Herr Bartl, ist Ihr Antrag so zu verstehen, dass wir die Debatte zunächst zu Ende bringen und Sie danach den Antrag noch einmal neu stellen, was die Überweisung betrifft? – Ist in Ordnung.
Wir fahren in der Aussprache fort und es spricht Herr Abg. Pecher für die SPD-Fraktion; bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das „Kollegen“ geht mir nach dieser Geschichte etwas schwerer über die Lippen. Ich sage es einmal so: Im Schacht, in der Hauptmechanik oder auf dem Bau wird derjenige, der einen kleinlichen Vorteil zu erlangen versucht oder verschleiern will, dass er Mist gebaut hat, schlichtweg „Kameradenschwein“ genannt.
Genauso, fühle ich, ist es hier. Wie sich mancher von der Koalition damit fühlt, kann jeder mit sich selbst ausmachen. Genau diesen Dissens, der jetzt hier aufgemacht wird – diese Überfrachtung und dieser ganze Blödsinn, den der Kollege von der Linksfraktion hier dargelegt hat –, hätte man ja in einer Anhörung klären können. Der Deal war aber, um Zeit zu sparen und schnell und effektiv zu arbeiten, auf die Anhörung zu verzichten.
Ich bin ein Mensch, der Kollegen Face zu Face begegnet und sagt: Machen wir es so, ich verlasse mich darauf. Die Zusage war, es wird eins zu eins eingearbeitet.
Ich habe mir gedacht, das kann ja nicht so schwer sein. Es ist ja auch ein technischer Vorgang, der unbestritten ist, der unstrittig war. Deswegen haben alle gesagt, wir brauchen keine Anhörung.
Dann kommt diese Ausschusssitzung. Ich unterstelle Ihnen nicht einmal, dass Sie das absichtlich getan haben. Die politische Wertung, was Ihnen der Artikel 94 wert ist, zeigt ja das Ergebnis, was Sie gemacht haben; das sei jetzt einmal dahingestellt. Es steht mir auch gut zu, es zu bewerten und ad acta zu legen. Aber dann werden Sie im Ausschuss darauf angesprochen: Wir hatten einen Deal, wir haben zugesagt, wir haben das Verfahren vereinfacht, es ist ein rein technischer Vorgang.
Was stört euch daran, jetzt das hineinzubringen, was von dem restlichen Artikel 94 so und so schon drinsteht, auch mit gutem Grund? Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist drin im Abs. 2 und im Abs. 7 ist die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit drin. Sie hätten es sich aussuchen können, ob Sie es unter Abs. 2 und Abs. 7 hineinstellen können, was im Artikel 94 – und ich bin weiß Gott kein Verfassungsrechtler – zwingend mit dem „sowie“, mit diesen zwei Themen, der soziale Ausgleich gekoppelt wurde – für mich damit als Finanzer in einer Einheit zu
betrachten ist –: gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, Sparsamkeit, sozialer Ausgleich. Es wäre recht und billig gewesen, dies in der Eins-zu-eins-Umsetzung mit einzuarbeiten. Es wäre eine ganz kleine Übung gewesen.
Herr Schmalfuß, es wurde der Koalition von der Linksfraktion nahegelegt: Macht jetzt einen Änderungsantrag, dann ist das Thema durch. Deswegen wurde auch eine Auszeit gemacht. Man war aber in dieser Auszeit scheinbar nicht in der Lage, einen Fehler einzugestehen oder die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen.
Für mich ist das zum einen menschlich enttäuschend, und es hat zum anderen auch Auswirkungen auf meine Arbeit. Ich sage Ihnen ganz deutlich: So etwas passiert nicht noch einmal und man sieht sich immer zweimal im Leben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bestandteil des Kompromisses zur Schuldenbremse – nicht Neuverschuldungsverbot – war ja auch, dass die Regelung trotz Bedenkens nicht sofort in Kraft treten sollte, sondern erst am 01.01.2014, um dem Finanzministerium eine Frist für die Einführung, die Übergangsregelung zu ermöglichen.
Die Einführungsregelung in der Haushaltsordnung ist uns im Februar von den Koalitionsfraktionen vorgelegt worden und wie immer – wir sind es ja nun schon gewöhnt mit Entwürfen aus dem Regierungslager – ist es nun höchst dringend, damit der Haushalt vorbereitet werden kann.
Falls noch jemand erwartet hat, dass dieser Gesetzentwurf Gestaltungswünsche der Oppositionsfraktionen aus der gemeinsamen Verfassungsdebatte berücksichtigen würde, wäre dieser enttäuscht worden. Das musste DIE LINKE mit Blick auf den Artikel 94 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung so feststellen wie wir GRÜNEN mit Blick auf die von uns immer eingemahnten Themen Haushaltstransparenz einschließlich der Nebenhaushalte sowie Berücksichtigung der Folgekosten.
Das vorgelegte Änderungsgesetz zielt nun darauf ab, die Möglichkeiten und Grenzen der Kreditaufnahme zu fixieren, und es verharrt auch dabei bei unscharfen Rechtsbegriffen wie der „angemessenen Haushaltsrücklage“, über die wir uns schon trefflich streiten mussten.
