Protokoll der Sitzung vom 12.03.2014

So ungefähr ging es mir, als ich bei der Vorstellung der Tagesordnung den Titel für die heutige Aktuelle Debatte gelesen habe. Ich dachte: So viel Dreistigkeit können Sie doch eigentlich gar nicht besitzen, jetzt diesen Kompromiss – –

(Zuruf des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich)

Es ist schön, Herr Ministerpräsident, dass Sie auch etwas zu sagen haben. Das hätte ich gar nicht gedacht. Sie können sich gern noch zu Wort melden.

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Das mache ich schon noch! – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine Dreistigkeit,

(Unruhe im Saal)

einen Kompromiss, der von den Betroffenen nur zähneknirschend und mit großen Bauchschmerzen am Wochenende angenommen werden konnte, heute hier als Erfolg zu feiern. Genau darum ging es Ihnen mit Ihrer Aktuellen Debatte. Ansonsten hätte eine Stellungnahme der Staatsregierung gegenüber dem Schulausschuss vollständig ausgereicht, um das, was die Ministerin hier gesagt hat, dem Schulausschuss und dem Landtag zur Kenntnis zu geben. Dazu hätte es keiner Aktuellen Debatte bedurft. Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen.

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Offenbar brauchen Sie diesen Raum, um sich selbst zu feiern für etwas, was es nicht zu feiern gibt.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, im Juni 2010 hat der damalige Kultusminister in aller Öffentlichkeit gesagt: „Wir müssen die Kannibalisierung staatlicher Einrichtungen dämpfen.“

(Rolf Seidel, CDU: Ja!)

„Ja“ höre ich. Offenbar ist man immer noch dieser Meinung. Ich bin gespannt, wie das zukünftige Gesetz aussieht, wie es finanziert wird und wie damit die Perspektive der freien Schulen sichergestellt werden soll, wenn man diese Meinung nach wie vor vertritt.

Das ist damals sicher unter dem Eindruck des Rotstiftes des Finanzministers geschehen. Dieser Druck scheint momentan offenbar nicht mehr so stark zu sein. Unter dem Druck der demonstrierenden freien Schulen mit dem Logo „Damit’s bunt bleibt. ‚Ja‘ zu freien Schulen“, was heute noch an vielen freien Schulen prangt, hat die Koalition damals marginale Nachbesserungen vorgenommen.

Wir haben hier mehrfach, Herr Bläsner, darauf hingewiesen, welche Folgen diese Einschnitte, diese Kürzungen für die Schulträger der freien Schulen haben werden, insbesondere der Wegfall des Schulgeldersatzes. Wenn Sie sich heute hinstellen und zu der Erkenntnis gekommen sind, dass es einigen Schulträgern jetzt schlecht geht und dass sie dringend Geld benötigen, dann hätten Sie damals vielleicht einfach nur einmal den Verantwortlichen in den Schulen zuhören müssen, den Geschäftsführern, den Schulträgern, als sie Ihnen genau das vorgerechnet haben.

Es hat immer noch zwei Jahre, also bis zum Sommer 2013, gedauert, als klar war, dass vor dem Landesverfassungsgericht dieses Urteil vor den Wahlen noch zustande kommt, dass man endlich erst einmal zu einer Evaluierung der Sachkosten gekommen ist – eine Aufgabe, die 2011 anhängig gewesen ist. Es bedurfte eines klaren Urteils in einer Normenkontrollklage, die wir mit anderen angestrengt hatten, Ihnen klar zu machen, dass wir es mit einem verfassungswidrigen Gesetz zu tun

haben, und heute stellen Sie sich hin und sagen, mit 35 Millionen Euro ist das, was ihr seit 2011 eingebüßt habt, abgedeckt.

Herr Bienst, Sie haben hier deutlich gemacht, dass Sie erwarten – so steht es in der Vereinbarung –, dass die freien Träger ihre Rechtsansprüche ruhen lassen und davon Abstand nehmen, die sie seit 2011 haben. Kein einziger Vertreter, der am Tisch gesessen hat, kann die Schulträger, die rechtlich dazu verpflichtet sind, diese Rechtsansprüche einzuklagen, dazu bringen, davon Abstand zu nehmen, und das wissen Sie genau.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe ja noch einmal die Gelegenheit, etwas zu sagen. Ich bitte Sie einfach, das, was Sie hier vorgelegt haben, nicht als Erfolg zu feiern, sondern als das, was es ist. Es ist das zwingende Geld, das Sie den Schulen zur Verfügung stellen müssen, um ihrem Rechtsanspruch überhaupt annähernd gerecht zu werden.

