Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

(Christian Piwarz, CDU: Vielleicht sind Sie auch schneller zu Ende, als Sie gedacht haben!)

Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass wir die Gelegenheit haben, heute über die Operationellen Programme diskutieren zu können. Dass wir über den Stand der Planung besser informiert sind als je zuvor, feiern wir natürlich auch ein bisschen als GRÜNEN-Erfolg, den wir im Jahr 2008 vor dem Landesverfassungsgericht erstritten haben. Hinzu kommt aber auch Folgendes: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Mein Gesamteindruck ist folgender: Die Dokumente haben sich in der Qualität, Struktur und Aussagekraft im Vergleich zu früheren Förderperioden klar verbessert. Dafür möchte ich einen ganz besonderen Dank an die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien aussprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Die Konzentration auf weniger Ziele und ein hoher Stellenwert für den Klimaschutz sind die Markenzeichen der neuen Förderperiode – das allerdings vorrangig dank

der Europäischen Union. Endlich erfolgt ein größerer Fokus auf den Klimaschutz, die Energieeinsparung und die energetische Sanierung. Allerdings sollten Strukturfondsmittel den nötigen Strukturwandel befördern und nicht Technologien ohne Zukunft wie zum Beispiel die Kohlewirtschaft über Forschungsgelder weiter beatmen. Ich werte es als Erfolg, dass die noch im November 2013 enthaltenen 160 Millionen Euro für den Straßenneubau auf Druck der EU-Kommission gestrichen wurden. Daher schlagen wir Ihnen vor, die nun freien Mittel teilweise in die Verbesserung des Radverkehrs zu stecken.

Kurzum lässt sich Folgendes feststellen: Das EFRE-OP ist grüner als je zuvor. Sie können es sich sicherlich denken: Es ist uns längst nicht grün genug. Trotz vieler guter Ansätze wurde manche Chance nicht genutzt. Folgendes Stichwort möchte ich hierbei nennen: der Flächenverbrauch. Machen wir uns nichts vor, mit dem Großteil des Geldes aus dem EFRE-Topf wird gebaut, Boden versiegelt, werden Energie und Ressourcen verbraucht. Wir erwarten, dass der Einsatz der EFRE-Mittel so gesteuert wird, dass keine oder eine möglichst geringe negative Umweltwirkung entsteht. Dass dies möglich ist, beweist das OP des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Nach dem Motto „Wer die Musik bezahlt, der bestimmt, was gespielt wird“ nutzt die dortige Landesregierung zur Steuerung des Fördermitteleinsatzes ein Bonussystem. Wenn das Umweltmanagement eines geförderten Unternehmens zu mehr Ressourcen- und Energieeffizienz führt, bekommt es einen höheren Fördersatz.

Das sollte auch in Sachsen möglich sein. Wer keine Flächen neu versiegelt, bekommt einen Zuschlag. Wer auf der grünen Wiese baut, muss einen Abschlag in Kauf nehmen. Offenkundig geht es nämlich nicht ohne Anreize. Nach jüngsten Angaben des Sächsischen Landesamtes für Statistik lag der Anteil von Investitionen sächsischer Unternehmen in den Umweltschutz 2012 bei ganzen 9 % der Gesamtinvestitionen.

Stichwort energetische Sanierungen: Europäisches Ziel ist die Reduzierung der CO2-Emissionen um 20 % bis 2020. Wir wissen, 40 % der Energie und 30 % aller Treibhausgase werden für Heizung und Kühlung von Gebäuden aufgewendet. Daher begrüßen wir natürlich die energetische Gebäudesanierung. Aber wir wissen auch, dass die sehr häufig eingesetzten Styroporplatten leicht brennen, giftige Kleber enthalten und sich letztlich nur als Sondermüll entsorgen lassen. Wir wollen daher vorrangig langlebige und umweltverträgliche Baustoffe einsetzen. Ein anderer Weg wäre, dem Eigentümer das Erreichen der CO2-Energiesparziele zu honorieren. Das haben wir bereits mehrfach vorgeschlagen.

