Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

Das heißt, dass zum Aufgabenbereich des Landesbeauftragten auch die Alltagsgeschichte in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR und die sozialen Prozesse unter den Bedingungen ausgeklügelter Repressionsandrohung gehören müssen.

Gerade im Interesse der jungen Generation, die die DDR nicht erlebt hat, ist es wichtig, die Aufarbeitung auf die Wirkungsweisen diktatorischer Herrschaftsformen insgesamt zu erweitern.

Michael Beleites, langjähriger Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, formulierte das in seinem Abschiedsrundbrief im Dezember 2010 so: „Die Schüler müssen etwas erfahren über die subtile Nötigung zur Anpassung im Alltag. Sie müssen verstehen lernen, warum fast alle zu den falschen Wahlen gingen oder am 1. Mai winkend an den SED-Bonzen vorbeimarschiert sind; und sie müssen erfahren, was mit denen passierte, die nicht mitgemacht haben.“

Der Arbeitsbereich des Landesbeauftragten wird deshalb im vorliegenden Gesetzentwurf über den Staatssicherheitsdienst hinaus auf das Gesamtsystem der Diktatur in der SBZ und der DDR, also auch auf soziale Prozesse und die Alltagsgeschichte, ausgeweitet. Seine Aufgabe ist es, die Aufarbeitung von Struktur, Wirkungsweise und Folgen der Sowjetischen Militäradministration und der SED-Diktatur auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen zu befördern, wobei selbstverständlich in besonderer Weise die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes im Zusammenwirken mit der SED und anderen Organisationen zu berücksichtigen ist.

Seinem neuen Aufgabenfeld entsprechend soll der Landesbeauftragte künftig die Amtsbezeichnung „Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ führen. Wir haben uns sehr bewusst nicht für den von einer Reihe von Verbänden und Akteuren bevorzugten Begriff „kommunistische Diktatur“ entschieden. Mit der Bezeichnung „SED-Diktatur“ wird das Gesamtsystem der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR unmissverständlich und zutreffend beschrieben.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Zudem ist diese Bezeichnung historisch und politisch eingeführt, wie nicht zuletzt die „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ zeigt.

Meine Damen und Herren! Der Landesbeauftragte leistet bereits heute mit Ausstellungen, Veröffentlichungen und Schulprojekten wertvolle Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen seines Auftrages zur Unterrichtung der Öffentlichkeit. Das wird im Gesetzentwurf nun durch einen ausdrücklich formulierten gesetzlichen Bildungsauftrag zu allen Wirkungsmechanismen der SED-Diktatur ergänzt. Dadurch soll er auch die Dokumentations-, die Bildungs- und die Forschungstätigkeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, der Landeszentrale für politische Bildung sowie von Forschungseinrichtungen unterstützen und ergänzen.

Eine wichtige Aufgabe des Landesbeauftragten ist auch die eigenständige Dokumentationsarbeit. Er ist Ansprechpartner für unmittelbar und mittelbar von Verfolgung und Repression Betroffene; er hat zu ihnen speziellen Zugang und genießt in besonderem Maße ihr Vertrauen. Angesichts der enormen Bedeutung erfahrungsgeschichtlicher Zeugnisse – gerade für die schulische Bildung – wird deshalb die Dokumentationsarbeit in den gesetzlichen Aufgabenkatalog aufgenommen.

Ebenso wird die Zusammenarbeit mit den in Sachsen tätigen Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen als Verpflichtung in das Gesetz aufgenommen. In diesen Verbänden und Initiativen bündelt sich ein hohes Maß an Kompetenz, Wissen und Erfahrung, was für den Landesbeauftragten, aber auch für uns als Parlamentarier von elementarem Wert ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeit in dem wichtigen, aber auch schwierigen Amt des Landesbeauftragten bedarf einer möglichst breiten politischen Basis unter den demokratischen Fraktionen. Wir alle erinnern uns wahrscheinlich an das Jahr 2011, als – nach sehr kontroverser öffentlicher Debatte – ein Kandidat gewählt wurde, dem die Verfolgtenverbände und Aufarbeitungsinitiativen im Vorfeld ihre Unterstützung verweigert hatten und der sich nur auf die Mindestanzahl der Stimmen im Landtag stützen konnte. Für den Start von Herrn Lutz Rathenow war das eine schwere Hypothek.

