Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

Auch hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE. Danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile der Fraktion DIE LINKE das Wort; Herr Abg. Stange, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Immer mehr Menschen mit Behinderung, ältere Menschen haben Bedarf an barrierefreiem Wohnraum. Die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen, aber auch die private Wohnungswirtschaft stellen sich zunehmend auf diesen Bedarf ein. Jedoch erhöhen sich bei der Schaffung barrierefreien Wohnraums durch Umbau bzw. Neubau die zu zahlenden Nettokaltmieten in einem Maße, dass genau jener Personenkreis finanziell durch gebrochene Erwerbsbiografien, Arbeitslosigkeit, Niedrigeinkommen, Altersarmut, niedrige Zahlung für Kosten der Unterkunft oftmals zur Zahlung der erforderlichen Miete nicht in der Lage ist und mithin von der Inanspruchnahme des in Rede stehenden Wohnraums ausgeschlossen bleibt.

Neben den erheblichen Nachteilen für diesen Personenkreis schafft dieser Umstand für die weitere Gestaltung der erforderlichen Umbau- und Neubauprojekte erhebliche wirtschaftliche und soziale Risiken.“

So, meine Damen und Herren, haben Sie es in unserer Begründung des Antrags mit Sicherheit gelesen. Dass dies nicht erst eine Erkenntnis unsererseits der letzten Tage ist, beweist – Sie gestatten mir an dieser Stelle, mich einmal selbst zu zitieren – meine Erwiderung auf die Fachregierungserklärung des Staatsministers des Innern, Markus Ulbig, vom 9. Mai 2012. Ich kann ihn leider jetzt nicht entdecken.

„Es ist Tatsache und von allen Seiten unumstritten, dass wir es künftig mit zunehmender Altersarmut und mit einer stetig wachsenden Zahl einkommensschwächerer und älterer Haushalte zu tun haben. Einerseits haben die vor allem nach 1990 gebrochenen Erwerbsbiografien zu geringeren Rentenhöhen geführt, und andererseits sind Generationen von Geringverdienern, Aufstockern und Vollverdienern mit kleinsten Einkommen regelrecht in Fragen der Rentenvorsorge auf das Abstellgleis geraten und sind schon jetzt einkommensschwächere Haushalte und werden dies künftig bis hin zur Altersarmut sein.

Das hat massivste Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Mieterinnen und Mieter, und damit kommen wir zu erheblichen Problemen bei der energetischen Sanierung und der Schaffung weitgehender Barrierefreiheit für die älter werdende Wohnbevölkerung. Denn vor dem Hintergrund dieser eben beschriebenen sozioökonomi

schen Zusammenhänge steht die Finanzierung der energetischen Sanierung und der Schaffung weitgehender Barrierefreiheit über die Mietumlage tatsächlich begründet im Zweifel.

Hier ist also staatliches Handeln erforderlich. Energetische Sanierung und die Festlegung energetischer Sanierungsstandards sind nicht Mietersache. Vielmehr ist dies eine gesamtstaatliche Vorgabe. Auch die Schaffung von Wohnraum, der es ermöglicht, weite Phasen des Alters in den eigenen vier Wänden zu verbringen, ist nicht mieterseitig zu stemmen. Diese Aufgaben können als gesamtgesellschaftliche Herausforderung auch nur gesamtgesellschaftlich bzw. gesamtstaatlich bewältigt

werden. Mieterseitig ist weitgehend – zumindest da, wo es um Rentnerinnen und Rentner, Hartz IV-Betroffene, Geringverdiener, Aufstocker oder einkommensschwächere Familien geht – das Ende der Fahnenstange bei der Gestaltung der Nettokaltmiete erreicht.