Bei aller Freude über die energetische Sanierung von Gebäuden gehört auch dazu, Naturschutzaspekte zu beachten, beispielsweise Nistmöglichkeiten für wild lebende Tiere in diesen Gebäuden. Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt müssen also Hand in Hand gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stichwort Hochwasser: Wir wollen, dass mit den geplanten Mitteln im Hochwasserschutz mindestens jene 7 500 Hektar Retentionsflächen geschaffen werden, die das Ministerium nach 2002 bereits selbst vorgesehen hatte, wobei es bisher allerdings nur zwei der 49 geplanten Maßnahmen wirklich umgesetzt hat. Auch im KirchbachBericht konnten wir lesen: „Hinsichtlich der Gewinnung von Überschwemmungsflächen ist ein schnelleres Vorgehen angezeigt.“

Meine Damen und Herren, die Strukturfonds sind die Chance, beim sächsischen Hochwasserschutz umzusteuern und ihn ökologisch und ökonomisch nachhaltiger zu gestalten.

Stichwort Verkehr: Positiv bewerten wir alle Maßnahmen zur Förderung umweltfreundlicher Mobilität. Wir lehnen es aber ab, dass als Beitrag zur Vermeidung von CO2Emissionen EFRE-Mittel in Binnenhäfen investiert werden. Am Beispiel Hafenausbau Riesa wurde durch meine Kleinen Anfragen deutlich, dass ohne KostenNutzen-Analysen jährlich Millionen in Hafenbecken versenkt werden. Deutlich sinnvoller ist die Förderung multimodaler Güterverkehrszentren. Wir sind für Binnenschifffahrt, aber diese muss den Fluss als Lebensraum respektieren. Flüsse wie die Elbe, die teilweise noch frei fließen, dürfen nicht ausgebaut, begradigt, gestaut oder verbaut werden, gerade auch wegen des Hochwasserschutzes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zum Operationellen Programm für den Europäischen Sozialfonds. Sachsen hat sich dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel zu stellen. Wir haben 10 % Schulabbrecher, 5 % Langzeitarbeitslose, und die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer beträgt nur 60 %. Dazu kommen viele Menschen mit Behinderungen und Migrationshintergrund, ja sogar 200 000 Analphabeten, die, wie es so – nicht wirklich – schön heißt, alle miteinander „arbeitsmarktfern“ sind.

Nun kann der ESF nicht retten, was in der Bildungs- und Sozialpolitik seit Langem schiefläuft. Es wird an den Symptomen gedoktert, an die Wurzeln geht es nicht. Wer meint, man könne in der Frühförderung von Kindern und Jugendlichen sparen, muss ein Vielfaches an Mitteln in die Qualifizierung der Erwachsenen stecken, weil sie als Fachkräfte fehlen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schön, dass der ESF die berufliche Qualifizierung jugendlicher Straftäter fördert. Die Frage bleibt doch aber, warum immer wieder in der Jugendhilfe und in der Prävention gekürzt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ich bedaure es, dass Flüchtlinge als Zielgruppe im ESF nicht erwähnt werden, obwohl wir die Probleme mit den höheren Aufnahmequoten und den Defiziten bei Personen kennen, die schon lange bei uns leben. Dabei können sich Asylsuchende ohne Zugang zur deutschen Sprache nicht

wirklich integrieren, und viele kommen aus den verschiedensten Gründen nicht in den Genuss der Fördermöglichkeiten des Bundes. Deshalb wollen wir, dass ESF-Mittel für Sprachkurse eingesetzt werden. Das lässt die Partnerschaftsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik

Deutschland und der EU ausdrücklich zu.

Ein letztes Wort zum ESF: Meine Fraktion hält es weder für sinnvoll noch für begründbar, die Förderung von Nachwuchsforschergruppen auf die sogenannten MINTFächer zu begrenzen. Herausforderungen wie der demografische Wandel erfordern eine verstärkte Förderung der Geistes- und Sozialwissenschaften. Das sollte im OP explizit benannt werden, zumal 200 Millionen Euro dafür zur Verfügung stehen.

Leider muss ich auch sagen, dass die Staatsregierung auch manche Chance in der Programmsteuerung bzw.

