Protokoll der Sitzung vom 09.04.2014

Da müssen wir, sehr geehrte Damen und Herren, bei der Diskussion um die Vorschläge der Bundesregierung im Rahmen der EEG-Reform natürlich fragen, ob diese Vorschläge diesen sächsischen Interessen, nämlich steigende Strompreise zu vermeiden, gerecht werden.

Wenn wir uns die Ergebnisse anschauen, dann heißt es, die EEG-Umlage wird weiterhin steigen; vielleicht nicht mehr so schnell wie bisher, aber sie wird auch in der Zukunft steigen. Das heißt, die privaten Haushalte werden mit steigenden Strompreisen belastet, und die Unternehmen werden mit steigenden Strompreisen belastet, nämlich genau diejenigen, die eben nicht in den Genuss der besonderen Ausgleichsregelung oder der entsprechenden Regelungen bei der Stromsteuer kommen. Es sind Mittelstand und Handwerk, die die Zeche für diese Politik bezahlen, und deswegen habe ich formuliert, dass die Bundesregierung bei ihrer EEG-Reform Mittelstand und Handwerk aus den Augen verloren hat.

Es ist auch so, dass nicht nur die großen Industriekonzerne im internationalen Wettbewerb stehen; es tut doch auch der Bäcker, der natürlich seine Brötchen nicht international verkauft, aber seine Vorprodukte letztendlich aus dem internationalen Wettbewerb bezieht, und wenn wir Teiglinge aus Asien oder aus Afrika haben, die mit ganz anderen Energiepreisen produziert werden und bei uns in die Märkte kommen und die Bäcker dort verdrängen, dann stehen sie auch im internationalen Wettbewerb.

Auch das muss man berücksichtigen, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben daher als Staatsregierung im Bundesrat eingebracht, die Stromsteuer auf das EU-Mindestniveau zu senken, also wir haben Initiativen in diesem Zusammenhang unternommen. Der Ministerpräsident und ich haben dieses Thema immer und wieder bei den Kollegen in Berlin angesprochen.

Wenn man sich anschaut, wie die Dinge auch in der Öffentlichkeit, in den Medien bewertet werden, dann lohnt es sich, einen Blick in die heutige Ausgabe der „LVZ“ zu werfen. Dort wird kommentiert – ich zitiere: „Einer muss bezahlen, und das ist wieder einmal in erster Linie der kleine Verbraucher oder Gewerbebetrieb.“ Das ist die öffentliche Wahrnehmung und diese öffentliche Wahrnehmung ist leider zutreffend. Es heißt in der „LVZ“ weiter als Überschrift zu dem Kommentar: „Große Worte – kleine Taten.“ Man könnte auch sagen: Große Koalition, kleine Ergebnisse. Die Probleme sind in die nächste Legislatur verschoben worden, sehr geehrte Damen und Herren. Gerade einmal vier Monate nach Amtsantritt der Regierung werden zentrale Probleme in unserem Land auf die nächste Legislatur verschoben. Sehr geehrte Damen und Herren, unter Reform des EEG hätten wir alle etwas anderes, etwas Mutigeres erwartet.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Die Belastung der Schienenbahn ist in diesem Zusammenhang bereits angesprochen worden. Allein auf die Dresdner Verkehrsbetriebe werden 310 000 Euro Zusatzbelastungen pro Jahr zukommen. Auf die Leipziger Verkehrsbetriebe sind es 350 000 Euro pro Jahr, insgesamt in Sachsen über eine Million Euro. Wer zahlt denn letztendlich die Folgen dieser Politik aus Berlin? Es ist doch wieder der kleine Mann, der Verbraucher, der den ÖPNV benutzt und mit steigenden Ticketpreisen konfrontiert wird. Auch das ist eine Folge der Energiepolitik der Bundesregierung.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Hatten Sie nicht gefordert, die Ausnahmen von der EEG-Umlage beim ÖPNV zu beenden? – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das war gestern!)

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Thema Eigenstromerzeugung. Wir haben uns als Staatsregierung selbstverständlich dafür eingesetzt, dass es einen Bestandsschutz gibt und dass Altanlagen zur Stromerzeugung von der EEG-Umlage ausgeschlossen werden. Herr Panter, Sie haben in der letzten Debatte zu diesem Thema noch bestritten, dass Herr Gabriel dies überhaupt vorhat, da hatten wir bereits Initiativen in Berlin unternommen, um dieses Vorhaben zu verändern. Wir waren erfolgreich damit, wir haben uns in dieser Frage gegenüber der Bundesregierung durchgesetzt.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Prof. Dr. Martin Gillo, CDU)

Allerdings muss man sich fragen, warum eine neue Anlage im Bereich der Eigenstromerzeugung jetzt mit der EEG-Umlage belastet werden soll – auch dann, wenn sie mit dem öffentlichen Netz gar nicht verbunden ist, wenn sie gar keinen Strom aus dem öffentlichen Netz bezieht, also vollkommen autark ist. Warum soll so jemand, der die „Segnungen“ des öffentlichen Netzes gar nicht in Anspruch nimmt, eine EEG-Umlage bezahlen? Das ist für uns als Staatsregierung nicht nachvollziehbar.

