Protokoll der Sitzung vom 12.03.2014

Ich wollte gern nachfragen mit Ihrer Erlaubnis – danke schön Ihnen beiden: Wie viele Teile der Haushaltsreste aus dem letzten Haushalt sind denn jetzt verbaut? Können Sie das beziffern?

Ich habe nicht alle Haushaltszahlen im Kopf, aber ich weiß, dass beim Staatsstraßenbau im vergangenen Jahr weit über 100 Millionen Euro abgeflossen sind. Ich glaube, der Minister wird es wahrscheinlich exakter wissen als ich. Das ist in jedem Fall eine deutliche Steigerung gegenüber den Vorjahren.

Meine Damen und Herren, um anzuknüpfen: Sie verfechten das klare flächendeckende Tempolimit von 120 km/h.

Ich meine, wenn eine Autobahn wenig befahren ist, ist auch Tempo 160 kein Problem, während bei einer Autobahn mit schlechter Sicht Tempo 120 ein Problem sein kann. Das zeigt eben den Unsinn Ihrer pauschalen Forderung nach Geschwindigkeitsbegrenzung.

Frau Springer hat darauf hingewiesen, dass unsere deutschen Autobahnen mit weitem Abstand die sichersten Straßen sind. Knapp die Hälfte der mit dem Auto zurückgelegten Kilometer werden auf den Autobahnen gefahren, und der bundesweite Anteil der Getöteten im Straßenverkehr beträgt auf den Autobahnen weniger als 11 %. In Sachsen sind es noch weniger. Dort sind es nur 9 %.

Wir haben ein Verkehrssicherheitsproblem, ja, aber das im Wesentlichen auf den Landstraßen, meine Damen und Herren. Wenn wir irgendwo ansetzen müssen, tatsächlich Unfallschwerpunkte zu entschärfen, dann gilt das für die Landstraßen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Forderung der GRÜNEN folgt einem typischen Muster. Erst schürt man die Angst, und dann verhängt man die Verbote. Das ist nicht unser Politikansatz. Nun ist ja ein Argument – ich glaube, es kam auch in Ihrem Antrag vor Kurzem –, dass man mit dem Geschwindigkeitslimit wahnsinnig etwas für die Umwelt tun würde. Wenn man sich die Zahlen einmal genau anschaut, könnte die Kohlendioxidemission im sächsischen Straßenverkehr mit einem Tempolimit von 120 km/h ungefähr um 3 % pro Jahr gesenkt werden. 3 % – was für eine Wahnsinnszahl! Wenn man das einmal vergleicht: Die 3 % sind weniger als der CO2-Ausstoß von China in 15 Minuten. Also damit werden Sie das Weltklima nicht retten, Frau Jähnigen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Statt auf starre Tempolimits setzen wir auf flexible Temporegelungen und angepasste Geschwindigkeiten. Wir setzen auf Telematik und Fahrerassistenzsysteme. Damit erreichen wir auch bei den Verkehrsteilnehmern eine höhere Akzeptanz. Wenn man weiß, warum die Geschwindigkeitsbegrenzung an dieser Stelle ist, halten sich die Autofahrer auch eher daran.

Meine Damen und Herren, Frau Springer hat es angesprochen: Wenn man Deutschland mit ähnlichen Ländern mit gut ausgebauten Autobahnen und hoher Verkehrsdichte vergleicht, sind wir in Deutschland sicherer auf unseren Autobahnen. Allein der Blick ins Nachbarland Österreich zeigt das. Bei uns gibt es weniger schwere Unfälle. Unsere Autobahnen sind sicherer, meine Damen und Herren.

Trotzdem tun wir noch mehr dafür. Sie erinnern sich an die Initiative des sächsischen Verkehrsministers, dass wir ein Sicherheitsupdate an allen Autobahnauffahrten vornehmen, um beispielsweise zu verhindern, dass Geisterfahrer in die falsche Auffahrt fahren. In zehn Landkreisen des Freistaates wurden die zehn schwersten Unfallstellen identifiziert, und gemeinsam mit der TU Dresden wird

nach den Ursachen gesucht, warum gerade an diesen Stellen so viele Unfälle passieren und was man dagegen unternehmen kann. Es gibt eine intensive Zusammenarbeit mit der Verkehrswacht Sachsen, Verkehrssicherheitsprojekte für die Zielgruppe 50+ und beispielsweise die Verkehrsaktion „Sicher in den Motorradfrühling“ und, meine Damen und Herren, wir setzen ganz klar auf die Telematik. Hier im Großraum Dresden sieht man es auf der A 4 und der A 17. Ich glaube, all das trägt dazu bei, dass wir sichere Straßen haben und Unfälle vermeiden.

