Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schimmer, Sie machen es einem nicht leicht. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich bin im Grunde genommen mit den Diäten sehr zufrieden. Aber wenn ich mir nach zwölf Stunden so etwas anhören muss, dann wünsche ich mir schon eine Erschwerniszulage.
(Beifall bei der CDU, der FDP sowie vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN – Alexander Delle, NPD: Gehen Sie doch heim! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)
Ich würde sie wahrscheinlich noch nicht einmal selbst in Anspruch nehmen, sondern für meinen Therapeuten benötigen.
„Wir malen uns die Welt, wie sie uns gefällt!“, und wenn ich singen könnte, würde ich dasselbe machen wie Frau Nahles, aber ich verzichte darauf.
Das ist das Schöne an den Nationalen, und in der Tat: Das Volk ist der Chef, und Gott sei Dank hat das Volk entschieden, dass Sie hier nur eine begrenzte Zeit – mit
mäßigem Ergebnis – sitzen und hoffentlich bei der nächsten Wahl hier nicht mehr existent sein werden.
Aber nun zum Thema. Sie machen mal wieder einen Eintopf, werfen alles rein, rühren es um und sagen: Das ist unsere Lösung. Wir kommen jetzt mit einer neuen Version und sagen: Das, was die Schweiz getan hat, das ist der Impuls. Das brauchen wir jetzt auch in Deutschland.
Nun muss man aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht ein wenig in diese Genese der Schweiz schauen, um sich davon zu befreien, nicht Apfel und Birne in ein Gemüse zu verwandeln.
Die Schweiz – traditionell ein Zuwanderungsland und als solches bis zum Jahr 2007 gesetzlich normiert mit einer Kontingentierung der Zuwanderung – hatte im Jahr 1990 eine Einwohnerzahl von 6,87 Millionen Einwohnern, davon 5,5 Millionen Schweizer. Die Mathematiker unter uns kommen jetzt auf 1,37 Millionen Ausländer.
Ich sage Ihnen noch eines, bevor Sie sich aufregen: In der Schweizer Diskussion sind es die EU-Zuwanderungen, insbesondere aus Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich, auf den Arbeitsmarkt. Oder um es auch in Ihre Gedankenwelt zu übertragen: Dem Schweizer ist der Deutsche das, was Sie mit den Balkanstaaten in der deutschen Debatte betreiben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Wahrheit gehört auch, dass in der Schweiz in den letzten Jahren eine erhebliche Zunahme auf den Schweizer Arbeitsmarkt erfolgte. Wir reden über die Zuwanderung auf den Schweizer Arbeitsmarkt. Im Jahr 2000 hatte die Schweiz 7,289 Millionen Einwohner bei einer gleichzeitig sinkenden Schweizer Bevölkerung von 5,4 Millionen Einwohnern, das heißt, wenn man es hochrechnet, mittlerweile ungefähr einen Ausländeranteil von 1,8 Millionen Menschen, davon knapp 70 % aus EU-Staaten.
Im Jahr 2012 konstatierten wir 8,03 Millionen Schweizer bei einer sinkenden Bevölkerungszahl von 5,2 Millionen oder mittlerweile einem Anteil von ausländischer Bevölkerung von 3 Millionen. Das ist die Ausgangslage der Diskussion in der Schweiz. Ich betone es noch einmal: vorrangig geprägt durch eine Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt. Das führte zu einer erheblichen Diskussion über die Frage, wie sich die Strukturen und die Entwicklung in der Schweiz zukünftig gestalten.
Herr Gansel, blöken Sie doch nicht immer dazwischen! Hören Sie zu! Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Sie auch noch etwas dazulernen können.
In der Bundesrepublik Deutschland waren es im Jahr 1990 74,1 Millionen Deutsche bei 5,6 Millionen Ausländern. Der Bevölkerungsanteil im Jahr 2006 betrug 75 Millionen Deutsche bei 7,2 Millionen Ausländern. Im Jahr 2011 hatten wir 74 Millionen Deutsche bei 6,7 Millionen Ausländern.
Wir kommen zu einem weiteren Punkt. Sie fangen jetzt an, die Diskussion zu vermischen. Eine aus arbeitsmarktpolitischer Zuwanderung in der Schweiz resultierende Debatte nehmen Sie zum Anlass, die Frage des Asylrechts in die Diskussion zu tragen, und tun so, als ob Heerscharen auf den deutschen Arbeitsmarkt, in unsere Gesellschaft hineindrücken und die Zukunft dieses Landes gefährden.
Dabei stellt sich mir immer wieder die Frage: Was haben, mit Verlaub, die Herausforderungen in der Schweiz – auch Herausforderungen, die wir in Regionen von Deutschland zu bewältigen haben – mit den sächsischen Verhältnissen zu tun? Ich glaube schon, dass Sie wissen, die Wahlen stehen an und viele andere Themen. Sie versuchen, mit den Ängsten der Menschen zu spielen und ein Szenario an die Wand zu malen, was unverantwortlich ist.