Vielen Dank.

Frau Abg. Giegengack für die Fraktion die GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprachen ja schon über Uli Hoeneß und waren beim Fußball. Jedes Spiel hat seinen Schiedsrichter, der darauf achtet, dass die Regeln eingehalten werden und dass nicht foul gespielt wird. In der Politik kommt diese Rolle den Gerichten zu. Erst im November letzten Jahres hat der Verfassungsgerichtshof in Leipzig mit dem Urteil zu den freien Schulen deutlich gemacht und dem Haus gesagt, es möge seine eigenen Regeln einhalten. Die Verfassung, die ihr euch selbst in Artikel 102 Abs. 2 gegeben habt, sieht vor, dass für die Bildung der Jugend in Sachsen sowohl staatliche als auch freie Schulen zuständig sind und dass es kein staatliches Schulmonopol gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Leider gibt es keine wirkliche Kontrolle für das Fairplay bei uns. Die Staatsregierung beherrscht viele Facetten des versteckten Foulspiels. Das wird insbesondere deutlich beim Umgang mit den freien Schulen. Da finden wir den Ansatz, der eher holzschnittartig ist, etwa so, wie Georg Baselitz seine Skulpturen bearbeitet, und wir finden den feingliedrigen in der Art à la Lyonel Feininger. Herr Wöller ist eher holzschnittartig hineingegangen, hat reingeholzt und von Kannibalismus gesprochen, Veränderungen im Gesetz vollzogen, wo eindeutig klar war, was unser Juristischer Dienst im Landtag schon herausgefunden hatte, dass sie nicht verfassungskonform sind.

Frau Kurth macht das alles viel subtiler. Sie spricht davon, den Dialog zu pflegen, von einem kooperativen Miteinander und einem gemeinsamen Weg, von einer Wertschätzung, einem Dialogprozess. Was ist denn in den zwei Jahren passiert, seitdem sie im Amt ist? Sie sind am 22. März 2012 ins Amt gekommen. Haben wir seitdem eine Sachkostenregelung für die freien Schulen bekom

men? Diese warten seit sechs Jahren, sieben Monaten und elf Tagen auf eine angemessene Sachkostenregelung. Bei Ihnen ist überhaupt nichts passiert. Angeblich ein Dialogprozess – nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch fieseliger wird es, wenn wir uns die Pressemitteilung zu dieser Förderrichtlinie anschauen. Ich zitiere: „Nach mehreren Verhandlungen hatte sich die Staatsregierung mit den Interessenvertretern der freien Schulen auf Übergangslösungen ‚verständigt‘.“ Der Satz „35 Millionen Euro, mehr ist nicht drin.“, hat für mich eher etwas von Ansage und wenig von Verständigung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch Ihre Ausführungen, was im Ausschuss passiert ist, finde ich haarsträubend. Sie haben gesagt, Sie hätten den Ausschuss informiert und mit uns gemeinsam über die Verhandlungen gesprochen. Ich kann mich an diese Ausschusssitzung gut erinnern. Damals hatte ich noch beantragt, Sie sollten uns bitte über die Eckpunkte, die Sie mit den freien Schulen verhandeln, informieren. Da haben Sie gesagt, Sie hätten Vertraulichkeit vereinbart und würden darüber gar nichts erzählen. Das ist kein Fairplay, nein, das ist foul gespielt.

Aber die Koalition ist auch nicht besser. Lothar Bienst, du weißt, dass ich dich persönlich außerordentlich schätze, aber die Pressemitteilung, die ihr herausgegeben habt, hat es schon in sich. Du hast geschrieben: „Wir sind uns unserer Verantwortung für die Entwicklung unserer sächsischen Bildungslandschaft bewusst. Deshalb setzt sich die CDU-Landtagsfraktion wie keine andere Fraktion seit mehr als zwei Jahrzehnten für die Förderung der freien Schulen in Sachsen ein!“

(Heiterkeit bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Da frage ich mich, wer hat denn hier die Kürzungen beschlossen? – Die Heinzelmännchen?

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Auch das Zitat aus der Pressemitteilung der Landeskirche war nicht ganz in Ordnung, weil darin nicht nur steht, dass die Landeskirche ihre Schulen auffordert, erst einmal die Verfahren ruhen zu lassen. Die Landeskirche hat durchaus sehr kritische Töne gefunden und formuliert, dass die 35 Millionen Euro eine absolute Schmerzgrenze bedeuten.

