Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Vielleicht ganz kurz etwas dazu: Selbstverständlich ist das Wohngeld mit einer Heizkostenpauschale erforderlich, um den enormen Anstieg der Primärenergiekosten innerhalb von zwölf Jahren in gewisser Weise abzufedern. Allerdings werden wir keine Warmmietenneutralität erreichen können. Wir werden nicht erreichen, dass der
Ein Hinweis noch. Meine Damen und Herren, zinsvergünstigte Darlehen haben funktioniert, allerdings ist unser Beschwernis dabei, dass wir zunehmend in eine Altersarmut hineinwachsen. Das heißt, zunehmend können die Mieterinnen und Mieter den Aufwuchs – die Darlehen werden ja umgelegt – nicht mehr bezahlen. Das ist die Schwierigkeit. Deshalb brauchen wir Baukostenzuschüsse, um nicht Realität werden zu lassen, dass die Nettokaltmieten so aufwachsen, dass sie nicht mehr bezahlt werden können.
Noch ein Hinweis, Herr Fritzsche. Nach dem SGB II wird nicht passgenau bezahlt. Außerdem haben Sie in einem Ausführungsgesetz beschlossen, dass Pauschalierungen möglich sind. Schauen wir uns ganz genau an, was in den nächsten Jahren auf die Mieterinnen und Mieter zukommt, weil die Kommunen mit dem Rücken zur Wand stehen.
Ein Satz noch. Unsere Fraktion hat diesen Antrag insgesamt 16 Betroffenenverbänden und Wohnungsunternehmen zur Stellungnahme überantwortet. Die Stellungnahmen unterstützen ausschließlich diesen Antrag. Sie sagen, die Mehrgenerationenrichtlinie muss geöffnet werden. Sie muss vor allem für den ländlichen Raum endlich die mögliche Förderung zulassen.
Deshalb sage ich mit einem gewissen Augenzwinkern an den Herrn Staatsminister, Herrn Hauschild und Herrn Fritzsche: Wir bereiten uns heute mit dieser Debatte auf die Diskussion am 3. April in Radebeul vor. Da wird man den Profis der Wohnungswirtschaft und den Profis der Sozialverbände nicht mit teilweise sonderbaren Ausreden kommen können, von wegen es läuft schon alles gut. Nein, nein, auch in der Förderung nicht. Da werden wir mit Ihnen klar die Perspektiven der Förderpolitik in den Bereichen Barrierefreiheit, Generationengerechtigkeit und bezahlbarer Wohnraum für die nächsten zehn Jahre diskutieren müssen. In diesem Sinne bitte ich noch einmal um die Zustimmung zu unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Ich werde jetzt über die Drucksache 5/13743 abstimmen lassen und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür und ohne Stimmenthaltungen ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die SPD-Fraktion, danach CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der SPD-Fraktion das Wort; Frau Friedel, bitte.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor knapp zwei Jahren, im Juli 2012, hat die schwarz-gelbe Koalition hier im Landtag eine Novelle des Rettungsdienstgesetzes beschlossen. Wesentlicher Bestandteil dieser Novelle war die Verankerung einer Ausschreibungspflicht. Künftig muss der Rettungsdienst in allen sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten vom Träger europaweit ausgeschrieben werden. Der Wettbewerb, so hieß es damals in den Reden, sei nicht nur europarechtlich vorgegeben, sondern auch gut und vernünftig, denn er werde die Qualität des Rettungsdienstes verbessern.
Es gab durchaus kritische Stimmen zu diesem Gesetzentwurf. Die Befürchtung war, dass der Wettbewerb nicht das Positive hervorbringe, was von der Koalition so benannt worden ist, sondern – im Gegenteil – dass er die Qualität im Rettungsdienst gefährdet, weil er zu Lohndumping führen wird; denn bei den Ausschreibungen entscheidet über den Zuschlag im Wesentlichen der Preis.
