Sie haben einfach nicht verstanden, was ich gesagt habe. Wenn ich von einer gesamtgesellschaftlichen Situation spreche, dann spreche ich nicht davon, was wir – – Mal ganz ehrlich: Beschließen wir im Landtag ein Fernsehprogramm? Beschließen wir einen technischen Fortschritt im Landtag? Liegt das überhaupt im Ermessen irgendeines Politikers? Ja, in Nordkorea ist das so, okay. Aber mal ganz ehrlich: Welcher Politiker bestimmt darüber, womit sich Kinder und Jugendliche – entweder mit oder ohne Unterstützung ihrer Eltern – den ganzen Tag beschäftigen oder nicht beschäftigen?
Also bleiben wir doch einfach fair! Sich hier hinzustellen und zu behaupten, die böse CDU kann seit 24 Jahren darüber bestimmen, wie sich jedes einzelne Individuum in diesem Land entwickelt – Entschuldigung! –, das ist reine Polemik und hat überhaupt nichts mit Sachpolitik zu tun.
Zur Jugendpauschale: Ich habe es deshalb vorgebracht, weil Elke Herrmann gesagt hat, ich hätte damals – Zitat –
„2010 mit der Staatsregierung die Jugendpauschale gekürzt“. Deswegen habe ich darauf reagiert und gesagt: Ich habe die Jugendpauschale damals nicht gekürzt und ich ziehe mir diesen Schuh auch nicht an. Unter anderem habe ich, gemeinsam mit Kollegin Schütz, dafür gesorgt, dass die Jugendpauschale eingefroren worden ist und dass der Haushaltsansatz von 2011/2012 sich auch 2013/2014 wiedergefunden hat, obwohl er entsprechend der absinkenden Kinder- und Jugendlichenzahl weiter hätte nach unten gehen müssen, wenn man diese Stringenz fortgeführt hätte. Das gehört dann auch zur Ehrlichkeit dazu.
Meine Damen und Herren! Wir sind noch in der zweiten Runde. Die CDU war an der Reihe. Gibt es noch Redebedarf bei der SPD? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die FDP? – Frau Abg. Schütz; Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Nicht, dass hier eine Mär entsteht. Das, was die Kürzung der Jugendpauschale betrifft, so war es tatsächlich ein von der CDU bewirtschaftetes Ministerium, was dies nach vorn gebracht hat.
Aber darauf will ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Ich glaube, wir haben heute die Frage noch nicht ausreichend beantwortet, wie wir uns der Verantwortung der Familien stellen. Es ist heute von mehr gesellschaftlicher Verantwortung gesprochen worden.
Für meinen Landkreis Görlitz kann ich sagen, wenn von den hohen Ausgaben gesprochen wird: 98,8 % der Familien im Landkreis Görlitz sind nicht von HzE, den Hilfen zur Erziehung, betroffen. Das heißt, in unserem Landkreis haben wir eine ganz solide Bevölkerungspolitik. Bei uns sind die Familien ganz normal aufgestellt. An der einen oder anderen Stelle haben wir ein wirtschaftliches, strukturelles Problem, wo wir mit erhöhten Ausgaben, gerade was Erlass und Ermäßigung an Beiträgen betrifft, zu tun haben.
Vielleicht ist an dieser Stelle die Frage aufzumachen, ob man immer nur nach dem Staat, nach der Verantwortung, nach mehr Geld rufen kann. Patrick Schreiber sagte es dankenswerterweise: Egal, wie viel Geld wir hineinpumpen, es kommt nicht automatisch weniger Leistung im HzE-Bereich dabei heraus. Nach wie vor haben wir uns mit einer Situation auseinanderzusetzen, die die Frage stellt, ob wir den Eltern nicht auch zu viel Verantwortung abnehmen, immer mit der Maßgabe, der Staat wird es schon richten.
Es ist auch die Frage zu stellen: Wir befinden uns in einer Leistungsgesellschaft. Um etwas zu bekommen, muss ich eine Gegenleistung erbringen. Je mehr ich mich von diesem Prinzip verabschiede, umso mehr steht die Maßgabe und die Forderung, dass der Staat immer mehr geben möge. Man verlässt sich immer mehr auf den Staat, und das ist meiner Meinung nach die falsche Sichtweise.
