Protokoll der Sitzung vom 29.01.2014

(Dr. Johannes Müller, NPD: Warten Sie es mal ab, Herr Biesok!)

Das ist die Heimat. Sie gibt den Menschen Sicherheit und Verlässlichkeit. Sie ist ein Ort tiefen Vertrauens. Sie ist in einer immer komplexer werdenden Welt die verständliche und überschaubare Größe. Sie ist der Rahmen, in dem sich Verhaltenserwartungen stabilisieren, in dem sinnvolles und abschätzbares Handeln möglich wird. Heimat ist also genau das Gegenteil von Fremdheit. Allein aus diesem Grund fordern Sie ein Heimatministerium.

Aber zu Ihrem Antrag. Wie so oft haben Sie in Ermangelung eigener Ideen bei anderen abgeschrieben oder versucht, es zu tun. In Ihrer Begründung führen Sie das selbst aus. Dieses Mal haben Sie sich am neuen bayerischen Kabinett orientiert, aber einen genauen Blick in unseren Nachbarfreistaat haben Sie nicht geworfen. Dort wird kein eigenes Staatsministerium für Landesentwicklung und Heimat geschaffen, vielmehr wird der Bereich an das Staatsministerium der Finanzen angegliedert und eine Außenstelle in der fränkischen Metropole Nürnberg eingerichtet. Herr Prof. Unland, das wäre dann Ihr Ministerium, das dafür zuständig wäre. Dieser Ministeriumsteil wird vorrangig für Digitalisierung, Breitbandausbau und Verwaltungsreformen zuständig sein, hat also mit dem, was Sie inhaltlich fordern, nichts zu tun.

Sie fordern ein eigenes Staatsministerium mit Sitz in einem nicht kreisfreien Oberzentrum. Für dieses Staatsministerium fordern Sie die Zuweisung und Verlagerung aller Aufgaben, die ein allmähliches Wiederaufblühen früherer Gewerbe- und Bevölkerungsstrukturen in neuer Form bewirken, was auch immer darunter zu verstehen ist. Sie formulieren in Ihrem Antrag einzelne Bereiche aus dem Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, wie die Dorfentwicklung, die Ernährungswirtschaft oder einzelne EU-Programme oder Fonds. Das Innenministerium soll unter anderem die Kommunalfinanzen und Teilgebiete des Kommunalrechts oder die Sportpolitik an das neue Ministerium abgeben.

Am Beispiel Kommunales ist sehr schön nachzuvollziehen, wie wenig durchdacht Ihr Vorschlag ist. Die Abteilung Recht und Kommunales des Innenministeriums befasst sich sowohl mit verfassungsrechtlichen als auch mit dienstrechtlichen Fragen. Sie hat kommunale Fragen zu prüfen oder Normprüfungen vorzunehmen. Fragen des Kommunalrechts sind denknotwendig ganz oft auch rechtliche oder verfassungsrechtliche Fragestellungen. Ich denke hier nur an den Belastungsausgleich. Würde es Sinn machen, diese Zuständigkeiten zu zersplittern?

Würde es Sinn machen, für das Wahlrecht unterschiedliche Zuständigkeiten je nach Heimatregion vorzunehmen? Ich glaube das nicht. Die von Ihnen vorgeschlagene Aufgabenzuordnung führt zu einer sinnlosen Zersplitterung von Strukturen; Doppelungen und Redundanzen würden die Folge sein. Darum geht es Ihnen aber auch gar nicht.

In Punkt 5 Ihres Antrags zeigen Sie wieder Ihr wahres Gesicht: Das neue Ministerium soll Aufgabengebiete erhalten, wie die Zuständigkeit für ein integriertes Rückwanderungs- und Siedlungsprogramm – natürlich nur für deutsche Arbeitskräfte und Familien.

(Zurufe von der NPD: Natürlich! – Für wen denn sonst?)

Natürlich, für wen sonst?! – Völlig wesensfremd und lebensfremd ist auch der Vorschlag eines neuen Aufgabengebiets: die Förderung der Dezentralisierung der Industrie; das kann man schon kaum aussprechen. Dieser Punkt ergibt nur Sinn zusammen mit Ihrem Begründungstext. Dort geben Sie dem überregionalen und internationalen Kapital und den von ihm angeblich gesteuerten industriellen Netzwerken die Hauptschuld an der demografischen Entwicklung. Damit machen Sie Ihre eigentliche Absicht deutlich: Sie lehnen die europäische und internationale Integration ab. Sie legen die Axt an die Wurzeln, aus denen wir unseren wirtschaftlichen Wohlstand schöpfen. Am liebsten wäre es Ihnen, Deutschland würde sich aus dem internationalen Handelsverkehr verabschieden und in neuen germanischen Siedlungsstrukturen die deutschen Familien wieder mit einer autarken Wirtschaft versehen. Das ist Ihr Hintergrund, weshalb Sie dieses Ministerium wollen, und das ist Ihr Gesellschaftsbild.

