Ich darf aus besagtem Urteil auszugsweise aus den Seiten 36 und 37 zitieren: „In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob im Ausgangspunkt überhaupt eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates besteht, ein flächendeckendes Netz öffentlicher allgemeinbildender Schulen vorzuhalten.“
Wenn also der Verfassungsanspruch für ein flächendeckendes Netz allgemeinbildender öffentlicher Schulen nach dem von Ihnen so gefeierten Urteil nicht gegeben ist, wie sieht es dann erst für berufsbildende Schulen aus? Es wäre wirklich zu schön, wenn Sie hier in diesem Hohen Haus diesen Widerspruch auflösen könnten.
Mir fällt eigentlich nur noch Goethes „Zauberlehrling“ ein: „Denn die Geister, die ich rief, wird‘ ich nun nicht los.“
Des Weiteren sehe ich einen erneuten Widerspruch in der Forderung nach Sicherstellung eines leistungs- und bestandsfähigen Netzes an berufsbildenden Schulen auf der einen und der Forderung nach Senkung der Klassenrichtwerte und Verzicht auf die Auflösung von Standorten auf der anderen Seite. Denn warum soll man sich einerseits in Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene und den anderen Schulträgern Gedanken über eine nachhaltige Struktur von berufsbildenden Schulen machen, zu der es natürlich auch gehört, Ausbildungsgänge an bestimmten Orten zu konzentrieren, während Sie auf der anderen
Ich weiß, dass Sie im Antrag den Schwerpunkt auf langfristig besonders nachgefragte Berufe legen. Im Zweifel kann ich darunter aber auch fast jeden Ausbildungsberuf fassen. Außerdem muss man sich in diesem Zusammenhang dann auch die Frage stellen, wie man die dafür benötigte Infrastruktur sicherstellen und auch langfristig finanzieren will. Ich rede da noch nicht einmal von den zusätzlich benötigten Fachlehrern, sondern weise auch auf die dann vorzunehmenden Umbauten oder die notwendigen Neubauten einschließlich der Innenausstattung hin. Auch müsste dann die Frage gestellt werden, warum überhaupt eine Schulnetzplanung benötigt wird.
Meine Damen und Herren, gerade das zuletzt Gesagte ist nicht unerheblich. Die Schulnetzplanung ist eben Aufgabe der Landkreise und der kreisfreien Städte. Dort gehört sie primär auch hin, denn die Verantwortlichen vor Ort wissen am besten um die jeweilige Situation. Sie vollziehen diese Aufgabe in eigener Zuständigkeit. Dabei werden sie selbstverständlich durch das Kultusministerium und die nachgeschaltete Sächsische Bildungsagentur vor Ort unterstützt. Natürlich nimmt damit der Freistaat seine Aufgabe für die Fachklassenbildung und eine ausgewogene Verteilung der Berufsbilder in unseren Berufsschulzentren mit wahr. Diese ist durch die genannte demografische Entwicklung auch nicht gerade einfacher geworden. Das ist keine Frage. Deshalb müssen und werden gerade bei Berufen mit geringerer Nachfrage regionale oder gar länderübergreifende Lösungen gesucht und gefunden, um die Qualität der Ausbildung sicherstellen zu können.
Sicher kann dieser dynamische Prozess gemeinsam mit den Kammern, den Sozialpartnern, den Landkreisen und den kreisfreien Städten weiter optimiert werden. Auch das ist keine Frage. Anders ist die Gestaltung der Berufsausbildung in unseren Berufsschulzentren und diversen privaten Anbietern Jahr für Jahr überhaupt nicht möglich. Diese gemeinsame Handlungsweise sollte auch weiterhin verfolgt werden, und es sollten keine Sonderwege geschaffen werden, welche unter Umständen mehr Irritationen hervorrufen als die Lösung des Problems darstellen.
Ich will damit zum Schluss kommen. Dieser Antrag rennt zum einen offene Türen ein, zum anderen wirft er mehr Fragen auf, als dass er Lösungen bietet oder gar zur Stärkung von öffentlichen Berufsschulen im Freistaat beiträgt. Wir lehnen daher diesen Antrag ab.
Das war Herr Seidel für die CDU-Fraktion. Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Abg. Dr. Stange. Bitte schön, Frau Dr. Stange, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, Herr Seidel, dass das Gähnen von Herrn Morlok kein Beitrag zu Ihrem Beitrag im Zusammenhang mit der beruflichen Bildung gewesen ist. Man hätte das beobachten müssen. Schade, dass momentan keine Medien anwesend sind.
Damit sind wir nämlich bei einem der Probleme, die wir seit Jahren beschreiben. Es ist das Zerreiben der beruflichen Bildung zwischen den beiden Ressorts SMWA und SMK, wobei es nicht dazu kommt, eine konzertierte Aktion zu starten, um tatsächlich Berufsschulzentren und berufsbildende Schulen in Sachsen weiterzuentwickeln.