Wenn es mittlerweile so ist, dass die verschiedenen Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe nur noch Jugendlichen angeboten werden, die aus einem Bereich der Hilfen zur Erziehung kommen oder in einem anderen Förderbereich liegen, dann fragen sich schon Kinder aus ganz normalen Familien – ich nannte die 98 % –: Was muss ich denn tun, damit ich dort mitfahren kann und damit meine Familie, die knapp über den Grenzbeträgen liegt, daran teilhaben kann?
Zu dem, was jetzt auf Bundesebene mit der Regelung zur Kindergelderhöhung und zum Kinderfreibetrag passiert, ist zu sagen: Nehmen Sie mir es nicht übel, es mögen nur 2 Euro sein; keine Frage. Es mag dem einen oder anderen nicht zu großen Sprüngen verhelfen und trotzdem ist es ein Zeichen von Anerkennung und von Erziehungsleistung, nämlich für die Familien, die keine Leistungen der
Kinder- und Jugendhilfe, abgesehen von den Kindertageseinrichtungen, in Anspruch nehmen. Sie haben nämlich nie Kontakt mit Jugendämtern oder mit anderen Institutionen des Wächteramtes, die ansonsten wahrgenommen werden. Von daher muss ehrlich geschaut werden, wie wir auch die ganz normalen Familien, die sich nicht in diesen Randlagen befinden, ebenso unterstützen und wie wir uns – ich sagte es in meinem ersten Redebeitrag – auch um diese Familien kümmern können.
Diese gesamtgesellschaftliche Verantwortung für die Leistungsträger, für die Mitte unserer Gesellschaft dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.
Vielen Dank, Frau Schütz. – Meine Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat keine Redezeit mehr. Die NPD hat noch 50 Sekunden. Möchten Sie diese noch nutzen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die zweite Runde beendet. Gibt es Bedarf für eine dritte Runde? – Frau Abg. Klepsch; bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Patrick Schreiber hat vorhin gefragt: Was für eine Debatte führen wir hier? Ich will es noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückbringen: Wir sprechen heute nicht über die Ausgestaltung der Jugendpauschale allein. Es geht auch nicht um die Ausrichtung der sächsischen Familienpolitik, sondern es geht darum, dass die zehn sächsischen Landkreise Hilfebedarf angemeldet haben.
Sie haben mit dem Positionspapier angezeigt, dass sie bei der Finanzierung jugendhilflicher Angebote am Ende ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit angekommen sind. Davon ausgehend, dass Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sich an alle Kinder und Jugendlichen richten und eben nicht nur die Feuerwehr für das Versagen in anderen Bereichen sind, dass Kinder- und Jugendhilfe nicht nur der Ausfallbürge ist oder Defizite auf dem Weg zu Schule und Ausbildung beheben soll, müssen wir diese Debatte führen.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, auch wenn es bereits gesagt wurde: Der Freistaat, die Landesregierung hat hierbei ganz klar eine gesetzliche Verantwortung. § 82 SGB XIII spricht von der Verantwortung des Landes bei gleichmäßigem Ausbau der Angebote, auf die das Land hinzuwirken hat. Wenn wir uns anschauen, wie einzelne Leistungsarten in der Fläche ausgestaltet sind, dann kommt das Land der Verantwortung zu wenig nach. Auch das ist ein Hintergrund, warum es das Positionspapier der CDU-Landräte gibt. In Sachsen hat sich die Jugendhilfelandschaft zu einem Flickenteppich entwickelt. Das wird perspektivisch teurer für alle und das dürfen wir nicht so einfach hinnehmen.
Patrick Schreiber, ich sage es noch einmal: Das Problem ist ja nicht nur die Höhe der Gelder, die investiert werden.
Darüber kann man immer diskutieren. Die Kritik geht ja vor allen Dingen in Richtung der Ausgestaltung. Wie wird das Geld ausgegeben? Wird es mit der Gießkanne ausgegossen? Wird es irgendwie über unzählige Förderrichtlinien gestreut, die den Verwaltungsaufwand enorm erhöhen? Oder ist es an der Zeit, noch einmal zu schauen und es zielgerichtet auszugeben und dabei die Finanzierungssystematik zwischen Land und Kommunen wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen?