Für die FDP, meine Damen und Herren, ist Autofahren kein Teufelszeug. Es ist für viele notwendig, manchen macht es sogar Spaß. Wenn es nach den GRÜNEN geht, wäre vermutlich der Werbeslogan eines großen deutschen Automobilherstellers „Freude am Fahren“ längst auf dem Verbotsindex. Bei uns ist das erlaubt, meine Damen und Herren. Deutschland ist ein Autoland.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Wir stehen zum Recht auf individuelle Mobilität. Bürger sollen schnell und sicher an ihr Ziel kommen können. Wir stehen in Deutschland wie kein anderes Land für zuverlässige und sichere Autos auch bei höherem Tempo. Wir brauchen auch auf unseren Autobahnen bei der Geschwindigkeit Vernunft und Flexibilität und keine überzogenen autofeindlichen Ideologien. Deshalb können Sie unserem Antrag ruhigen Gewissens zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Kollege Herbst hatte gerade das Wort für die FDP-Fraktion. Jetzt kommt für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Stange zu Wort.

(Interner Wortwechsel zwischen Staatsminister Dr. Jürgen Martens und dem Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Wenn über mich gesprochen wird, darf ich da mitreden?

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass der Tagesordnungspunkt erst zu vorgerückter Stunde im Plenum behandelt wird. Schließlich handelt es sich tatsächlich um parlamentarischen Klamauk der im Wahlkampfmodus befindlichen Koalitionäre, von denen die einen die Angst nicht verbergen können, nach der Sommerpause nicht mehr in diesem Hause vertreten zu sein.

Der Antrag ist die schlechtgemachte Retourkutsche auf den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20. September 2011. Damit wird heute – und dies lässt die Begründung des vorliegenden Antrages der Koalition erahnen, bei der es sich in großen Zügen um die Rezeption eines Artikels aus der „Freien Presse“ vom

10. Mai 2013 handelt – der Versuch unternommen, die bereits totgeglaubte FDP mittels dumpfem Populismus über die sich vor ihr erhebende Fünfprozenthürde zu hieven. Da wird auch gleich die SPD – unter bestimmten Umständen direkte Konkurrenz bei einer künftigen Regierungsbildung mit der CDU in Sachsen – für den Antrag der GRÜNEN in Mithaftung genommen. Der FDP-Geifer gegen die Nebenbuhlerinnen SPD und GRÜNE läuft regelrecht durch den Plenarsaal.

Weil im Fernsehen Dokumentationen über alte Zeiten und Diskussionen sowie alte Sendungen wie „Nonstop Nonsens“ erst zu späterer Stunde ausgestrahlt werden, ist der vorliegende Antrag heute Abend gut aufgehoben.

Zum Antrag direkt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da die Geschäftsordnung Änderungsanträge, die die Änderung der Überschrift begehren, meines Wissens nicht zulässt, kann ich hier nur monieren, dass der Antrag hätte heißen müssen: „Freie Fahrt für freie Bürger“.

(Torsten Herbst, FDP: Beantragen Sie es doch!)

Ich darf aus Ihrer Begründung zitieren: „Ein generelles Tempolimit ist nach Auffassung der Antragsteller nicht geeignet, die vermeintlichen Ziele erhöhter Verkehrssicherheit und besseren Umweltschutzes zu erreichen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition! Das ist eine verkehrspolitische Diskussion der siebenten und achten Dekade des letzten Jahrhunderts. Freiheit macht sich nicht buchstäblich auf dem rollenden Material erfahrbar. Es wird höchstens ein solches Gefühl erzeugt. Dem durch Sie, Frau Springer und Herr Herbst, genutzten Artikel hätten Sie auch Folgendes entnehmen können – ich zitiere –: „Nachweislich sind in den Bereichen, wo das Tempo reduziert wird, Unfälle weniger schlimm. Das ist einfache Physik. Je schneller man fährt, desto schwerwiegender sind die Folgen. 70 % aller tödlichen Unfälle auf der Autobahn passieren dort, wo es kein Tempolimit gibt, oder nachts, wenn die Strecke frei ist.“ So wird in dem bewussten Artikel „Die heilige Kuh aufs Eis geschoben“ von Stefan Lorenz, der Martin Mönnighoff von der Polizeihochschule Münster zitiert.

