Protokoll der Sitzung vom 28.11.2013

(Holger Apfel, NPD: Wirklich?)

Es gehört zur Ehrlichkeit in einer solchen Debatte aus meiner Sicht ganz klar dazu. Das bedeutet, dass wir natürlich sagen müssen, dass wir all die Probleme, die es auf dieser Welt gibt – Martin Gillo hat das schon einmal in dieser Runde beeindruckend gesagt –, weder in Deutschland noch in Europa komplett lösen können. Deshalb müssen wir unser Augenmerk auch darauf lenken, Sorge dafür zu tragen, dass in den Ländern andere Formen gefunden werden, damit die Menschen auch dort vernünftig leben können, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Deshalb gehören zu diesem Thema Aufklärung und Information. Da sind wir alle gefordert. Herr Karabinski, ich möchte nur daran erinnern, dass am 18.07. das erste Mal im Stadtrat von Schneeberg durch Bürgermeister Stimpel unterrichtet wurde, dass eine Erstaufnahmeeinrichtung temporär in Schneeberg entsteht. Das ist meines Erachtens nicht hilfreich, wenn wir in dieser Situation mit dem Finger auf andere zeigen, sondern hier ist jeder gefordert, sich mit einzubringen und bei diesem Thema mitzuhelfen

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

und die Landräte und die Oberbürgermeister vor Ort zu unterstützen. Da gibt es manche, die ein besseres Konzept haben, bei anderen hat es nicht so gut geklappt. Ich habe das gestern deutlich gemacht, als ich über Hoyerswerda sprach, weil es anders in den Schlagzeilen stand. Es ist bemerkenswert, und vielleicht kann man sich an dieser oder jener Stelle von dort eine Scheibe abschneiden und das in die Diskussion, die wir zu diesem Thema im Lande führen müssen, übertragen.

Noch eines möchte ich sagen. Man kann über diesen Koalitionsvertrag reden und Position beziehen, wie man will. Aber zum Thema Integration und Migration hat dieser Koalitionsvertrag sehr klare und deutliche Worte gefunden.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der SPD)

Darin ist ganz klar enthalten – nicht über Sachsen, sondern über die Bundesrepublik –, dass wir weltoffen und tolerant sind, aber auch, dass wir beim Asylverfahren die Verfahren in der ersten Runde auf drei Monate verkürzen werden. Das ist aus meiner Sicht denjenigen gegenüber, die hierherkommen und um Asyl bitten, eine Verpflichtung. Sie können nicht neun Monate und länger warten, bevor sie überhaupt eine Erstentscheidung haben. Innerhalb von drei Monaten muss klar sein, wer hier einen Anspruch hat, und es muss auch klar sein, wer hierherkommt und keinen Anspruch hat, weil danach nämlich Unterschiede entstehen.

(Beifall bei der CDU)

Diejenigen, die Anspruch haben, sollten schnell integriert werden. Wer sich den Koalitionsvertrag angesehen hat,

wird erkennen, dass zum Thema Residenzpflicht eine klare Regelung enthalten ist. Zukünftig wird die Möglichkeit bestehen, sich innerhalb der Länder zu bewegen, und bei einer Anzeige innerhalb einer Woche kann man auch außerhalb des Landes gehen. Es wird eine Bleiberechtsregelung geben, die Integrationsleistungen berücksichtigt und diejenigen eine Chance haben, hier ein dauerhaftes Bleiberecht zu erhalten, die überwiegend die Sicherung ihres Lebensunterhaltes nachweisen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wahrscheinlich hat noch nicht jeder genau nachsehen können, und es wird viele überraschen, was darin steht, dass nämlich Asylbewerber den Zugang zum Arbeitsmarkt bereits nach drei Monaten erhalten. Damit werden wir die Diskussion, die es bisher dazu gegeben hat, auch beenden.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Deshalb möchte ich diese Debatte schließen und darum bitten, dass alle dieses Spannungsfeld immer im Blick haben, damit wir die Menschen in diesem Land nicht verunsichern. Es geht weder nach der Devise „alle Ausländer raus“ noch nach der Devise „wir können für alle Probleme in dieser Welt eine Lösung bei uns finden“. Wir müssen innerhalb dieses Spannungsbogens vernünftig handeln. Die Menschen, die einen Anspruch haben, müssen bei uns integriert werden, und wir müssen auch für die Menschen, die keinen Anspruch haben, deutlich machen, dass sie nach kurzer Zeit wissen, dass sie keinen Anspruch haben. Traumatologen bestätigen mir im Übrigen, dass dies durchaus ein Grund ist, dass Menschen mit einer negativen Entscheidung besser klar kommen, aber sie können nicht über Jahre in Unklarheit gelassen werden. Deswegen ist es wichtig, diese Verfahren zu verkürzen.