Die Wohnungsunternehmen können, da sie die Mieterinnen und Mieter auch nicht verlieren wollen, diese neue Sanierungs- und Modernisierungsqualität nicht auf die Mieten umlegen.“

Sie, Herr Staatsminister – jetzt sind Sie da –, haben vor wenigen Tagen das wohnungspolitische Konzept der Staatsregierung „Wohnen in Sachsen 2020“ veröffentlicht. Darin gestehen Sie offiziell im Unterschied zur damaligen Fachregierungserklärung diese sozioökonomischen

Rahmenbedingungen der Entwicklung ein. Gut so. Ich bin im Interesse derer, die auf bezahlbaren, generationengerechten und barrierefreien Wohnraum angewiesen sind, dankbar, dass sich die Sächsische Staatsregierung endlich dieser Erkenntnis öffnet. Allerdings sollten wir das Konzept im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung nicht als in Stein gemeißelt für die kommenden fünf bis zehn Jahre angehen.

Vielmehr ist es ein erstes Diskussionsangebot, um die Problemstellung nachhaltig aufzulösen. Wenn es also richtig ist, dass wir mehr barrierefreien, mehr generationengerechten Wohnraum benötigen, wenn also Investitionen in Umbau, aber auch in Neubau dafür erforderlich sind, wenn Assistenzsysteme und andere unterstützende Maßnahmen erforderlich sind, dann müssen jene unterstützt werden, die dies umsetzen wollen. Wenn dann aber die Wohnungsunternehmen vor diesen Investitionen zurückschrecken, weil die Zielmieterinnen und -mieter die Mieten nach Umbau, Neubau und energetischer Sanierung nicht bezahlen können, dann braucht es ein erweitertes Portfolio unterstützender Maßnahmen.

Reden wir an dieser Stelle Klartext. Allein die durchschnittlichen Arbeitseinkommen in Sachsen liegen nach übereinstimmenden Zahlen des Statistischen Landesamtes und der Bundesagentur für Arbeit knapp 700 Euro unter denen im Westen. Daraus folgt eine entsprechende Schwäche großer Teile der Haushaltseinkommen, der Renten usw. Das ist ja eine Kette, die daran hängt. Damit ist die Leistungsfähigkeit der Mieterinnen und Mieter so eingeschränkt, dass die nötigen Investitionen nicht wie

bislang, so wie ich es vorhin ausgeführt habe, über die bekannte Modernisierungsumlage in sinnvollen Zeiträumen refinanziert werden können. Also brauchen wir logischerweise sogenannte verlorene Zuschüsse.

Die Nettokaltmieten, die nach Sanierung und/oder Umbau mittlerweile erreicht werden, liegen bei 8 Euro aufwärts. Dies können Mieterinnen und Mieter, die auf Kosten der Unterkunft, also ALG II, oder auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, oder Wohngeldberechtigte nicht bezahlen. Wer diese Kosten nachhaltig dämpfen will, der kann eben nicht auf zinsverbilligte Förderdarlehen setzen, der muss bereit sein, Baukostenzuschüsse zu zahlen.

Nach dem SGB II kann für Personen mit erhöhtem Bedarf auch von den Angemessenheitsgrenzen der KdUSatzungen der Kommunen nach oben abgewichen werden. Wer aber einen Nettokaltmietpreis von 6 Euro oder 6,50 Euro – das wäre die Größenordnung, die von § 22b Abs. 3 abgedeckt wird – erreichen will, der muss bereit sein, diese Spanne von 1,50 bis 2 Euro je Quadratmeter abzufedern. Dazu scheint nach dem ersten Studium des wohnungspolitischen Konzepts derzeit allerdings die Staatsregierung nicht bereit zu sein.

Ich werde in einer dritten Runde nach meinem Kollegen Wehner diese Ausführungen fortsetzen und bedanke mich zunächst für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Fritzsche.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Stange! Man muss einmal dem Eindruck entgegentreten, dass in Sachsen heute und in Zukunft jeder ältere Mensch arm ist. Ich denke, das ist nicht sachgerecht. Ich habe erst einmal nur eine Zahl, weil mich die Äußerungen von Herrn Stange bewegt haben. Zum 31.12.2011 haben in Sachsen 9 656 Personen über 65 Jahre Grundsicherung im Alter bezogen. Wir haben dort eine Tendenz, aber es ist beileibe nicht so, dass man das Gefühl bekommen muss, dass jeder ältere sächsische Mensch heute oder in Zukunft arm ist.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE, steht am Saalmikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde an dieser Stelle noch keine Zwischenfrage gestatten, weil ich erst einmal etwas ausführen möchte. Ich komme noch zum Kern meiner Ausführungen. Das war ein unmittelbarer Einwurf auf die Einlassungen von Herrn Stange.