Nie analysiert haben Sie, welcher Novellierungsbedarf bei der Sächsischen Haushaltsordnung generell besteht, obwohl diese aus dem Jahr 2001 stammt – aus einer Zeit also, als man im Freistaat Sachsen auch in den Kommunen noch kameral dachte. Selbstredend wird die Praxis
zeigen, wie die Regierung die Regelungen zum Konjunkturkredit konkret anwendet und ob das Parlament in angemessener Weise informiert wird. Für uns ist die Rechtsstellung des Parlaments eine besonders wichtige angesichts der Art und Weise, wie in Sachsen bisher Doppelhaushalte gemacht worden sind. Der Rechnungshof hat das ebenso wie wir immer kritisiert.
Wenn es in § 18 Abs. 3 nun heißen soll, dass die Bereinigung der Steuereinnahmen auf Basis anerkannter und nachvollziehbarer Grundlagen durchzuführen ist, sind wir schon sehr gespannt, was die nächste Regierung uns dann zur nächsten Haushaltsberatung vorlegen wird. Wir werden auf die Evaluierung der Konjunkturkreditregelungen drängen. Das sage ich Ihnen jetzt schon zu.
Über die direkte Umsetzung der Schuldenbremse wären aus unserer Sicht wesentliche weitere Reformen im sächsischen Haushaltsrecht dringend gewesen. In den Verfassungsverhandlungen haben wir immer wieder darauf verwiesen, jetzt aber sind sie für Sie gar kein Thema mehr. Hier haben Sie, sehr geehrte Kollegen von der CDU und der FDP, wieder einmal bewiesen, dass echte Staatsmodernisierung mit Ihnen nicht zu machen ist.
Wir halten es weiter für geboten, die Folgekosten in der Haushaltsplanung besser zu berücksichtigen und die Transparenz der Haushalte gegenüber Parlament und Bürgerschaft zu verbessern. Sie scheinen so etwas ja nach wie vor mit einer Hasenfüßigkeit zu scheuen, die beeindruckend ist, wenn man das ins Verhältnis setzt zu Ihrem Eigenlob bezüglich der relativ guten Haushaltslage in Sachsen.
Der Ausweis der Folgekosten und der wirtschaftlichen Risiken von Investitionsausgaben erscheint als eine absolut logische und konsequente Flankierung der Schuldenbremse. Beim Bau des City-Tunnels Leipzig haben wir alle die Erfahrung gemacht, wie wichtig das ist. Auch wenn solche enormen Baukostensteigerungen um 100 % in der Regel ausbleiben, entstehen beispielsweise bei vielen Straßenbauprojekten in Sachsen Folgekosten. Sachsen hat jetzt schon bundesweit mit das überörtlich dichteste Straßennetz. Ich sage es Ihnen immer wieder, Herr Minister. Bauen wir jetzt bei absolut sinkender Bevölkerung noch dazu, steigern wir die Folgekosten pro Kopf ständig, und das fehlt uns bei der Sanierung des Netzes. Das müssen Sie einmal thematisieren. Das sind Zahlungsverpflichtungen an zukünftige Generationen, und die unterscheiden sich nicht von Schuldtiteln.
Außerdem scheuen Sie allgemein verständliche Erklärungen wie der Teufel das Weihwasser in diesem Hause. Wir hätten uns vorgestellt, dass man in § 17 der Haushaltsordnung die Erläuterungspflichten gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit erweitert. Wir wollen schon, dass die Bürgerinnen und Bürgern in den Wahlkreisen wissen, wie teuer das Bändchendurchschneiden ist, mit dem Sie sich gern fotografieren lassen. Bei den Kommunen ist das nach Einführung der Doppik gang und gäbe, beim Freistaat gilt leider noch ein anderes, veraltetes Maß.
Nicht zuletzt wünschen wir uns eine Qualifizierung der Vermögensrechnung – § 36 der Haushaltsordnung – und mehr Transparenz bei den Beteiligungsunternehmen. Da, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen von der FDP, hätten Sie einmal einfordern können, dass staatliches unternehmerisches Handeln besser kontrolliert werden kann. Ich nenne nur das Stichwort Flughafen. Von all dem kam leider nichts. Sie haben nicht darüber nachgedacht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich im vergangenen Jahr beim Verfassungsänderungsgesetz der Fraktionen CDU, SPD, FDP und GRÜNE enthalten. Da sich an den Überzeugungen der NPD-Fraktion nichts geändert hat, werden wir uns auch bei der anstehenden Änderung der Sächsischen Haushaltsordnung ebenfalls enthalten, denn sie ist ja im Wesentlichen die einfachrechtliche Umsetzung der Verfassungsänderung.