Ihr vorliegender Antrag nützt ländlichen Kommunen und Regionen Sachsens nicht im Geringsten. Es schadet ihnen, weil sie keine Zuständigkeiten mehr haben, und er nützt auch nicht dem gesamten Freistaat Sachsen. Deshalb werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Biesok sprach für die FDP-Fraktion. – Wir sind jetzt am Ende der ersten Rederunde angelangt, und ich eröffne eine zweite. Wie angekündigt, spricht für die einbringende Fraktion der NPD Herr Löffler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Friedel, Ihre Behauptung, dass der Tourismus in der Sächsischen Schweiz aufgrund einer starken NPD zurückgegangen sei, ist ebenso falsch wie die Behauptung von Herrn Bürgermeister Stimpel im Vorfeld der Lichtelläufe in Schneeberg, dass die Touristen und Gäste wegbleiben würden. Das Gegenteil ist richtig: Niemals zuvor waren in Schneeberg zum Lichtelfest und zum Weihnachtsmarkt so viele Gäste wie im letzten Jahr.

(Beifall bei der NPD)

Aber, meine Damen und Herren, zurück zum Antrag: Mein Kollege Arne Schimmer hat schon einige demografische und sozioökonomische Eckdaten genannt, die eine Fokussierung der sächsischen Politik auf die Erhaltung unseres Landes nahelegen. Ja, Sie haben richtig gehört, meine Damen und Herren: Erhaltung unseres Landes. Das kommt dem meines Erachtens näher, als nur vom ländlichen Raum zu sprechen.

Demgegenüber ist das, was wir als NPD-Fraktion in Wirklichkeit raumordnungspolitisch unter ländlichem Raum verstehen, meines Erachtens nichts anderes als der größte Teil unseres Landes – und, je nach Definition der Kriterien, zum Beispiel 90 % des Staatsgebiets und 55 % der Bevölkerung, wenn wir alle Gemeinden mit bis zu 20 000 Einwohnern dazuzählen. Insbesondere die Mittelzentren sind unmittelbar auf die umliegenden Gemeinden angewiesen und diese auf die Mittelzentren, sodass Letztere in die Planungen des ländlichen Raumes einbezogen werden müssen. Bekanntlich schrumpfen heute viele Mittelzentren, wie etwa die Stadt Zittau in der Oberlausitz, fast genauso stark wie ihr Umland.

Die Erhaltung eines lebendigen ländlichen Raums ist also in der Tat weitgehend identisch mit der Bewahrung unseres Landes. Das sollten wir uns klarmachen und auch in unserer Sprache klar reflektieren. Ich denke, dass der bayerische Ministerpräsident, Horst Seehofer, genau dies im Sinn hatte, als er in seiner Rede im bayerischen Landtag erklärte, von nun an raumordnungspolitisch nicht mehr vom ländlichen Raum, sondern von Heimat sprechen zu wollen. Bei uns in Sachsen stirbt aber der ländliche Raum

(Zuruf von der FDP: Das ist Blödsinn!)

Das ist Blödsinn? – Ich bringe Ihnen ein Beispiel aus meinem Landkreis: Als vor sechs Jahren die Kreisgebietsreform griff, hatten wir noch 388 000 Einwohner. Jetzt haben wir noch 352 000. 38 von 97 Filialen der Erzgebirgssparkasse schließen – und das nicht zuletzt aufgrund des Bevölkerungsrückgangs. 25 % der 18- bis 27-Jährigen wandern aus dem Erzgebirgskreis ab. Meine Damen und Herren, ich glaube, man kann das schon so sagen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, gestatte ich nicht.

(Oh! bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Zumindest auf diese grundlegende Erkenntnis sollten wir uns einigen können. Denn das ist die erste Voraussetzung, um etwas dagegen tun zu können. Alle Anstrengungen, die wir hierfür unternehmen, müssen gebündelt oder zumindest stark koordiniert werden.

