Protokoll der Sitzung vom 09.04.2014

Ich komme zu meinem für heute vorbereiteten Konzept. Die Fachregierungserklärung befasst sich mit einem Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum, das angeblich neu sein und darüber hinaus für eine verlässliche Politik stehen soll. Ich sage Ihnen gleich zu Anfang: Meine Fraktion, die NPD, bezweifelt alles, was in diesem euphemistischen Arbeitstitel zum Ausdruck gebracht werden soll. Dieses Programm ist keineswegs etwas bahnbrechend Neues, sondern lediglich ein Bestandteil des Brüsseler Konzeptes

„Europa 2020“, das wiederum nichts anderes darstellt als den Wurmfortsatz der gescheiterten LissabonStrategie.

(Beifall bei der NPD)

Bei näherer Betrachtung der europäischen Wirtschafts- und Währungsgestaltung fühlt man sich eher von der Politik verlassen, als dass man von verlässlicher Politik sprechen könnte.

Zudem ist allein bei der Begrifflichkeit „Entwicklungsprogramm“ die entscheidende Gretschenfrage, nicht nur nach dem, was entwickelt werden soll, zu fragen, sondern ebenso bedeutsam ist, wer denn überhaupt der Entwickler ist. Das sind doch nicht Sie, meine Damen und Herren von der Staatsregierung. Sie sind doch lediglich die willfährigen Erfüllungsgehilfen einer Brüsseler EU-Programmflut, die uns in unserer autonomen Entscheidungsfreiheit beschneidet, überdies noch auf exorbitant kostspielige Weise.

(Beifall bei der NPD)

Dieses Parlament, der Sächsische Landtag, stellt die legislative Säule der staatlichen Gewalt im Freistaat dar, zumindest nach der ursprünglich zugrunde liegenden Theorie. Aber die Entwicklung seines ländlichen Raumes bis 2020 betreffend, der immerhin 83,5 % der Fläche ausmacht und noch immer Heimat der Mehrheit aller Sachsen ist, wird den gewählten Mandatsträgern eine von der Genehmigung einer demokratisch fragwürdigen EU-Kommission abhängige Drucksache von 380 Seiten vorgelegt, die nach nur vierwöchiger Kenntnisnahme hier zur Debatte freigegeben wird, allerdings ohne relevante beschlussfassende Wirkung.

Meine Damen und Herren! Das ist kein Parlamentarismus, sondern eine Farce. Das ist keine gelebte Demokratie, sondern eine Groteske. Das ist keine Selbstbestimmung, sondern bestenfalls noch eine schlechte Illusion von Selbstbestimmung.

(Beifall bei der NPD)

Machen Sie sich, uns und den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat doch nichts vor: Die Entwicklung der ländlichen Regionen in Sachsen war zu keinem Zeitpunkt selbstbestimmt. Sie war und ist zunehmend von extern festgelegten Rahmenbedingungen dominiert, die großräumig übernationalen und finanzwirtschaftlichen, aber nicht originär landes- und kommunalpolitischen Interessen verpflichtet sind.

Diese Rahmenbedingungen, denen auch der vorliegende und in Rede stehende EPLR 2014 bis 2020 unterliegt, sind an den Zielen Globalisierung, Freihandel, Kapitalfreiheit und strukturpolitische EU-Transferpolitik ausgerichtet, aber nicht an einer traditionsbehafteten und zukunftsorientierten Gestaltung der sächsischen Heimatregionen. Die Auswirkungen auf diese Heimatregionen sind hinreichend bekannt und sogar in einem Maße offensichtlich, dass sie nicht einmal im Teil der Bestandsaufnahme des EPLR völlig geleugnet

werden können. Ich bin geneigt, Sie sogar der Dreistigkeit zu bezichtigen, hier von einem Entwicklungsprogramm zu sprechen, wo doch zutreffender von einer seit mehr als zwei Jahrzehnten andauernden Abwicklung statt Entwicklung der ländlichen Räume zu sprechen wäre.

