Um ein letztes Thema anzureißen: Es ist eine Tatsache, dass Sie sich auch mit den Interventionszeitenregelungen beschäftigen können. Aber meiner Meinung nach hat das natürlich auch etwas damit zu tun, dass Sie sich vor allen Dingen wegen des Personalmangels dieser Frage verweigern. Es ist doch tatsächlich absurd, Herr Minister, dass, wenn in Sachsen jemand von der Leiter fällt, zwar die Angehörigen den Rettungsdienst rufen können, der innerhalb von zwölf Minuten da sein muss, dass es aber keine Regelung gibt, dass die Opfer von Kriminalität in einer bestimmten Zeit die staatliche Hilfe durch die Polizei in Anspruch nehmen können. Das ist unbegreiflich und muss aus unserer Sicht schnellstmöglich geändert werden.
All das ist kein Verschulden der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, deren Einsatzbereitschaft ich meinen vollen Respekt ausspreche. Wenn ich aber so darüber nachdenke, was Sie denen in den letzten Jahren an Grausamkeiten zugemutet haben, dann sollten Sie sich eigentlich wundern, dass sie noch eine so hohe Einsatzbereitschaft zeigen.
Nun wollen Sie ja – Herr Hartmann hat uns das gerade ausführlich erklärt – die geplante Bewertung von 2013 auf 2015 verschieben. Mir fallen viele Gründe ein, weshalb man etwas verschieben will, aber warum das ausgerechnet auf 2015 verschoben werden soll und nicht wenigstens auf das Jahr 2014, wo wir über einen neuen Haushalt reden und zufälligerweise eine Landtagswahl haben, erschließt sich mir tatsächlich nicht. Aber wahrscheinlich, lieber Herr Minister, rechnen Sie auch nicht mehr damit, dass Sie 2015 noch im Amt sind, und deswegen wollen Sie das auf das Jahr 2015 verschieben. Aber die Beamtinnen und Beamten der sächsischen Landespolizei bleiben noch im Dienst, Herr Minister. Ich denke, Sie sollten sich die Zeit nehmen, statt sich mit den von mir vorhin als Zitat wiedergegeben bürokratischen Maßnahmen zu beschäftigen, mit den Polizeibeamtinnen und -beamten in Kommunikation zu treten. Es gibt auch die Möglichkeit, das anonym zu machen. Da bekommen Sie wahrscheinlich die Wahrheit ungeschminkt aufs Butterbrot geschmiert. Dann kann es auch sein, dass Ihre eigene Parallelwelt Sie ein bisschen verlässt.
Es muss Ihnen wirklich zu denken geben, wenn ein ehemaliger Landespolizeipräsident, der dieses Projekt ‚Polizei 2020‘ mitgetragen hat, heute öffentlich verkündet, dass seine Polizeibeamten auf Verschleiß gefahren werden. Vielleicht hängt das auch mit Leipzig zusammen,
aber er ist ja nun einmal für Leipzig zuständig. Dann nutzt es auch nichts, Herr Minister, wenn Sie ihn dann per „Bild“-Zeitung dafür öffentlich rügen. Es ist ein Offenbarungseid erster Klasse, wenn erst diese Woche, medial verkündet, eine Demonstration in Leipzig nicht abgesichert werden konnte, weil nicht genügend Polizeibeamtinnen und -beamte vorhanden sind.
Schon aus diesem Grunde und im Sinne der sächsischen Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen unterstützen wir den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und finden auch den Änderungsantrag für sinnvoll und angemessen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner Frau Jähnigen und Herr Gebhardt haben schon aus dem CDU-Parteitagsbeschluss zitiert. Das sind schöne Worte. Ich füge noch ein paar schöne Worte hinzu.
Wir haben zum Beispiel Folgendes gehört: „Die sächsische Polizei ist ein wesentlicher Garant für die innere Sicherheit. Dabei wird ihr die sächsische Union ein verlässlicher Partner sein.“ Das haben Sie 2009 in Ihrem Wahlprogramm beschlossen. Oder: „Wir werden die flächendeckende Präsenz und Einsatzfähigkeit der Polizei besonders in den Grenzregionen garantieren.“ Das steht im CDU/FDP-Koalitionsvertrag.
Das sind Worte, die ziemlich gut klingen. Wenn wir uns den Taten zuwenden, stellen wir fest, dass die Taten ganz anders aussehen. Was haben Sie gemacht? Sie haben im ersten Haushalt Ihrer Koalition 2009/2010 einen zusätzlichen Stellenabbau für die Polizei beschlossen und noch einmal 800 Stellen draufgelegt. Sie haben infolgedessen von 72 Polizeirevieren in Sachsen 31 geschlossen. Fast die Hälfte aller Polizeireviere in Sachsen ist auf Ihrer Schließliste bzw. schon geschlossen. Und Sie haben in einem Zeitraum, in dem die sächsische Bevölkerung um 10 % zurückging, die Stellenzahl in der Polizei um 28 % abgebaut. Das verträgt sich nicht mehr miteinander.