Seit 2010 versuchen wir hier im Hohen Hause Vorschläge zu machen, mit einer Großen Anfrage eine Menge Daten zu liefern, um deutlich zu machen, dass ein dringender Handlungsbedarf existiert, und zwar nicht erst seit dem Jahr 2013, um die Berufsschulzentren nicht nur modern zu gestalten – ich erinnere an das Stichwort „Kompetenzzentren“, von denen auch nicht mehr die Rede ist –, sondern dass wir dringend auch eine Lehrerentwicklungsplanung brauchen und dass wir Klarheit darüber haben müssen, wie sich die Standorte der Berufsschulzentren weiter entwickeln.
Es geht nicht an, dass auf der einen Seite die Landesregierung sagt, für die Schulnetzplanung seien die Schulträger zuständig, und seien sie noch so klein und unfähig dazu, und auf der anderen Seite Jahr für Jahr die Fachklassenbildung allein im Kultusministerium entschieden wird. Da werden die Schulträger an dieser Stelle gerade mal noch angehört.
Ich habe mit dem Schulträger der Stadt Dresden besprochen, wie er auf diese Art und Weise seine Schulnetzplanung für die Berufsschulzentren nachhaltig gestalten will, wenn ihm im Oktober mitgeteilt wird, dass eine Fachklasse im zweiten Ausbildungsjahr ohne Ankündigung von Dresden nach Leipzig verlagert wird. Das ist ein spannender Prozess.
Jetzt komme ich auf einen Vergleich, den ich hier schon drei Jahre lang immer wieder hervorhebe: Wieso sollen Berufsschulnetze, auch wenn das Schulgesetz das so vorsieht, kleinteilig bei den Schulträgern geplant werden, während wir bei der Hochschulentwicklungsplanung selbstverständlich davon ausgehen, dass selbst für die Berufsakademie zentral vom Staatsministerium gemeinsam geplant wird?
Warum gibt es solche Überlegungen nicht auch für die Berufsschulzentren und für die Entwicklung unserer beruflichen Bildung im Freistaat gemeinsam mit den Ausbildungsverbünden, mit den Ausbildungsbetrieben, mit den Verbänden? Das kann man natürlich, solange das Schulgesetz es nicht anders vorsieht, auf dem Wege einer verbindlichen Kooperation machen, wenn man das denn politisch will. Aber offenbar ist das politisch nicht gewollt, sondern man lässt die Schulträger sogar noch im Regen stehen, dass sie drei, vier Jahre lang keine beschlossene Schulnetzplanung für die Berufsschulzentren
haben, sondern Jahr für Jahr wieder überrascht werden, welche Fachklassen jetzt gerade einmal an der Stelle regionalisiert werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Entschuldigen Sie, wenn ich ein bisschen heftiger werde. Aber seit drei Jahren diskutieren wir dieses Thema herauf und herunter, und ich habe mir in Vorbereitung auf diese Debatte einmal angesehen, was wir als Fraktion mittlerweile schon vorgelegt haben. Spätestens seit dem Entschließungsantrag im vergangenen Jahr nach der Großen Anfrage, die wir gestellt hatten, liegt ein fast umfassendes Konzept vor, an dem man sich politisch abarbeiten kann. Nein, es wird schlichtweg ignoriert, und man wurstelt weiter vor sich hin, bis man dann irgendwann feststellt, dass nicht nur der Standort selbst gefährdet ist, weil die Schüler nicht mehr da sind, sondern dass man auch noch feststellt, dass die Lehrer nicht mehr da sind. Welches Wunder! Es ist die älteste Lehrergruppe, die wir haben: die Berufsschullehrer. Da gibt es die größten Disparitäten, weil wir Spezialisten zum Beispiel im Bereich der Elektro- und Metallbranche brauchen, die wir schlicht und ergreifend nicht haben. Was tut man dort? Gibt es Seiten- und Quereinsteigerprogramme, damit zum Beispiel Ingenieure oder Meister nachhaltig – Herr Seidel, nachhaltig, nicht nur punktuell, wenn man gerade einmal der Meinung ist, man könnte es jetzt tun – qualifiziert werden, wenn sich zum Beispiel jemand nach zehn oder 20 Jahren als Meister entscheidet, in die berufliche Ausbildung zu gehen?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin eigentlich fassungslos. Wir haben im gesamten Bildungsbereich eine chaotische Situation, aber bei den Berufsschulzentren fehlen mir jede Worte. Nun komme ich zu einem Punkt, wo wir vielleicht noch einen Dissens haben. Es ist ein Bereich, bei dem man noch nicht einmal richtig hinsieht. In allen Papieren, die wir vorfinden – Herr Morlok geht gerade –, wird davon gesprochen, dass man vor allen Dingen die duale Bildung ins Zentrum stellten. Wir hatten ja die Diskussion über die Schließung der Berufsfachschulen.