Dabei muss ich ganz klar fragen: Wo will denn der Ministerpräsident hin? Wo will die sächsische CDU mit dem Thema Jugendpolitik und Jugendhilfe im Freistaat hin?
Noch eine Randbemerkung zu Dresden: Ja, Dresden gibt immer mehr Geld aus. Aber wir beide – Patrick Schreiber und ich – wissen, dass die Landeshauptstadt selbstverständlich in einer viel besseren finanziellen Situation ist als alle Landkreise. Das darf man nicht vergessen, aber wir als Landesparlament haben eine Gesamtverantwortung. Ich erwarte, dass die Staatsregierung die Gesamtverantwortung bei der Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe wahrnimmt.
Ich darf noch einmal auf die CDU zu sprechen kommen. Am Montag fand die „Denkfabrik“ der CDU statt. Der Ministerpräsident hat wieder einmal das Wort „Jugendliche“ und „den Menschen“ in den Mund genommen und irgendetwas von der wichtigsten Ressource erzählt. Der Punkt ist nur, dass in all den Fachworkshops, die sie hatten, das Thema Jugend und Bildung oder Soziales überhaupt keine Rolle gespielt hat. Es ging nur um andere Dinge.
Kommen wir zu den eigentlichen Forderungen. Was fordern die zehn Landräte? Die Neuausrichtung der Finanzierung hatte ich schon genannt. Darüber hinaus wird ein pauschales Kinder- und Jugendbudget gefordert, an dem sich der Freistaat mit 30 % beteiligen soll. Das ist eine riesige Forderung, die ich auch kritisch sehe. Aber darüber muss man diskutieren.
Wir müssen diskutieren über die auskömmliche Finanzierung der Kindertagesbetreuung, über die Bündelung der Schulsozialarbeit – das können wir heute Abend noch einmal besprechen – und vor allem über den gezielten Ausbau präventiver Angebote zur Vermeidung der steigenden Folgekosten. Das ist schon genannt worden.
In Richtung von Frau Clauß sage ich deutlich: Frühe Hilfe, Kinderschutznetzwerke sind alles gute Dinge, aber die aktuellen Entwicklungen zeigen ja, dass Frühe Hilfen allein nicht die Probleme in den Familien auffangen können. Wir müssen auch über die präventiven Angebote für ältere Kinder und Jugendliche sprechen.
Es ist erfreulich zu erfahren, dass der Kita-Landeszuschuss Gesprächsgegenstand ist. Aber ich möchte Ihnen deutlich widersprechen, wenn hier behauptet wird, dass das Zusammenwirken von Schule und Jugendhilfe erfolg
reich sei. Die Quoten, die wir in den Hilfen zur Erziehung in den Förderschulen haben, widerlegen ja das Ganze. Wenn es so wäre, dass die Elterngeneration, liebe Kristin Schütz, weniger zur Erziehung befähigt ist, dann ist es doch eine Aufgabe des Freistaates und der Regierung zu überlegen, was wir tun müssen, um auch nachwachsende Elterngenerationen wieder zu einer besseren Erziehung zu befähigen. Darauf höre ich keine Antworten.
Wir als LINKE sehen ressortübergreifenden Handlungsbedarf. Wir wollen, dass die Staatsregierung heute in der Frage Kinder- und Jugendhilfe und im Positionspapier der Landräte Farbe bekennt. Wir sind auf Ihre Antworten gespannt, Frau Clauß.
Meine Damen und Herren! Das war Frau Klepsch für die Fraktion DIE LINKE. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage jetzt die Staatsregierung. – Das Wort wird gewünscht. Frau Staatsministerin Clauß, Sie können jetzt das Wort ergreifen. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Eines noch einmal vorab: Eine gelingende Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen geschieht zunächst in der Familie und im sozialen Nahraum. Zu deren Unterstützung gibt es die Kinder- und Jugendhilfe, über deren Ausstattung wir im stetigen Diskurs und Dialog sind, so auch heute.
Unbestritten, die Kinder- und Jugendhilfe hat die Aufgabe, ein breites und flexibles Spektrum an Leistungen, Angeboten und Diensten anzubieten. Wir haben in Sachsen auch ein breites und ausbalanciertes System, in dem sich alle Beteiligten ihre Verdienste erworben haben. Das heißt, insbesondere mit der Unterstützung der örtlichen Träger der öffentliche Jugendhilfe und der freien Träger ist es gelungen, verlässliche und tragfähige Strukturen weiter auszubauen, zu konsolidieren. Dafür an dieser Stelle auch meinen Dank.
