstag in Leipzig anschauen sollen. Die Gegendemo war von der Linksjugend angemeldet. In der Stadtmitte hat sie sich dann mit Daniela Kolbe von der SPD getroffen. Da hätten Sie sehen können, wie mit nackter Gewalt auch auf ausländische Gäste im Freistaat Sachsen eingeprügelt wurde, gegen russische Parlamentarier, gegen französische Bürger. Das hätten Sie sich wirklich einmal anschauen sollen, damit Sie einmal wissen, wohin Ihre Hetze führt.

Besten Dank.

(Beifall bei der NPD)

Das war eine Kurzintervention des Abg. Schimmer für die NPD-Fraktion. – Herr Homann, Sie möchten erwidern?

Ja, Herr Präsident. – Ich glaube, es hat keinen Sinn, irgendwelche Sachen aufzurechnen. Gewalt an sich ist immer zu verurteilen. Ich finde nur, dass man vorsichtig sein müsste, sich hier so hinzustellen, wenn erst am Rande der von Ihnen maßgeblich mitinitiierten Demonstration in Schneeberg zwei Journalisten von Teilnehmern Ihrer Demonstration tätlich angegriffen und im Gesicht schwer verletzt wurden.

(Jürgen Gansel, NPD: Stand das in der „Jungen Welt“ oder wo?)

Ich wäre an dieser Stelle ganz vorsichtig, hier so zu reden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Martin Gillo, CDU)