Über viele Wochen hat deshalb damals die Initiative „Rettet den Rettungsdienst“ mobil gemacht. Wir haben geholfen, Unterschriften gesammelt, am Ende eine mit 30 000 Unterschriften ausgestattete Massenpetition im Landtag eingereicht. Auch das hat nicht geholfen, den Gesetzentwurf wesentlich zu verändern. Es gab ein paar kleine Zugeständnisse – immerhin –, doch die Ausschreibungspflicht blieb bestehen.
Ich habe mir noch einmal das Protokoll der Sitzung von damals angeschaut. Herr Karabinski und Herr Hartmann sprachen für die Koalition. Herr Hartmann machte uns deutlich, dass der Preis nicht entscheide. Er sagte, es entscheide nicht nur der Preis. Es sei eine Angstmacherei, was hier im Hinblick auf das Preisdumping passiere. Herr Karabinski war noch ein bisschen ausführlicher und deutlicher. „Das von Ihnen an die Wand gemalte Lohndumping im Rettungsdienst“, so sagte er, „wird es nicht geben. Hören Sie endlich auf, den Mitarbeitern Sand in die Augen zu streuen.“ Weiter sagte Herr Karabinski: „Wie alle bisherigen Horrorszenarien der Opposition, von der Schließung aller Schulen und Hochschulen über die Abschaffung der Polizei bis hin zur Stilllegung aller ÖPNV-Strecken, wird auch der Zusammenbruch des Rettungsdienstes nicht eintreten.“
Da haben Sie recht, Herr Karabinski. Der Zusammenbruch des Rettungsdienstes ist nicht eingetreten, die Polizei wurde nicht abgeschafft, die Schulen wurden nicht geschlossen und der ÖPNV wurde nicht überall stillgelegt.
Aber schauen wir uns die anderen Themenbereiche einmal an: Bei der Polizei haben Sie ganz schön gepflügt und 30 von 70 Revieren geschlossen. Was die Stilllegung von ÖPNV-Strecken angeht, so können Sie sich auch einmal im ländlichen Raum umhören, um zu erfahren, wie das ankam. Das Thema Schulen und Hochschulen spreche ich lieber nicht an. Da haben wir oft genug hier im Plenum die Probleme zusammenkehren müssen, die Sie verursacht haben.
Und wir kehren weiter – heute beim Rettungsdienst. Solange eine Struktur nicht vollständig zusammenbricht, ist sie also gut? Das, was Sie damals getan haben, nämlich das Land herunterzuwirtschaften und die Dinge schönzureden, das kenne ich eigentlich eher aus DDR-Zeiten, die auch ich erlebt habe.
Also, wir haben im Februar dieses Jahres eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Wir wollten wissen, was das Ergebnis der Ausschreibungen ist, die schon gelaufen sind. Sind denn die Aussagen von damals, man brauche keine Angst vor Lohndumping zu haben, der Wettbewerb würde keinen Schaden verursachen, zutreffend? Die Staatsregierung konnte uns das nicht beantworten. Die Staatsregierung sagte uns: „Der Staatsregierung liegen keine Erfahrungen aus den bisherigen Ausschreibungen des bodengebundenen Rettungsdienstes vor.“
Eigentlich ist es ja schlau, sich darüber kundig zu machen, welche Folgen Gesetze haben, die wir hier beschließen. Man muss ja gar nicht selbst auf Erkundung gehen; es würde reichen, wenn die Staatsregierung Zeitung lesen würde.
Die „Sächsische Zeitung“ schrieb am 1. Februar zur Ausschreibung im Landkreis Meißen: „Zwei Wochen nach der Übernahme hat der erste Mitarbeiter seine Kündigung erhalten.“ Den MDR-Bericht haben Sie möglicherweise zur Kenntnis genommen.