Ich zitiere immer wieder gern einen guten Bekannten von mir, der Mitglied der CDU und trotzdem vernünftig ist. Der sagt den schönen Satz: „Der demografische Wandel ist kein geografischer Wandel.“ Mag sein, dass wir in Sachsen älter und weniger werden. Aber der Freistaat schrumpft nicht und die Fläche bleibt gleich. Es gibt bestimmte Funktionen des Staates, die von der Fläche abhängig sind. Ich kann die Polizei nicht bis ins Grenzenlose reduzieren, solange unser Freistaat so groß ist, wie er ist.
Das sind die Taten, und die korrespondieren überhaupt nicht mit dem, was Sie in schönen Verträgen, in schönen Beschlüssen, in schönen Programmen aufschreiben. Die
Leute merken es mittlerweile, dass Sie A sagen und B tun und dass B nicht gut ist für die Sicherheit in unserem Land. Auch in diesem CDU-Parteitagsbeschluss sind schöne Worte. Da wird optimiert und evaluiert und intensiviert. Aber das ändert alles nichts an der Wirklichkeit. Wenn wir an der Wirklichkeit etwas ändern wollen, müssen Sie die Einsicht haben, dass Ihre Stellenabbaupläne falsch sind. Das ist die Wahrheit. Mit so wenig Stellen in der Landespolizei können Sie die innere Sicherheit nicht auf dem Niveau aufrechterhalten, auf dem wir sie derzeit haben. Da kann man noch so blumig von einer Sicherheitsarchitektur sprechen. Das, was wir derzeit im Bereich der inneren Sicherheit erleben, ist die Kapitulation der Fachpolitik vor dem Sparzwang.
Da können wir auch noch ein wenig evaluieren. Natürlich unterstützen wir den Antrag. Aber diese Evaluation allein ändert noch nichts in den Städten und im ländlichen Raum. Sie müssen einsehen, dass Ihre Sparpolitik die falsche ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und täglich grüßt das Murmeltier. Ich komme mir vor wie Phil Morris. Sie, Frau Jähnigen, sind das Murmeltier.
In den letzten Plenarsitzungen haben wir uns schon sehr oft über den Stellenabbau bei der sächsischen Polizei unterhalten. Als regierungstragende Fraktionen haben wir uns ein sehr anspruchsvolles Ziel gesetzt. Das gebe ich zu. Einerseits müssen wir die Anzahl der Staatsbeschäftigten insgesamt auf ein zukunftsfähiges Niveau absenken. Andererseits ist es aber auch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass bei der Sicherheitslage im Freistaat Sachsen keinerlei Defizite auftreten.
Mit der zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Reform der Polizeiorganisation und der Umsetzung des Projektes „Polizei Sachsen 2020“ wurde der gesamte Polizeibereich einer umfassenden Aufgaben- und Strukturkritik unterzogen.
Sehr wichtig war uns im Rahmen von „Polizei Sachsen 2020“ immer eines: Ein Abbau von Personal sollte nur in der Verwaltung erfolgen. Die Zahl der Streifenbeamten und die Zahl der Bürgerpolizisten sollte nicht angetastet, im Gegenteil sogar leicht erhöht werden. Besonders auf die Arbeit der Bürgerpolizisten gibt es vor Ort sehr positive Reaktionen – vielleicht nicht bei Ihnen, aber im Rest Sachsens durchaus.
Den dauerhaften Ausgleich zwischen einer modernen, effizienten Staatsverwaltung und der Bewahrung des hohen Niveaus bei der inneren Sicherheit sehen wir ausdrücklich als Daueraufgabe an. Die in diesem Frühjahr
vorgestellte polizeiliche Kriminalstatistik hingegen hat uns das wieder ganz deutlich vor Augen geführt. Mit einem Anstieg der Zahl der Straftaten um 6,3 % im gesamten Land und nicht nur in den Grenzregionen zu Polen und der Tschechischen Republik und einer gleichzeitig zurückgegangenen Aufklärungsquote können wir nicht zufrieden sein.
Deshalb wurde bereits bei den Planungen für die neue Polizeiorganisation und das Konzept „Polizei Sachsen 2020“ für das Jahr 2015 eine umfassende Evaluierung der Auswirkungen vereinbart. Selbstverständlich muss im Rahmen dieser Evaluation, die in den kommenden Monaten beginnt, umfassend untersucht werden, ob die jeweilige Personalausstattung der Polizeistation vor Ort im Hinblick auf die jeweilige Sicherheitslage auch angemessen ist.
Sollte sich hier ergeben, dass dies in einigen Teilbereichen nicht der Fall ist, erwarte ich unverzüglich eine entsprechende Neujustierung. Zudem müssen wir auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Polizei für gut ausgebildete junge Menschen einen attraktiven Arbeitgeber darstellt und ausreichend Nachwuchs zur Verfügung steht, um so jährlich weiterhin 300 Polizisten neu einstellen zu können.
