(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Wir lehnen Asylmissbrauch ab, nicht Menschlichkeit!)
Das war Herr Homann für die SPD-Fraktion.– Jetzt gibt es eine Kurzintervention am Mikrofon 3. Frau Hermenau, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Homann hat davon gesprochen, dass man die Verhältnismäßigkeit zwischen der Anzahl der Asylsuchenden, die untergebracht worden sind, und dem Radau, der veranstaltet wird, betrachten soll. Das ist richtig, prüfen wir einmal die Verhältnismäßigkeit.
In den Neunzigerjahren haben circa 400 000 Flüchtlinge aus Kriegsgebieten auf dem Balkan Asyl in Deutschland gesucht. Dann gab es etwas ruhigere Zeiten, was Kriege in anderen Regionen und Ländern anging, und es waren circa 50 000 pro Jahr. Jetzt sind es circa 100 000 Flüchtlinge pro Jahr, wenn ich es richtig weiß. Das heißt, die Zahl der Asylsuchenden, der Kriegsflüchtlinge, hat natürlich etwas damit zu tun, wie sich Kriege in unseren Nachbarregionen entwickeln.
Ich möchte daran erinnern, dass während und nach dem Zweiten Weltkrieg 12 Millionen Deutschstämmige aus dem dann zusammengeschrumpften Deutschland – zu Recht zusammengeschrumpften Deutschland – geflohen sind
Unabhängig davon muss man mal festhalten, dass die Menschen, die eine solche Flüchtlingssituation aus einem kriegsbewegten Land heraus erleben, traumatisiert werden. Das geht bei den Kindern, auch bei den Erwachsenen manchmal bis in die zweite oder dritte Generation hinein.
Das andere ist: Die Erzählung eines syrischen Vaters hat mich nicht mehr losgelassen. Er erzählte, nachdem das Boot gekentert war, hatte er sich den Säugling auf die Brust gelegt, paddelte auf dem Rücken im Meer und hatte das dreijährige Kind an der Hand. Er hat das eine Stunde durchgehalten. Danach musste er das dreijährige Kind in die Fluten sinken lassen, in das kalte Meer. Wenn Sie hier behaupten, dass das Missbrauch ist, wenn ein Vater versucht, seine zwei kleinen Kinder vor einem Giftgasangriff oder einem Bomben-Schrapnell in der syrischen Heimat zu schützen, dann halte ich das für eine menschlich zynische Unverschämtheit erster Klasse.
Diese Kurzintervention bezog sich auf den vorhergehenden Redebeitrag von Herrn Homann. Herr Homann, wollen Sie darauf reagieren? – Das ist nicht der Fall.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Signal von Schneeberg – so lautet diese Aktuelle Debatte. Man fragt sich, was das Signal von Schneeberg sein soll.
Das Signal von Schneeberg kann nur eines sein: Wir müssen die Sorgen und Ängste der Schneeberger, aber auch der anderen Sachsen beim Thema Asylbewerber ernst nehmen.
Meine Damen und Herren! Das Signal von Schneeberg ist nicht, dass die Menschen gegen Asylmissbrauch auf die Straße gegangen sind. Das Signal von Schneeberg ist aber auch nicht, dass eine Welle von Rassismus durch Sachsen rollt. Wir alle stehen ohne Wenn und Aber zum Asylrecht und zum Flüchtlingsschutz. Aber das Signal von Schneeberg ist leider auch, dass die Behörden beim Thema Kommunikation total versagt haben.
Es kann nicht sein – nach dem, was in den vergangenen Monaten in anderen Bundesländern geschehen ist, beispielsweise in Greiz in Thüringen, als man dort eine Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung eröffnet hat und die NPD das ausgenutzt hat, auf die Straßen ging und die Massen mobilisiert hat –, dass sich dasselbe in Sachsen wiederholt.
Meine Damen und Herren! Bei den steigenden Zahlen der Asylbewerber müssen die Behörden rechtzeitig kommunizieren, mit den Kommunen ins Gespräch kommen und den Menschen sagen, was im Ort geschieht und was die Konsequenzen daraus sind. Wir kommen nicht umhin, weitere Asylbewerberheime zu eröffnen, aber diese Konsequenz muss rechtzeitig angekündigt und mit den
Menschen besprochen werden. Wir müssen den Menschen sagen, was Asylbewerber nach Deutschland treibt. Was ist der Grund dafür, dass Menschen ihre Heimat verlassen, sich mit ihren Kindern auf den Weg machen, um Schutz zu suchen? Sie kommen hierher, um Schutz zu suchen. Sie flüchten vor dem Tod, meine Damen und Herren. Das muss den Menschen gesagt werden.
Was müssen wir tun? Die Dauer der Asylverfahren, die derzeit länger als neun Monate beträgt, muss verkürzt werden im Interesse derer, die hier Schutz suchen, aber auch derer, die die Menschen hier aufnehmen.