Wir haben aber nicht nur im Landkreis Meißen eine Ausschreibung gehabt, sondern auch eine in Nordsachsen. Ich möchte gern aus dem Arbeitsvertrag zitieren, der mir aus dem Landkreis Nordsachsen zugegangen ist und der den Mitarbeitern dort angeboten wird. Darin heißt es: „Zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht Einvernehmen darüber, dass der Arbeitnehmer
aufgrund des Betriebsübergangs das Recht hat, sämtliche Vertragsbedingungen beim neuen Arbeitgeber uneingeschränkt fortzuführen. Es ist jedoch der ausdrückliche Wunsch des Arbeitnehmers, einen neuen Anstellungsvertrag mit dem Arbeitgeber zu den nachfolgend beschriebenen Konditionen abzuschließen.“
Was unter den „nachfolgend beschriebenen Konditionen“ zu verstehen ist, kann man sich leicht vorstellen: eine niedrigere Eingruppierung in einen Tarifvertrag mit einer zweifelhaften Gewerkschaft, eine erneute Probezeit von sechs Monaten für altgedientes Personal, die Möglichkeit zur Überlassung in Tochtergesellschaften. Das ist das, was Mitarbeitern dort angeboten worden ist.
Da kann man natürlich sagen: Okay, die müssen ja nicht so doof sein und das unterschreiben. Das mag sein. Sie müssen das nicht. Viele machen es trotzdem aus Sorge um den Arbeitsplatz, aus Sorge darum: Was wird mit mir, was wird mit meiner Familie, was wird mit meiner Existenz, wenn ich dieses Angebot nicht annehme? Als Rettungssanitäter kann ich nicht einfach irgendwo anders hingehen. Das gesamte Los ist ausgeschrieben, zum neuen Anbieter übergegangen, und es gibt auch in der Region keinen anderen Arbeitgeber, zu dem ich alternativ wechseln könnte.
Sie alle hat in den letzten Tagen ein Brief erreicht, den uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst geschrieben haben. Er ist anonym geschrieben. Ich habe es in den letzten Jahren oft erleben müssen, dass mir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzählen, wie die Lage ist, aber auch sagen: Bitte verwenden Sie meinen Namen nicht, bitte erzählen Sie nicht weiter, dass ich das gesagt habe, ich habe hier schon Schwierigkeiten genug.
Ich will Ihnen einige Passagen aus diesem Brief vorlesen: „Mit Bekanntwerden der Ausschreibungsergebnisse
sollten Mitarbeiter schon vor dem 01.01.2014“ – da ist der Übergang zum neuen Anbieter erfolgt – „neue Verträge unterschreiben. Gehaltsunterschiede von 300 bis 600 Euro und der Verlust der Besitzstandszulagen sind damit verbunden. Am Neujahrstag erfolgte die Bekanntgabe, dass Gehälter über Monate nur als Abschlag, 1 200 Euro brutto, gezahlt werden. Nur unter starkem Protest unsererseits erfolgten richtige Gehaltszahlungen. Mitarbeitern werden bis heute falsche Gehaltsgruppen bezahlt oder einfach mal gekürzt, und das wird dann als Missverständnis hingestellt. Zustehende Kindergeldzulagen werden nicht oder nur teilweise bezahlt. In den zwei Monaten seit dem 1. Januar gab es so viele Abmahnungen und ‚nette Gespräche‘ mit Geschäftsleitungen, wie die rund 80 Mitarbeiter im Laufe des alten Berufslebens nicht erfahren hatten.“
„Wir Rettungsdienstmitarbeiter,“, so heißt es weiter, „die durch den Betriebsübergang nach § 613 a eigentlich im Recht sein müssten, lassen uns seit Jahresbeginn von vielen Rechtsanwälten vertreten, um unser Recht zu bekommen. Eigentlich wollten wir nach Jahren und Jahrzehnten Berufserfahrung trotz Arbeitgeberwechsels nur unsere Arbeit zum Wohl des Notfallpatienten fortfüh
ren, ohne zusätzliche Belastungen. Aber die Kraft, die wir für unsere Arbeit brauchen, geht zurzeit vielen verloren.“
„Sehr geehrte Damen und Herren des Sächsischen Landtags,“ – so heißt es weiter in dem Brief – „wir als Wähler in diesem Land fragen alle Parteien im Landtag: Ist das gewolltes Recht? Geht es im Land Sachsen bei der Notfallrettung nur um günstige Anbieter, oder sind es andere Gründe? Wir wollen eigentlich nur unsere Arbeit weitermachen, egal, in welcher Organisation.“
Ich halte diesen Brief nicht für an den Haaren herbeigezogen; denn das, was hier berichtet steht, finden wir auch in anderen Briefen, die uns zugehen, und auch in Interviews in der Zeitung, die mit Geschäftsführern von Wohlfahrtsverbänden geführt werden. Da ist der Geschäftsführer eines Verbandes darauf angesprochen worden, dass es nach dem Übergang Gehaltsunterschiede gibt, dass es Mitarbeiter mit alten und mit neuen Verträgen gibt, die in einem Auto sitzen, wobei der eine 500 Euro mehr als der andere verdient, weil er sich rechtlich gewehrt und das Glück hatte, seinen alten Vertrag zu behalten.