Ein großer Teil Ihres Antrags, meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, befasst sich jedoch mit dem sogenannten 15-Punkte-Programm der Staatsregierung im Zusammenhang mit dem Wegfall der Schengen-Grenzen. Dieses 15-Punkte-Programm umfasst
Maßnahmen wie die Verstärkung des Fahndungsschleiers, die Einrichtung mobiler Fahndungsgruppen oder den Ausbau der Zusammenarbeit mit der Bundespolizei und dem Zoll durch den Einsatz gemeinsamer Ermittlungs- und Fahndungsgruppen.
In der Stellungnahme der Staatsregierung zu Ihrem Antrag wird die Umsetzung der einzelnen Punkte des Programms ausführlich dargestellt. So bestreifen Landes- und Bundespolizei im Rahmen der gemeinsamen Einsatzgruppe „Oberlausitz“ den ostsächsischen Grenzraum. Zudem findet mit den polnischen und tschechischen Behörden beispielweise auch im Rahmen der gemeinsamen Fahndungsgruppe „Neiße“ eine dauerhafte Zusammenarbeit zur Strafverfolgung im Bereich der grenzüberschreitenden Kriminalität statt.
Auch bei diesem 15-Punkte-Programm ist eine Evaluation – wie von Ihnen eingefordert und 2009 in Aussicht gestellt – notwendig. Diese sollte aber meiner Meinung nach im Zusammenhang mit der Evaluation der Polizeireform und des Projektes „Polizei Sachsen 2020“ erfolgen. Nur so kann anschließend mit einem Gesamtkonzept ermittelt werden, ob die Stellenausstattung an den einzelnen Standorten ausreichend ist oder eben nicht.
Sie sehen, meine Damen und Herren, Ihr Antrag ist überflüssig. Wir werden ihn aus diesem Grund ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es kurz zu machen: Wir haben mit Blick auf unseren folgenden Antrag und unsere begrenzte Redezeit gesagt, der Antrag der GRÜNEN ist überflüssig. Wir werden ihn ablehnen. Wir brauchen nur auf die Grenzkriminalität und die Entwicklung der Drogenkriminalität zu schauen, um zu wissen, dass der Abbau der Polizei falsch war. Da gibt es nichts mehr zu evaluieren. Dazu ist alles schon gesagt.
Die Personalstärke der Polizei ist mindestens wieder auf das Maß vor dem Abbau hochzusetzen plus die Anzahl derer, die von der Bundespolizei abgezogen wurden, was Sachsen auch noch einmal immens trifft. Wir brauchen keine neuen Studien. Wir brauchen auch kein Geld dafür auszugeben. Da muss man handeln. Das ist die Aufgabe des Innenministers und des Restes des Kabinetts. Dies fordern wir als NPD-Fraktion.
Mir liegen keine Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage dennoch: Wünscht ein Abgeordneter das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung: Möchte die Staatsregierung sprechen? – Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Christian Hartmann hat es gesagt: Wir haben uns mit diesem Thema schon mehrfach auseinandergesetzt.
Den Eindruck habe ich leider auch, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wenn man über das Thema „Konzept Polizei 2020“ spricht, und das häufiger, sollte man zumindest die Grundlagen verstanden haben. Man kann bei der Sache unterschiedlicher Meinung sein. Aber die Ausgangssituation war folgende:
Wir haben uns nicht nur über demografische Veränderungen im Freistaat Sachsen insgesamt zu unterhalten, sondern auch über die demografische Entwicklung innerhalb der Polizei. Die Situation ist so, dass zwischen 400 und teilweise 450 Polizistinnen und Polizisten in den nächsten Jahren in den Ruhestand treten. Wenn wir da nichts gemacht hätten, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre es echt eine Katastrophe gewesen.
Aber wir haben gesagt, wir brauchen einen Einstellungskorridor, und zwar nicht haushaltsabhängig von Doppelhaushalt zu Doppelhaushalt, sondern wir brauchen für diesen Prozess eine vernünftige Planungsgröße. Deshalb ist mit dem Antritt der Koalition entschieden worden: 300 junge Menschen werden in der sächsischen Polizei
ausgebildet und dann auch in den Dienst übernommen. Das führt dazu, dass die Reduzierung, die sich nicht durch Stellenabbau im klassischen Sinn ergibt, sondern durch das in den Ruhestandtreten der Kolleginnen und Kollegen, deutlich verringert wird.
Wir haben im letzten Jahr, in diesem Jahr und auch im Jahr 2014 eine Größenordnung von weniger als 100 Polizistinnen und Polizisten, die es im Dienst des Freistaates Sachsen weniger sind – und das bei einer Größenordnung des Personalkörpers von circa 13 800. Deshalb haben wir gesagt, wir müssen mit entsprechenden Strukturmaßnahmen auf die Situation reagieren.
Dann hat es – ob Sie es hören wollen oder nicht – eine Aufgabenkritik gegeben. Wir haben das sogar innerhalb der Polizei sehr intensiv diskutiert. Wir haben die einzelnen Schritte auch im Landtag miteinander besprochen. Wie gesagt, man kann vom Ergebnis her anderer Meinung sein, aber sich hinzustellen und zu sagen, es hätte so etwas nicht gegeben, das ist falsch, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das zu diesem Themenkomplex.