Dieses Programm ist aus einem Projekt in einem sozialen Brennpunktgebiet – Gorbitz – erwachsen. Die Stadt Dresden, der Jugendhilfeausschuss und der Stadtrat waren so klug, das Programm aus dem Projektstatus in den Programmstatus zu heben, um damit zum Beispiel auch dem Stadtteil Prohlis oder anderen Stadtteilen, in denen sich Kindertagesstätten mit Kindern befinden, die in sozial prekären Verhältnissen aufwachsen, die Möglichkeit zu geben, eine gute Startchance im Kitabereich zu erhalten. Ich finde, das ist eine sehr kluge Entscheidung. Überall, wo ich die Gelegenheit habe, kann ich darüber berichten, wie toll dieses Programm funktioniert und wie strukturiert es aufgebaut ist.
Warum tue ich das? Warum erwähne ich das? Weil dieses Programm eine Feststellung aufgegriffen hat, die einmal in einem Bericht der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung zum Ausdruck kam; es war der 11. Kinder- und Jugendbericht. Es gibt eine gesellschaftliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern. Das ist hier zum Programm geworden, ein Programm des Aufwachsens in gesellschaftlicher Verantwortung.
Dort hat man erkannt – nicht nur die Frau Grohmann oder der Eigenbetrieb Kindertagesstätten in der Stadt Dresden, sondern offenbar auch die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses und des Stadtrates –, dass es möglich ist, über Bildungseinrichtungen im Bereich der frühkindlichen Bildung Kindern, die in schwierigen sozialen Verhältnissen aufwachsen – das können bildungsferne Schichten oder Schichten mit einem hohen Anteil an Arbeitslosigkeit bzw. Langzeitarbeitslosigkeit oder einem geringen finanziellen Einkommen sein –, eine Chance zu geben.
Die Kindertagestätten werden nicht stigmatisiert, sondern sie bekommen eine besondere Ausstattung, zum Beispiel einen Sozialarbeiter. Die Kindertagesstätten, die Erzieherinnen, die Verantwortlichen sind innerhalb der Stadt vernetzt, um sich darüber austauschen, wie man dieses Aufwachsen in gesellschaftlicher Verantwortung im Bereich der frühkindlichen Bildung noch besser gestalten kann.
Ich denke, das ist ein wunderbares Beispiel zum Nachahmen im ganzen Land. Dazu wäre es sinnvoll, dass vom Sozialministerium, vom Kultusministerium, vonseiten des Landes Gelder zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, die in genau solche Programme hineinfließen. Zum Beispiel die 5 Millionen Euro, die den Kindertagesstätten in den Jahren 2013 oder 2014 zusätzlich zur Verfügung gestellt werden: 1 Million Euro hätten der Stadt Dresden gereicht, um dieses Programm kontinuierlich in den nächsten Jahren weiter auszubauen und mit eigenen Mitteln zu unterfüttern.
Ich denke, die Große Anfrage der LINKEN hat genauso wie unsere Große Anfrage vor genau zwei Jahren zur
sozialen Lage von Kindern und Jugendlichen in Sachsen das Ziel gehabt, die Staatsregierung darauf aufmerksam zu machen, dass wir dort ein Problem haben, wo Kinder in prekären Lebensverhältnissen aufwachsen, dass wir mit den Bildungseinrichtungen diesen Auftrag – nämlich die gesellschaftliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern – wahrnehmen und die Bildungseinrichtungen entsprechend ausgestalten müssen.
Nun hat die Große Anfrage der LINKEN Folgendes ergeben – ich muss gestehen, ich habe mir die Antworten nicht alle angesehen, weil ich schon beim ersten Blick gesehen habe, dass sie zu etwas Ähnlichem wie unsere Große Anfrage geführt haben –: Wir wissen zu wenig über die tatsächliche Situation der Kinder, und wir wissen zu wenig über den Zusammenhang zwischen der sozialen Lage von Kindern und Jugendlichen auf der einen Seite und den Bedingungen, die wir in den Bildungseinrichtungen für sie schaffen, auf der anderen Seite.