Da jedoch nach erfolgter Verfassungsänderung die Änderung des entsprechenden einfachrechtlichen Gesetzes zwingend ist, kann ich hier nicht gegen diese Änderung an sich argumentieren, sondern nur gegen die Einführung des Kreditaufnahmeverbots in die Verfassung. Diese Diskussion haben wir aber im vergangenen Jahr schon ausführlich gehabt, und ich habe jetzt auch nicht vor, die ganzen Argumente der NPD-Fraktion hier abermals zu wiederholen.
Lediglich auf einen Aspekt möchte ich ganz kurz eingehen, weil ich glaube, dass er letztes Jahr nicht angesprochen wurde. Er betrifft § 18 Abs. 2 der geänderten Haushaltsordnung, wo es um die Kriterien für die Zulässigkeit einer Neuverschuldung geht. Dort heißt es – ich zitiere –: „Eine Kreditaufnahme ist nur zulässig erstens bei einer von den durchschnittlichen Steuereinnahmen der vorangegangen vier Jahre (Normallage) um mindestens 3 % abweichenden konjunkturellen Entwicklung oder zweitens bei Naturkatastrophen oder in außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen. Voraussetzung dafür ist die Feststellung der Ausnahmen durch den Landtag gemäß der Sächsischen Verfassung und der haushaltsgesetzlichen Ermächtigungen nach Abs. 7 Nr. 1.“
Ich möchte im Namen der NPD-Fraktion darauf aufmerksam machen, dass es natürlich naheliegt, sich zu fragen, wie stark der Konjunktureinbruch im aktuellen Haushaltsjahr bei verschiedenen Konjunkturentwicklungen in den vorangegangenen vier Jahren sein muss, damit überhaupt dieses festgelegte 3-%-Kriterium greift. Das ist unseres Erachtens eben auch die Gefahr bei der Definition der
sogenannten Normallage, die übrigens so auch in der wissenschaftlichen Literatur gesehen wird. Insbesondere eine lange, in der Tendenz der Steuereinnahmen nach unten gerichtete stagnative Entwicklung ohne dramatische Ausreißer nach unten oder nach oben könnte beispielsweise dazu führen, dass nach der vorliegenden Definition der Normallage eben niemals eine zulässige Kreditaufnahme möglich sein könnte, obwohl sie volkswirtschaftlich und konjunkturell nötig sein könnte.
Die Frage der NPD-Fraktion lautet deswegen: Sind die Definitionen der Normallage und das 3-%-Kriterium angesichts solcher durchaus möglicher Szenarien ausreichend durchdacht worden, oder nehmen deren Erfinder einfach in Kauf, dass der Freistaat eines Tages vor einem unlösbaren Problem stehen könnte? Warum geht man dieses Risiko ein, obwohl Sachsen seit dem Jahr 2006 auch ohne Schuldenbremse keine nennenswerte Neuverschuldung zu verzeichnen hat?
Aber, meine Damen und Herren von den Fraktionen, die im vergangenen Jahr die Verfassung änderten und das Neuverschuldungsverbot einführten, Sie haben damals A gesagt und müssen jetzt natürlich auch B sagen. Nur, mit unserer Unterstützung können Sie dabei nicht rechnen.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde in der Aussprache aus den Reihen der Fraktionen. Verabredet war mit Herrn Bartl, dass ich nach dieser Runde über den Antrag entscheiden lasse.
Deswegen habe ich das doch ganz konkret gefragt, verehrter Herr Kollege Scheel. Es hätte doch einfach genügt zu sagen, wir warten erst die Aussprache ab. Aber ich hatte extra die erste Runde gemeint.
Herr Präsident, ich glaube, das liegt an mir. Ich entschuldige mich dafür. Gemeint war tatsächlich, dass wir den Antrag nach der Aussprache einbringen, um auch die Argumente der Koalition berücksichtigen zu können.
Das macht ja auch Sinn. Vielen Dank. Dann werden wir das auch so tun und gehen jetzt in eine zweite Runde; Herr Abg. Michel. Sie haben das Wort, Herr Michel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Gesetzentwurf wurde am 11. Februar 2014 formell in den Geschäftsgang eingebracht. Er war vorher schon wochenlang einigen finanzpolitischen Verantwortlichen der Fraktionen, die an den Verfassungsgesprächen teilgenommen haben, bekannt.
Am Tage der Einbringung haben wir auf Beraterebene nochmals per Mail den Gesetzentwurf an die Fraktionen von LINKEN, SPD und GRÜNEN verschickt. Richtigerweise erfolgte dann die Zuweisung des Antrags in die Zuständigkeit des HFA. Am 12. Februar 2014 fragten die Vertreter der Koalitionsfraktionen im HFA ausdrücklich nach, ob eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf gewünscht wird.
Im Haushalts- und Finanzausschuss wurde eine Bedenkzeit vereinbart. Nach deren Ende kam die Mail aus dem Ausschusssekretariat des HFA, dass die Fraktionen DIE LINKE, SPD, GRÜNE und NPD keine Anhörung wünschen. Deshalb weise ich Täuschungsvorwürfe ausdrücklich zurück. Jeder hatte die Gelegenheit, den Antrag zu lesen; er ist auch nicht so lang, dass man irgendetwas nicht hätte entdecken können.