Dann sollten wir uns alle einmal auf die Adventszeit konzentrieren. Wir haben darüber gesprochen, dass diejenigen, die hierherkommen, überwiegend Schutz suchen. Vielleicht geht jeder einmal in ein Asylbewerberheim oder trägt dazu bei, eine Familie einzuladen, und sorgt damit dafür, dass etwas Kommunikation zwischen diesen vermeintlich völlig unterschiedlichen Welten stattfindet. Das könnte auch ein deutlicher Beweis von Menschenliebe und Nächstenliebe sein.

Lassen Sie uns bei diesem Thema vernünftig beieinander bleiben und diejenigen, die dieses Thema missbrauchen, deutlich ausgrenzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Die 2. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Wahlen und zur

Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht

Drucksache 5/13051, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Für die Fraktion ergreift das Wort Frau Abg. Herrmann. Bitte, Frau Herrmann.

Danke, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Ihnen heute vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir den Zugang zu Wahlen zum Sächsischen Landtag und zu den Kommunalwahlen verbessern und gleichzeitig Artikel 29 der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung umsetzen. Wir wollen strukturelle Hindernisse, die Menschen davon abhalten, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, beseitigen. Zudem wollen wir Änderungen hinsichtlich der Lage der Wahltermine und des Zugangs von Wählervereinigungen vornehmen. Wir haben dabei Änderungen in folgenden Gesetzen geplant: im Sächsischen Wahlgesetz, im Kommunalwahlgesetz, in der Gemeindeordnung und in der Landkreisordnung.

Jetzt zu den Regelungen im Einzelnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die derzeitigen wahlrechtlichen Vorschriften, die insbesondere Menschen mit Behinderung die Wahlausübung ermöglichen sollen, greifen zu kurz. Das betrifft zuerst Wahlverfahren und Wahlmaterialien, die derzeit nicht so ausgestaltet sind, dass es allen Menschen möglich ist, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Vor allem strukturelle Hürden hindern Menschen am Gang zur Wahlurne. Dazu zählen zum Beispiel komplizierte Wahlbenachrichtigungen und Briefwahlunterlagen, unübersichtliche Stimmzettel und Hinweisschilder in kleiner Schrift. In den Wahlbenachrichtigungen fehlen außerdem Informationen, ob und welche Hilfestellungen es bei der Wahl gibt, zum Beispiel über die Assistenz, die vor Ort zur Verfügung steht.

Das betrifft zum Zweiten die bauliche Barrierefreiheit. Im Vorfeld der Bundestagswahlen haben uns zahlreiche Behindertenverbände darauf aufmerksam gemacht, dass zum Beispiel Wahllokale nicht barrierefrei zugänglich sind und dass die Wahlverfahren insgesamt nicht barrierefrei ausgestaltet sind.

Eine von der Evangelischen Hochschule in Dresden durchgeführte Untersuchung zeigt Ihnen, was wir damit meinen. Diese Untersuchung ermittelte für Sachsen eine Zahl von circa 202 000 funktionalen Analphabeten. Das entspricht etwa 5,45 % der sächsischen Bevölkerung. Diese Betroffenen können nur sehr einfache Texte lesen und sehr schlecht oder sehr fehlerhaft schreiben. Auch

älteren Menschen – das wissen wir – fällt es schwer, Informationen in sehr kleiner Schrift zu lesen. Der Anteil der über 65-Jährigen liegt in Sachsen zurzeit bei 25 %.

Mit dem von uns heute vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir sicherstellen, dass Wahlverfahren und Wahleinrichtungen und -materialen so ausgestaltet sind, dass sie für alle Menschen geeignet, zugänglich, leicht zu verstehen und zu handhaben sind.

Die bisherigen Vorschriften zur Barrierefreiheit der Wahlräume entfalten keine ausreichende Wirkung, und sie widersprechen schon der Definition von Barrierefreiheit nach § 3 Sächsisches Integrationsgesetz. Die Wahlräume sind deshalb nach Maßgabe des vorliegenden Gesetzentwurfes so auszuwählen, dass sie mit barrierefrei zugänglichem öffentlichem Personennahverkehr erreichbar und selbst barrierefrei nutzbar sind.