Genau hierfür brauchen wir das sächsische Heimatministerium, meine Damen und Herren. Ob die Bayern eher den Weg der Koordinierung oder den der Bündelung gewählt haben, ist mir nicht ganz klar. Sie richten das

neue Heimatministerium als eine Art Anhängsel an das Finanzministerium ein, allerdings mit räumlich getrenntem Sitz, nämlich in Nürnberg. Der Finanzminister ist auch der Chef des Heimatministeriums, und zwar in seiner Eigenschaft als Beauftragter für Demografie.

Übertragen auf sächsische Verhältnisse, müsste ein solches Ministerium – sofern es sich nicht im Wesentlichen auf Koordinierung beschränken soll – nach meinem Verständnis viel mehr Kompetenzen aus anderen Ministerien bündeln. Die genaue Geschäftsverteilung muss selbstverständlich das Ergebnis umfangreicher Vorarbeiten und Planungen sein. Infrage kommen aber sicherlich Aufgaben aus Ministerien, wie beispielsweise SMUL – Entwicklung des ländlichen Raumes, Landeskultur, Zuständigkeit für die verschiedenen EU-Programme, Ausbau des Breitbandnetzes –, SMI – kommunale Finanzen, Mitgliedschaft im FAG-Beirat, Kommunalrecht, kommunalwirtschaftliche Betriebe, Landesentwicklung, Regionalentwicklung –, SMWA – Teile der Industrie- und Gewerbeansiedlung, des öffentlichen Personennahverkehrs und des Straßenbaus im ländlichen Raum –, SMK – Mitspracherecht bei der Schulnetzplanung, der Schulgesetzgebung und der Lehrerzuteilung. Es liegt auf der Hand, dass eine Bündelung dieser Aufgaben bei einem Ministerium von Vorteil wäre.

Zusätzlich zu den genannten Kompetenzen, die jeweils nach Zweckmäßigkeit dem Heimatministerium zugewiesen werden können, möchten wir als NPD-Fraktion dem Ministerium eine völlig neue Aufgabe übertragen, die gewissermaßen als Klammer für alle dienen soll, nämlich: die Entwicklung und Umsetzung eines integrierten Rückwanderungs- und Siedlungsprogramms im ländlichen Raum für deutsche Arbeitskräfte und Familien einerseits und für Industrie und Gewerbe andererseits, insbesondere die Förderung der Dezentralisierung der Industrie durch entsprechende Anreize für die Unternehmen sowie Infrastrukturmaßnahmen in den Bereichen Kommunikation und Verkehr.

Mit diesem Programm werden die beiden wesentlichen Ziele verfolgt, deren Erreichung als Voraussetzung für die Reorganisation und Wiederbelebung des ländlichen Raumes betrachtet werden kann: nämlich die Ansiedlung von Menschen und die Ansiedlung von Arbeit. Diese beiden Ziele bedingen einander und können deswegen nicht separat, sondern nur koordiniert und in engem Zusammenhang verfolgt werden. Das ist der Zweck dieses Antrags.

Namens der NPD-Fraktion bitte ich um Ihre Unterstützung und unabhängig von der Entscheidung des Landtags über den Antrag um eine möglichst rege Diskussion über dieses für Sachsen so wichtige Thema.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Löffler war das für die einbringende NPD-Fraktion. Gibt es jetzt weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall.

Für die Staatsregierung ergreift jetzt Herr Staatsminister Beermann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur drei kurze Anmerkungen.

Erstens: Der Freistaat Sachsen, die Sächsische Staatsregierung – wie ihre Vorgängerregierung –, bedarf keiner Nachhilfe in Sachen Demografie. Dieses Hohe Haus hatte in der letzten Legislaturperiode eine Enquete-Kommission zur Demografie. Wir sind immer wieder gefragt, wenn es um demografische Entwicklungen geht.

In Sachsen packen viele auf allen Ebenen an, um die demografische Entwicklung – die kein sächsisches Phänomen ist – zu gestalten. Die Erfolge sind da. Seit 2011 gibt es wieder mehr Menschen, die nach Sachsen zurückkommen, als Menschen, die von Sachsen wegziehen, allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres über 7 000 Menschen – wahrscheinlich in Vorfreude auf das Verbot der NPD und dass sie im nächsten Landtag nicht mehr vorhanden sein wird.