(Beifall bei der NPD)

Die davon betroffenen Bürgerinnen und Bürger Sachsens wurden jedoch hinsichtlich ihres Einverständnisses zu dieser einer staatsauflösenden EU-Integration geschuldeten politischen Weichenstellung niemals befragt. Sie sprechen von einer verlässlichen Politik für Sachsen. Das mag sein, doch kommt es darauf an, worauf Verlass ist und ob dies wünschenswert für unsere sächsische Heimat ist. Sehen wir uns doch als Ausweis der Güte Ihrer Politik einfach die Ergebnisse der bisherigen Entwicklungspolitik für den ländlichen Raum nach EU-Maßgabe an. Bezogen auf die im Entwicklungsplan in Rede stehenden Raumkategorien ist die Bevölkerung im ländlichen Raum von 1990 bis 2010 um insgesamt 18 %, aber auch im sogenannten Verdichtungsraum um 10 % zurückgegangen. Die Zahlen stammen aus der vorliegenden Drucksache. Zudem wird eine Fortsetzung dieses Negativtrends für einen über den hier behandelten Programmzeitraum hinausreichenden Zeitraum prognostiziert. Ist es das, worauf Ihre verlässliche Politik abzielt? Vielen Dank, darauf verzichten wir gern.

(Beifall bei der NPD)

Die Divergenz zwischen dem ländlichen und dem Verdichtungsraum wurde in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich größer, das soll heißen, der ländliche Raum fällt zunehmend zurück und verliert folglich an relativer Attraktivität und auch Lebensqualität. Ist es das, worauf Ihre verlässliche Politik abzielt? Vielen Dank, darauf verzichten wir gern.

Das wohnortnahe Arbeitsplatzangebot im ländlichen Raum wurde geringer, wodurch der Zwang zum Pendlerwesen zunahm, obgleich nicht verhindert werden konnte, dass sich eine sich häufig auch von der Konjunktur abkoppelnde strukturelle Arbeitslosigkeit

vornehmlich im ländlichen Raum niederschlägt. Ist es das, worauf Ihre verlässliche Politik abzielt? Vielen Dank, auch darauf verzichten wir gern.

(Beifall bei der NPD)

Bei bis zu einem Viertel der sächsischen Gemeinden im ländlichen Raum ist es kaum noch möglich, vor Ort Waren des täglichen Bedarfs zu erwerben. Die infrastrukturelle Mindestausstattung bricht zusammen. Kleinräumige Versorgungsstrukturen brechen teils rapide weg. Ist es das, worauf Ihre verlässliche Politik abzielt? Auch darauf verzichten wir gern.

(Beifall des Abg. Holger Szymanski, NPD)

Meine Damen und Herren! Wenn in Ihrem Entwicklungsprogramm festgestellt wird, dass ein Struktur

wandel mit negativen Auswirkungen auf die Grundversorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum durch die demografische Entwicklung bereits als Gesetz gilt, dann stellt sich die berechtigte Frage, was denn überhaupt noch entwickelt werden soll. Wenn es nur noch um eine organisierte Evakuierung statistisch definierter Entleerungsräume geht, sollte nicht von einem Entwicklungsprogramm, sondern wahrheitsgemäß von einem Resignationskonzept gesprochen werden.

Es ist leider zwangsläufig so, dass dort, wo Menschen abwandern, die Bevölkerung überaltert, die Geburtenrate einbricht, die Nachfrage nach Konsumgütern sowie das Angebot an Fachkräften fehlt, in deren Folge sukzessive die gesamte soziokulturelle und ökonomische Infrastruktur wegzubrechen droht. Dann entsteht zwangsläufig früher oder später das Problem der Unrentabilität von Gesundheits-, Bildungs-, Verwaltungs- und Verkehrseinrichtungen, wenn man nicht mit aller Vehemenz politisch dagegen anarbeitet. Mit aller Vehemenz heißt, auf Landesebene über förderpolitische Alternativen mit dem Ziel der Dezentralisierung der Wirtschaft, über beispielsweise die Förderung von regionalen Filialnetzen und infrastrukturelle Schwerpunktverlagerung, siedlungs- und familienpolitische Anreize, regionale Pauschalbudgets, raumorientiertes Vergaberecht und vieles mehr zu agieren, indem man die Budgethoheit einfordert und die finanziellen Mittel dann selbst in die Hand nimmt.