Die gegenwärtigen Vorschriften, die die Unterstützung durch Dritte beim Wahlvorgang vorsehen, sind zu restriktiv formuliert und berücksichtigen vor allem nicht, dass es neben dem Nicht-lesen- und Nicht-schreiben-Können auch Verständnisprobleme geben kann, die eine weitergehende Unterstützung an der Wahlurne erforderlich machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da das Recht zur Briefwahl sehr liberal ausgelegt wird, können wir auch bei Personen, die sich einer Assistenz bedienen wollen, eine entsprechende Liberalisierung gutheißen. Daher haben wir eine Regelung getroffen, die es all jenen, die eine Unterstützung bei einem ganz konkreten Wahlvorgang benötigen, ermöglicht, diese in Anspruch zu nehmen. Dabei ist dem Grundsatz der Freiheit der Wahl zu entsprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Sächsische Wahlgesetz und die Gemeindeordnung schließen all jene Menschen pauschal vom aktiven und passiven Wahlrecht aus, für die zur Besorgung all ihrer Angelegenheiten eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt ist. Ebenfalls ausgeschlossen sind Menschen, die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und aufgrund dessen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Zum Stichtag 30. Juli 2013 sind in Sachsen 4 512 Personen deshalb vom Wahlrecht ausgeschlossen. Nach geltenden menschenrechtlichen Standards sind diese Ausschlusstatbestände nicht zu rechtfertigen. Sie stehen auch im Widerspruch zu den Zielen der UN-Konvention, die seit 2009 in Deutschland geltendes Recht ist. Deshalb

sollen diese Ausschlusstatbestände mit diesem Gesetz beseitigt werden.

Weiter wollen wir die Erreichbarkeit von Wahllokalen mit dem ÖPNV zur Voraussetzung für die Auswahl von Wahllokalen erheben. Damit soll sichergestellt werden, dass auch Menschen, die kein Kraftfahrzeug haben, in der Lage sind, ein Wahllokal ohne erheblichen Aufwand oder Kosten zu erreichen, um dort von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Das wird zunehmend zu einem Problem, vor allem für ältere Menschen im ländlichen Raum, die kein Fahrzeug haben. Das bedeutet faktisch einen Ausschluss vom Wahlrecht. Die Möglichkeit der Briefwahl heilt das nach unserer Meinung nur unzureichend. Die Möglichkeit der Abgabe der Stimme im Wahllokal muss immer gewahrt bleiben.

Weiterhin – wir hatten heute früh den Versuch, einen zusätzlichen Tagesordnungspunkt aufzunehmen – wollen wir dafür sorgen, dass die Wahltermine außerhalb der Schulferien liegen. Dafür gibt es zwei Begründungen: Innerhalb der Schulferien gibt es eine geringe Wahlbeteiligung durch Abwesenheit. Außerdem sind die Wahlvorbereitungen, die die Kommunen treffen müssen, bei Terminen, die in den Schulferien liegen, deutlich erschwert.

Wir wollen mit dem Gesetzentwurf auch Wählervereinigungen zulassen. Wir wollen das Parteienmonopol bei den Landtagswahlen aufbrechen. Bisher ist die Parteieigenschaft Voraussetzung für das Antreten bei Landtagswahlen. Damit sind insbesondere Wählervereinigungen von der Wahlteilnahme ausgeschlossen. Die Wählervereinigungen spielen aber in der Kommunalpolitik in Sachsen eine große Rolle. Deshalb wollen wir den Ausschluss aufheben.

Damit im Zusammenhang steht, dass wir es auch Einzelbewerbern und kleinen Parteien möglich machen wollen, öffentliche Räume in den Kommunen zu nutzen. Die Kommunen sollen zum Zwecke der Wahlinformation Räume zur Verfügung stellen müssen.

Das sind im Groben die Inhalte unseres Gesetzentwurfes. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

Im gestern veröffentlichten Koalitionsvertrag steht unter „Transparenter Staat“: „Wir wollen rechtliche Hemmnisse bei der Ausübung des Wahlrechts für Analphabeten und Betreute abbauen.“ Ich denke, das ist eine gute Grundlage für die Diskussion zu unserem Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Herrmann.

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Verbesserung des Zugangs zu Wahlen und zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht an den Innenausschuss – federführend –, an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss, an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist das einstimmig beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Impfschutz weiter verbessern – Kinder besser vor Krankheiten schützen