Wir sind der Überzeugung, dass der Landesbeauftragte sowohl bei Vorschlag und Wahl als auch in seiner Dienstausübung so wenig wie möglich parteipolitischen Interessen ausgesetzt werden sollte. Das Vorschlagsrecht für die Wahl sollen deshalb die Fraktionen des Landtages erhalten. Gewählt wird der Landesbeauftragte mit einer qualifizierten Mehrheit, um eine größtmögliche Legitimation zu erreichen. Damit wird zugleich die Rolle des Parlaments gestärkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier im Sächsischen Landtag mehrfach bewiesen, dass wir solche Aufgaben der politischen Verständigung überzeugend lösen können.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf beschreibt nicht etwa einsame grüne Positionen. Der frühere Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Michael Beleites, hatte solche Änderungen über Jahre hinweg angemahnt. Ebenso deutlich haben sich die Aufarbeitungsinitiativen und Opferverbände dafür eingesetzt. Nach Brandenburg hat im vergangenen Jahr auch der Thüringer Landtag sein Beauftragtengesetz in diese Richtung novelliert.

Sie werden jetzt natürlich sagen, dass einem solchen Vorhaben nur dann Erfolg beschieden sein könne, wenn nicht eine Fraktion vorpresche. Genau aus diesem Grund hatten wir unseren Entwurf bereits 2011 an alle demokratischen Fraktionen des Landtages verschickt. Das Echo war unterschiedlich.

Ausdrücklich danken möchte ich den Mitgliedern des Arbeitskreises der CDU-Fraktion um Kollegen Marko Schiemann, die sich sehr für dieses Vorhaben engagiert haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Das gibt mir den Mut, nochmals einen Versuch zu wagen, und die Hoffnung, dass er gelingen könnte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss: Es ist eine Eigenschaft des menschlichen Gedächtnisses, dass es Erinnerungen im Laufe der Zeit vergoldet. So droht auch seit Jahren eine Verklärung der DDR. Dagegen hilft nur

die Darstellung der historischen Wahrheit, der Tatsachen und der Schicksale. Wir brauchen also nicht einen Schlussstrich, sondern die Unterstützung der Arbeit des Landesbeauftragten durch Schaffung einer besseren gesetzlichen Grundlage.

Bitte zum Ende kommen.

Ja. – Das ist unsere Verpflichtung gegenüber den Opfern der SEDDiktatur, aber auch gegenüber der großen Mehrheit der Menschen in Sachsen, die sich aus Anpassung und Mitläufertum befreit und sich im Herbst 1989 selbst ermächtigt haben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Entwurf an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zu überweisen. Wer möchte dem zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist die Überweisung beschlossen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 5

Palliativ-Pflege im Freistaat Sachsen verbessern

Drucksache 5/13307, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Ich erteile für die einreichenden Fraktionen zuerst Herrn Abg. Wehner das Wort. Bitte, Herr Wehner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Palliativ-Pflege ist ein wichtiges und ernstes Thema; deswegen haben wir es auf die Tagesordnung gesetzt.

Die Versorgung schwerkranker bzw. sterbender Menschen muss noch mehr in den Mittelpunkt rücken. Wir haben in der Diskussion überlegt, wie wir mit diesem Thema umgehen wollen. „Ernst“ ist ein Begriff, der mir in diesem Zusammenhang nicht weit genug geht. Die Menschen, die sich in der Palliativ-Pflege engagieren, leisten eine verantwortungsvolle Tätigkeit; sie begleiten Menschen bis zum Tod. Vor den in der Palliativ-Pflege Tätigen habe ich großen Respekt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsministerin Christine Clauß)

Diese Tätigkeit ist auf der einen Seite weitreichend, aber auf der anderen Seite endlich.

Wir haben uns mit diesem Thema schon in einer Anhörung beschäftigt. Die Mitglieder des Arbeitskreises für Soziales haben während einer Sommertour mit Mitarbeitern des Ambulanten Hospizdienstes, aber auch mit im stationären Bereich tätigen Pflegekräften gesprochen. Mir hat eine Pflegekraft gesagt: Es gibt sogar Patienten, die ihre letzten Tage, Wochen oder Monate als Chance ansehen. – Jetzt werden Sie fragen: Wie kann man das als Chance ansehen? Es ist die Chance, vor dem Tod alles zu regeln und mit der Familie, insbesondere mit den Kindern, zu sprechen. Betroffen sind nämlich nicht nur ältere,

sondern auch jüngere Menschen, die eine besondere Betreuung brauchen.