Als Nächstes wäre das Thema Arbeitsverbot zu nennen. Ist es normal, dass Asylbewerber fast ein Jahr lang zum Nichtstun verdammt sind? Ich glaube nicht.
Aber wir müssen auch darüber reden, was mit straffällig gewordenen Asylbewerbern passiert. Ist es normal, dass erst bei einer Strafe von drei Jahren darüber nachgedacht wird, dass derjenige in seine Heimat zurückgeführt wird, oder muss man doch darüber nachdenken, dass diese Zeiten verkürzt werden?
Der Koalitionsvertrag behandelt diese Themen aber völlig unkonkret. Er verwendet Vokabeln wie „wollen“ und „sollen“. Meine Damen und Herren, das ist nichts Konkretes. Das ist nichts, womit die Menschen hier etwas anfangen können. Wir müssen die Menschen darüber aufklären, was passiert. Ich glaube, wenn wir sie aufklären, wenn wir ihnen sagen, warum Menschen bei uns Schutz suchen, dann wird sich auch ihr Herz öffnen und eines nicht passieren: dass die NPD mehr als tausend Menschen mobilisiert.
Meine Damen und Herren, wir sollten nicht Rassismus unterstellen. Die Schneeberger sind nicht aus rassistischen Gründen auf die Straße gegangen. Es waren auch zum großen Teil keine Schneeberger. Wenn man sich die KfzKennzeichen der Menschen angesehen hat, die der NPD gefolgt sind, muss man feststellen, dass die Angereisten aus ganz Deutschland kamen. Schneeberg ist zum Aufmarschgebiet von rechten und linken Chaoten geworden. Wir müssen alles dafür tun, dass sich das nicht an anderen Orten in Sachsen wiederholt. Da hilft nur Aufklärung und Reden. Wir haben alle zusammen ordentliche Hausaufgaben vor uns, und ich möchte dafür werben, dass wir genau das tun. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass sich Schneeberg nicht noch einmal wiederholt!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einmal auf die Überschrift und das Wort Asylmissbrauch zurückzukommen. Die bereinigte Schutzquote im ersten Quartal 2013 betrug 46,5 %. Das sind Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Die bereinigte Schutzquote ist die Zahl aller durchgeführten Verfahren bei Asylanträgen, die inhaltlich geprüft wurden. Es gab eine Anerkennungsquote von 46,5 %. Was uns die NPDFraktion hier immer weismachen will, ist schlicht und einfach falsch!
Es gibt eine Reihe von Asylanträgen, die inhaltlich gar nicht geprüft werden. Das sind rein formelle Verfahren, zum Beispiel nach der Drittstaatenregelung, bei der Deutschland gar nicht zuständig ist, den Asylantrag inhaltlich zu prüfen. Von allen inhaltlich geprüften Anträgen liegt also die Anerkennungsquote bei circa 50 %, jeder zweite. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, Asylrecht lässt sich gar nicht missbrauchen.
Wer bei uns Asyl erhält oder nicht, wird in einem rechtsstaatlichen Verfahren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geprüft.
Dann gibt es eine Anerkennung oder auch nicht. Richtig ist, dass diese Verfahren in einem angemessenen Zeitraum durchgeführt werden müssen. Was die NPD behauptet, sind schlicht und einfach Lügen.
Diese Lügen haben ein Ziel. Sie sollen dazu dienen, Flüchtlinge, die in unser Land kommen, um Schutz vor Verfolgung und Gewalt zu suchen, an den Rand der Gesellschaft zu drängen, und dazu, ein Ziel für den Hass der NPD zu haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Schneeberger und auch die Bürger in anderen Städten unseres Landes durchaus offen sind für die Not von Flüchtlingen, die hierherkommen. Dazu gehört, dass wir Menschen, die in unser Land kommen, grundsätzlich mit Respekt begegnen, und zwar völlig unabhängig davon, ob in einem Asylverfahren dann festgestellt wird, dass diese Menschen, diese Personen, diese Familien anerkannte Flüchtlinge in unserem Land sind. Völlig unabhängig davon verdienen alle Respekt, denn niemand kommt hierher, um sich in die sogenannte Hängematte zu legen.
Es sind weite Wege, es sind Gefahren, denen diese Menschen ausgesetzt sind, und es ist ein falsches Signal,
Dieses Schicksal verdient Respekt, auch wenn nach unseren Gesetzen am Ende keine Anerkennung als Asylsuchender steht.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir kommunizieren. Dazu müssen wir auch mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen, um Ängste, Vorurteile und Skepsis abzubauen. Das ist unsere Aufgabe auch im Landesparlament, und deshalb müssen wir auch diese Versuche stärken. Wir haben uns ja gestern zu einem Antrag der SPD-Fraktion verständigt, im Innenausschuss dazu weiter zu beraten und einen runden Tisch zu dieser Frage einzurichten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir sicher, dass auch die nächste Zeit und die Möglichkeiten, miteinander ins Gespräch zu kommen, in Schneeberg genutzt werden und dass das Verständnis füreinander und für die Situation dabei wachsen wird.