Auch die Aktuelle Debatte über „Sichere Perspektiven für freie Schulen“ – darüber haben wir ja auch schon gesprochen – finde ich nicht fair gespielt. Ich sehe keine sichere Perspektive für die freien Schulen mit den 35 Millionen Euro, die hier angeboten wurden. Worüber überhaupt noch nicht gesprochen wurde: Diese 35 Millionen Euro sind ja nicht pro Jahr, sondern für zwei Jahre, und 2014 gibt es nur 10 Millionen Euro, und diese 10 Millio

nen Euro werden auch noch einmal aufgeteilt in Investitionsmittel und laufende Mittel.

Nur einmal ein spezielles Problem von kleinen Grundschulen, weil vorhin das Beispiel der Grundschulen kam. Es gibt so kleine Grundschulen, die diese Investmittel überhaupt nicht abrufen können, weil sie so wenig Schüler haben, dass sie gar nicht auf 5 000 Euro kommen, die sie brauchen, um diese als Investmittel zu beantragen.

(Uta Windisch, CDU: Wie klein sollen wir die Schulen denn noch machen!)

Aber man hat mit den Schulen nicht richtig verhandelt und darüber gesprochen, was die Schulen tatsächlich brauchen.

Bitte zum Ende kommen.

Ich komme noch einmal in der nächsten Runde, denn ich kann es Ihnen nicht ersparen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die NPD Herr Abg. Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sachsenweit lernen mittlerweile 10 % der Gymnasiasten und 8 % der Oberschüler an einer Schule in freier Trägerschaft. Viele dieser Einrichtungen haben ihre Bildungsangebote mittlerweile erweitert, und die Eröffnung weiterer freier Schulen ist geplant.

Der Erfolg der freien Schulen ist nach Auffassung der NPD auch eine nachvollziehbare Misstrauenserklärung von Eltern und Schülern gegenüber den Verhältnissen an staatlichen Schulen. So führt die chronische Unterfinanzierung des staatlichen Schulwesens zu Schulschließungen gerade im ländlichen Raum. Die Unterfinanzierung führt zu Überalterung der Lehrerschaft und zu massivem Unterrichtsausfall und lässt deshalb Eltern sehr häufig nach schulischen Alternativen suchen. Offenbar, um die freien Schulen nicht noch attraktiver für Eltern und Schüler zu machen, geizte die CDU/FDP-Staatsregierung mit finanziellen Hilfen derart, dass das Sächsische Verfassungsgericht einschreiten musste.

In einem Urteil vom Herbst 2013 erklärten die Verfassungsrichter die Finanzierungspraxis des Freistaates Sachsen für die freien Schulen in weiten Teilen für verfassungswidrig und monierten offensichtliche Benachteiligungen der freien Schulen gegenüber staatlichen Einrichtungen. Hintergrund sind bzw. waren die Regelungen im Haushaltsbegleitgesetz für die Jahre 2011/2012. Darin wurde unter anderem die Wartezeit bis zum Einsetzen der finanziellen Förderung auf vier Jahre verlängert, bisherige Regelungen zum Schulgeldersatz wurden gestrichen und die Förderungen von neuen Schulen von einer Mindestschülerzahl abhängig gemacht.

Nach Ansicht des Sächsischen Verfassungsgerichtes verletzen diese Neuregelungen nicht nur die Pflicht zur Förderung des Ersatzschulwesens. Auch die Privatschulfreiheit und das Gleichbehandlungsgebot würden dadurch außer Kraft gesetzt werden, so urteilten die Richter im Herbst letzten Jahres. Mit Erstaunen nahm deshalb nicht nur die NPD damals zur Kenntnis, dass ausgerechnet Sachsens Kultusministerin Kurth das Urteil begrüßte, das doch ihrer eigenen Regierungsarbeit ein denkbar schlechtes Urteil ausstellte.

Auch der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Norbert Bläsner, bedankte sich bei dem Verfassungsgericht artig für die ausgeteilte Ohrfeige.

Ähnlich frivol ist es angesichts dieser Vorgeschichte, dass ausgerechnet CDU und FDP nun diese Debatte beantragt haben – eine Debatte unter dem scheinheiligen Titel: „Sichere Perspektive für freie Schulen in Sachsen – Vielfalt und Qualität durch finanzielle Unterstützung wahren“.

Die NPD erinnert sich auch noch daran, dass der damalige Kultusminister Wöller in einem Pressegespräch am 28.06.2010 grundlegende Rahmenänderungen und