Wenn man in Brüssel über die Verwendung des eigenen Geldes nachfragen muss und jede Maßnahme genehmigungsabhängig ist, dann ist dies selbstredend nahezu unmöglich zu bewerkstelligen. Das ist das eigentliche Problem.

Aus diesem Grund atmen Ihre Programme auch nur den Geist eines Schrumpfungsparadigmas und besitzen keinerlei Gestaltungskraft. Wer sich der Disziplin unterzog, das EPLR zu lesen, musste erschreckt sein von der Fülle nichtssagender Fragen auf Allgemeinplatzebene. Am interessantesten war noch die Anlage 3 oder die Anlage mit den diversen Stellungnahmen einzelner Verbände während des Erarbeitungszeitraumes. Doch überwiegend mutet die Lektüre realitätsfremd an. Da liest man – um ein Beispiel zu nennen – unter der sogenannten Unionspriorität II – zugegeben wohlklingend – vom Ziel „einer hohen Investitionsfreudigkeit der landwirtschaftlichen Unternehmer bei hohem Mobilitätsgrad“. Doch wie realistisch ist dies, wenn gerade einmal 30 % der Betriebsleiter noch einen Nachfolger in Aussicht haben? Ebenso wünscht man eine Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe, obwohl die Vorhaben laut EPLR reduziert werden sollen. Auf die Erfolgsaussichten darf man aufgrund dieser zielkonkurrierenden Ausgangslagen wohl

berechtigt gespannt sein.

Erstaunlicherweise wird im EPLR nicht einmal in Abrede gestellt, dass eine gestiegene Volatilität der Agrarmärkte und der Abbau klassischer Marktord

nungsinstrumente nicht nur Einkommens-, sondern auch Investitionsrisiken für die Landwirtschaft zur Folge haben. Nur wird nicht über sinnvolle Marktordnungsinstrumente diskutiert, sondern geglaubt, eine temporäre Förderrichtlinie mit hohem administrativem Aufwand könnte einen Investitionsboom auslösen. Wer die Drucksache aufmerksam gelesen hat, der konnte der SWOT-Analyse entnehmen, dass es betreffend die kleineren Betriebsgrößenklassen größere Strukturveränderungen geben wird, die zur Freisetzung von Arbeitskräften führen werden.

Warum ist das so? Das ist nur deshalb so, weil uns in Sachsen und in Deutschland die Kompetenz für die Rahmenbedingungen längst abhandengekommen ist. Um unsere ländlichen Räume in Sachsen überhaupt entwickeln zu können, müssen wir uns erst einmal freimachen von den Zwängen der Brüsseler Fremdbestimmung. Wer stets nur Brüssel im Sinn hat, der kann die Heimat nicht im Herzen haben.

(Beifall bei der NPD)

Sie behaupten, primäres Anliegen der sächsischen Strategie des EPLR wäre die Unterstützung der Entwicklung des ländlichen Raumes durch verstärkte Entscheidungskompetenz und Verantwortung auf

lokaler Ebene. Sie haben doch auf der Landesebene schon nichts mehr zu sagen. Wie wollen Sie so Entscheidungskompetenzen auf lokaler Ebene garantieren?

Meine Damen und Herren! Hätten wir diese Entscheidungskompetenz auf lokaler Ebene wirklich, müssten wir uns im Zusammenhang mit der Gestaltung der ländlichen Räume nicht mit Ihren Mobilitätsmantras auseinandersetzen, wenn man doch angeblich auf wohnortnahe Arbeitsplätze setzt, oder Phantomprobleme zur Nichtdiskriminierung von Frauen ertragen. Predigen Sie Ihre Gleichstellungsvorstellungen doch lieber in den zahlreichen überfüllten Asylbewerberheimen und langweilen Sie damit nicht unsere Landsleute in den ländlichen Räumen.