Gleichwohl – auch das betone ich – verändert sich die Kinder- und Jugendhilfe. Ursachen sind zum Beispiel die verstärkte öffentliche Sensibilität im Bereich der Frühen Hilfen – da gebe ich Ihnen recht, das wollten wir auch –, denn wir geben letzten Endes denen eine Stimme, die noch keine haben. Oder die komplexer gewordenen Hilfebedarfe. Auch das ist ein multifaktorielles Geschehen. Oder ganz allgemein die wachsenden Erwartungen an die Kinder- und Jugendhilfe.
Man muss aber festhalten, dass, obwohl es weniger Jugendliche in Bezug auf die Gesamtbevölkerung gibt, die Ausgaben sehr wohl zu einer ansteigenden Finanzierungslast der Kommunen geführt haben. Das wird auch in dem kinder- und jugendpolitischen Papier des Landkreistages aufgezeichnet, und es wird zu Recht darauf auf
merksam gemacht. Ich habe mich dazu positioniert und dem Präsidenten geschrieben. Mir liegen die Zahlen ab dem Jahr 2000 vor. Das ist das eine. Aber auch die kommunale Familie intern wird sich dazu nochmals positionieren müssen.
Fakt ist aber auch, dass die Kinder- und Jugendhilfe eine kommunale Pflichtaufgabe ist. Allerdings beteiligt sich der Freistaat Sachsen nicht nur mit der Jugendpauschale bereits daran, sondern auch im Kita-Bereich, bei der überörtlichen Förderung, im Kinderschutz und bei der Weiterentwicklung. So unterstützen wir ergänzend, aber wir entlasten sehr wohl auch die örtlichen Träger.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Kinder- und Jugendhilfe – das war auch stark in der Diskussion – ist durch Bundesrecht bestimmt. Bei den Hilfen zur Erziehung gilt nicht der § 85, der Rechtsanspruch gilt gegenüber dem Jugendamt, und so liegt in der rechtlichen Folge und Ausgestaltung eine große Zahl von Zuständigkeiten auf der örtlichen öffentlichen Ebene. Nimmt man dann wiederum die Zuständigkeiten in den Blick, so kommen neben den kommunalen Gebietskörperschaften sowohl der Bund als auch die Länder in unterschiedlichen Ausformungen ihren Aufgabenstellungen grundsätzlich auch in beachtlicher fiskalischer Größenordnung nach. Dies ist keine Einbahnstraße, wie manchmal, auch jetzt wieder, irritierend dargestellt wird.
Auch über die EU fließen Mittel in die örtliche Ebene. In der aktuellen Förderperiode sind das 62,5 Millionen Euro für Jugendberufshilfe, für Produktionsschulen und für die Kompetenzentwicklung. Insofern handelt es sich innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe um ein gewachsenes, aber sehr wohl komplexes, verzahntes Ausgaben-, Aufgaben- und Finanzierungsgefüge.
Der Freistaat Sachsen beteiligt sich vor allem durch das SMS und das SMK sowohl auf örtlicher als auch auf überörtlicher Ebene. Dies geschieht nicht nur fiskalisch, sondern auch fachlich, zum Beispiel über das Landesjugendamt. In einigen Bereichen ist das Land zudem alleiniger Kostenträger. Hier nenne ich explizit das Beispiel der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge.
Ich betone nochmals, dass die Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe seit Jahren unterstützt werden und damit auch die öffentliche Jugendhilfe entlastet wird. Um Planungssicherheit zu geben, haben wir verstärkt Verpflichtungsermächtigungen ausgereicht, das heißt 2014 bereits für die Jahre 2015 und 2016. Andererseits respektiert der Freistaat Sachsen die kommunale Selbst
verwaltung. Aber auch hier fördern wir Personal im Jugendamt. Fragen Sie bitte mal in anderen Bundesländern nach, wo dies geschieht.
In diesem Haushalt stehen zum Beispiel für die Jugendpauschale 10,3 Millionen Euro zur Verfügung. Das möchte ich jetzt nicht wiederholen, denn das haben die Koalitionsfraktionen schon deutlich aufgezeigt.