Wir sprechen darüber, dass wir in unserem Land Menschen, die politisch verfolgt werden, nach dem Asylrecht eine Zuflucht geben, und wir sprechen davon, dass wir uns verpflichten, nach der UN-Menschenrechts
konvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte zu agieren und Menschen hier eine Zukunft zu geben. Das ist eine Anerkennungsquote von knapp 30 %, und das ist großzügig gerechnet. Richtig ist auch, dass wir in der Asyldiskussion eine verantwortungsvolle Politik brauchen, was die Frage der Anerkennungsverfahren betrifft. Meine Partei steht ganz klar dafür, dass die Verfahrensverkürzung entsprechend der Regelung auf drei Monate zu erfolgen hat, um sowohl den Betroffenen als auch der deutschen Bevölkerung Klarheit über den Status und den Verbleib zu geben. Darum kämpfen wir, und wir setzen uns dafür ein.
Aber wer mit einem Anerkennungsgrund hierherkommt, der hat es verdient, die Rahmenbedingungen vorzufinden, die ihm eine gesellschaftliche Integration und die Teilhabe an unserer Gesellschaft ermöglichen. Wir als Politiker haben die Verantwortung, den Ausgleich zu schaffen zwischen den berechtigten Interessen unserer Bevölkerung und denen von Menschen, die eine Zukunft suchen.
Wir haben auch die Verantwortung, in einem demografischen Wandel die Frage zu beantworten, wie die zukünftige Entwicklung unseres Landes vernünftig und maßvoll erfolgen kann. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist diese Debatte eben nicht schwarz und weiß und lässt sich nicht durch Angstmacherei begleiten, sondern diese Diskussion ist grau. Sie ist von Wahrheiten und Herausforderungen geprägt, sowohl für den, der hierherkommt, als auch für unsere Bevölkerung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag offenbart klar die prägenden Defizite der NPD. Da ist zunächst – das verwundert eigentlich niemanden mehr – das moralische Defizit. Die NPD, die sich momentan im politischen Sinkflug befindet, giert mit diesem Antrag unter bewusster Vermischung von EU-Personenfreizügigkeit, Arbeitsmarkt-, Ausländer- und Asylpolitik nach politischer Profilierung und Aufmerksamkeit auf dem Rücken ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Allein schon das ist jämmerlich.
Aber, meine Damen und Herren, es geht der NPD um eine maximale Ausgrenzung und Entrechtung von Ausländern. Fremdenfeindlichkeit ist die prägende Motivation des gesamten Antrages. Besonders entlarvend ist die Forderung nach Schaffung von Zentren für bestimmte Gruppen von Asylbewerbern – Zitat – „fernab von Wohngebieten“. Ist das die schleimige Umschreibung der NPD für den Begriff Internierungslager? Die Menschheitsgeschichte zeigt: Wo Feindschaft gegen Fremde herrscht, dort ist die Mitmenschlichkeit auf der Strecke geblieben. Wo die Mitmenschlichkeit fehlt, dort ist auch keine Moral.
(Jürgen Gansel, NPD: Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht, Herr Kosel! – Gegenruf von der CDU: Halt die Klappe!)
Ich weiß nicht, was diese Zwischenbemerkung inhaltlich bewirken soll, aber vielleicht ist Ihnen nichts Besseres eingefallen.
Meine Damen und Herren, die Tatsache, dass die NPD auf das „Schweizer Vorbild“ verweist, offenbart nun auch in skurriler Weise die zunehmenden intellektuellen Defizite der NPD;
denn es muss den deutsch-nationalistischen PseudoRecken von der NPD irgendwie entgangen sein, dass die von der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei am 9. Februar 2014 inszenierte Volksabstimmung in starkem Maße gegen Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland gerichtet war. „DIE ZEIT“ brachte es in ihrer Ausgabe vom 10.02.2014 auf den Punkt: „Die Schweizer haben gegen Zuwanderung aus der EU abgestimmt und damit vor allen Dingen die Deutschen gemeint.“ Bereits in den Wochen vor der Abstimmung hatten SVP-Politiker immer wieder auf deutsche Zuwanderer abgezielt. Verwiesen sei hierzu auf den SVP-Youngster Natalie Rickli, die erklärte: „Es gibt zu viele Deutsche in der Schweiz.“ Wie die NPD vor diesem Hintergrund dazu kommt, die Schweizer Volksabstimmung für – Zitat – „wegweisend“ zu halten, möge sie den etwa 300 000 in der Schweiz lebenden Deutschen und den etwa 56 000 deutschen Pendlern doch gern selbst erklären.