-verwaltung verpasst.

Erstens. Es hätte die Option gegeben, die Programme als Multifondsprogramme zu führen und damit eine Mittelkombination zu ermöglichen. Die Kommission hat vorgeschlagen, über Ressortgrenzen hinweg alle Fonds, die zur sozioökonomischen Entwicklung einer Region beitragen, mit gemeinsamen Regeln und Abrechnungsmodi unter ein Dach zu bringen.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Das scheint sich mit der Säulenarchitektur unserer Ministerien nicht zu vertragen.

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Schade drum! Synergieeffekte wären damit gerade bei der integrierten Stadtentwicklung und im ländlichen Raum erreichbar gewesen. Niedersachsen hat das getan. Warum kann Sachsen das nicht?

Zweitens. Die Staatsregierung bleibt allein am Steuerrad. Das müsste sie nicht. Die Kommission ermutigt die Regionen, Kompetenzen für die Programmplanung und -umsetzung auch abzugeben. Sie kann den Kommunen zum Beispiel einen Teil der Verantwortung für die Prioritätsachse Nachhaltige Stadtentwicklung übertragen. Sie will es nicht. Soziale Integrationsmaßnahmen im ESF werden in Thüringen und in Niedersachsen von sogenannten EU-Büros der Wohlfahrtsverbände übernommen. Sie planen und verwalten die Budgets sogar selbst. Auch in Sachsen gab es derartige Angebote. Leider keine Chance für die Verbände.

Drittens. In nur drei Bereichen, nämlich in der Stadtentwicklung, bei Risikokapitalfonds und im Nachrangdarlehen für KMU, werden die sogenannten Finanzinstrumente genutzt. Das ist insofern unverständlich, weil die Hebelwirkung revolvierender Fonds für private Investitionen inzwischen anerkannt ist. Sie wären auch ein guter Grundstock für die Zeit nach 2020, wenn wir davon ausgehen müssen, dass keine Fördermittel mehr fließen. Man hätte dann weiter Unterstützungsmöglichkeiten.

Der bürokratische Aufwand bei der Abrechnung von Fördermitteln bleibt offenkundig in beträchtlichem

Umfang erhalten. Entlastung scheint es nur durch die Einführung gewisser Pauschalen zu geben. Die Staatsregierung verweist dabei gern auf Brüssel. Fakt ist aber, sie hätte die Sächsische Haushaltsordnung längst mit dem EU-Förderrecht synchronisieren können und müssen.

Die Staatsregierung deutet nunmehr an, sie wolle ein eigenes Regelwerk finden. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Schließlich ein Wort zum Abschluss: Ich denke, wir können froh und dankbar sein, dass wir auch in den kommenden Jahren trotz verbesserter wirtschaftlicher Entwicklung wieder viele europäische Fördermittel bekommen. Seit 1990 sind das mehr als 12 Milliarden Euro allein bei der Strukturfondsförderung, andere Programme gar nicht erst erwähnt. Vergessen wir aber bitte nicht, dass 27 % der Bewohner der EU in Regionen leben, deren Bruttoinlandsprodukt weit unter diesen 75 % Durchschnittswert in der EU liegt.

Lassen Sie uns auch aus Sachsen eine Botschaft der Solidarität senden, wenn es um das Verteilen von Geldern geht. Herr Heidan, außerordentlichen Dank, Ihre Botschaft habe ich vernommen. Sie sehen es offensichtlich auch so. Denken wir daran: Die Europäische Union ist weit mehr als Geld aus Brüssel. Das ist meine persönliche Botschaft und die meiner Fraktion an die nächste Legislaturperiode: Es steht Sachsen bestimmt gut zu Gesicht, endlich wieder einen eigenständigen Europaausschuss zu haben.