Wir wissen: Sterben muss jeder; die Frage ist, wann und wie. Der Wunsch der Patienten ist es natürlich, zu Hause, in der gewohnten Umgebung zu sterben. Allerdings ist angesichts des demografischen Wandels klar, dass die Menschen durchschnittlich immer älter werden. Das Angebot an stationärer Palliativ-Pflege muss entsprechend ausgebaut werden. Wenn es nicht geht, zu Hause, im heimischen Umfeld zu sterben, muss das auch im stationären Bereich in Würde möglich sein. Das Pflegeheim und die Palliativ-Versorgung müssen noch enger vernetzt werden.

Deswegen haben wir als CDU-Fraktion gemeinsam mit der FDP-Fraktion diesen Antrag vorgelegt. Wir wollen den ersten Stein ins Rollen bringen und diesen Berichtsantrag verabschieden. Ich bitte auch um die Unterstützung der anderen Fraktionen.

Im Folgenden möchte ich die einzelnen Punkte kurz erläutern: Unter Punkt 1 ersuchen wir die Staatsregierung, darüber zu berichten, inwieweit die Palliativ-Pflege bzw. die Begleitung Sterbender in der Ausbildung zum Altenpfleger verankert ist und gegebenenfalls verankert werden kann. Es ist heute schon so, dass die Pflege Schwerstkranker und Sterbender ansatzweise als Ausbildungsgegenstand vorgesehen ist.

Unter Punkt 2 möchten wir erfahren, welche Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung zur Fachkraft für Palliativ-Pflege im Freistaat Sachsen bestehen und wie diese in Anspruch genommen werden.

Drittens. An welchen Einrichtungen wird im Freistaat Sachsen bzw. auch in anderen Bundesländern der Studiengang Palliativmedizin schon angeboten? Es geht also

um die Frage, wie der Weiterbildungsbedarf im ambulanten, aber auch im stationären Bereich gesehen wird.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen eine Verbesserung in der sogenannten Palliativ Care. Die Grundlage dafür schaffen Hospiz- und Palliativversorgung in staatlichen Einrichtungen. Sehen Sie diesen Antrag als ersten Schritt in diese Richtung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die FDPFraktion spricht Frau Abg. Jonas.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Es gibt in der Medizin einige Fachbereiche, die als besonders schwierig für Ärzte und auch die Pflegekräfte beschrieben werden.

Mit dem vorliegenden Antrag zur Palliativmedizin und zur Palliativpflege im Freistaat Sachsen sprechen wir über eines dieser besonders emotionalen Fachgebiete. Alle, die mit Palliativpflege schon einmal zu tun gehabt haben, wissen auch, dass sie einer besonderen Belastung ausgesetzt sind. Sie kümmern sich um Patienten, deren Erkrankungen weit fortgeschritten sind. Im Vordergrund stehen dabei oft die Symptome von Schmerzen, Atemnot, massiven Ängsten und häufig auch gravierenden Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme. Dazu kommen ganz persönliche Leidens- und Schicksalssituationen. Ziel der stationären Aufnahme sind Symptomkontrollen und vordergründig natürlich die Verbesserung der Lebensqualität, was von einem multiprofessionellen Team aus Ärzten, Pflegepersonal, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten erreicht werden soll.

Dabei ist das große Ziel, den Patienten zu stabilisieren, um ihn dann wieder nach Hause in sein gewohntes Umfeld entlassen zu können. Jeder, der schon einmal Angehörige auf einer Palliativstation besucht hat, weiß, dass diese Stationen auch besonders wohnorientiert aufgebaut und eingerichtet sind. Die besondere Ausstattung macht den großen Unterschied zu anderen Stationen. Die Pflegefachkräfte und die Ärzte kümmern sich häufig nicht nur um die Patienten, sondern versorgen auch – zumindest im psychosozialen Bereich – die Angehörigen mit. Diese Form der pflegerischen Begleitung von schwerkranken Menschen fordert auch besondere Fähigkeiten und besondere emotionale Stärke. Das muss dementsprechend in der Ausbildung der Fachkräfte professionell und fachkompetent berücksichtigt werden.

Nach Entlassung aus dem stationären Bereich erfolgt meist eine Weiterversorgung im ambulanten palliativpflegerischen Bereich. Es gibt in Sachsen 70 Hospiz- und Palliativpflegedienste im gesamten Flächengebiet, aber wir müssen dafür sorgen, dass wir auch weiterhin flächendeckend in Gesamt-Sachsen diese Leistungen anbieten können. Die Herausforderung ist, flächendeckend mit kurzen Wegen die notwendigen Angebote aufzubauen und