Wir haben weiterhin Initiativen eingebracht. Wir haben einen kompletten Gesetzentwurf für die EEG-Reform vorgelegt, damit endlich die Marktkräfte auch im Bereich der erneuerbaren Energien wirken, weil das Wirken der Marktkräfte dazu führt, dass die Strompreise nicht steigen, dass sie sinken. Auch das war im Interesse der Bevölkerung im Freistaat Sachsen, die zu 98 % keine steigenden Strompreise haben möchte.

Wir haben außerdem einen Netzsoli gefordert, damit diejenigen, die von der Einspeisevergütung und vom Einspeisevorrang profitieren, sich solidarisch an den Kosten beteiligen müssen. Auch das hätte dazu geführt, dass die Strompreise für die Bürger im Freistaat Sachsen sinken; auch das war ein Vorschlag der Staatsregierung.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir nehmen die Diskussion um den ländlichen Raum ernst; wir nehmen auch die Diskussion um den Tourismus im ländlichen Raum ernst, was heute schon Gegenstand der Debatte war. Deswegen wehren wir uns als Freistaat Sachsen, als Staatsregierung dagegen, dass unsere schöne sächsische Kulturlandschaft mit immer mehr Windrädern „verspargelt“ wird.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Sehr geehrte Frau Kollegin Hermenau, Oligopole in der Stromwirtschaft – Sie haben das gerade kritisiert. Wer war es denn, der im Jahr 2002 mit einer Ministererlaubnis die Fusion von E.ON und Ruhrgas durchgewunken hat? Das war der Staatssekretär Tacke. Das war genau der Staatssekretär Tacke, der kurz nach seiner Entscheidung aus der Regierung in die Energiewirtschaft, zur STEAG gewechselt hat – einer Energiegesellschaft, die zuvor zu E.ON gehörte. Hier wurde Lobbypolitik in allererster Güte betrieben. Und, sehr geehrte Frau Hermenau – das haben Sie heute nicht erwähnt –: Sie waren damals Mitglied des Deutschen Bundestages.

(Oh-Rufe von der SPD – Antje Hermenau, GRÜNE: Ich habe das dort kritisiert!)

Herr Tacke amtierte in einer Koalition von SPD und GRÜNEN, und Sie saßen im Deutschen Bundestag und haben den Mund nicht auf- und den Hintern nicht hochbekommen.

(Unruhe – Stefan Brangs, SPD: Sehr charmant! – Weitere Zurufe)

Es ist fast pharisäerhaft, wie Sie sich hier hinstellen und gegen Oligopole wettern, die Sie selbst durch Nichtstun im Bundestag mitverursacht haben, Frau Hermenau.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Eine Folge dieser Oligopole sind die Probleme, die wir mit der VNG heute haben, weil sie in dem Zusammenhang mit verkauft werden musste. Auch daran sollten Sie einmal denken, Frau Hermenau.

Zum Schluss, sehr geehrte Damen und Herren, zur Braunkohle. Ich finde es schon bedenklich, dass wir im Rahmen dieser Diskussion über das EEG eine Regelung für die Steinkohle in Nordrhein-Westfalen, für den Offshorewind in Niedersachsen und den Onshorewind aus Baden-Württemberg finden, aber keine Lösung für die Braunkohle aus Ostdeutschland. Es ist bedauerlich, dass weder Herr Gabriel noch Herr Baake bereit oder willens waren, diese Positionen gegenüber der EU zu verhandeln. Ganz offensichtlich ist es so, dass die Interessen des Ostens bei SPD und GRÜNEN keine Rolle mehr spielen. Das sehen wir auch, wenn wir über das Thema Mindestlohn diskutieren, das insbesondere für Ostdeutschland ein Problem ist. Die Politik von SPD und GRÜNEN ist eigentlich 25 Jahre nach der friedlichen Revolution nur noch als „Schande“ zu bezeichnen.

(Beifall bei der FDP – Oh-Ruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Herr Brangs, es gab übrigens mal einen Kanzlerkandidaten der SPD, der gegen die deutsche Einheit gewesen ist. Das kommt alles mal wieder. Schade ist es, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP – Stefan Brangs, SPD: Ein unwürdiger Beitrag! – Martin Dulig, SPD: Da steht das Wasser bis zum Hals! – Weitere Zurufe)

Herr Panter, Sie möchten gern eine Kurzintervention machen; dazu haben Sie Gelegenheit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Danke schön. – Es dauert ja nicht mehr lange; wir müssen es nicht mehr so lange ertragen, das ist gut so.