Ich danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Schimmer für die NPD-Fraktion. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute haben wir einmal mehr die ehrenvolle Aufgabe, als Abgeordnete zu Beschlussvorlagen Stellung zu nehmen, die zwar aufs engste unser Land betreffen, die aber weder aus unseren eigenen Reihen noch – was die wesentlichen Inhalte betrifft – von der Staatsregierung stammen, sondern von dieser lediglich zusammengestellt wurden, und zwar in ungeklärter Kooperation mit externen Stellen und im Auftrag sowie nach detaillierten Vorgaben der EU-Kommission in Brüssel, einer Institution, die weder in Sachsen noch in ganz Deutschland auch nur den Hauch einer demokratischen Legitimation besitzt, zumindest nicht im Sinne von Artikel 20 Grundgesetz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wir fordern eine Rückführung aller Gesetze auf demokratische Entscheidungen.

Nein, im Ernst, meine Damen und Herren von der Staatsregierung, für ehrenvoll halte ich diese Aufgabe nicht. Ganz im Gegenteil. Ich halte es einer Regierung für unwürdig, in fremdem Auftrag, nach fremden Vorgaben und mit Rechenschaftspflicht gegenüber einer fremden,

demokratisch nicht legitimierten Institution weichenstellende Pläne für die Gestaltung des eigenen Landes ausarbeiten zu müssen.

Meine Fraktion hält es eines Parlamentes für unwürdig, durch einen an sich redundanten formellen Akt einem solchen Vorgang einen Anstrich von demokratischer Legitimation zu geben. Wir Abgeordneten des Sächsischen Landtages können heute im Zuge dieses Vorganges zwar einige Worte über die Operationellen Programme EFRE und ESF reden und formell darüber abstimmen, aber keineswegs entscheiden, genauso wenig wie der Haushalts- und Finanzausschuss über längst beantragte und in Brüssel genehmigte Umschichtungen von sogenannten EU-Geldern im Haushalt entscheiden kann, obwohl er formenwahrend darüber gerade noch einmal abzustimmen hat.

Hier kann man mit Blick auf unsere Volksvertretung, auf unseren Sächsischen Landtag beschämenderweise von mehr Schein als Sein sprechen. Das wissen Sie so gut wie ich, meine Damen und Herren, nur dass die NPD die einzige Partei in diesem Hause ist, die dieses schäbige Spiel nicht mehr mitspielt.

(Beifall bei der NPD)

Wir wissen auch, dass wir heute wie zuvor der federführende Ausschuss mehrheitlich nur mit Ja stimmen können. Wir würden uns sonst nur blamieren, da die Operationellen Programme auch ohne unsere Zustimmung gelten. Sollte dies hypothetischerweise nicht der Fall sein, würde ein Nein nur dazu führen, dass wir unsere Brüssel überantworteten deutschen Steuergelder nicht mehr zurückbekommen würden. Die NPD-Fraktion hält dies in staats-, verfassungs- und demokratierechtlicher Hinsicht für skandalös, aber die wirkliche Katastrophe ist, dass der Vorgang wichtigste innere Angelegenheiten unseres Landes betrifft, bei denen unser engagiertes, beherztes und vor allem eigenverantwortliches Handeln dringend erforderlich wäre.

Jeder halbwegs Informierte in diesem Plenum weiß doch, dass wir in fast allen Landesteilen mit nicht metropolartigen Strukturen – das sind in Sachsen 90 % der Landesfläche mit 70 % der Bevölkerung –, trotz zum Teil idyllischer Fassaden eine seit dem Dreißigjährigen Krieg in deutschen Landen nicht mehr erlebte demografische Implosion haben. Dennoch – und auch das wissen wir zur Genüge – laufen alle Pläne der Staatsregierung nur darauf hinaus, diesen Prozess, den man menschenverachtend „demografischer Wandel“ nennt, lediglich zu verwalten, nicht aber einzudämmen oder vielleicht sogar umzukehren.

Das, meine Damen und Herren, ist ein politischer Skandal unerhörten Ausmaßes, eine regelrechte Sabotage gegen die Interessen unseres Freistaates und seiner Menschen. Woran liegt das? Ganz offensichtlich an einem Mangel an funktionierenden demokratischen Strukturen. Den deutschen Volksvertretungen auf allen Ebenen ist zum Beispiel sowohl die Budgethoheit als auch die echte legislati