Insofern war ich extrem enttäuscht, als ich vor wenigen Wochen den Sozialstrukturatlas in die Hand bekam. Nun bin ich nicht Mitglied des Landesjugendhilfeausschusses. Wahrscheinlich hätte ich ihn überhaupt nicht in die Hände bekommen, wenn ihn mir nicht meine lieben Kollegen aus dem Landesjugendhilfeausschuss zugeführt hätten, weil sie festgestellt hatten, dass darin etwas zu Bildung steht.
Dieser Sozialstrukturatlas hätte eine Möglichkeit sein können, da die Sozialdaten jetzt vorliegen, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg über die Bildungsbiografie und sogar regionalisiert in den einzelnen Regionen darzustellen. Das ist aber nicht passiert. Ich frage mich: Welchen Auftrag haben diejenigen gehabt, die den Sozialstrukturatlas erstellt haben, dass sie diese Chance verpasst haben, mit den zur Verfügung stehenden Daten, nämlich aus der großen Befragung, jetzt diesen Kontext herzustellen, den wir sonst nur aus den Pisa-Daten kennen? Nur bei Pisa werden die Sozialdaten mit den Bildungsdaten in Verbindung gesetzt. Das hat der Freistaat verpasst.
Obwohl wir Ihnen bereits im Jahr 2011 mit unserem damaligen Entschließungsantrag zur Großen Anfrage den Hinweis gegeben haben – der natürlich nicht aufgenommen und demzufolge auch nicht beschlossen wurde –, ein wissenschaftliches Kompetenzzentrum einschließlich
einer Arbeitsstelle für Sozialstatistik einzurichten, um eine qualifizierte und kontinuierliche Sozialberichterstattung zu ermöglichen, die auf regionalisierter Datenerhebung basiert, ist das nicht passiert.
Wir können feststellen, dass die Zahl der Schüler ohne Schulabschluss im Schuljahr 2008/2009 – dort waren es noch 8,8 % – auf 10,1 % im Schuljahr 2012/2013 gestiegen ist und der überwiegende Teil davon, nämlich 6 %, Jungen sind. Wir können lesen, dass die Anzahl der Schüler mit Hauptschulabschluss im gleichen Zeitraum von 8,6 auf 10,3 % gestiegen ist. Davon sind ebenfalls 6 % Jungen.
Wir können auch lesen, dass die Anzahl der Schüler mit Hochschulreife von ehemals 38 % auf sage und schreibe 28,5 % gesunken ist. Das ist der geringste Anteil in der gesamten Bundesrepublik. Wir haben also auch am oberen Ende offenbar nicht die Kraft, mehr Schüler zur Hochschulreife zu bringen.
Festzustellen ist, dass in Dresden 38 % der Kinder die Hochschulreife erwerben und 9 % ohne Hauptschulabschluss abgehen. Im Erzgebirgskreis sind es nur 23 % der Schüler, die die Hochschulreife erreichen, und nur 7 % der Schüler haben keinen Hauptschulabschluss.
Das sind regionalisierte Daten, bei denen man sich fragen muss: Warum gibt es diese Unterschiede? Warum gibt es diese Entwicklung? Was sind das für Schüler, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen? Wir haben die Sozialdaten dazu.
Frau Ministerin Clauß, ich würde gern wissen: Wer hat eigentlich diesen Sozialstrukturatlas in Auftrag gegeben, und wie lautete der Auftrag, wenn er so wenige Erkenntnisse bringt?
Ich möchte eine zweite Anregung geben, und damit will ich es bewenden lassen. Wir haben im Jahr 2011 schon einmal darauf hingewiesen, dass ein regionalisiertes Bildungsmonitoring dringend notwendig wäre. Wir haben mittlerweile zwei davon vorliegen, nämlich in Leipzig mit Kontinuität und in Dresden den ersten Bildungsbericht. Nur über das regionalisierte Bildungsmonitoring erfahren wir tatsächlich, wo der Zusammenhang zwischen prekären Lebensverhältnissen oder vielleicht auch sehr gesicherten Lebensverhältnissen und Bildungserfolg stattfindet. Das konnte in der Stadt Dresden festgestellt werden.