(Beifall bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Zweitens: Ich stelle mich schützend vor unseren Schwesterfreistaat Bayern. Bitte vereinnahmen Sie ihn ebenso wenig wie den Begriff „Heimat“. Ihr Begriff „Heimat“ ist nicht der, meine Damen und Herren von der NPDFraktion, der in Sachsen beheimatet ist. Sachsen ist eine weltoffene Heimat. Die Sachsen wollen, dass die Heimat lebendig ist, dass sie nicht abgeschottet ist.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Was Sie wollen, ist etwas ganz anderes. Ihnen geht es um Ausgrenzung, Ihnen geht es um die Errichtung eines biologischen Volkskörpers. Dann seien Sie doch wenigstens so ehrlich, das ganz offen zu schreiben und sich nicht hinter so verschraubten Formulierungen wie „vitale autochthone Bevölkerung mit starken Familien“, lässt sich „nur dann langfristig bewahren“ zu verstecken. Diesen Formulierungen triefen doch der Rassenhass und der Rassenwahn aus allen Poren, und dagegen verwahren wir uns.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Drittens ist es nach der Sächsischen Verfassung noch immer die Aufgabe des sächsischen Ministerpräsidenten, den Zuschnitt des Kabinetts und die Benennung der Ministerien zu organisieren. Das macht schon gar nicht die NPD-Fraktion.

Glauben Sie mir, wir werden alles daransetzen, dass die NPD niemals wieder als Fraktion oder in irgendeiner Regierung auch nur ansatzweise irgendwie die Gelegenheit erhält, irgendein Ministerium zu bekommen.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Das Wort für die Staatsregierung hatte Herr Staatsminister Beermann. Jetzt hat die einreichende NPD-Fraktion die Gelegenheit zu einem Schlusswort. Es wird vorgetragen von Herrn Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, auf die Sprachblasen eines gescheiterten Kabinettmitglieds, welches jetzt trotz völlig fehlender Kompetenz in die Bundesbank abgeschoben wird, muss ich gar nicht eingehen, Herr Beermann.

(Beifall bei der NPD)

Aber nun zu halbwegs ernsthaften Redebeiträgen: Frau Friedel, warum braucht man ein Ministerium? Man braucht es, um in dieser zentralen Frage Aufgaben und Zuständigkeiten zu bündeln und die Federführung und Koordinierung von den einzelnen Ministerien, wie wir in unserem Antrag geschrieben haben, zusammenzuführen. Wir brauchen es, damit endlich auch am Kabinettstisch in Dresden immer die Stimme des ländlichen Raumes vertreten ist. Diese großen Aufgaben können wirklich nur durchgeführt werden, wenn man sie koordiniert. Ich glaube, die Bayern haben ein solches Ministerium auch nicht ohne Grund eingeführt, und sie haben damit noch einmal die Wertigkeit dieser Frage betont.

Auf Ihre uralten Argumente muss ich gar nicht mehr eingehen. In der Sächsischen Schweiz steigen die Besucherzahlen ständig. Das Lichtelfest in Schneeberg war das bestbesuchte überhaupt. Ja, das tut Ihnen weh, aber, Frau Friedel, es ist nun einmal so: Die Touristen kommen nicht aus politisch-ideologischen Gründen in die Sächsische Schweiz oder ins Erzgebirge, sondern weil sie Land, Leute und Kultur kennenlernen wollen, also nicht aus den verquasten Gründen, die Sie sich da zusammenspinnen.

Wir wollen es eben nicht hinnehmen, dass beispielsweise ein ehemaliger Bundesminister, ein ehemaliger Ministerpräsident wie Klaus Töpfer mittlerweile sogar schon eine Abwrackprämie für Dörfer fordert, weil er sagt, die Infrastrukturkosten im ländlichen Raum seien zu hoch, sodass man ganze Gebiete mehr oder weniger evakuieren müsse. In diese Richtung geht jetzt eine gemeinsame Studie vom Berliner Institut für Bevölkerungsentwicklung und vom Potsdamer Institut für Nachhaltigkeit.

Das kann unseres Erachtens nicht sein. Wir wollen das ganze Land erhalten. Mit diesem politischen Anspruch gehen wir als sächsische Landtagsabgeordnete tagtäglich an unsere Aufgaben. Wir sind nicht so zynisch, dass wir die regionale Vielfalt von vornherein abschreiben und uns darauf konzentrieren, nur das Metropoldreieck zwischen Dresden, Leipzig und Chemnitz wirtschaftlich aktiv zu halten. Das ist uns einfach zu wenig.