Ja, natürlich: 50 % der Auszubildenden sind in der dualen Ausbildung. Die restlichen 50 % sind zum überwiegenden Teil in vollzeitschulischer Ausbildung, und zwar gewollter vollzeitschulischer Ausbildung, geregelter vollzeitschulischer Ausbildung, überwiegend staatlich anerkannter vollzeitschulischer Ausbildung, nämlich bei den Pflegern, den Erziehern und vielen anderen. Wir haben die Daten aus unserer Großen Anfrage. 50 %! Wie wird denn über die geredet? – Ich höre dazu nichts. Im Gegenteil, Herr Seidel, man hat es zugelassen, dass mittlerweile 80 % der Berufsfachschulen von freien Trägern betrieben werden. 80 %! Da reden wir nicht über ein Landesverfassungsgerichtsurteil, das den freien Schulen einen kleinen Korridor von 10 % lässt. Wir reden über 80 % der Auszubildenden an diesen Schulen!
Das hat Ihre Fraktion, Ihre Partei, Ihr Kultusministerium in den letzten Jahren zugelassen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heißt, 80 % der Auszubildenden
in vollzeitschulischen Ausbildungen – das sind zum überwiegenden Teil junge Frauen, auch das kann man in den Daten des Kultusministeriums nachlesen – müssen Schulgeld bezahlen, müssen eine Ausbildungsvergütung bezahlen, weil sie an einer freien Schule sind.
Wo ist der Ausbau der staatlichen Schulen in den Bedarfsbereichen geblieben, die wir sogar zahlenmäßig kennen? Da müssen wir nicht einmal die Wirtschaft fragen. Wir wissen, wie viele Pflegefachkräfte wir brauchen. Wir wissen, wie viele staatlich anerkannte Erzieher wir brauchen, weil das staatlich geregelte Bereiche sind. Dort werden die staatlichen Schulen nicht ausgebaut, sondern man überlässt es den freien Schulen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich belasse es dabei. Es gäbe viel zu sagen. Ich rate Ihnen, noch einmal einen Blick in unseren Entschließungsantrag vom vergangenen Jahr zu richten. Darin steht alles, und man kann sich daran abarbeiten, egal, welches Ministerium, am besten die Staatsregierung, damit wir endlich das Problem an den beruflichen Schulen geklärt bekommen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte einen sehr sachlichen und durchaus wohlwollenden Redebeitrag vorbereitet. Aber,
Frau Dr. Stange, was Sie zuletzt zu dem Thema freie Schulen gesagt haben, zeigt mir, dass Sie die Sachlage immer so drehen, wie es Ihnen gerade passt. Wenn es Ihnen hilft, sind Sie für die freien Schulen, und wenn es Ihnen hilft, sind Sie gegen die freien Schulen.
Aber mit dem Herzen sind Sie nicht dabei. Sie haben das Urteil nicht verstanden. Wir sollten alle – hier spreche ich von der Koalition, aber auch von der Opposition – zur Kenntnis nehmen, dass spätestens mit dem Urteil vom 15. November eine Vorrangstellung von staatlichen Schulen der Vergangenheit angehört. Als Liberaler bin ich mit diesem Urteil durchaus zufrieden. Aber was Sie wollen, ist, dass die freien Schulen zurückgedrängt werden. Darüber hinaus – das sage ich auch – bauen wir für den Freistaat Sachsen auch Doppelkapazitäten auf. Das ist finanziell nicht vertretbar.
Danke schön. Ist Ihnen bekannt, wer sich im vergangenen Jahr – ich glaube, es war im vergangenen Jahr – dafür eingesetzt hat, dass es ein geregeltes Verfahren zum Rückbau, sage ich einmal vorsichtig, der Berufsfachschulen bei freien Trägern gibt? Ist Ihnen bekannt, wer sich dafür eingesetzt hat?
Geht es um das Thema vollzeitschulische Ausbildung? – Das kann ich Ihnen ganz klar sagen. Wir haben über das Thema vollzeitschulische Ausbildungsgänge gesprochen, das sowohl von staatlichen als auch von freien Trägern in Anspruch genommen wird; zugegebenermaßen mehrheitlich von freien Trägern. Hier geht es darum, welche Ausbildungsform wir uns vorstellen, dual oder vollzeitschulisch. Es hat nichts damit zu tun, dass es gegen die freien Träger ging, sondern es ging darum, welche Ausbildungsform die richtige ist. Ich weiß natürlich, wer sich dafür eingesetzt hat. Das waren unsere Wirtschaftsfachleute, die sagten, unsere duale Ausbildung soll Vorrang haben.
Herzlichen Dank. Nur damit das richtiggestellt ist: Herr Bläsner, ist Ihnen bekannt, dass die freien Träger ausschließlich im Bereich der vollzeitschulischen Ausbildung unterwegs sind?
Ja, das ist mir bekannt. Aber noch einmal: Es ging nicht gegen die freien Träger, sondern um die Frage, welche Ausbildungsform wir wählen. Entschuldigung! Ich kann doch nicht sagen, ich behalte die vollzeitschulischen Ausbildungsgänge bei, obwohl ich davon nicht überzeugt bin, weil ich den freien Schulen an der Stelle nicht schaden will. Das hat mit diesem Thema nichts zu tun. Es ging um die Frage, was besser ist, duale oder vollzeitschulische Ausbildung. Wir haben uns für die duale Berufsausbildung entschieden. Das war richtig; denn sie ist die Ausbildungsform, die dafür sorgt, dass wir in Deutschland mit die geringste Jugendarbeitslosigkeit haben.