Der Bildungsbericht zeigt zum Beispiel auf – zu meinem großen Erschrecken –, dass 80 % der Kinder an einer Erziehungshilfeschule in Dresden Jungen sind. Das habe ich noch nirgendwo gelesen. Das ist mir aus Deutschlanddaten nicht bekannt. Ich würde gern wissen: Was macht die Stadt Dresden oder das Regionalschulamt falsch, dass es einen so hohen Anteil gibt?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es damit bewenden lassen, weil das, wovor wir wieder stehen – mittlerweile zwei Jahre später – mehr Fragen als Antworten hinterlässt, obwohl in der Zwischenzeit eine Sozialdatenerhebung möglich gewesen wäre und mehr Erkenntnisse in der Großen Anfrage hätten produziert werden können.
Unser Bildungssystem produziert nach wie vor einen viel zu großen Anteil von Bildungsverlierern. Das sind Jahr für Jahr 2 500 Jugendliche, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Darüber sollten wir vielleicht doch etwas ernsthafter diskutieren, als das hier gerade der Fall gewesen ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg. Für uns Liberale ist Bildung Hauptaufgabe, Herzensangelegenheit und Chefsache zugleich.
Sachsen schneidet bei der frühkindlichen, vorschulischen und schulischen Bildung sehr gut ab. Mit einer allumfassenden Bildung entwickeln sich die Kinder zu mündigen Menschen und bereiten sich auf das Leben vor. Für Deutschland, ein Land mit hochentwickelter Industrie, hat das eine umso höhere Bedeutung.
Bildung gibt den Menschen Chancen, und Bildung in Sachsen garantiert Chancengleichheit. Chancengleichheit für alle Kinder, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, muss für jede Gesellschaft Ansporn sein; nicht nur Ansporn, sondern letztlich auch Pflicht. Dieser Pflicht sind wir in Sachsen in den letzten Jahren nachgekommen.
Die vielfältigen Maßnahmen, die dafür ergriffen worden sind, können dabei als Erfolg gewertet werden. Mit Blick auf den Bildungsmonitor 2013 zeigen sich die überdurchschnittlichen Leistungen Sachsens in vielen Indikatoren beim Bildungsvergleich der Länder. Schlicht und einfach gesagt: Sachsen verteidigte im Jahr 2013 seinen Spitzenplatz im Bildungsvergleich der Länder.
Sehr geehrte Damen und Herren! Besonders die vorschulische Erziehung hat einen bedeutenden Einfluss auf die Leistungen der Kinder in der Schule. Hier werden die Grundlagen für eine erfolgreiche Bildungsbiografie gelegt; denn in diesem Alter werden die entsprechenden Synapsen geknüpft. Hier werden letztlich auch die Grundlagen für Tugenden wie Neugier, Strebsamkeit, Ehrgeiz und Problemlösungsoffenheit gelegt. Das ist all das, was sie im späteren Schulleben brauchen. Dabei ist es nicht nur das letzte Kindergartenjahr, sondern wir fördern in Sachsen von Beginn an alle Kinder in allen Kindertageseinrichtungen.
Die FDP-Fraktion hat zusammen mit dem Koalitionspartner mit dem Assistenzkräfteprogramm im Doppelhaushalt 2013/2014 dafür Sorge getragen, dass zum ersten Mal mehr Personal in die Kindertageseinrichtungen kommt,
um das vorhandene Personal in den Kindertageseinrichtungen zu entlasten und die Erziehung und Bildung der Kinder noch mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist Förderung frühkindlicher Bildung.
Den Kindertageseinrichtungen werden Budgets zur Verfügung gestellt, mit denen sie Personal entsprechend dem Bedarf ihrer Einrichtung einstellen können.