Außerdem ist festzustellen, dass in Sachsen im Vergleich zum gesamten Bundesgebiet auch in der Gruppe der über 65-Jährigen ein etwas geringerer Anteil als im Bundesgebiet – wo er bei etwa 25 % liegt – des Haushaltsnettoein

kommens für Miete aufgewendet wird. Die Zahl liegt in Sachsen leicht darunter.

Zweifelsohne – das will ich auch deutlich sagen – ist Barrierefreiheit – und der möchte ich mich zuerst zuwenden – ein sehr wichtiges Ziel. Wir haben es daher auch im Leitbild des Landesentwicklungsplanes verankert.

(Beifall des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Herr Wehner, Sie werden sich erinnern.

(Horst Wehner, DIE LINKE: Das war unsere Anregung! Sehr schön!)

Dieses Ziel ist mit vielen großen und kleinen Schritten verbunden. Die Schaffung barrierefreien Wohnraums sowohl im Neubau als natürlich auch beim Umbau bestehender Wohngebäude gehört zweifelsohne dazu.

Ihr Antrag weckt ein wenig den Eindruck, als ob in diesem Bereich bisher nichts geschehen sei. Dies ist natürlich nicht der Fall. Ich möchte dazu Folgendes anführen: Zu den Initiativen des Bundes zu diesem Thema ist anzumerken, dass über die KfW, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, bereits das Förderprogramm „Altersgerechtes Umbauen“ aufgelegt wurde. Aktuell werden dort auf Darlehensbasis Maßnahmen zur Barrierereduzierung in bestehenden Wohngebäuden gefördert. Außerdem hat Bundesbauministerin Barbara Hendricks in einer Pressemitteilung angekündigt, im genannten KfW-Förderprogramm die Zuschussförderung wieder einzuführen.

Für eine gesonderte sächsische Initiative im Bundesrat und gegenüber dem Bundestag besteht aus unserer Sicht daher kein Erfordernis, da entsprechende Instrumente bereits existieren bzw. die Wiederauflage durch die Bundesbauministerin geplant ist.

Für den Neubaubereich sei beim Thema Barrierefreiheit auf § 50 der Sächsischen Bauordnung hingewiesen, „Barrierefreies Bauen“. Dort heißt es in Absatz 1 – ich zitiere –: „In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische mit dem Rollstuhl zugängig sein.“

Es ist insgesamt festzustellen, dass die Barrierefreiheit des Wohnraumes als ein Marktkriterium eine immer stärkere Gewichtung erhält und entsprechend ausgestattete Wohnungen im Neubau so wie umgebaute Wohnungen im Altbau eine bessere Marktchance haben. Viele Eigentümer – darunter sind zahlreiche kommunale Wohnungsunternehmen und natürlich auch Genossenschaften – nutzen die Chancen, die sich hier bieten, um ihren Wohnraum entsprechend am Markt zu platzieren und attraktiv zu gestalten.

Im Freistaat Sachsen existieren bereits entsprechende Förderinstrumentarien. Besonders sei hier auf die Richtlinie Mehrgenerationenwohnen hingewiesen. Diese wurde bereits 2007 erlassen und im Juni 2013 neu gefasst. Sie ist am 19.07.2013 in Kraft getreten. Damit können durch den Freistaat im Rahmen der Richtlinie nun auch Maßnahmen

des barrierefreien Bauens in Bestandsgebäuden gefördert werden. Bisher war lediglich die Reduzierung von baulichen Barrieren förderfähig. Von dieser Richtlinie können alle Sachsen mit Interesse an barrierefreiem oder barrierearmem Wohnraum profitieren. Dazu zählen nicht nur Behinderte, sondern auch Familien mit Kindern, mobilitätseingeschränkte Personen oder ältere Menschen. Damit existiert ein Anreizinstrument zur schrittweisen Anpassung des sächsischen Wohnungsbestandes an die Markterfordernisse, welche auch in Sachsen von der demografischen Entwicklung geprägt werden.

Auch die Förderrichtlinie Wohneigentum kann indirekt zur Zunahme barrierefreien Wohnraums beitragen, denn die Bildung von Wohneigentum ist eine wichtige Säule der Vermögensbildung. Insbesondere wird hier die Altersvorsorge unterstützt. Der eigene Wohnraum stärkt die regionale Verbundenheit. Der Eigentümer möchte oft so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben. Dazu gehört eben die Barrierefreiheit.

Der Fakt mit den eigenen vier Wänden trifft natürlich auf alle zu. Nur etwa 30 % der älteren Menschen wären bereit, im Alter den Wohnraum zu wechseln. 70 % sind nicht umzugsbereit.

In Sachsen gibt es weitere Aktivitäten, die sich mit dem Wohnen im Alter beschäftigen. Ich möchte hier nur eine herausgreifen. Es existiert zum Beispiel ein Gutachten zur Etablierung von Seniorengenossenschaften in Sachsen unter der Ägide des SMS, wozu dann auch wieder das Wohnen im Alter gehört.

In Ihrem Antrag nehmen Sie außerdem Bezug auf die Angemessenheitskriterien gemäß § 22 SGB II. Dabei handelt es sich um Bundesrecht. Eine unmittelbare Einflussmöglichkeit des Freistaates Sachsen ist hier nicht gegeben.

Vor dem Hintergrund bestehender Wohnungsüberhänge und des Fortschreitens des demografischen Wandels kann mit einer Marktentspannung auch für einkommensschwache Schichten gerechnet werden.

Einzuschränken ist diese Einschätzung für die Großstädte Dresden und Leipzig, doch hier gibt es noch existierende Belegungsbindungen im Bestand, und natürlich können darüber hinaus zusätzliche Belegungsrechte vertraglich vereinbart oder angekauft werden, um in kommunaler Verantwortung soziale Härten – auf die Sie, Herr Stange, in Ihrem Redebeitrag ausführlich hingewiesen haben – abzufedern. Vor dem Hintergrund der existierenden sächsischen Förderinstrumente und der – teils noch zu erwartenden – bundesrechtlichen Regelungen ist Ihr Antrag verzichtbar, und wir werden ihn daher ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eine Kurzintervention. Herr Dr. Pellmann, bitte.

In der Tat, Frau Präsidentin. Da ich eine Frage, die ich freundlich stellen wollte, nicht beantwortet bekam, muss ich zu diesem etwas schärferen Mittel greifen.

Herr Kollege, ich muss Sie darauf hinweisen: Wenn Sie Altersarmut bzw. Armut mit Anspruch auf Grundsicherung gleichsetzen, begehen Sie nicht nur einen statistischen, sondern auch einen Denkfehler. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bildet von der Höhe her Armut nicht ab. Die Armutsgrenzen, um die es hier geht, sind höher. Das möchte ich Ihnen zunächst einmal zur sachlichen Richtigstellung ins Stammbuch schreiben.

Die nächste Richtigstellung – darüber haben wir gestern gesprochen, da hätten Sie zuhören können –: Sie stellten darauf ab, dass das Land keine Möglichkeit habe, zu definieren, was Angemessenheit des Wohnraumes ist. Wenn es der Bund nicht definiert hat – das ist unsere Kritik –, dann bedeutet das noch lange nicht, dass das Land es nicht hätte definieren können – und sogar müssen.

Aber es bleibt eines: Der Bund definiert es nicht, das Land definiert es nicht. Also bleibt das Ganze bei den Kommunen hängen, und die stehen im Regen.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf der Abg. Kristin Schütz, FDP)