Dieser Geschäftsführer sagt – ich glaube, auch in der „Sächsischen Zeitung“ –: „Wir sind uns dieser Problematik bewusst, und doch werden diese Gehaltsunterschiede in einem langen Prozess herauswachsen müssen. So werden Mitarbeiter, die ihre alten Verträge behalten wollen,“ – das sind die, die dann mehr Geld bekommen –, „ihren Besitzstand auch wahren können. Die Unterschiede werden sich dann über Jahre annähern, weil diese Mitarbeiter eben keine Tariferhöhungen mitmachen.“ Im Klartext: Die Gehälter passen sich an – nach unten.
Das ist die Perspektive, vor der wir vor zwei Jahren gewarnt haben. Das ist die Perspektive, die 30 000 Leute dazu gebracht hat zu unterschreiben. Das ist die Perspektive, die wir Ihnen aufgezeigt haben, bevor das Gesetz verabschiedet worden ist. Sie haben sich in der Koalition mit Ihrer Mehrheit anders entschieden. Das ist so. Damit müssen wir leben. Für uns ist das kein hartes Schicksal, aber für die Leute, die zu diesen Bedingungen arbeiten müssen, für die Leute, die jetzt übergehen, deren Arbeitsverhältnisse zu wesentlich schlechteren Konditionen neu sortiert werden, ist das ein Riesenproblem.
Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass sich die Staatsregierung kundig macht, sodass wir nicht auf anonyme Briefe angewiesen sind, um herauszufiltern, welche Auswirkungen die Ausschreibungen in den Landkreisen hatten. Wir möchten außerdem erreichen, dass die Staatsregierung und Sie als Regierungskoalition etwas tun, was Sie vor zwei Jahren auch vorgegeben haben zu tun, nämlich europäische Vorgaben zu erfüllen.
Vor zwei Jahren haben Sie uns erzählt, wir müssten die Ausschreibungspflicht einführen, denn das sei europapolitisch so vorgesehen und gewollt. Mag sein. Kein halbes Jahr, nachdem wir, nachdem Sie das Gesetz verabschiedet haben, fiel in der Europäischen Union eine große Debatte über das Thema Rettungsdienste an, unter anderem angestoßen durch eine Bundesratsinitiative, die der
Freistaat Sachsen mit unterstützt hat. Jetzt haben wir von der Europäischen Union einen Beschluss vorliegen, der sagt, die Rettungsdienste sind von der Ausschreibungspflicht ausgenommen. Lassen Sie uns bitte diese Chance nutzen und die Rettungsdienste auch im Freistaat Sachsen wieder von der Ausschreibungspflicht ausnehmen.
Ich will zum Schluss noch einen Absatz aus dem Plenarprotokoll von vor zwei Jahren zitieren, der auch Herrn Karabinski zu verdanken ist. Dieser lautete: „Frau Friedel, ich muss Ihnen noch etwas zu Ihrem Vortrag sagen. Es ist nicht sachgerecht, wenn Sie hier auf die Tränendrüse drücken. Sie müssen uns nicht acht Mal sagen, dass es hier um Menschen geht. Das wissen wir selbst. Es geht um die Mitarbeiter des Rettungsdienstes, die Patienten und diejenigen, die den Rettungsdienst rufen. Das wissen wir alles.“ Das haben Sie vor zwei Jahren gesagt.