Sollten Sie wirklich Ihren eigenen Entwicklungsplänen Glauben schenken, verfestigt sich die Diagnose eines schweren politischen Autismus. Fragen Sie nur einmal – um einen weiteren Aspekt des EPLR anzuschneiden –, wie viele Ihnen angesichts der in der Drucksache selbst eingestandenen Probleme bei der Aus- und Weiterbildung zutrauen, die angekündigten Brücken zwischen Forschung und Praxis zu schlagen. Wer in der Anlage zum EPLR die vielen Stellungnahmen besieht, der kann sich des Eindrucks schwer erwehren, nicht allein zu sein mit dem Gefühl, die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Gerade diese Anlage mit den Stellungnahmen lässt sehr deutlich erkennen, dass die Staatsregierung nicht über die wesentlichen Handlungskompetenzen verfügt, um vielen seitens der Verbände eingebrachten Änderungswünschen und Vorschlägen nachzukommen.

Ob es neben der Gründungsunterstützung um zusätzliche Hilfsmaßnahmen der Bestandssicherung geht oder die Förderung dauerhaft konservierender Bodenbearbeitung oder die partielle Ausweitung investiver Maßnahmen oder mehr Anreize für die Umstellung auf ökologische Betriebswirtschaftsformen oder Änderungen der Förderrichtlinie beim Wissenstransfer oder eine Änderung der Kofinanzierungsansätze oder um viele andere Aspekte mehr – in kaum einem Fall war irgendeine der Anregungen Anlass für eine Programmänderung.

Ich unterstelle ganz offen, dass Sie nicht einmal in der Lage sind, eigene, von Brüssel abweichende Akzente zu setzen. Dies ist das entscheidende Thema bei dieser Debatte, weil es der NPD-Fraktion bewusst ein Anliegen ist, keine Detaildebatte darüber zu führen, mit welcher Geschwindigkeit der Karren gegen die Wand gefahren wird, sondern darum, grundsätzlich die Richtung der Fahrt des Karrens zu ändern.

(Beifall bei der NPD)

Wir sehen keinen Fortschritt darin, in diesem Brüsseler Völkergefängnis bei der Uhrzeit des Hofgangs mitreden zu dürfen.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Das ist eine Unverschämtheit!)

Das Wesentliche im Zusammenhang mit dem EPLR sowie hinsichtlich der anderen Operationellen Programme und der Strukturfonds ist die Feststellung, dass wir von zwei Euro, die wir nach Brüssel geben, nur einen Euro zur vorgeschriebenen Verwendung zurückbekommen. Das möchten wir uns nicht weiter bieten lassen.

(Beifall bei der NPD)

Der Zustand vieler Kreise im ländlichen Raum Sachsens lässt es nicht zu, uns der passgenauen regionalen Gestaltungsmacht berauben zu lassen und auf finanzielle Mittel zu verzichten. Der ländliche Raum Sachsens soll seine Entwicklung erfahren, allerdings nicht durch fremde Vögte aus Brüssel, sondern durch Sachsen und mit deutschen Geldern ohne Umwege und Abstriche durch die EU.

Jeder nur denkbare Entwicklungsplan für Sachsen, der diesen Namen auch wirklich verdient, kann nur über die Selbstbestimmung führen. Doch davon ist der vorliegende EPLR Lichtjahre entfernt.

Am 25. Mai hat der Wähler jedoch die Möglichkeit, seinen diesbezüglichen Einfluss in Europa geltend zu machen. Somit kann in Sachsen auch für die Entwicklung des Freistaates gestimmt werden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Müller sprach für die NPD-Fraktion. Wir sind am Ende der ersten

Runde angekommen und beginnen eine zweite Runde. Das Wort könnte die Fraktion DIE LINKE ergreifen. Die Redezeit ist jedoch fast aufgebraucht. Frau Dr. Pinka, möchten Sie die 40 Sekunden in Anspruch nehmen? – Nein, dann komme ich zur nächsten Fraktion. Die CDU-Fraktion hat nunmehr das Wort. Das Wort ergreift Herr Kollege Tiefensee. Bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl ich recht groß bin, haben Sie mich fast übersehen.

Sie waren an der Flanke.