Auch Ihre Reflexion der CO2-Emissionen ist tendenziös und gelinde gesagt schwachsinnig. Sie stellen dar, dass der Pkw-Verkehr nur 12 % der CO2-Emissionen verursacht. Das mag ja sein. Nur lässt sich eine Reduktion für braunkohlebasierte Energieerzeugung nicht durch Tempolimit erreichen. Die Kohlekraftwerke sind höchstselten auf deutschen Bundesautobahnen und auch kaum auf Bundes- und Staatsstraßen unterwegs, schon gar nicht mit 160 oder 180 km/h.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wer nicht Äpfel und Birnen miteinander in Bezug setzen möchte, muss einen anderen Vergleich heranziehen. Ich helfe Ihnen gern mit einem sachgerechten Hinweis weiter. Nach einer Statistik des von Ihnen zitierten Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)

und des Bundesumweltamtes von 2014 entfallen die CO2Emissionen nach Verkehrsträgern zu 9,6 % auf den Luftverkehr, zu 0,4 % auf den ÖPNV, SPNV und SPFV, den Schienenpersonenfernverkehr, zu 30,1 % auf den Güterverkehr und zu 58,3 % auf den motorisierten Individualverkehr. Das ist der Bezug, in dem man das diskutieren muss.

(Beifall bei den LINKEN)

Um dies noch einmal zu untersetzen: Im Jahre 1990 wurden im Verkehr energiebedingte CO2-Emissionen von 185 Millionen Tonnen verursacht. Das ging bis 2010 auf 153 Millionen Tonnen zurück und steigt seit 2011 wieder an. Wer den ökologischen Effekt – wenn Sie sich als Koalition schon ins Zeug schmeißen – wirklich erreichen will, der muss ein Gesamtkonzept verfolgen, in dem ein preisgünstiger Schienenpersonenfernverkehr und -nahverkehr und ÖPNV die Mobilität sichert und statt besseren Straßenverkehrsflusses viel mehr Güter auf der Schiene transportiert werden.

Fakt ist auch, lassen Sie mich das sagen: Wer mehr Sicherheit auf Autobahnen will, der muss den gigantisch wachsenden Güterverkehr auf die Schiene lenken und ein Überholverbot für LKW durchsetzen.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Sie von der Koalition argumentieren darüber hinaus, dass die deutschen Automobilhersteller ihre Premiumfahrzeuge in Größenordnungen exportieren und mithin ein Tempolimit in Deutschland das Ansehen schädige. Übersetzt hieße das, durch ein Tempolimit würde das Ansehen deutscher Premiumfahrzeuge geschädigt und der entsprechende Export gefährdet. Da sollten Sie, offen gestanden, jetzt einmal die Kirche im Dorf lassen. Die importierenden Länder kämen andererseits auch nicht auf die Idee, mit den deutschen Premiumfahrzeugen zugleich auch die Tempofreigabe für ihre Autobahnen zu übernehmen. Sie interessieren sich tatsächlich für die Autos. Das ist auch gut so. Sie akzeptieren zugleich die Regelungen in ihren eigenen Ländern. Zumindest ist nicht erkennbar, dass sich die Briten, die Italiener, die Spanier und die Österreicher unfreier fühlten als die Deutschen.

(Zuruf von den LINKEN: Die USA!)

Die kaufen sehr gern deutsche Premiumfahrzeuge.

Zu den Antragspunkten.

Unter erstens begehren Sie einen Bericht über die Streckenlängen mit und ohne Tempolimit sowie mit beeinflussbarem Tempolimit, außerdem zur Unfallstatistik in den Abschnitten. Das kann man machen. Das wäre allerdings mit einer Kleinen Anfrage ebenso zu erkunden gewesen. Ihr eigener Minister gibt Ihnen sicherlich gern Auskunft.

Zu zweitens begehren Sie, die Staatsregierung möge sich auf Bundesebene gegen ein generelles Tempolimit einsetzen. Hoppla, haben wir irgend etwas verpasst?

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Sollten sich CDU, CSU und SPD tatsächlich die Einführung eines Tempolimits auf Bundesautobahnen ins Stammbuch geschrieben haben? Das, was Rot-Grün – entschuldigen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen – in sieben Jahren nicht umgesetzt haben, sollte nun in der Großen Koalition möglich werden?

Meine Damen und Herren der Koalition, aus welcher Rosenmontagspostille haben Sie denn diese Neuigkeit, die einen solchen Antrag auch nur ansatzweise vernünftig erscheinen lassen würde? Sonst wäre es ein Antrag nach dem Motto, etwas zu verhindern, was nicht geplant ist; und das ist auch so.

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Drittens wollen Sie den Ausbau dynamischer, situationsangepasster Verkehrssteuerung. Ja, das ist eine gute Idee; allerdings bitte nicht wie auf der Landstraße in Dresden stadteinwärts. Dort fährt der geneigte Autofahrer nach Dresden ein, kann auf der großen Anzeige lesen: „Flüssiger Verkehr bis Stadtzentrum“ und hat ausreichend Zeit zum Lesen, weil er gerade mal wieder im Stop-and-goVerkehr verharrt.

(Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN)