Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Herr Fritzsche, möchten Sie antworten? – Bitte.

Oliver Fritzsche CDU: Ja, nur ganz kurz. – Herr Dr. Pellmann, mir war es vor allem wichtig, darauf hinzuweisen – ohne auf ganz genaue Größenordnungen einzugehen –, dass nicht jeder ältere sächsische Mensch arm ist. Das war der Kern der Sache;

(Enrico Stange, DIE LINKE: Das hat auch keiner behauptet!)

und Ihr Vorredner Enrico Stange hat diesen Eindruck erweckt. – Vielen Dank.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin spricht Frau Abg. Köpping von der SPDFraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich kann gleich auf den Redebeitrag meines lieben Kollegen Fritzsche Bezug nehmen. Man kann eigentlich sagen: Der Teich ist im Durchschnitt 30 Zentimeter tief und die Kuh ist trotzdem ersoffen. Wir reden uns die Situation in Sachsen schön und sagen, es gibt ja noch gar keinen Bedarf, was diese Themen betrifft, und wir denken nicht an die Zukunft.

Eigentlich sollte das wohnungspolitische Konzept „Wohnen in Sachsen 2020“ ein Zukunftskonzept sein – was es auch durchaus verbal ist –, aber wir müssen es auch inhaltlich und finanziell untersetzen, das ist unser Antrag.

Wenn Sie, lieber Kollege Fritzsche, bei diesen Konferenzen, die wir als Abgeordnete regelmäßig besuchen – auch aus Ihrer Fraktion sind Teilnehmer wie der Kollege Otto dabei –, zuhören, dann hören Sie, dass die Wohnungsbauunternehmen sehr wohl die Sorge haben, dass altersgerechter Ausbau von Wohnungen für die Perspektive zwar machbar, aber von niemandem finanzierbar ist. Deshalb müssen wir uns Gedanken machen, wie die einzelnen Programme, die es gibt – Sie haben sie angesprochen –, miteinander koordiniert, abgestimmt und verknüpft werden.

Die Ausgangslage hat Kollege Stange von der LINKEN ausgiebig erklärt, das muss ich nicht noch einmal tun. Wir sehen es auch als zentrale Aufgabe an, Wohnungen so zu gestalten, dass es für jeden auch im hohen Alter möglich ist, zu Hause zu wohnen. Das ist nicht nur eine Pflichtaufgabe, sondern auch der Wunsch vieler Menschen. Im Wohnumfeld muss dafür gesorgt werden, dass es nicht nur um die Wohnung an sich geht, sondern auch um kurze Wege, was die Versorgung betrifft.

Ich habe gerade mit dem Bürgermeister der Stadt Naunhof gesprochen, um einmal ein konkretes Beispiel zu nennen. Er hat durchaus im Randgebiet von Naunhof leerstehende Wohnungen, Neubauwohnungen der Sechziger- und Siebzigerjahre. Es wäre zum Teil möglich, sie für altersgerechtes Wohnen umzubauen. Aber es gibt dort keine Infrastruktur, deshalb ist die Lage an diesem Standort völlig unvorteilhaft, um altersgerechte Wohnungen zu schaffen. Dies muss im Grunde genommen im Kerngebiet der Stadt getan werden.

Deshalb finde ich es gut, dass momentan im Haushaltsentwurf steht, dass unter anderem die Städtebaumittel wieder aufgestockt werden sollen – von 455 auf 700 Millionen Euro – und auch Kommunen, die in einer finanziellen Notlage sind, diese Mittel zukünftig in Anspruch nehmen sollen, oder die Mittel der sozialen Stadt von 40 auf 150 Millionen Euro aufgestockt werden sollen. Ich hoffe, dass es dann auch im Bund so beschlossen werden kann.

Aber zurück zu dem, was wir fordern. Wir sagen, dass der Markt allein, so wie Sie, lieber Kollege Fritzsche, dies ein wenig angedeutet haben, kein gerechtes Zuhause schaffen kann. Staat und Kommunen müssen weiter eine aktive Rolle in der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik spielen. In Sachsen müssen Förderprogramme aufgelegt werden, welche es den Kommunen ermöglichen, flexibel auf die lokalen Herausforderungen zu reagieren – deshalb mein Eingangssatz mit der Kuh, die trotz des durchschnittlich 30 Zentimeter tiefen Teiches ersoffen ist.

Die Herausforderungen bestehen darin, dass die Förderprogramme wie ein Baukastensystem aufgebaut sein müssen und miteinander kombinierbar sind, und daran fehlt es. Jedes Programm im Einzelnen ist gar nicht so schlecht; aber wie bekommen wir sie miteinander verzahnt und kombiniert? Dort sehe ich eine Herausforderung für die Zukunft. Wir wollen ermöglichen, dass zum Beispiel Fördermittel für die energetische Sanierung mit

Fördermitteln zum altersgerechten Umbau kombiniert werden können. Das wird nur gelingen, indem wir die individuellen Bedürfnisse berücksichtigen und erfassen und dort auch die entsprechende Hilfe garantieren. Kleinere Städte im ländlichen Raum könnten durchaus andere Prioritäten fördern als sächsische Großstädte mit ihren spezifischen Herausforderungen.

Wenn man sich das einmal anschaut, so stehen auch Städte wie Chemnitz oder Zwickau gerade vor dieser Zukunftsproblematik, die heute durchaus bezahlbare Mietwohnungen anbieten, aber aufgrund vorausschauender sozialdemokratischer Politik der Oberbürgermeisterin nach wie vor eine gerechte soziale Durchmischung anbieten können. Meine Sorge ist, dass wir die Gebiete in Sachsen total trennen und, wie manchmal schon in den alten Bundesländern vorzufinden, Gebiete bekommen, in denen nur die sogenannten Armen wohnen. Deshalb denken wir, der steigende Bedarf in Sachsen ist abzusehen. Der demografische Wandel und die Gefahren der Altersarmut tragen dazu bei, dass diesem Thema ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Deshalb unterstützen wir das Anliegen der LINKEN, das Thema aktiv voranzutreiben, und werden aus diesem Grund dem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Für die FDP Herr Abg. Hauschild.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Seit Längerem befinden sich der Freistaat Sachsen und Deutschland insgesamt im Prozess des demografischen Wandels. Unsere Bevölkerung wird im Durchschnitt älter. Insbesondere in den eher ländlich geprägten Regionen Sachsens fällt das auf. Wir werden uns in den nächsten Jahren noch viel mehr auf diese neuen Anforderungen der Gesellschaft einstellen müssen. Dies betrifft viele Bereiche, sei es die Infrastruktur, der öffentliche Personennahverkehr oder auch die medizinische Versorgung.

Im neuen Landesentwicklungsplan nimmt das Kriterium der Barrierefreiheit bereits einen hervorgehobenen Platz ein. Die zunehmend älter werdende Bevölkerung stellt auch völlig andere Anforderungen in Bezug auf Wohnraum. Ich denke, in unserer Gesellschaft besteht ein gemeinsamer Konsens darüber, dass es oftmals der beste Weg ist, wenn alte Menschen ihren Lebensabend in der gewohnten Umgebung verbringen können. Bei Ihrem Antrag habe ich mir jedoch die Frage gestellt, inwieweit hier nur eine bestimmte Bevölkerungsgruppe für das übliche Wahlkampfschaulaufen benutzt wird.

(Horst Wehner, DIE LINKE: Na, na, na!)

Ältere Menschen brauchen nicht zwangsläufig immer eine barrierefreie Wohnung. Die überwiegende Mehrheit kommt in einer barrierearmen Umgebung sehr gut zurecht. Das bestätigten uns auch die Wohnungsgenossen

schaften auf unsere Anfrage. Herr Stange, Ihre Behauptung, untermauert mit Verweis auf Ihr eigenes Zitat, spiegelt die Bedarfe am Nachfragemarkt nicht wider. Der Bedarf an barrierearmen Wohnungen ist von den Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften

erkannt, und sie haben auch schon verantwortungsvoll darauf reagiert.

Auch ohne Ihren Antrag werden schon jetzt seniorengerechte Umbauten vorgenommen, die man aber keineswegs mit den massiven Eingriffen in die vorhandene Bausubstanz verwechseln darf, die der Bau barrierefreier Wohnungen bedeutet. Der Umbau einer nicht barrierefreien zu einer barrierefreien Wohnung bedeutet eben auch Mehrkosten zwischen 15 000 und 20 000 Euro für jede Wohnung. Diese Kosten – das betone ich ausdrücklich – werden heute schon zu einem großen Teil durch die Sozialkassen übernommen, und Ihre Schlussfolgerung, von der Lohnentwicklung zu den Baupreisen und dann auf Zuschüsse für Prognosebedarfe zu kommen, ist recht abenteuerlich. Ein bedeutender Anstieg des Bedarfes an barrierefreiem Wohnraum kann derzeit nicht festgestellt werden.

Damit komme ich zu dem nächsten Problem, das ich mit Ihrem Antrag habe. Prüfen Sie doch bitte, lieber Antragsteller, ob Ihr Wunsch nicht meilenweit an der Realität vorbeigeht. Es gibt eine Kostenübernahme, die maßgeschneidert im Einzelfall greift. Ein zusätzliches Landesprogramm ist absolut nicht nötig, denn in Sachsen haben wir bereits seit dem Jahr 2007 die „Richtlinie zur Förderung von Wohnraumanpassungen für generationenübergreifendes Wohnen“.

Mit dieser Richtlinie können investive Maßnahmen zur Barrierereduzierung und zum Umbau von Wohnungen in bestehenden Gebäude gefördert werden. Zusätzlich haben wir auf Bundesebene das KfW-Förderprogramm zum altersgerechten Wohnen und hier insbesondere die geplante Wiedereinführung der Zuschussförderung. Alle Träger von Investitionsmaßnahmen – neben den privaten Eigentümern auch die Wohnungsgenossenschaften und die Gesellschaften – sind hier antragsberechtigt. Mittelbar kommt diese Unterstützung auch denjenigen Mitbürgern zugute, die aus akutem Anlass oder im Hinblick auf die Zukunft barrieregerechten Wohnraum anmieten möchten.

Dem Ziel der vermehrten Schaffung von alters- und behindertengerechtem Wohnraum in Sachsen müssen wir alle in den nächsten Jahren vermehrt unsere Aufmerksamkeit schenken. Ihren Antrag halte ich zu großen Teilen für nicht zielführend. Er zeigt nur wieder einmal Ihre überbordende Staatsgläubigkeit auf. Deswegen werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Kallenbach,

bitte.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Alle wollen alt werden, niemand will alt sein.

(Allgemeine Heiterkeit)

Obwohl sich alles ständig im Wandel befindet, ist eines sicher: Wir alle werden älter, da herrscht Gerechtigkeit im Leben.

Aktuell liegt die Zahl der über 65-Jährigen in Sachsen bei 25 %, im Jahr 2030 wird jeder zehnte Einwohner in Sachsen über 80 Jahre alt sein. Das sind im Grunde genommen positive Nachrichten. Dennoch werden sie gravierende Folgen haben, denn nicht alle bleiben fit, gesund, leistungsfähig und unabhängig. Die eigene Wohnung steht unter dem besonderen Schutz unserer Rechtsordnung. Sie bietet uns den geschützten Raum zur freien Persönlichkeitsentfaltung. Deswegen sollen und wollen auch ältere Menschen so lange wie möglich unabhängig und selbstbestimmt leben.

Diese Fakten sind für die sächsischen Städte und Gemeinden eine große soziale, politische und ökonomische Herausforderung, die sie keineswegs allein bewältigen können. Leider ist diese Botschaft noch nicht ausreichend bei der Staatsregierung angekommen;

(Michael Weichert, GRÜNE: Nicht nur nicht bei der Staatsregierung!)

denn das lässt sich daraus schließen, dass nicht einmal ausreichend Kenntnis über die konkrete Datenlage zu dieser Bevölkerungsgruppe existiert. Ich zitiere aus der Empfehlung des Landespflegeausschusses „Sächsisches Gesamtkonzept zur Versorgung älterer Menschen mit Behinderung“: „Während über die demografische Entwicklung der Gesamtbevölkerung viel debattiert wird, existieren über die Lebenslage älterer Menschen mit Behinderungen nur wenige empirische Studien.“

Herr Staatsminister Ulbig, woraus Sie anlässlich Ihrer Pressekonferenz zum „Wohnen 2020“ in der vergangenen Woche geschlussfolgert haben, dass wir ausreichend preiswerten Wohnraum zur Verfügung haben, bleibt Ihr Geheimnis. Völlig korrekt ist allerdings Ihre Erkenntnis, dass die Anzahl alten- und behindertengerechten Wohnraums im Freistaat zu gering ist. Wie sich daran allerdings trotz des verbalen Willens grundlegend etwas ändern soll, müssen Sie uns nachher noch erklären.

Wenn wir uns die Förderprogramme ein wenig genauer anschauen, dann stellen wir sehr schnell fest, dass sowohl bei dem mehrfach genannten Bundesprogramm „Altersgerecht umbauen“ als auch bei dem sächsischen Programm „Mehrgenerationenwohnen“ nur Darlehen ausgereicht werden. Es werden technische, wirtschaftliche Beratung und Betreuung zum Bauen gegeben und es wird ein Zuschuss gewährt. Das sächsische Investitionsprogramm „Barrierefreies Bauen 2014“ unterstützt zwar auch kleinere Investitionen zum Abbau von Barrieren im Kultur-, Freizeit, Bildungs- und Gesundheitsbereich, aber Wohnraum ist davon ausgeschlossen.

Wir wissen aber auch, dass Darlehen in Sachsen unterdurchschnittlich genutzt werden. Das liegt einerseits an der finanziellen Situation vieler Hausbesitzer oder Wohnungsgenossenschaften, andererseits sind die Programme oft nicht passgerecht. Wer tatsächlich etwas verändern will und ein relevantes Angebot zur Barrierefreiheit und zum generationsübergreifenden Umbau machen will, der kommt unserer Meinung nach an den Zuschussprogrammen nicht vorbei.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Dass sich die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme zum Antrag auf eine Pressemitteilung der Bundesbauministerin bezieht und darauf verlässt, dass irgendetwas in Planung sei – Herr Fritzsche, Ihnen reicht das offensichtlich auch –, klingt für mich eher als ein Stehlen aus der eigenen Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Altersgerechtes und barrierearmes Wohnen ist menschengerechtes Wohnen. Es profitieren nicht nur alte und hochbetagte Bewohner davon, sondern auch Rollstuhlfahrer oder anderweitig in ihrer Bewegung eingeschränkte Menschen gewinnen an Lebensqualität. Die Prognosen haben wir gehört. Was wir brauchen, ist vorausschauendes Handeln statt selbstzufriedenen Zuschauens. Wir werden dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Für die NPDFraktion Herr Szymanski, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist das übliche Spiel hier im Landtag: Oppositionsparteien bringen einen Antrag ein und die Koalitionsfraktionen lehnen ihn mit ihrer alle fünf Jahre erworbenen Stimmenmehrheit ab. Das Spiel heißt „parlamentarische Demokratie“.