Frau Stange, ich darf Ihnen sagen: Jawohl, wir haben bei der Erstellung der Richtlinie natürlich auf Dresden geschaut, auf das Aufwachsen in sozialer Verantwortung. Auch das war ein Indikator.
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand und der sozialen Herkunft ist in Sachsen im Vergleich zum gesamten Bundesgebiet am geringsten ausgeprägt. Die Antwort der Staatsregierung verweist auf die Studien, welche die entsprechenden Werte darstellen. Darin wird festgestellt, dass es nur einen minimalen Zusammenhang zwischen der Einkommensklasse und der Wahrscheinlichkeit für den Besuch eines Gymnasiums in Sachsen gibt.
Frau Klepsch, Ihre klischeehafte Darstellung und die Horrorszenarien, dass es in Sachsen einem Kind aus einem Hartz-IV-Haushalt nicht möglich wäre, auf das Gymnasium zu gehen, weise ich entschieden zurück.
Auch für die Lesekompetenz gilt dieser minimale Zusammenhang; denn bei der Lesekompetenz liegen die Viertklässler in Sachsen im Spitzenfeld. Gleichzeitig hat das Einkommen den geringsten Einfluss auf die Leseleistung der Kinder.
Doch die Entwicklung der Kinder ist immer von zwei Seiten zu betrachten. Die gesamte Anfrage der Linksfraktion rückt im Wesentlichen die Bedarfsgemeinschaften und die Menschen mit Migrationshintergrund in den Mittelpunkt. Das ist ein Schwerpunkt, dem man sich widmen muss – keine Frage –, doch deshalb darf die Lebenswirklichkeit eines Großteils der sächsischen Familien, nämlich berufstätige Eltern, nicht vernachlässigt werden. Es besteht die Notwendigkeit, den berufstätigen Eltern Angebote zu unterbreiten, damit alle Familien ihren Kindern die beste Bildung zukommen lassen können.
Wir als FDP-Fraktion sehen dabei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als den Schlüssel an, um allen Kindern beste Bildungschancen zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Hortbetreuung. Hier sind wir im Freistaat sehr gut aufgestellt. Gemeinsam mit den Kommunen und Gemeinden haben wir ein gutes und umfassendes Angebot errichtet. Darüber hinaus haben wir das Modellprojekt "Flexible Kita-Öffnungszeiten“ gestaltet. Wir haben das im Doppelhaushalt gemeinsam mit dem Koalitionspartner verankert. Es ermöglicht, längere und flexiblere Öffnungszeiten in Kindertageseinrichtungen anzubieten. Wir reagieren damit auf die Forderungen von berufstätigen Eltern nach erweiterten und bedarfsangepassten Öffnungszeiten. Das ist wesentlich in dieser Gesellschaft.
Flankiert werden die bereits erwähnten Maßnahmen durch ein Bündel von Instrumenten. Hierzu zählen ebenso die Mittel für den Kita-Bau. Insgesamt 106 Millionen Euro haben wir dafür im Doppelhaushalt bereitgestellt. Das ist ein ganz erheblicher Teil, gerade für Dresden mit steigenden Geburtenraten.
Schließlich, und das wurde in der Großen Anfrage ebenso abgefragt, geht es um das Bildungs- und Teilhabepaket als ein wichtiges Instrument, um Kindern aus Familien mit geringen Einkommen eine Teilhabe zu ermöglichen. Hierzu verweise ich auf den Endbericht der Evaluation des Bildungs- und Teilhabepaketes, der wahrscheinlich frühestens 2016 kommen wird, jedoch ist heute schon der höhere Abfluss der Mittel absehbar; nichtsdestotrotz bedarf es hier und da noch mehr Unterstützung.
Sehr geehrte Damen und Herren! Bildung ist das wichtigste Gut, das wir unseren Kindern mitgeben können. Sachsen hat dabei die Bedeutung erkannt und sich den Herausforderungen gestellt. Das ist kein Grund, sich auszuruhen. Wir werden auch in Zukunft alles dafür tun, um allen Kindern in Sachsen die besten Chancen zu geben.