Ich möchte zwei Dinge festhalten; zum einen zum Thema Braunkohle: Es gibt auch Braunkohle in NordrheinWestfalen. Schauen Sie einmal nach – Garzweiler ist so ein Stichwort. Vielleicht kann es auch sein, dass diese Bemühungen, von denen Sie sprachen, doch nicht ganz so intensiv und auf jeden Fall nicht erfolgreich waren, Herr Morlok.

Was ich festhalten möchte, ist nach Ihrer Rede, die Sie gerade gehalten haben: Wo Sie sich auskennen, worin Sie sich richtig auskennen, das ist Nichtstun. – Danke schön.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Herr Morlok, ich gehe davon aus, dass Sie auf die Kurzintervention antworten möchten. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Panther, selbstverständlich hat die Staatsregierung im Rahmen der Förderung der Braunkohle verhandelt. Sie hat erfolgreich verhandelt. Es war Ministerpräsident Tillich, der am Dienstagabend der vergangenen Woche im Kanzleramt durchgesetzt hat, dass die Bundesregierung, dass Herr Sigmar Gabriel und Herr Baake auf der europäischen Ebene in Sachen Braunkohle nachverhandeln müssen. Das ist von Herrn Tillich, unserem Ministerpräsidenten, durchgesetzt worden mit der Unterstützung der Bundeskanzlerin gegen Ihren Parteivorsitzenden, gegen Sigmar Gabriel. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Wahrheit ist auch, dass Ihr Herr Gabriel von der SPD und der GRÜNEN-Staatssekretär Barke diesen Auftrag der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin nicht ernst genommen haben, weil sie andere parteipolitische Interessen haben, weil sie eigentlich gegen die Braunkohle sind. Sie haben – ich sage es einmal so, ich überspitze das einmal – die sächsischen Interessen zugunsten ihrer parteipolitischen Ideologie verraten. Das ist das Problem, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Damit ist die 1. Aktuelle Debatte abgeschlossen.

Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Staatsregierung blockiert Rentengerechtigkeit: Das Beispiel „Mütterrente“

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion DIE LINKE das Wort. Die weitere Reihenfolge: CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD, Staatsregierung, wenn gewünscht.

Herr Dr. Pellmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, herzlichen Dank.

Die von uns beantragte Debatte ist von hoher Aktualität. Fast jeden Tag wird in den Medien und in den Parlamenten über ein Rentenpaket diskutiert, das zum 1. Juli zunächst vielen eine Verbesserung bringen soll. Ich will allerdings einschränkend deutlich machen: Bei genauerem Besehen handelt es sich eher um ein Rentenpäckchen; denn – und das ist meine erste Hauptkritik – die Große Koalition hätte jetzt die Möglichkeit, endlich die notwendige Rentenreform auf den Weg zu bringen. Wer soll es sonst tun, wenn nicht diese satte Mehrheit? Aber was ich erlebe, ist eben, wie gesagt, nichts anderes als ein Rentenpäckchen.

Und was tut die hiesige Staatsregierung, die natürlich als Vertreterin des Landes, in dem die Bevölkerung den höchsten Altersdurchschnitt hat, am ehesten handeln muss? Entweder schweigt sie oder sie verhält sich in der Abstimmung im Bundesrat unsolidarisch hinsichtlich Initiativen anderer Bundesländer. Beispiel „Mütterrente“. Dazu wird allerdings meine Kollegin Gläß in der nächsten Runde Stellung nehmen. Ich will vielmehr zur generellen Versäumnishaltung der Staatsregierung in der Rentenfrage Stellung nehmen. Auch das ist von hoher Aktualität.

Erstens. Wo bleibt – so frage ich die Staatsregierung – das Konzept zur Angleichung der Rentenwerte? Sie müsste es mit befördern. Was ich höre, ist null. Nein, ich höre ein Hilfsargument. Die Staatsregierung meint, man müsse eigentlich sogar dagegen sein, weil ja dann der Hochwertungsfaktor der ostdeutschen Löhne wegfiele. Dazu sage ich Ihnen: Wer sagt Ihnen denn das? Es ist eine politische Entscheidung, und es hängt von den Politikern ab, wie damit umzugehen ist. Es ist kein inneres Beziehungsgefüge zwischen beiden. Wir haben immer noch 9 % Unterschied, und auch die Staatsregierung sorgt mit dafür, dass die Renteneinheit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird.

Zweitens. Was tut die Staatsregierung gegen Altersarmut? Ich fordere seit Jahr und Tag ein Konzept an. Nichts bekomme ich. Es gibt keinen Widerstand gegen die Senkung des Rentenniveaus. Bei Kohl waren es noch 53 %. Inzwischen sind wir bei knapp 48 %, und es soll bis 2030 auf 43,7 % zurückgehen. Wo bleibt Ihr Protest dagegen? Wer gegen Altersarmut ist, muss dafür sorgen, dass das Rentenniveau nicht weiter abgesenkt wird.